Urteil des LG Dortmund vom 01.09.2010
LG Dortmund (höhe, chirurgischer eingriff, wasser, betrieb, zeuge, behandlung, verhandlung, umfang, betreiber, wohnung)
Landgericht Dortmund, 4 O 167/09
Datum:
01.09.2010
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 167/09
Tenor:
Die Klage gegen die Beklagten zu 1) bis 3) wird abgewiesen.
Die Klage gegen die Beklagte zu 4) wird dem Grunde nach für
gerechtfertigt erklärt.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) bis 3) trägt die
Klägerin.
Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung
vorbehalten.
Das Urteil ist für die Beklagten zu 1) bis 3) gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Schmerzensgeld- und
Schadensersatzansprüche anlässlich der Behandlung vom 20. bis zum 23.06.2008 im
Schlafmedizinischen Zentrum, L-Str. # in M geltend. Die Beklagten zu 1) bis 3) betreiben
dort ein Schlaflabor, wobei streitig ist, inwieweit sie gesellschaftsrechtlich miteinander
verbunden sind. Eigentümer des Objektes ist mittlerweile die Beklagte zu 4).
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Die Klägerin war jahrelang Patientin der Beklagten zu 1) und 2) in deren Praxis in der
L2-Straße in M. Sie litt und leidet an verschiedenen Atemwegsbeschwerden sowie einer
Rheumaerkrankung.
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In der Zeit vom 20. bis zum 23.06.2008 befand sich die Klägerin zur Abklärung einer
Schlafapnoe im Schlafmedizinischen Zentrum in M. Dieses war Anfang des Jahres
2008 eröffnet worden. In dem Zentrum wurde die Klägerin von der Beklagten zu 2)
untersucht. Am Abend des 22.06.2008 benutzte sie in dem Zimmer "X" die Dusche.
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Am 02.07.2008 wurde die Klägerin notfallmäßig in das P Hospital in M eingeliefert, wo
in der Folgezeit eine Infektion mit Legionellen festgestellt wurde.
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Die Klägerin behauptet, sie habe sich im Schlafmedizinischen Zentrum am Abend des
22.06.2008 beim Duschen mit einer Legionellen-Pneumonie infiziert. In den Tagen nach
der Behandlung habe sie zunächst unter den Symptomen einer allgemeinen
Erkältungskrankheit gelitten. Der Zustand habe sich aber zusehends verschlechtert, so
dass sie am 02.07.2008 einen unvermittelten körperlichen Zusammenbruch erlitten
habe und daraufhin ins P Hospital M eingeliefert worden sei. Sie habe dort bis zum
12.08.2008 im Koma auf der Intensivstation gelegen. Es habe sich ein Aufenthalt in der
Zeit vom 13.08. bis zum 20.08.2008 in der Lungenfachklinik in I angeschlossen. Dort
habe sie ebenfalls noch im Koma gelegen. In der Zeit vom 21.08. bis zum 13.10.2008
habe dann eine Behandlung in der Rehaklinik B stattfinden können. In dieser Rehaklinik
habe sie mühselig das Sprechen, Schlucken und Laufen wieder lernen müssen. Sie
habe bei der Entlassung mit 2 Gehhilfen gehen können. Auch nach der Entlassung
habe sie weiterhin Krankengymnastik und eine Ergotherapie betreiben müssen. Ihre
Rheumaerkrankung habe sich jedoch verschlimmert, da die Rheumatherapie während
der intensivmedizinischen Behandlung habe abgesetzt werden müssen.
