Urteil des LG Dortmund vom 28.05.1991

LG Dortmund (kläger, höhe, mofa, akten, unfall, verschulden, betriebsgefahr, erwerbsfähigkeit, form, fahrbahn)

Landgericht Dortmund, 15 O 36/90
Datum:
28.05.1991
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
15. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 O 36/90
Tenor:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an
den Kläger 6.000,-, DM (i.W.: sechstausend Deutsche Mark)
nebst 4 %Zinsen seit dem 19.3.1990 zu zahlen.
Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner
verpflichtet sind, dem Kläger zukünftigen materiellen und immateriellen
Schaden aus dem Unfallereignis vom 31.3.1989 zu 80 %zu ersetzen,
soweit sie nicht auf öffentlich- rechtliche Versicherungs- oder
Versorgungsträger übergehen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 20 %, die Beklagten
zu 80 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen
Sicherheitsleistung
in Höhe von 7.600,- DM.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 400, - DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor
in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem
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Verkehrsunfall vom 31.03.1989 in M geltend.
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Am Unfalltag befuhr der Kläger mit seiner Mofa gegen
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14.05 Uhr den S-weg in M. In Höhe der Stichstraße
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und des Wendehammers am südlichen Ende des
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S-weges kam es zum Zusammenstoß mit dem aus Richtung
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der Stichstraße kommenden PKW des Beklagten zu 1),
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der auch von diesem gesteuert wurde und bei der Beklagten
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zu 2) haftpflichtversichert ist.
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Bei diesem Zusammenstoß stürzte der Kläger und zog
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sich eine Fraktur des rechten Sprunggelenkes zu.
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Aufgrund dieser Verletzung befand er sich vom 31.03.
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bis zum 22.04.1989 in stationärer Krankenhausbehandlung,
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vom 31.03. bis 25.05.1989 war er 100 %
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erwerbsgemindert und trug einen Gips. Vom 26.05.1989
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an betrug die Minderung seiner Erwerbsfähigkeit für
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einen Zeitraum von acht Wochen 70 %.
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Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1) habe grob
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fahrlässig seine Vorfahrt mißachtet. Er ist der Ansicht,
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der Bereich des Wendehammers bzw. der Stichstraße
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diene nicht dem durchgehenden Verkehr, so daß der
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Beklagte zu 1) gegen § 10 StVO verstoßen habe.
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Bezüglich der Örtlichkeiten der Unfallstelle wird
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auf die zu den Akten gereichten Fotos (BI. 21 f. d.A.)
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verwiesen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
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an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 %
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Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner
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verpflichtet sind, ihm alle weiteren aus dem Unfall
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vom 31.03.1989 entstandenen und noch entstehenden
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materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen,
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soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger
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übergegangen sind.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behaupten, der Kläger habe technische Veränderungen
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an seinem Mofa vorgenommen und sei mit überhöhter Geschwindigkeit
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gefahren.
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Sie sind im übrigen der Ansicht, der Kläger habe
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wegen des an der Unfallsteile geltenden "Rechts vor
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Links"-Gebotes dem Beklagten zu 1) Vorfahrt gewähren
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müssen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des
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Zeugen E. Bezüglich des Ergebnisses der Beweis-
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aufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom
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28.05.1991 verwiesen.
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Die Akten der Staatsanwaltschaft Dortmund 24 Js 1087/89
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waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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1.)Der Antrag zu 1) ist im zuerkannten Umfang begründet.
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Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes
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gemäß §§ 847, 823 BGB, 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1
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Pflichtversicherungsgesetz.
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Der Beklagte zu 1) haftet dem Kläger gemäß § 823 BGB § 7 Abs. 1
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StVG. Ihn trifft das überwiegende Verschulden am
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Zustandekommen des Unfalles.
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Aufgrund der optischen Gestaltung der Örtlichkeiten
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an der Unfallsteile ergibt sich, daß die Stichstraße
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und der angrenzende Wendehammer als "andere Straßenteile"
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im Sinne von § 10 StVO anzusehen sind. Dies
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ergibt sich für die Stichstraße durch die auffällig
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andere Pflasterung mit Verbundpflaster im Gegensatz
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zu der geschlossenen Asphaltdecke des S-weges.
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Hinsichtlich des Wendehammers gilt, daß dieser ausweislich
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der zu den Akten gereichten Fotos wesentlich als Parkplatz
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benutzt wird und durch eine
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Regenrinne von der Fahrbahn des Reichsweges getrennt ist.
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Da es beim Herausfahren des Beklagten zu 1) aus
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diesem Bereich zu einem Unfall mit dem die Fahrbahn des
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S-weges befahrenden Kläger gekommen ist,
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spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein
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Verschulden des Beklagten zu 1) insofern, als er
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die in § 10 StVO normierten besonderen Sorgfaltspflichten
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mißachtet hat.
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Diesen Beweis des ersten Anscheins konnten die
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Beklagten nicht widerlegen.
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Aber auch der Kläger haftet dem Beklagten zu 1)
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grundsätzlich aus § 7 Abs. 1 StVG. Zwar konnten
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die Beklagten ein Verschulden des Klägers, etwa
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in Form eines zu schnellen Fahrens, nicht beweisen.
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Der Kläger konnte aber auch nicht beweisen, daß der
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Unfall für ihn unabwendbar im Sinne von § 7 Abs. 2
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StVG war.
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Im Rahmen der gemäß § 17 StVG zu treffenden Abwägung
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der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile
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erschien die Berücksichtigung der beim Kläger
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verbleibenden Betriebsgefahr mit 20 % und des Verschuldens
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des Beklagten zu 1) mit 80 % angemessen.
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Hinsichtlich der Betriebsgefahr des Klägers wirkt sich
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insbesondere der Umstand aus, daß sein Mofa technische
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Veränderungen aufwies, da der Luftfilter an zwei Seiten
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abgesägt worden war und die Vorderradbremse nicht
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die volle Wirkung erreichte, wie sich aus der nachvollziehbaren
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und glaubhaften Aussage des Zeugen E ergibt:
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Unter Berücksichtigung der nicht unerheblichen Verletzung
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des Klägers, des stationären Krankenhausaufenthaltes
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und der 100 % bzw. 70 % igen Minderung der
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Erwerbsfähigkeit für insgesamt ca.16 Wochen sowie
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des Umstandes, daß bei ihm eine 20 % ige Mithaftung
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verbleibt, erschien die Zahlung eines Schmerzens-
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geldes von 6.000,00 DM angemessen und ausreichend.
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Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 BGB.
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2.) Der Feststellungsantrag hinsichtlich der materiellen
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und immateriellen entstandenen Schäden ist unzulässig,
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da insoweit kein Feststellungsinteresse gemäß § 256
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ZPO besteht. Die immateriellen Schäden für die Vergangenheit
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sind mit dem Leistungsantrag zu 1) bereits umfaßt,
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die materiellen Schäden der Vergangenheit kann der
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Kläger mit der vorrangigen Leistungsklage geltend
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machen.
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Hinsichtlich der zukünftigen materiellen und immateriellen
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Schäden ist die Feststellungsklage
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zulässig, da bei einem Knochenbruch, wie er beim
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Kläger vorgelegen hat, nie auszuschließen ist, daß
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Zukunftsschäden, etwa in Form einer Arthrose, auftreten
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werden.
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Die Quote der Haftung ergibt sich aus dem oben
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Gesagten.
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Die darüberhinausgehende Klage war aus obigen
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Gründen abzuweisen.
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Die Nebenentscheidungen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11,
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709, 711 ZPO.
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