Urteil des LG Dortmund vom 28.10.2009

LG Dortmund (genehmigung, ablauf der frist, höhe, frist, agb, anweisung, zahlung, sparkasse, anwaltskosten, konto)

Landgericht Dortmund, 2 O 86/09
Datum:
28.10.2009
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 86/09
Schlagworte:
Lastschriftverfahren, Widerspruch, Insolvenzverwalter, konkludente
Genehmigung
Normen:
BGB § 812
Leitsätze:
Für die Annahme einer konkludenten Genehmigung von
Lastschriftbuchungen durch weitere Nutzung des Geschäftsgirokontos
ist während des Laufes der Frist aus Nr. 7 Sparkassen-AGB ( 6 Wochen
nach Zugang des Rechnungsabschlusses) grundsätzlich kein Raum.
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 36.618,60 € (i. W.
sechsunddreißigtausendsechshundertachtzehn 60/100 Euro) nebst
Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
dem 01.12.2008 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, die Klägerin von der Zahlung
vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 709,60 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten nach einem
Streitwert in Höhe von 36.618,60 € auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin – eine Sparkasse - nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von im
Einzugsermächtigungsverfahren eingezogenen Beträgen in Anspruch.
2
T unterhielt bei der Klägerin sein Geschäfts-Girokonto. Er stand in geschäftlicher
Beziehung zu der Beklagten, welche ihm in der ersten Hälfte des Jahres 2008
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Elektrogeräte verkaufte. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Sachvortrages
wird auf Seite 5 ff. der Klageerwiderung, Bl. 42 ff. d. A., Bezug genommen.
In der Zeit vom 03.04.2008 bis zum 20.06.2008 erfolgten entsprechende Lastschriften.
Wegen der Aufstellung der erfolgten Lastschriften wird auf die Anlage zur Klageschrift,
Bl. 8 d. A., und auf die Anlage B 39 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17.04.2009
Bezug genommen. Die jeweiligen Beträge wurden dem Konto der Beklagten bei der
Volksbank C gutgeschrieben.
4
Nr. 7 (4) der AGB der Klägerin lautet:
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"Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften
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Einwendungen gegen eine Belastungsbuchung aus einer Lastschrift, für die er dem
Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, muss der Kunde unverzüglich
schriftlich oder, wenn im Rahmen der Geschäftsbeziehung der elektronische
Kommunikationsweg vereinbart wurde (z. B. Homebanking), auf diesem Wege
erheben (Nr. 20 Absatz 1 Buchst. g). Hat er eine im darauf folgenden
Rechnungsabschluss enthaltene Belastungsbuchung nicht schon genehmigt, so
gilt die Genehmigung spätestens dann als erteilt, wenn der Belastung nicht vor
Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses
widersprochen wird. Die Frist ist gewahrt, wenn der Widerspruch innerhalb von
sechs Wochen abgesandt worden ist. Auf die Genehmigungswirkung wird die
Sparkasse bei Erteilung des Rechnungsabschlusses besonders hinweisen."
7
Nr. 7 (2) der AGB der Klägerin wiederum lautet:
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"Rechnungsabschluss
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Die Sparkasse erstellt Rechnungsabschlüsse nach den vereinbarten
Zeitabschnitten sowie zu sonstigen Terminen, soweit hierfür ein berechtigtes
Interesse einer der Vertragsparteien besteht. Soweit nichts anderes vereinbart ist,
gelten - auch im Geschäftskundenbereich - die jeweils im Preisaushang
aufgeführten Rechnungsabschlussperioden."
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Zum 30.06.2008 wurde ein Rechnungsabschluss erteilt.
