Urteil des LG Dortmund vom 13.04.2007

LG Dortmund: allgemeine geschäftsbedingungen, verbraucher, mwst, vorrat, original, form, akte, abgabe, vertragsinhalt, behandlung

Landgericht Dortmund, 8 O 313/06
Datum:
13.04.2007
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
8. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 O 313/06
Tenor:
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung von bestimmten
Textpassagen in deren Verkaufsprospekt in Anspruch.
2
Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der
Bundesländer und weiterer 23 Verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in
Deutschland. Die Beklagte bietet am Markt u.a. den Abschluss von Verträgen über
Telekommunikationsleistungen an. Sie vertreibt einen Katalog, in dem über
verschiedene Produkte der Beklagten, deren Preise und ggfs. nähere Konditionen
informiert wird. Ein Originalexemplar des Kataloges "September 2005" liegt der
beigezogenen Akte 8 0 9/06 Landgericht Dortmund bei. Auf den näheren Inhalt des
Kataloges wird insofern Bezug genommen.
3
Der Kläger wendet sich gegen einzelne Passagen auf Seite 39 des Prospektes (Anlage
K 2 zur Klageschrift, Bl. 15 d.A.). Dort heißt es in der Schlusszeile der
Fußnotenanmerkungen unmittelbar über dem im Original blauen Abschlussbalken der
Seite:
4
"Alle Preise incl. MwSt. ! Solange der Vorrat reicht ! Änderungen und Irrtümer
vorbehalten. Abbildungen ähnlich."
5
Der Kläger vertritt die Ansicht, die letztgenannten, hier durch Unterstreichung
gekennzeichneten Hinweise seien verbraucherschutzwidrig, weil es sich um
6
Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. der §§ 305 ff. BGB handele und durch die
Verwendung der Klauseln der Verbraucher unangemessen benachteiligt werde.
Der Kläger hat die Beklagte fruchtlos aufgefordert, eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung abzugeben. Zur Untermauerung seiner Ansicht, es handele
sich bei den abgemahnten Passagen um Allgemeine Geschäftsbedingungen trägt der
Kläger folgenden unstreitigen Sachverhalt vor:
7
Der Verbraucher V ist auf die Leistungen der Beklagten durch deren Katalog
aufmerksam geworden und schloss einen Vertrag über einen mit "Data 30"
bezeichneten Tarif, bei dem in dem Katalog als Besonderheit ein Inklusivvolumen von
100 Megabyte ausgewiesen war. Vor Abschluss des Vertrages wurde dem Kunden V
auf Nachfrage bestätigt, dass die Angabe über die Größenordnung des
Inklusivvolumens zutreffend sei. Erst im Rahmen der Vertragsabwicklung erfuhr der
Kunde V, dass der Vertrag tatsächlich nur mit einem Inklusivvolumen von 30 Megabyte
praktiziert wurde. Auf eine entsprechende Rüge hin teilte die Beklagte ihrem Kunden mit
Schreiben vom 19.5.2005 Folgendes mit:
8
"Wir bedauern diesen Irrtum, weisen jedoch in der Fußnote darauf hin, dass
Änderungen und Irrtümer vorbehalten sind."
9
Der Kläger vertritt hierzu die Ansicht, aus dem Verhalten der Beklagten ergebe sich,
dass sie die abgemahnten Formulierungen selbst als Vertragsbedingungen auffasse.
10
Der Kläger beantragt,
11
die Beklagte zu verurteilen, es unter Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
mit Verbrauchern (§ 13 BGB) nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche
Bestimmungen im Zusammenhang mit Angeboten für
Telekommunikationsleistungen, wie auf Seite 39 des Kataloges "September 2005"
geschehen und wie aus der als Anlageantrag beigefügten Kopie ersichtlich, zu
verwenden und sich auf die Bedingung bei der Abwicklung von Verträgen, die auf
der Grundlage des Kataloges geschlossen wurden, zu berufen:
12
1. "Änderungen und Irrtümer vorbehalten"
2. "Abbildung ähnlich"
13
14
Die Beklagte beantragt,
15
die Klage abzuweisen.
16
Sie hält die Verwendung der beanstandeten Textpassagen für rechtmäßig und meint, es
17
handele sich schon nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des Gesetzes.
Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien
wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
18
Die Kammer hat die Akte 8 0 9/06 beigezogen.
19
Entscheidungsgründe:
20
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
21
Dem gemäß §§ 3, 4 UKlaG gerichtsbekanntermaßen klagebefugten Kläger steht gegen
die Beklagte kein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UKlaG zu, weil es sich bei den
beanstandeten Passagen nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. der §§ 305 ff.
BGB handelt.
