Urteil des LG Dortmund vom 18.07.2006
LG Dortmund: wohnung, grobe fahrlässigkeit, versicherungsnehmer, vandalismus, entwendung, einbruchdiebstahl, täuschung, erstellung, vermieter, versicherer
Landgericht Dortmund, 2 O 172/05
Datum:
18.07.2006
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 172/05
Schlagworte:
Hausratversicherung, Versicherungsort
Normen:
VHB 92 § 10
Leitsätze:
1. Nach § 10 Nr. 4 VHB 92 müssen nur noch die Schäden durch Raub
innerhalb des Versicherungsortes verwirklicht sein, nicht auch solche
durch Vandalismus oder Einbruch.
2. Es reicht daher nach den VHB 92 aus, dass die Wegnahmehandlung
innerhalb des Versicherungsortes erfolgt. Der Einbruch selbst kann auch
in einer anderen Wohnung oder an der gemeinsamen Haustür eines
Mehrfamilienhauses geschehen.
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 27.775,77 € (i. B. sieben-
undzwanzigtausendsiebenhundertfünfundsiebzig 77/100) nebst 4 %
Zinsen aus 27.169,04 € vom 01.01.2005 bis zum 05.04.2005, weite-ren
Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basis-
zinssatz aus 27.169,04 € seit dem 06.04.2005 sowie Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 606,73 € seit
dem 06.04.2005 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen nach einem Streitwert von
28.454,76 € der Kläger 5 %, die Beklagte 95 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die
Beklagte
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für die Beklagte
aufgrund des
Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte
vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Hausratversicherung unter Geltung der VHB
92 der Beklagten. Versichert waren im Jahre 2004 der Hausrat der vom Kläger und
seiner damaligen Lebensgefährtin und nunmehrigen Ehefrau, der Zeugin X, bewohnten
Obergeschosswohnung im Hause Q in B zum Neuwert mit einer Versicherungssumme
von 61.356,00 €, wobei die Parteien Unterversicherungsverzicht vereinbart haben. Die
vormals vom Kläger bewohnte Wohnung ist in einem Zweifamilienhaus belegen, das
zudem von den Vermietern Q2 des Klägers bewohnt wird. Die Wohnung des Klägers ist
über einen gemeinsamen Hauseingang über das gemeinsame Treppenhaus zu
erreichen. Während längerer Abwesenheitszeiten des Klägers erfolgte unstreitig eine
Nachschau in der Wohnung des Klägers durch die Vermieter Q2, auch um die Fische im
Aquarium des Klägers zu versorgen.
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Während einer Urlaubsabwesenheit des Klägers und dessen Ehefrau kam es am
24.12.2004 zu einem Einbruch in das Mehrfamilienhaus, wobei unbekannte Täter
zunächst die Scheibe der Kellertür des Hauses einschlugen und nach Überwindung
deren Schließriegel in das Haus gelangten.
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Der Vermieter Q2 meldete den Vorfall am Spätabend des 24.12.2004 gegenüber der
Polizeiwache B. Die den Vorfall aufnehmenden Polizeibeamten stellten in der Wohnung
des Klägers Beschädigungen fest. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf
die Strafanzeige vom 25.12.2004 sowie den Spurensicherungsbericht vom 26.12.2004
(Bl. 1 ff. der Beiakten) verwiesen. In dem Spurensicherungsbericht vom 26.12.2004 ist
insbesondere ausgeführt:
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"Die Wohnungstür wies am Türrahmen, in der unteren Türhälfte zwei großflächige
Marken auf, die dadurch entstanden, das mit einem Hebelwerkzeug mehrfach
überlagernd angesetzt wurde. Es konnte eine ca. 3 cm breite Hebelmarke
festgestellt werden. Im oberen Bereich konnten zwei weitere, ca. 0,5 cm breite
Hebelmarken festgestellt werden." (Bl. 6 der Beiakten)
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Der Kläger meldete den Vorfall am 27.12.2004 gegenüber der Beklagten, die den
Sachverständigen X2 mit der Schadensfeststellung beauftragte. Der Kläger holte
unmittelbar Angebote und Bewertungen der von ihm als entwendet behaupteten
Gegenstände ein. Insoweit wird auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Ablichtungen
(Bl. 21 ff. d. A.) verwiesen. Für die Erstellung einer Versicherungsbescheinigung wurden
dem Kläger seitens des Goldschmiedemeisters G in B unter dem 29.12.2004 48,72 €, für
die Taxation einer Münzsammlung unter dem 30.12.2004 seitens der Fa. I in B 25,00 €,
insgesamt mithin 123,72 €, berechnet.
