Urteil des LG Dortmund vom 29.05.2008
LG Dortmund: firma, verfügung, haftungsbeschränkung, aufwand, geschäftsführer, abgeltung, verkehrsunfall, vergleich, ersatzfahrzeug, mittelwert
Landgericht Dortmund, 4 S 169/07
Datum:
29.05.2008
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 S 169/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Dortmund, 433 C 1895/07
Schlagworte:
Unfallersatztarif - Schwacke - Automietpreisspiegel 2006
Normen:
StVG 997, 17
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts
Dortmund vom 10.10.2007 wird das Urteil abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Firma B, vertreten durch den
Geschäftsführer T, C, E, 53,44 € (i.W. dreiundfünfzig 44/100 Euro) nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
25.10.2006 sowie weitere 23,21 € an den Kläger zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung
zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 80 % und die
Beklagte zu 20 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
1
I.
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Der Kläger beansprucht von der Beklagten als Haftpflichtversicherung des
Unfallgegners Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 20.8.2006. Die
Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit der Klage macht der
Kläger weitere Mietwagenkosten geltend.
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Am 4.9.2006 mietete der Kläger einen Ersatz-Pkw der Firma B zum "Unfallersatztarif"
an. Für die Zeit vom 4.9.2006 bis zum 14.9.2006 berechnete die Firma B mit Rechnung
vom 4.10.2006 für 6 Miettage 904,80 €. Auf diesen Betrag zahlte die Beklagte 591,60 €.
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Der Kläger beansprucht die Zahlung der übrigen Mietwagenkosten. Erstinstanzlich hat
das Amtsgericht Dortmund mit Urteil vom 10.10.2007 die Klage abgewiesen. Es hat die
Auffassung vertreten, weiterer Schadensersatz stünde dem Kläger nicht zu, da er nicht
dargelegt und bewiesen habe, dass ihm kein anderer als der sogenannte
Unfallersatztarif zugänglich gewesen wäre. Hiergegen richtet sich die Berufung des
Klägers.
Er beantragt,
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das Urteil des Amtsgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
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286,06 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 25.10.2006 an die Firma B, vertreten durch den Geschäftsführer T, C, E,
sowie weitere 23,21 € zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf den Tatbestand
des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen werden.
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II.
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Die Berufung ist nach Zulassung des Rechtsmittels zulässig und in dem tenorierten
Umfang begründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte nach §§ 7,17,18 StVG, 3 PflVG einen Anspruch auf
Erstattung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von noch 53,44 €. Der Kläger hat
dagegen keinen Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten in voller Höhe. Der
Unfallersatztarif, der dem Kläger in Rechnung gestellt worden ist, ist deutlich überhöht.
Da die wirtschaftliche Berechtigung dieses Tarifes nicht dargelegt ist und dem Kläger
ein anderer Tarif zugänglich war, übersteigen diese hohen Kosten den tatsächlich
erforderlichen Aufwand zur Schadensbeseitigung. Die Kammer nimmt insoweit Bezug
auf ihre Grundsatzentscheidungen vom 14.06.2007 in den Verfahren 4 S 165/06, 4 S
16/06 und 4 S 129/06, veröffentlicht in der Rechtssprechungsdatenbank unter
www.justiz.nrw.de.
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Gemäß § 287 ZPO hat die Kammer den erforderlichen Aufwand geschätzt. Da die
Anwendbarkeit der Schwacke-Liste 2006 umstritten war, hat sich die Kammer bislang
bei ihrer Schätzung an der Schwacke-Liste 2003 orientiert und einen jährlichen
Zuschlag für die Teuerung vorgesehen. Die Kammer hat keine Zweifel, dass auch diese
Schätzung von dem ihr zustehenden Ermessensspielraum gedeckt war. In Abweichung
zu dieser Rechtsprechung legt die Kammer nunmehr aber die Schwacke-Liste 2006
zugrunde. Die Kammer folgt damit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom
11.3.2008 (Aktenzeichen VI ZR 164/07, veröffentlicht in NJW 2008, 1519 ff). Der
Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass die Schwacke-Liste 2006 als Schätzgrundlage
herangezogen werden kann, auch wenn allgemein gehaltene Angriffe gegen sie
vorgebracht werden.
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Der Kammer ist aus einer Vielzahl an Verfahren bekannt, dass es sich immer um die
gleichen Angriffe handelt, wie beispielsweise, dass Online-Angebote nicht
berücksichtigt seien, zu hohe Preissteigerungen vorliegen würden, weil die Anbieter
möglicherweise auf die Nachfrage hin zu hohe Angaben gemacht hätten und die Anzahl
der Nennungen nicht zu erkennen sei, um die Relevanz der Preise am Markt beurteilen
zu können. Möglicherweise beruhen die Preissteigerungen allerdings auch darauf, dass
früher die sogenannten Normaltarife unternehmensintern subventioniert waren und sich
mittlerweile aufgrund der Rechtssprechung wieder ein wirklicher Marktwert auch für den
Normaltarif herausbildet. Eine Überprüfung der Marktanalyse ist dem Gericht nicht
möglich. Die Kammer ist auf Schätzgrundlagen wie die Schwacke-Liste angewiesen. Es
kann nicht wünschenswert sein, dass in dem Bezirk des Berufungsgerichts jeder
Amtsrichter andere Schätzgrundlagen entwickelt. Die Kammer hat daher auch in der
Vergangenheit betont, dass die Schätzung mit Hilfe eines 2%-igen Aufschlages pro Jahr
nur eine vorübergehende sein kann. Nachdem der Bundesgerichtshof die Schwacke-
Liste 2006 trotz der allgemeinen Angriffe für anwendbar erklärt hat, wird die Kammer zu
dieser Schätzgrundlage zurückkehren.