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Die Klägerin nimmt die Beklagten zu 1) bis 2) als behandelnde Ärzte und Betreiber des
Schlaflabors in Anspruch. Sie behauptet, das Gesundheitsamt des Kreises Unna habe
durch mehrfache Probeentnahmen festgestellt, dass sie sich dort mit Legionellen
infiziert habe. Die Wasserproben dort hätten Legionellen enthalten, während die Probe
in ihrer eigenen Wohnung keine Auffälligkeiten gezeigt habe. Das Gesundheitsamt
habe auch festgestellt, dass technische Mängel in der Hausinstallation bestanden
hätten. Die Benutzung der Duschen sei untersagt und außerdem seien
Sanierungsvorschläge unterbreitet worden. Es seien sogenannte Totleitungen
vorhanden gewesen, in welchen sich das Wasser habe aufstauen können. Zudem
hätten Mängel an der Heizungsanlage bestanden, da die erforderliche Temperatur von
über 55° sich nicht habe erreichen lassen. Im Schlaflabor seien auch keine
Hygienemaßnahmen durchgeführt worden. Es habe kein Hygieneplan bestanden und
es seien keine regelmäßigen Wasserproben entnommen worden.
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Die Klägerin meint, als Betreiber des Schlaflabors habe die Verpflichtung für die
Beklagten zu 1) bis 2) bestanden, die allgemeinen anerkannten Regeln der Technik zur
Vermeidung von Trinkwasserverunreinigungen einzuhalten, nämlich die DIN 1988
sowie die DVGW Arbeitsblatt W 551 + W 553. Darauf sei auch in der Baugenehmigung
hingewiesen worden. Die Beklagten zu 1) und 2) seien auch Unternehmer bzw. Inhaber
einer Wasserversorgungsanlage gemäß § 3 Nr. 2 c sowie 16 Abs. 3
Trinkwasserverordnung. Sie behauptet, dass einfache Schutzvorkehrungen wie z. B. der
Einbau von einer Desinfektionsanlage oder regelmäßige Spülungen den
Legionellenbefall mit Sicherheit vermieden hätten.
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Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 3) als Mitarbeiter des Labors und als "Vermieter"
der Räumlichkeiten in Anspruch. Auch er habe insbesondere aus der Baugenehmigung
um die besonderen Einhaltungsvorschriften für die Aufbereitung des Trinkwassers
gewusst. Auch seine Verpflichtung wäre es gewesen, die anerkannten Regeln der
Technik und die zuvor dargestellten Vorschriften einzuhalten.
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Die Beklagte zu 4) wird als Gebäudeeigentümerin in Anspruch genommen. Die Klägerin
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meint, dass diese für die Installation, Einrichtung und Wartung der Heizungsanlage
verantwortlich sei und diese so habe durchführen müssen, dass keine gesundheitlichen
Gefährdungen für die Nutzer bestünden. Sie sei dafür verantwortlich, dass Totleitungen
vorgelegen hätten, eine Temperatur von über 55° nicht zu erreichen gewesen sei und
auch mangelhafte Armaturen bestanden hätten.
Die Klägerin behauptet, bei der Schmerzensgeldhöhe sei zu berücksichtigen, dass sie
zeitlebens unter den Folgen der Infektion zu leiden habe. Sie habe 8 Wochen stationär
gelegen, sei künstlich beatmet worden und habe sich in einem lebensbedrohlichen
Zustand befunden. Es habe eine mühselige Rehabilitation stattgefunden. Weiterhin
würden Funktionsbeeinträchtigungen bestehen. Die Muskulatur habe sich vermindert.
Mittlerweile sei allerdings auch wieder eine Besserung eingetreten. Infolge des
Luftröhrenschnittes sei eine Narbe verblieben. Außerdem sei sie bezüglich Blase und
Schließmuskel des Darms inkontinent. Am 18.05.2009 habe ein chirurgischer Eingriff
nach Entzündung des linken Unterarmes durch Verlegung eines Ports und der
Schläuche sowie durch das Spritzen stattfinden müssen. Danach sei auch eine Narbe
verblieben. Die Beweglichkeit des linken Armes sei weiter eingeschränkt.
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Die Klägerin erachtet insoweit ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 € für
angemessen. Dabei sei auch der Leidensdruck der Familie und die entgangene
Urlaubsfreude einzubeziehen. Die Familie habe einen geplanten Urlaub abbrechen
müssen.