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Unter dem 31.12.2004 erfolgte eine schriftliche Schadenanzeige des Klägers, in
welcher der Kläger zum Schadenhergang u. a. ausführt:
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"Einbruch durch die Kellertür (Kellerfenster zerschlagen); Einbruch in die
Oberwohnung durch Dietrich bzw. Aushebeln der Tür (...)"
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Der Sachverständige X2 fertigte unter dem 31.12.2004 seine schriftliche
Schadensbewertung, wegen deren Einzelheiten auf die bei den Gerichtsakten
befindliche Ablichtung (Bl. 18 ff. d. A.) Bezug genommen wird. Die Schadenbewertung
nebst Belegen und Quittungen überreichte der Kläger am 06.01.2005 zur
Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Münster und an die Beklagte.
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Die Beklagte beauftragte unter dem 27.01.2005 den Sachverständigen H mit der
Erstellung eines Gutachtens zu den Einbruchspuren, welches dieser unter dem
07.03.2005 vorlegte und welches zu dem Ergebnis gelangt, dass die Spuren an der
Wohnungstür des Klägers bei zurückgeschlossenem Riegel erzeugt worden sein, d. h.
das Schloss sich nicht in Verschlussstellung befunden habe. Wegen der Einzelheiten
der Feststellungen des Sachverständigen H wird auf dessen in Ablichtung bei den
Akten befindliches Gutachten vom 07.03.2005 (Anlage B1 zum Schriftsatz vom
14.06.2005) verwiesen.
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Mit Schreiben seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 05.04.2005 forderte
der Kläger die Beklagte zur Regulierung des Schadens unter Fristsetzung bis zum
20.04.2005 auf. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 06.04.2005 die Erbringung von
Leistungen unter Hinweis auf das von ihr eingeholte Gutachten ab.
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Mit seiner Klage begehrt der Kläger Entschädigungszahlungen für bei dem behaupteten
Einbruch in seine Wohnung abhanden gekommene bzw. zerstörte Gegenstände,
ausgehend von den Bewertungen des Sachverständigen X2 zur Höhe von insgesamt
28.331,04 € zuzüglich der Kosten für die Erstellung von Belegen in Höhe von 123,72 €.
Ferner begehrt er Erstattung nicht anrechenbarer Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit
seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten, die er mit 870,52 € beziffert.
12
Er behauptet, bei dem Einbruch seien die in der Bewertung des Sachverständigen X2
im einzelnen aufgeführten Gegenstände entwendet bzw. beschädigt worden. Dabei sind
die Beschädigungen und die Entwendung einer Münzsammlung zwischen den Parteien
unstreitig.
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Er beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 29.325,28 € nebst Zinsen in Höhe von 4
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2005 aus
28.454,76 € sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz aus 870,52 € seit dem 06.04.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie beruft sich unter Hinweis auf das von ihr eingeholte Gutachten H darauf, dass das
äußere Bild eines Einbruchs in die Wohnung des Klägers nicht nachgewiesen sei und
behauptet, die Wohnung sei bei dem Schadensereignis unverschlossen gewesen.
Dieserhalb beruft sie sich auf Leistungsfreiheit wegen einer von ihr behaupteten
Obliegenheitsverletzung des Klägers, die sie in den Angaben des Klägers zum
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Schadenshergang in der Schadenanzeige sieht, sowie auf Leistungsfreiheit wegen grob
fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Kläger. Ferner hat sie
hilfswei-
se die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt. Sie bestreitet mit
Nichtwissen, dass sich die vom Kläger als entwendet angegebenen Gegenstände – mit
Ausnahme der Münzsammlung – vor dem Einbruch in der Wohnung befunden haben.
Die vom Kläger behaupteten Werte der einzelnen Gegenstände bestreitet sie der Höhe
nach.
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Das Gericht hat den Kläger angehört und Beweis erhoben durch uneidliche
Vernehmung der Zeuginnen X und T. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.07.2006 (Bl. 139 ff. d. A.)
Bezug genommen.
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Die Akten 81 UJs 132/05 – Staatsanwaltschaft Münster – waren beigezogen und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen
verwiesen.