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In der Folge wurde das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen des T (im
Folgenden: Insolvenzschuldner) eröffnet und Rechtsanwalt Dr. S zum vorläufigen
Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Dieser erklärte sich mit
Schreiben vom 31.07.2008 gegenüber der Klägerin wie folgt:
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". . . hiermit erkläre ich, dass die Zustimmung zur Genehmigung bislang nicht
genehmigten Lastschriften explizit nicht erteilt wird. Dies gilt auch für eine etwaige
Genehmigungsfiktion. Ich darf darum bitten, die ungenehmigten Lastschriften dem
Schuldnerkonto umgehend gutzuschreiben. Das Schuldnerkonto bitte ich
nachfolgend unter Auskehr des Guthabens auf mein Ihnen bereits bekannt
gegebenes Anderkonto zu schließen."
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Daraufhin erteilte die Klägerin am 08.08.2008 Gutschriften hinsichtlich der von ihr als
ungenehmigt angesehenen Lastschriften.
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Die Klägerin meint, sie könne gemäß § 812 Abs. 1, Satz 1, 2. Alt. BGB bei der Beklagten
Rückgriff nehmen. Da der vorläufige Insolvenzverwalter in berechtigter Weise der
Genehmigung widersprochen habe, fehle es an einer zurechenbaren Anweisung.
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung hinsichtlich der wieder
gutgeschriebenen Beträge und Zahlung eines Betrages in Höhe von 144,00 € für
"Lastschriftbeträge nebst Gebühren" sowie die Freistellung von vorgerichtlichen
Anwaltskosten in Höhe von 709,60 €.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 36.618,60 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 sowie 144,00 € zu zahlen.
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Sie beantragt ferner,
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die Beklagte zu verurteilen, sie von der Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in
Höhe von 709,60 € freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, ein Anspruch aus Nichtleistungskondiktion bestehe
nicht; ein Ausgleich zwischen Angewiesenem und Anweisungsempfänger im Wege der
Direktkondiktion setze kumulativ zum Fehlen einer wirksamen Anweisung voraus, dass
der Anweisende, hier also der Insolvenzschuldner, keinen ihm zurechenbaren
Rechtsschein gesetzt habe. Hinsichtlich eines Großteils der Lastschrifteinzüge bestehe
jedoch der Rechtsschein einer wirksamen Anweisung. Hierzu behauptet die Beklagte,
dass ein Großteil der Lastschrifteinzüge im jeweiligen Fall zwischen Mitarbeitern der
Beklagten und dem Insolvenzschuldner konkret vereinbart worden sei.
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Sie meint, der Insolvenzschuldner habe die Lastschriften konkludent genehmigt. Hierzu
behauptet sie, der Insolvenzschuldner habe seinen Kontostand alle zwei Werktage
überprüft.
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Sie ist zudem der Auffassung, der Insolvenzverwalter sei gehindert, den Widerspruch zu
erklären, weil er damit eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begehen würde. Dies
sei der Fall, weil den Buchungen wirksame Kaufpreisansprüche zugrunde gelegen
hätten und anerkennenswerte Gründe für einen Widerspruch nicht vorlägen.
25
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
26
Die zulässige Klage ist wegen der Hauptforderung begründet (hierzu im Folgenden I.).
Nur wegen Nebenforderungen ist sie teilweise unbegründet (II.).
27
I.
28
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der das Gericht folgt, fehlt es an
einer zurechenbaren Anweisung, wenn der Schuldner im Rahmen eines
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Lastschriftverfahrens die Genehmigung einer Belastungsbuchung nicht erteilt, indem er
ihr widerspricht (BGH NJW 2006, 1965). Vorliegend ist der Widerspruch durch den
Insolvenzverwalter wirksam erklärt worden (hierzu im Folgenden 1.). Eine vorgängige
Genehmigung liegt nicht vor (2.).
1.
30
Der Insolvenzverwalter hat den Widerspruch wirksam mit Schreiben vom 31.07.2008
gegenüber der Klägerin erklärt.