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An materiellen Kosten verlangt die Klägerin die Erstattung von Fahrtkosten ihres
Ehemannes in Höhe von 3.051,90 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Auflistung Bl.
12 und Bl. 58 ff. d. A. verwiesen. Ferner verlangt sie Zuzahlungen und Eigenanteile in
Höhe von 454,24 € erstattet.
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Die Klägerin behauptet, weitere Schäden seien zu erwarten, insbesondere, seien
Haushaltsführungskosten abzurechnen.
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Schließlich verlangt sie die Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die vorgerichtliche
Tätigkeit.
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Mit Schreiben vom 06.11.2008 forderte ihr Rechtsanwalt die Beklagten zu 1) und 2) zur
Haftungszusage auf, was deren Versicherung mit Schreiben vom 09.12.2008
zurückwies. Auch die Haftungsaufforderung an die Beklagte zu 4) mit Schreiben vom
19.12.2008 wurde von deren Versicherung am 29.12.2008 zurückgewiesen. Das
Gleiche gilt hinsichtlich der Aufforderung an den Beklagten zu 3) mit Schreiben vom
27.01.2009.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes
Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
23.06.2008 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 3.506,14 €
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Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr
sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden anlässlich der
Behandlung im Schlaflabor vom 22. bis 23.06.2008 zu ersetzen, soweit diese
Ansprüche nicht auf Sozialhilfeträger oder sonstige dritte Stellen übergeleitet
worden sind;
4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von außergerichtlichen
Anwaltskosten in Höhe von 1.307,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2008 freizustellen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten zu 1) und 2) behaupten im Gegensatz zu dem Beklagten zu 3), das
Schlaflabor gemeinsam mit ihm seit dem 01.01.2008 zu betreiben. In diesem
Zusammenhang ist in der mündlichen Verhandlung unstreitig geworden, dass der
Mietvertrag für die Räumlichkeiten im August 2007 ausschließlich zwischen dem
Beklagten zu 3) und der Voreigentümerin Frau W geschlossen worden ist. Die
Voreigentümerin hatte sich in diesem Vertrag auch verpflichtet, die zuvor anderweitig
genutzten Räumlichkeiten zu einem Schlaflabor umzubauen. Der Umbau wurde
offenbar durch die F durchgeführt, die von Herrn W2 geleitet wurde. Weiterhin waren die
Architekten S und Partner eingeschaltet. Der Bauantrag war vom Architekten zunächst
vergessen worden, wurde aber später nachgeholt. Die Baugenehmigung datiert vom
03.07.2008.
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Die Beklagten zu 1) und 2) bestreiten, dass sich die Klägerin in dem Schlaflabor infiziert
habe und behaupten, dass im Labor selbst regelmäßig Desinfektionen durchgeführt
worden seien. Sie hätten alles Erforderliche veranlasst. Die Duschen seien nach den
vorgelegten Befunden außer Betrieb gesetzt worden. Sie sind der Ansicht, für die
Mängel in der Hausinstallation, bei der eine Wassertemperatur unterhalb der zum
Abtöten von Legionellen erforderlichen Temperatur von 55° Celsius festgestellt worden
sei, seien sie nicht verantwortlich. Das Gleiche gelte, soweit an der Versorgung des
Schlaflabors zwei nicht mehr benötigte Wasserstränge angeschlossen gewesen seien.
Nach dem Mietvertrag sei die Versorgung mit nicht kontaminiertem Wasser geschuldet.
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Die Beklagten zu 1) und 2) bestreiten die von der Klägerin geltend gemachten Folgen
und behaupten, dass die Klägerin schon vor der Infektion an einem Emphysem und
einer rheumatischen Arthritis gelitten habe, die zu den bestehenden
Funktionseinschränkungen und Funktionsstörungen geführt habe.