22
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23
Die Klage ist im ausgeurteilten Umfang begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.
24
I.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch in Höhe von
27.169,04 € wegen der Entwendung bzw. Zerstörung von Gegenständen anlässlich des
Schadensereignisses vom 24.12.2004 aus §§ 1 Nr. 1, 5 Nr. 1 a), 10 Nr. 2, 18 VHB 92 i.
V. m. §§ 1, 49 VVG zu, da der Kläger durch eine bedingungsgemäße Entwendung bzw.
Zerstörung von Gegenständen geschädigt worden ist.
26
1.
27
Die Voraussetzungen des Versicherungsfalles hat nach allgemeinen Beweislastregeln
der Versicherungsnehmer nachzuweisen. Dabei kommen ihm bei einem behaupteten
Einbruchdiebstahl Beweiserleichterung zugute. In der Regel genügt der
Versicherungsnehmer seiner Beweislast schon dadurch, dass er das äußere Bild einer
bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die
nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen
Einbruchdiebstahl zulassen (vgl. BGH, VersR 1995, 956; VersR 1993, 571, 572; VersR
1992, 867; VersR 1991, 917, 918).
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Hieran gemessen liegen die Voraussetzungen eines bedingungsgemäßen
Einbruchdiebstahls zur Überzeugung des Gerichts vor, was sich bereits daraus ergibt,
dass durch die die Aufnahme durchführenden Polizeibeamten Aufbruchspuren sowohl
an der Kellertür des Hauses, in dem der Kläger vormals seine Wohnung innehatte,
festgestellt worden sind, was die Beklagte auch nicht in Zweifel zieht. Sie beruft sich
insoweit allein darauf, dass stimmige Aufbruchspuren an der Wohnungstür des Klägers
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insoweit allein darauf, dass stimmige Aufbruchspuren an der Wohnungstür des Klägers
nicht vorhanden sind, vielmehr das Spurenbild nach dem von ihr eingeholten Gutachten
des Sachverständigen H darauf schließen lasse, dass sich das Schloss der
Wohnungstür nicht in Verschlussstellung befunden habe. Insoweit bedurfte es einer
weiteren Beweiserhebung nicht, da der von der Beklagten eingewandte Gesichtspunkt
bereits für sich genommen nicht dazu führt, das sog. äußere Bild eines
Einbruchdiebstahls in Zweifel zu ziehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es
nämlich nach den dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zugrunde
liegenden VHB 92 ohne Belang, ob die Voraussetzungen der §§ 5, 6 VHB 92 sämtlich
innerhalb des Versicherungsortes, also der versicherten Wohnung verwirklicht worden
sind, mithin dem Diebstahlsereignis auch das Erbrechen der Wohnungstür des
Versicherungsnehmers vorausgegangen ist. Der Beklagten ist insoweit zwar
zuzugeben, dass nach den VHB 84 allein der Einbruch über die gemeinsame
Hauseingangstür eines Mehrfamilienhauses oder das gewaltsame Eindringen in eine
fremde Wohnung, von der aus der oder die Täter ohne weiteren Einbruch in die
versicherten Räume gelangt, nicht hinreicht (vgl. insoweit nur OLG Oldenburg, r+s 1996,
31; Knappmann, in:
Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 10 VHB 84 Rn. 2). Der diesbezügliche Hinweis der
Beklagten verfängt im Streitfall gleichwohl nicht, da der hier einschlägige § 10 VHB 92
gegenüber der Regelung in § 10 VHB 84 eine erhebliche Erweiterung des
Versicherungsortes erfahren hat und nur noch bei Raub alle Voraussetzungen am
Versicherungsort selbst erfüllt sein müssen, was sich im Umkehrschluss aus § 10 Nr. 4
VHB 92 ergibt. Der durchschnittliche, nicht mit versicherungsrechtlichen
Spezialkenntnissen versehene Versicherungsnehmer, der die
Versicherungsbedingungen mit Aufmerksamkeit liest, wird die in den VHB 92 enthaltene
Einschränkung für den Fall des Raubes bei Berücksichtigung des erkennbar verfolgten
Zwecks und Sinnzusammenhanges nach Dafürhalten des Gerichts nur so verstehen
können, dass für den Fall des qualifizierten Diebstahls sich lediglich die Wegnahme
selbst in der versicherten Wohnung vollziehen muss und nicht entscheidend ist, ob der
oder die Täter auch gewaltsam in die Wohnung selbst eingedrungen sind (vgl.