31
a)
32
Der Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt ist zunächst gemäß § 21 Abs. 2, Satz
1, Nr. 2, 2. Alt. InsO berechtigt, den Belastungsbuchungen zu widersprechen. Nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung steht auch dem schwachen, mit
Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO ausgestatteten
vorläufigen Insolvenzverwalter die Befugnis zu, im Einzugsermächtigungsverfahren
erfolgten Lastschriften zu widersprechen (BGH NJW 2008, 63, 66; NJW-RR 2007, 118;
NJW 2005, 675; OLG Düsseldorf WM 2009, 1468).
33
b)
34
Das Schreiben vom 31.07.2008 ist als Widerspruch auszulegen, auch wenn dieses in
Teilen grammatikalisch inkorrekt formuliert wurde. Der Wille, eine Genehmigung der
Lastschriften insgesamt nicht zu erteilen, sondern zu widersprechen, wird hinreichend
deutlich.
35
c)
36
Die Erklärung ist auch nicht unwirksam, weil etwa feststünde, dass der
Insolvenzverwalter sittenwidrig handelte. Zu den Motiven des Insolvenzverwalters hat
die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nichts vorgetragen.
Demgegenüber erscheint es eher denkbar, dass der Insolvenzverwalter in Ausübung
der Massesicherungspflicht handelte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt OLG Düsseldorf
WM 2009, 1468).
37
d)
38
Die Berufung auf den Widerspruch des Insolvenzverwalters ist auch nicht treuwidrig.
Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin selbst treuwidrig handelte oder
Kenntnis von einem sittenwidrigen Handeln des Insolvenzverwalters hatte und dieses
ausnutzte.
39
2.
40
Eine vorgängige Genehmigung der Belastungsbuchungen liegt nicht vor.
41
a)
42
Eine ausdrückliche Genehmigung der Belastungsbuchungen gegenüber der Klägerin ist
nicht vortragen oder ersichtlich.
43
b)
44
Auch eine konkludente Genehmigung kann vorliegend nicht greifen. Dabei kann
dahinstehen, ob die Behauptung der Beklagten zutreffend ist, der Insolvenzschuldner
habe seinen Kontostand alle zwei Werktage überprüft und weitere Verfügungen in
Kenntnis der Buchungen vorgenommen. Denn ein konkludentes Handeln kann
innerhalb der Frist der Nr. 7 (4) der AGB der Klägerin grundsätzlich - so auch hier - nicht
angenommen werden.
45
aa)
46
Es wird allerdings vertreten, dass auch innerhalb der genannten Frist jedenfalls dann,
wenn ein Kaufmann beteiligt ist, von einer konkludenten Genehmigung auszugehen ist,
wenn nach den Lastschriftbuchungen fortgesetzt, d. h. mindestens einen Monat lang,
weitere Dispositionen auf dem Konto vorgenommen werden, insbesondere das Konto
mit Überweisungsaufträgen des Schuldners belastet wird (KG, NZI 2009, 179).
47
bb)
48
Demgegenüber kann bei einer bloßen Fortführung des Kontos nach einer anderen
Auffassung nicht auf eine konkludente Genehmigung durch den Kontoinhaber
geschlossen werden, wenn noch die sechswöchige Frist zur Erhebung von
Einwendungen gegen den Saldo läuft (OLG Köln WM 2009, 889 = ZIP 2009, 232; OLG
Düsseldorf WM 2009, 1468 jeweils mit weiteren Nachweisen). Hiernach scheidet eine
konkludente Genehmigung aus, weil die Frist aus Nr. 7 (4) der AGB der Klägerin noch
nicht abgelaufen war, als der Insolvenzverwalter den Widerspruch erklärte. Nach den
Darlegungen der Klägerin im Termin vom 28.10.2009 wird der Rechnungsabschluss
alle 3 Monate quartalsweise erteilt. Danach war die Frist bei der Erklärung des
Widerspruches mit Schreiben vom 31.07.2008 noch nicht abgelaufen. Für eine
abweichende Handhabung der Rechnungsabschlüsse wäre die Beklagte darlegungs-
und beweisbelastet. Sie hat hier gemutmaßt, dass monatliche Rechnungsabschlüsse
erteilt werden, ohne diese Behauptung näher zu belegen. Sie steht auch im
Widerspruch zu den von der Klägerin als Anlagen zum Schriftsatz vom 10.06.2009
überreichten Rechnungsabschlüssen.