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Der Beklagte zu 3) behauptet, es sei zwar eine BGB-Gesellschaft mit dem Beklagten zu
1) und 2) geplant gewesen, diese sei aber nicht zustande gekommen. Die Beklagten zu
1) und 2) einerseits und er andererseits hätten je 2 Betten unterhalten. Von ihm sei die
Klägerin nicht behandelt worden. Im Übrigen bestreitet er eine Infektion in dem Labor.
Die allgemeinen Hygienemaßnahmen seien durchgeführt worden und hätten eine
Legionellenkontermination im Übrigen auch nicht verhindern können. Mit der Erstellung
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eines Hygieneplanes sei er noch befasst gewesen.
Er ist der Ansicht, dass er keine weitere Untersuchungspflicht gehabt habe. Betreiber
der Anlage sei der Eigentümer gewesen. Auch die DIN, Installationsblätter etc. würden
sich an den Architekten, den Bauherrn und die Installationsunternehmen richten. Als
Mieter habe er davon ausgehen dürfen, dass die Installation in Ordnung sei. Er
behauptet, er habe keinen Zutritt zu der Heizungs- und Wasseranlage gehabt. Es habe
auch keine Kenntnis bestanden, dass die leeren Praxisräume noch an der Anlage
hängen würden.
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Die Beklagte zu 4) bestreitet eine Infektion in dem Schlaflabor und ist der Ansicht, sie
sei für eventuelle Mängel der Heizungs- und Wasseranlage nicht verantwortlich. Der
notarielle Kaufvertrag mit der Voreigentümerin Frau W datiere zwar vom 12./13.11.2007.
Als Eigentümerin sei sie selbst aber erst am 03.09.2008 im Grundbuch eingetragen
worden. In diesem Zusammenhang ist in der mündlichen Verhandlung unstreitig
geworden, dass die Übergabe des Objektes zwischen den Eigentümern bereits zum
01.01.2008 stattgefunden hat.
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Die Beklagte zu 4) behauptet, die Anlage habe sich in der Vergangenheit in
ordnungsgemäßem Zustand befunden, zu Problemen sei es nicht gekommen. Aus
diesem Grunde seien weitere Maßnahmen auch nicht erforderlich gewesen. Da es nur
zu einem Befall im Schlaflabor gekommen sei, müsse den Betreibern vorgeworfen
werden, die Rohre nicht ausreichend gespült zu haben.
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Wegen des weiteren Vortrages wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien
Bezug genommen.
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Die Kammer hat die Klägerin sowie die Beklagten zu 1) und 2) angehört und im Übrigen
Beweis erhoben durch Beiziehung der Akte des Kreises Unna. Ferner ist der Zeuge H
vernommen worden. Der Sachverständige K hat mündlich ein
Sachverständigengutachten erstattet. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der
übrigen Beweisaufnahme wird auf die beigezogene Akte und auf das Sitzungsprotokoll
der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2010 Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist dem Grunde nach gegen die Beklagte zu 4) gerechtfertigt. Der
Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 4) Schmerzensgeld- und
Schadensersatzansprüche gemäß §§ 823, 249, 253 BGB zu.
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Die Kammer ist nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich
die Klägerin anlässlich ihres Aufenthalts im Schlaflabor vom 22.06. zum 23.06.2008 mit
Legionellen infiziert hat und diese Infektion darauf zurückzuführen ist, dass die Beklagte
zu 4) ihre Pflichten aus dem Betrieb der Heizungs- und Wasseranlage schuldhaft
vernachlässigt hat.