Knappmann, in: Prölss/Martin, a. a. O., § 10 VHB 92 Rn. 4; derselbe, in: ZAP 1993,
Neuregelungen in der Hausratversicherung, Fach 10, S. 99, 101). Es genügt dieserhalb
für Diebstahl und Vandalismus nach einem Diebstahl, wenn überhaupt in das Gebäude,
in dem die Wohnung des Versicherungsnehmers liegt, eingebrochen wurde (so
ausdrücklich Rüffer, in: Beckmann/Matusche-Beckmann,
Versicherungsrechtshandbuch, § 32 Rn. 120; Knappmann, in: ZAP 1993, a. a. O.). Für
eine dahingehende, vom Versicherer als Verwender der Klausel intendierte
Erleichterung des Versicherungsschutzes spricht einerseits, dass die Vorläuferregelung
des § 10 Nr. 3 VHB 84 im Gegensatz zu § 10 VHB 92 Vandalismus nach einem
Einbruch ausdrücklich benennt (so Knappmann, ZAP 1993, a. a. O.), anderseits in der
Nachfolgeregelung des § 9 VHB 2000 selbst die Einschränkung für den Fall der
Beraubung fallen gelassen worden ist. Selbst wenn man aber mit der Beklagten die in §
10 Nr. 4 VHB 92 enthaltene Beschränkung des Versicherungsschutzes nicht dahin
verstünde, dass mit ihr gleichsam eine Regelung des Versicherungsschutzes
hinsichtlich der im übrigen versicherten Begehungsweisen beabsichtigt war, bliebe die
von der Literatur vorgenommene versicherungsnehmerfreundliche Auslegung vertretbar.
Insoweit ließen sich die aus der mehrdeutigen Formulierung ergebenden Zweifel aus
Sicht des um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers nicht überwinden. Diese
Auslegungszweifel gingen gemäß §§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des
Verwenders; es wäre deshalb auch insoweit von der für den Versicherungsnehmer
günstigeren Auslegung auszugehen.
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Nicht damit gehört werden kann die Beklagte auch damit, dass jedenfalls für
Vandalismusschäden nach einem Einbruch gemäß § 6 VHB 92 Voraussetzung ist, dass
der oder die Täter in der in § 5 Nr. 1 a) oder f) VHB 92 umschriebenen Weise in die
Wohnung eindringen. Das Gegenteil folgt aus der umschriebenen Auslegung des § 10
Nr. 4 VHB 92 im Gegensatz zu § 10 Nr. 3 VHB 84, wobei insoweit auf das Vorstehende
verwiesen werden kann. Zudem kann das Risiko Vandalismus nach einem Einbruch
nicht isoliert, sondern nur versichert werden, wenn auch das Risiko Einbruchdiebstahl
versichert wird. Damit wird die Versicherbarkeit des Risikos Vandalismus nach einem
Einbruch lediglich auf der Ebene der vertraglichen Vereinbarung an die Versicherung
des Risikos Einbruchdiebstahl gebunden (vgl. BGH, NJW 2002, 1498 = r+s 2002, 163 =
VersR 2002, 480 = NVersZ 2002, 227 = zfs 2002, 237 = MDR 2002, 639). Hieraus folgt
zugleich, dass der in § 10 VHB 92 enthaltenen Risikozuordnung, in welchen Fällen von
einem versicherten Eindringen auszugehen ist, auch für den Versicherungsfall
Vandalismus maßgebliche Bedeutung zukommt und der Versicherer bereits dann
eintrittspflichtig ist, wenn neben der versicherten Entwendung zugleich versicherte
Sachen vorsätzlich zerstört oder beschädigt werden.
31
Auch soweit die Beklagte das Vorhandensein nahezu sämtlicher Gegenstände, von
denen der Kläger behauptet, sie seien bei dem Schadensereignis entwendet worden,
bestreitet, folgt hieraus für das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls nichts
Abweichendes. Der Versicherungsnehmer ist im Rahmen des äußeren Bildes nicht
gehalten, den Vollbeweis dafür zu führen, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen
vor dem behaupteten Einbruch tatsächlich am angegeben Ort vorhanden waren. Ob der
Versicherungsnehmer nachweisen kann, dass jeder einzelne Gegenstand vor dem
Diebstahl überhaupt vorhanden war und dann gestohlen wurde, ist eine Frage der Höhe
des Schadens. Zum äußeren Bild gehört nur, dass die als gestohlen gemeldeten
Sachen in etwa in der angegebenen Menge vorher vorhanden waren (vgl. OLG Hamm,
NVersZ 2001, 231 = r+s 2001, 159 = VersR 2001, 1509; r+s 1999, 33; VersR 1998, 316;
OLG Düsseldorf, NVersZ 2000, 182). Dies ist hier vom Kläger bewiesen worden.