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Da oftmals in den Verfahren – so auch hier – günstigere Angebote als berechnet
eingereicht werden, nimmt die Kammer dies zum Anlass, bei der Schätzung das
arithmetische Mittel zugrunde zu legen. Die Schwacke-Liste deckt nämlich eine
erhebliche Bandbreite an unterschiedlichen Preisen ab, und zwar auch sehr günstige
Preise. Dieser Mittelwert scheint der Kammer die Preisdifferenzen am besten
abzudecken. Was die günstigen Online-Angebote angeht, so ist auch zu
berücksichtigen, dass diese immer den Stand eines erst weit nach dem Verkehrsunfall
recherchierten Angebotes wiedergeben und nicht eingeschätzt werden kann, ob im
Einzelfall an dem betreffenden Tag Restfahrzeuge besonders günstig angeboten
werden, die am Unfalltag zu diesem Preis nicht zu erhalten gewesen wären. So kann
auch aus den hier für März 2007 eingereichten Angebote nicht gefolgert werden, dass
diese dem Kläger im August 2006 zur Verfügung gestanden hätten und erst recht nicht,
dass die Schwacke-Liste 2006 aus diesem Grund für den betreffenden Fall falsch und
nicht anwendbar sei.
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Die Kammer hält weiterhin daran fest, dass zur Abgeltung der besonderen
Unfallsituation ein Aufschlag von 20% auf den so ermittelten Normaltarif gerechtfertigt
ist, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzgeschäfts im
Vergleich zu einer normalen Autovermietung abdecken zu können. Dabei verkennt die
Kammer nicht, dass vergleichbar dem Sachverhalt in dem Urteil des
Bundesgerichtshofes vom 11.03.2008 auch hier ein Ersatzfahrzeug nicht am Unfalltag,
sondern erst später angemietet worden ist. Eine Eil- oder Notsituation ist nicht zu sehen.
Allerdings bietet der Unfallersatztarif für den Geschädigten Vorteile, die er in Anspruch
nehmen darf. Die oft erheblichen Mietwagenkosten werden ihm kreditiert. Da die
Kreditlinie auch bei Kreditkarteninhabern zumeist begrenzt ist und oft gleichzeitig
Unfallschäden an dem Fahrzeug selbst zu reparieren und vorzuleisten sind, weil die
Abwicklung mit den Versicherungen Wochen in Anspruch nehmen, handelt es sich um
einen erheblichen Vorteil. Außerdem ist die Haftungsbeschränkung bei einem Fahrzeug
zum Unfallersatztarif eine günstigere. Üblicherweise steht einem Geschädigten kein
Angebot zur Verfügung, dass sein Schaden vorfinanziert wird. Wenn es aber diese
Möglichkeit gibt und sich die Kosten in angemessenem Rahmen halten, darf er diese
Möglichkeit in Anspruch nehmen. Bei der Höhe des Zuschlags hat die Kammer auch zur
Vereinheitlichung der Rechtsprechung nicht unterschieden, ob nur diese Leistungen
erbracht oder weitere Leistungen aus einer Notsituation heraus genutzt werden.
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Damit ergibt sich vorliegend folgende Berechnung:
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Normaltarif Schwacke-Automietpreisspiegel 2006, Gruppe III, Postleitzahl ###,
2x 3 Tage = 2 x 244,00 €
488,00
€
minus 10% Eigenersparnis
48,40
€
439,20
€
zuzüglich 20% Aufschlag
87,84
€
527,04
€
zuzüglich Nebenkosten Haftungsbeschränkung (2 x 59,00 €)
118,00
€
645,04
€
abzüglich der Zahlung von
591,60
€
offene Restforderung
53,44
€.
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Über diese Restforderung hinaus hat der Kläger einen Schadensersatzanspruch auf
Erstattung der außergerichtlich entstandenen und nicht anrechnungsfähigen
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 23,21 €.
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Die Zinsforderung ab dem 25.10.2006 folgt aus §§ 286, 288 BGB.
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Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des
Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts erfordert. Der Bundesgerichtshof hat zu den Rechtsfragen auf denen
das Urteil beruht bereits mehrfach, zuletzt in der vorstehend zitierten Entscheidung
Stellung genommen und insbesondere ausgeführt, dass die Bemessung des
erforderlichen Aufwandes zur Schadensbehebung im tatrichterlichen Ermessen liegt.
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