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Aufgrund der Aussage des Zeugen H und den Angaben des Sachverständigen hat die
Kammer keinen Zweifel daran, dass sich die Klägerin in dem Schlafmedizinischen
Zentrum, dem sogenannten Schlaflabor, in M infiziert hat. Zwar besteht keine 100 %-ige
wissenschaftliche Sicherheit, dass die im Körper der Klägerin aufgefundenen
Legionellenstämme mit denen im Rohrsystem im Haus der Beklagten aufgefundenen
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Legionellenstämmen übereinstimmen, da keine Kulturen angelegt und überprüft worden
sind. Einer solchen 100 %-igen wissenschaftlichen Sicherheit bedarf es aber nicht. Die
übrigen Hinweise auf das Schlaflabor als Infektionsort sind so erdrückend, dass
Restzweifel bei der Kammer nicht verbleiben. Der Zeuge H hat bei seiner Vernehmung
dargelegt, dass das Gesundheitsamt ausgesprochen sorgfältig überprüft hat, wie es zu
der Erkrankung der Klägerin gekommen sein kann. Es hat zunächst eine Befragung
stattgefunden, um die Aufenthaltsorte der Klägerin in der Inkubationszeit von 10 Tagen
abzuklären. Dabei hat diese angegeben und im Übrigen auch gegenüber der Kammer
in der Verhandlung glaubhaft bestätigt, dass sie außerhalb ihrer eigenen Wohnung
ausschließlich im Schlaflabor geduscht hat. Es konnte auch festgestellt werden, dass
der Duschvorgang im Schlaflabor innerhalb der Inkubationszeit von 10 Tagen lag. Eine
nähere Überprüfung der Wohnung und des Schlaflabors hat sodann ergeben, dass das
Hygieneinstitut in der Wohnung der Klägerin selbst keinerlei Hinweise auf Legionellen
gefunden hat. Auch technische Mängel in dem Haus ergaben sich nicht. Die
Wassertemperatur wurde in ausreichender Höhe gefunden. Das Haus wird von einer
Familie bewohnt, so dass in erheblichem Umfang Wasser verbraucht wird und damit die
Rohre gespült werden. In der Familie der Klägerin ist es auch zu keinen weiteren
Erkrankungen gekommen.
Demgegenüber konnten innerhalb des Gebäudes, das nunmehr im Eigentum der
Beklagten zu 4) steht, verschiedene Ansatzpunkte festgestellt werden, die für eine
Infektion der Klägerin dort sprachen. Zunächst einmal konnten Legionellen in teilweise
ganz erheblichem Umfang festgestellt werden, und zwar bereits im Vorlauf des
Wassersystems. Im Rücklauf war die Legionellenanzahl noch höher. Dies ließ für das
Gesundheitsamt den Schluss zu, dass eine systematische Kontamination vorlag. Bei
der näheren Untersuchung des Heiz- und Wassersystems konnten zudem verschiedene
Mängel festgestellt werden. Es konnte an verschiedenen Zapfstellen festgestellt werden,
dass die Temperatur mit 38 bis 45° zu gering war. Es ist eine Temperatur von 55°
Celsius erforderlich, und darf auch beim Abzapfen von Wasser nicht unterschritten
werden, damit mögliche Legionellen abgetötet werden. Tatsächlich konnte man am
zentralen Mischer feststellen, dass das mit 60° Celsius eingeleitete Wasser sofort auf
48° Celsius abgekühlt wurde. Hinzu kam, dass das Wasser noch erhebliche Meter über
Steigleitungen geführt werden musste. Bereits von Anfang an war damit nicht die
notwendige Temperatur erreicht, um mögliche Legionellen abzutöten. Der Zeuge hat
erläutert und dies ist auch von dem Sachverständigen bestätigt worden, dass dies zur
Folge hat, dass sich in den Rohren ein sogenannter Biofilm, eine Art Schleim bilden
kann. In diesem Biofilm nisten sich Amöben ein, in denen sich Legionellen einschließen
und dort vermehren können. So kann es dazu kommen, dass teilweise geringere
Konzentrationen vorliegen und beim Aufreißen dieser Amöben es plötzlich zu
Überschwemmungen von Legionellen kommt.
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Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass auch der Schwebstofffilter hinter der
Wasseruhr braun war und Wartungsdefizite aufwies.