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Die Zeugen X und T haben im Rahmen ihrer Vernehmung am 18.07.2006 glaubhaft
bekundet, dass die weit überwiegende Anzahl der Gegenstände, die der Kläger
gegenüber der Beklagten als entwendet gemeldet hat, vor dem streitgegenständlichen
Ereignis vom 24.12.2004 in der vormaligen Wohnung des Klägers vorhanden waren
und alsdann nicht mehr aufgefunden wurden. Die Angaben der Zeugin X decken sich
mit den Angaben des Klägers in seiner Anhörung und sind auch deshalb in jeder
Hinsicht uneingeschränkt glaubhaft, da der Kläger nahezu für sämtliche Gegenstände
Belege vorweisen konnte. Insoweit wird auf die Ablichtungen Bl. 21 ff., Bl. 103 ff. d. A.
und ergänzend auf die Belege Bl. 27 ff. EA Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten
der Bekundungen der Zeugen zu den entwendeten Gegenständen wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 18.07.2006 (Bl. 139 ff. d. A.) verwiesen.
33
2.
34
Die Beklagte ist auch nicht wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit aus § 21 Nr.
2 VHB 92 durch den Kläger leistungsfrei.
35
Soweit sich die Beklagte unter Berufung auf das von ihr eingeholte Gutachten darauf
beruft, der Kläger habe in der Schadenanzeige vom 31.12.2004 wahrheitswidrige
Angaben zum Eindringen in die von ihm bewohnte Wohnung gemacht, hat die Beklagte,
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zu deren Beweislast eine zur Leistungsfreiheit führende Obliegenheitsverletzung führt,
bereits nicht zu beweisen vermocht, dass dem Kläger – die Feststellungen des
Sachverständigen, das Schloss der Wohnungstür habe sich nicht in Verschlussstellung
befunden, als richtig unterstellt – von den Angaben in seiner Schadenanzeige
abweichende Umstände bekannt waren. Der Kläger hat unwidersprochen und
unwiderlegt vorgetragen, dass die Angaben in der Schadenanzeige auf den
Ergebnissen der Ermittlungstätigkeit der den Schaden aufnehmenden Polizeibeamten
beruhten, die in der unteren Türhälfte der Wohnungstür ausweislich des
Spurensicherungsberichts vom 26.12.2004 zwei großflächige Hebelmarken festgestellt
hatten. Bei dieser Sachlage erscheint es plausibel, dass der selbst ortsabwesende
Kläger davon ausgehen musste, das Schloss seiner Wohnungstür sei aufgebrochen
worden. Der Kläger hat aber in der
Schadenanzeige vom 31.12.2004 noch nicht einmal angegeben, dass das Schloss
tatsächlich erbrochen wurde, sondern die Art des Eindringens in die Wohnung gerade
offen gelassen bzw. auf zwei Alternativen des Eindringens erweitert.
37
3.
38
Auch auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des
Versicherungsfalls kann sich die Beklagte nicht berufen, da es nach Dafürhalten des
Gerichts einerseits vorliegend bereits als nicht als grob fahrlässig im Sinne von § 61
VVG angesehen werden kann, die Wohnungstür beim Verlassen der Wohnung nur ins
Schloss zu ziehen, wenn im übrigen ausreichende Sicherungen des Gebäudes gegen
unbefugtes Eindringen vorhanden sind. Hierbei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass
das Haus Q in B neben dem Kläger und seiner Ehefrau lediglich von den Vermietern
bewohnt war, denen man offenkundig in rechtlich nicht zu beanstandender Weise
Vertrauen dergestalt entgegenbrachte, dass man ihnen in Zeiten der Abwesenheit den
Wohnungsschlüssel überließ. Andererseits vermag auch insoweit die beweisbelastete
Beklagte nicht den Nachweis zu erbringen, dass der Kläger tatsächlich die
Wohnungstür beim Verlassen der Wohnung nicht verschlossen hat. Die Feststellungen
des Sachverständigen reichen insoweit ersichtlich nicht hin, da diese unberücksichtigt
lassen, dass es ebenso gut die Vermieter gewesen sein können, die nach Nachschau in
der Wohnung mittels des ihnen überlassenen Schlüssels die Wohnung des Klägers
nicht verschlossen haben.