22
Von dem Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist bei
Vertragsbedingungen auszugehen, d.h. bei Regelungen, die den Vertragsinhalt
gestalten sollen. Darunter sind solche Texte zu verstehen, die bei dem
Durchschnittskunden den Eindruck hervorrufen, der Verwender wolle vertragliche
Rechte und Pflichten begründen (Palandt, BGB, 66. Auflag, § 305 Rdnr. 3; BGH, Urteil
vom 3.7.1996, AZ VIII ZR 221/95, NJW 1996, 2574, 2576 = BGHZ 133, 184 ff.). Hieran
fehlt es im vorliegenden Fall, weil der fragliche Text nach seinem objektiven Wortlaut
bei dem Empfänger nicht den Eindruck hervorruft, der Inhalt eines (vor-) vertraglichen
Rechtsverhältnisses solle gestaltet werden.
23
Die Angaben in dem Prospekt enthalten aus Verbrauchersicht lediglich die Aufforderung
zur Abgabe eines Angebotes an die Beklagte (invitatio ad offerendum). Dabei geht der
Kunde zwar davon aus, dass die von der Beklagten angebotenen Leistungen so
Verhandlungsgegenstand werden sollen, wie sie in dem Prospekt beschrieben sind. Zu
der Definition dieser Leistungen zählen jedoch auch die von dem Kläger beanstandeten
Klauseln. Aus diesen ergibt sich für den Kunden, dass er sich bei den
Vertragsverhandlungen nicht darauf verlassen können soll, dass das Angebot der
Beklagten in der beschriebenen Form überhaupt noch besteht und/oder im Prospekt
zutreffend wiedergegeben ist. Aus der Sicht des Verbrauchers beschreiben die
beanstandeten Hinweise lediglich die (Un-) Zuverlässigkeit der Prospektangaben. Er
wird sich deshalb bei Vertragsschluss entsprechend erkundigen und danach die
rechtsgeschäftlich verbindlichen Erklärungen abgeben bzw. entgegennehmen. Hierfür
spricht insbesondere das Aussageumfeld der beanstandeten Passagen. Diese stehen
in einer Zeile hinter den Angaben "alle Preise incl. MwSt. solange der Vorrat reicht !"
Hierbei handelt es sich offensichtlich um allgemein beschreibende Angaben, die nicht
zur Regelung der Vertragsbeziehungen beitragen sollen. Wegen des unmittelbaren
räumlichen Zusammenhangs der beanstandeten Formulierungen mit den zitierten
weiteren Aussagen wird der Verbraucher auch die beanstandeten Passagen als bloße
allgemeine Hinweise verstehen. Hierfür spricht auch die graphische Gestaltung und
Platzierung der Angaben. Diese erfolgen in abgesetzter Form von den eigentlichen
Fußnoten, die zum Teil Vertragsbedingungen enthalten. Weiterhin stellen die
Formulierungen den Abschluss der inhaltlichen Angaben zu einzelnen Leistungs- bzw.
Produktangeboten der Beklagten dar. Dem steht nicht der im Original blau behaltene
Abschlussbalken mit dem dort weiß aufgedruckten Text entgegen. Hierbei handelt es
sich nur um eine auf nahezu allen Seiten des Prospektes abgedruckte Fußzeile, die den
24
Verbraucher zu einer unmittelbaren telefonischen Bestellung animieren soll.
Gegen diese Auslegung der Passagen spricht nicht die gesetzliche Neufassung des §
434 Abs. 1 Satz 3 BGB. Dabei kann dahin stehen, ob diese Regelung zur Auslegung
hinzugezogen werden kann, obwohl der Gesetzgeber im Rahmen des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes keine vergleichbare Regelung in § 305 BGB
eingefügt hat. Denn jedenfalls kann zu einer geschuldeten Beschaffenheit nur das
gehören, was der Verbraucher auf Grund der Werbung als bestimmte Eigenschaft der
Sache erwarten kann. Vorliegend wird mit den angegriffenen Passagen jedoch
angegeben, was gerade nicht erwartet werden kann. Insofern werden
Vertragsbedingungen nicht geregelt.
25
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Texte als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu
verstehen sind, kommt es ferner nicht auf die Behandlung des Kunden V durch die
Beklagte an. Denn bei der rechtlichen Beurteilung der Frage, ob Allgemeine
Geschäftsbedingungen i.S. der §§ 305 ff. BGB vorliegen, ist die Frage entscheidend, ob
der Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei dem Empfänger den Eindruck
hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen Verhältnisses geregelt werden
(BGH, aaO). Für die Beurteilung des objektiven Wortlautes ist das für die tatsächliche
Handhabung der Klausel ohne Belang.
26
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr.
11, 711 Satz 1 ZPO:
27