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Der nächste gravierende Mangel ergab sich daraus, dass es zur Stagnation des
Wassers in stillgelegten Leitungen gekommen war. Im Haus hatte sich eine
Massagepraxis befunden, in der auch eine Dusche betrieben worden war. Nachdem
diese Praxis nicht mehr in Betrieb war, war die Dusche nicht abgeklemmt worden. Der
Zeuge hat darauf hingewiesen, dass selbst Absperrschieber nicht so dicht schließen
können, dass nicht im Rahmen der Zirkulationsleitungen Legionellen diese Stellen
passieren können. Es bedarf keiner großen Vorstellungskraft, dass bei zu geringer
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Wassertemperatur und stagnierendem Wasser ein Brutherd für Legionellen gegeben ist.
Der Zeuge hat darauf hingewiesen, dass als weiteres Risiko in dem Schlaflabor die
Gefahr bestand, dass durch den geringeren Betrieb der Dusche diese nicht ausreichend
gespült wird. Ob dies letztlich der Fall war, ist von dem Zeugen nicht geklärt worden.
Dies kann aber auch dahinstehen. Durch die bereits dargelegten technischen Mängel ist
offensichtlich, dass ein systematischer Fehler vorlag.
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Über die bereits dargestellten Mängel hinaus ist zudem zu berücksichtigen, dass eine
Infektion mit Legionellen selten ist. Der Zeuge hat bestätigt, dass im Kreis Unna
lediglich 5 bis 10 Fälle pro Jahr bekannt werden und auch in diesem Zeitraum keine
weiteren bekannt geworden sind. Der Sachverständige hat ebenfalls bestätigt, dass die
Erkrankung eine seltene ist. Eine ernsthafte Wahrscheinlichkeit, dass sich die Klägerin
anderweitig angesteckt haben könnte, besteht nicht. Demgegenüber ist aber erklärlich,
dass andere Personen sich im Schlaflabor nicht infiziert haben. Denn der
Sachverständige hat erläutert, dass die Klägerin eine Risikopatientin und
immungeschwächt war. Die Klägerin ist daher durch die Legionelleninfektion, die sie
sich zugezogen hat, in ihrer Gesundheit beeinträchtigt worden. In welchem Umfang dies
der Fall war, wird im Rahmen der weiteren Beweisaufnahme zu prüfen sein.
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Die Beklagte zu 4) hat auch gegenüber der Klägerin für diese technischen Mängel
einzustehen. Sie mag zwar erst im September 2008 als Eigentümerin im Grundbuch
eingetragen worden sein. Es ist aber unstreitig geworden, dass sie zum 01.01.2008 das
Objekt übernommen hat. Damit war sie die verantwortliche Betreiberin der Heiz- und
Wasseranlage und hatte für die erforderlichen Maßnahmen zu sorgen. Dies ist
offensichtlich, wie das Ergebnis zeigt, unterblieben. Abgesehen davon, dass die
Beklagte zu 4) selbst in keiner Weise vorträgt, dass von ihr die Heizungsanlage
gewartet worden ist oder sie diese veranlasst hätte, hätte ein Wartungsvertrag mit einer
Installationsfirma auch zur Entlastung nicht ausgereicht. Es ist festzustellen, dass die
Beklagte zu 4) die Räume als Schlaflabor vermietet hat bzw. den Mietvertrag
übernommen hat, obwohl zu diesem Zeitpunkt eine Baugenehmigung für die
Räumlichkeiten noch nicht vorlag. Es ist zwar zunächst einmal ein Versäumnis der
Voreigentümerin, dass sie eine Baugenehmigung nicht eingeholt hat. Als gewerbliche
Vermieterin musste aber auch die Beklagte zu 4) wissen, dass eine solche
Genehmigung erforderlich ist und diese gerade beim Betrieb von ärztlichen Praxen auch
Anweisungen für den Betrieb enthält. So ist in der nach dem Vorfall erteilten
Baugenehmigung klar ersichtlich, dass ein Schutz vor Legionellen zu erfolgen hat.