49
cc)
50
Das Gericht folgt der unter bb) genannten Auffassung. Wie das OLG Düsseldorf
zutreffend ausführt, soll mit der Nr. 7 (4) der AGB der Klägerin gerade eine
Überlegungsfrist gewährt werden. Hiervon gegen die beteiligten Parteien aus. Es
stünde mithin in direktem Widerspruch zu der offensichtlichen Intention, eine
Überlegungsfrist zu gewähren, wollte man in der Weiterbenutzung des Kontos eine
konkludente Genehmigung erblicken. Es würde zudem eine erhebliche
Rechtsunsicherheit in die Rechtsbeziehungen der Parteien getragen, wenn die
Kondiktionsfestigkeit der Verfügungen von der in hohem Maße von Wertungen
abhängigen Frage einer konkludenten Genehmigung abhinge. Wegen der Regelung in
Nr. 7 (4) der AGB der Klägerin besteht auch kein praktisches Bedürfnis dafür, eine
konkludente Genehmigung anzunehmen. Denn nach Ablauf der Frist gilt der Saldo als
genehmigt. Hierauf können sich die Beteiligten einrichten. Demgegenüber würde eine
Rechtsunsicherheit in die Abwicklung getragen, wollte man ohne vorherige
51
Vereinbarungen einem von Schweigen begleiteten Tun (der Vornahme weiterer
Buchungen) hier die Qualität einer konkludenten Genehmigung zuerkennen.
3.
52
Etwas anderes folgt auch nicht - wie die Beklagte meint - aus Rechtscheinsgrundsätzen.
53
Zunächst enthält die Einzugsermächtigung selbst keine Ermächtigung oder Vollmacht,
das Weisungsrecht des Schuldners gegenüber seiner Bank auszuüben und über sein
Guthaben bei dieser zu verfügen, sondern nur die Gestattung, das von der
Kreditwirtschaft entwickelte technische Verfahren des Lastschrifteinzugs zu benutzen
(BGH NJW 2006, 1965; WM 1989, 520). Soweit die Beklagte nun noch geltend macht,
ein Großteil der Lastschrifteinzüge sei im jeweiligen Fall zwischen den Mitarbeitern der
Beklagten und dem Insolvenzschuldner vereinbart worden, so folgt hieraus nichts
anderes. Auch die konkrete Gestattung im Einzelfall führt nur zu der Erlaubnis, im
jeweiligen Fall das technische Verfahren des Lastschrifteinzuges zu benutzen. Ein
darüber hinausgehender Erklärungswert ist nicht ersichtlich.
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II.
55
Hinsichtlich der Nebenforderungen gilt Folgendes:
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1.
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Zinsen stehen der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzuges zu, §§ 286, 288 Abs.
1 BGB. Mit Schreiben vom 14.11.2008 setzte die Klägerin der Beklagten eine
Zahlungsfrist auf den 30.11.2008.
58
2.
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Die Klägerin hat ebenfalls aus dem Grunde des Verzuges einen Freistellungsanspruch
wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 709,60 €. Erst nach
Eintritt des Verzuges (siehe oben 1.) beauftragte die Klägerin ihren
Prozessbevollmächtigten.
60
3.
61
Soweit die Klägerin noch einen Betrag in Höhe von 144,00 € für "Lastschriftbeträge
nebst Gebühren" geltend macht , ist die Klage unbegründet. Die Beklagte hat den Anfall
dieser Position bestritten. Die Klägerin hat daraufhin ihre Ansprüche nicht näher
spezifiziert. Mithin war die Klage insoweit abzuweisen.
62
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 2, 709 ZPO.
63