Dieser Hinweis beruht auch nicht auf den konkreten Vorfall. Die interne Stellungnahme
des Kreises Unna gegenüber der Stadt M datiert aus Mai, also vor dem Vorfall. In dieser
Stellungnahme wurde bereits im Einzelnen aufgeführt, welche Maßnahmen
grundsätzlich in solchen Praxen zu beachten sind. Im Übrigen teilt die Kammer auch die
von dem Zeugen H geäußerte Ansicht, dass auch unabhängig von der
Baugenehmigung jedem Betreiber klar sein muss, dass die allgemein anerkannten
Regeln der Technik einzuhalten sind. Im vorliegenden Fall sind seitens der Beklagten
zu 4) keinerlei Maßnahmen vorgetragen worden, die dem gerecht werden konnten.
Insbesondere scheint sich auch niemand Gedanken darüber gemacht zu haben, dass
von den stillgelegten Leitungen Gefahren ausgehen konnten.
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Die Beklagte zu 4) schuldet daher der Klägerin die Zahlung von Schadensersatz gemäß
§ 249 BGB sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß § 253 BGB. In welcher
Höhe diese Ansprüche bestehen und ob im Hinblick auf den Feststellungsantrag noch
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weitere Schäden drohen, ist in einer weiteren Beweisaufnahme zu klären.
Die Klage der Klägerin gegenüber den Beklagten zu 1) bis 3) ist demgegenüber
unbegründet. Gegen diese bestehen weder vertragliche Ansprüche nach §§ 611, 280,
249 BGB noch nach § 823 BGB. Dabei geht die Kammer davon aus, dass ein
Behandlungsvertrag mit allen 3 Beklagten zustande gekommen ist, da sie im
Außenverhältnis als eine Gesellschaft aufgetreten sind. Im Rahmen des
Behandlungsvertrages schuldeten sie sicherlich auch, dass die Klägerin sich nicht mit
Legionellen infiziert. Da die Kammer von der Infektion während der Behandlung
überzeugt ist, oblag es auch dem Beklagten zu 1) bis 3) sich zu entlasten, dass sie
ausreichende Möglichkeiten zur Verhinderung dieser Infektion getroffen haben. Dieser
Beweis ist den Beklagten zu 1) bis 3) gelungen. Nach der Befragung des
Sachverständigen und auch nach Anhörung des Zeugen ist die Kammer davon
überzeugt, dass sie im Rahmen ihrer ärztlichen Pflicht nicht verpflichtet waren, die Heiz-
und Wasserversorgung des Hauses zu überprüfen. Die tatsächlichen Möglichkeiten
bestanden dazu wohl auch nicht. Nach den Empfehlungen des Umweltbundesamts aus
dem Jahr 2005 sind zwar Krankenhäuser, Dialysestationen, Kindergärten und
Jugendherbergen verpflichtet regelmäßig im Jahr die Wasserqualität zu prüfen. Diese
Verpflichtung richtet sich aber nicht an Arztpraxen.
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Im Übrigen hat der Sachverständige auch nachvollziehbar erläutert, dass es keine
Richtlinien dafür gibt, in welchem Umfang Spülungen vorzunehmen sind, so dass auch
hier eine Pflichtverletzung nicht zu sehen ist.
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Auch die Tatsache, dass die Praxis nicht über einen solch ausführlichen Hygieneplan
verfügte, wie später nach Anweisung des Gesundheitsamtes, führt zu keinem anderen
Ergebnis. Dieser umfassende Hygieneplan ist nach Anweisung des Gesundheitsamtes
erstellt worden und war zuvor nicht zwingend erforderlich. Im Übrigen war mit den
innerhalb des Labors durchzuführenden Desinfektionsmaßnahmen die systematische
Kontamination des Rohrsystems nicht zu beeinflussen.
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Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Beklagten zu 1) bis 3) beruht auf § 91 ZPO. Da
mit dem Teilurteil das Verfahren gegen sie beendet ist, konnte bereits über ihre
außergerichtlichen Kosten entschieden werden. Die weitere Kostenentscheidung ist
dem Schlussurteil vorzubehalten.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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