39
Hinzu kommt, dass die Beklagte auch nicht den Nachweis geführt hat, dass die
vermeintlich grobe Fahrlässigkeit für den Versicherungsfall ursächlich geworden ist, d.
h. der Versicherungsfall nach einem Zeitpunkt eingetreten ist, von dem an das Verhalten
zu einem grob fahrlässigen wurde (vgl. hierzu OLG Hamm, VersR 2001, 1234; NVersZ
1999, 178; OLG Karlsruhe, VersR 2002, 1550; VersR 1998, 94; Terbille, r+s 2000, 51).
Der Kläger hat unwidersprochen angegeben, die Wohnung letztmals am 24.12.2004, d.
h. am Schadenstag, aufgesucht zu haben. Die Beklagte hat demgegenüber nicht
dargelegt, dass das Schadensereignis nicht bereits kurze Zeit nach dem Verlassen der
Wohnung eingetreten ist.
40
4.
41
Die von der Beklagten erklärte Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen
arglistiger Täuschung liegt ersichtlich neben der Sache und vermag an der
Eintrittspflicht der Beklagten nichts zu ändern. Die Beklagte selbst behauptet eine
42
Täuschung des Klägers, die den Vertragsschluss als solchen herbeigeführt haben
könnte, nicht.
5.
43
Zum Inhalt des Anspruchs gilt folgendes:
44
a)
45
Dem Kläger stehen hinsichtlich der abhanden gekommenen bzw. beschädigten
Gegenstände Ausgleichsansprüche gegen die Beklagte im Umfang der Feststellungen
des Sachverständigen Westermann zu, und zwar mit Ausnahme eines Teiles des
entwendeten Bargelds, da Bargeld nach § 19 Nr. 3 a) VHB 92 nur im Umfang von
1.023,00 € ersatzfähig ist. Das Gericht hat den Schaden der Höhe nach auf der
Grundlage des Gutachtens X2 gemäß § 287 ZPO geschätzt, ohne dass es auf das
Bestreiten der Schadenshöhe durch die Beklagte ankäme. Das Gutachten X2 hat die
Beklagte selbst in Auftrag gegeben. Ein solches Gutachten kann vom Gericht auch
gegen den Willen des Versicherers verwertet werden (vgl. OLG Karlsruhe, zfs 2005,
350; OLG Saarbrücken, VersR 1999, 750).
46
Abzusetzen war der Wert des entwendeten Nokia-Handys, da dieses nach den
Bekundungen der Zeugin X bereits erheblich beschädigt war und ihm daher ein
wirtschaftlicher Wert nicht mehr zukam.
47
b)
48
Erstattung der Kosten für die Taxation von Schmuck und Münzen kann der Kläger
demgegenüber nicht beanspruchen, da derartige Kosten gemäß § 66 Abs. 2 VVG vom
Versicherer grundsätzlich nicht zu erstatten sind.
49
II.
50
Die Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltsgebühren folgt im ausgeurteilten Umfang aus §§
280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB, nachdem die Beklagte Leistungen durch ihr
Ablehnungsschreiben vom 06.04.2005 endgültig und ernsthaft verweigert hat.
Abzusetzen waren Gebühren für die weitere Vertretung der mitversicherten Ehefrau des
Klägers, da dieser ein eigener Leistungsanspruch gegen die Beklagte ersichtlich nicht
zustand, § 75 Abs. 1 S. 1 VVG.
51
III.
52
Die zuerkannten Zinsen rechtfertigen sich hinsichtlich Haupt- und Nebenforderung unter
Verzugsgesichtspunkten ab dem 06.04.2005 aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3
BGB, 288 Abs. 1, 247 BGB, wobei Zinsen auf die Hauptforderung lediglich im Umfang
von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beansprucht sind.
53
Weitergehende Zinsen auf die Hauptforderung kann der Kläger aus § 24 Nr. 2 VHB 92
lediglich in Höhe von 4 % verlangen, da eine Verzinsung seit Anzeige des Schadens
nach § 24 Nr. 2 VHB 92 lediglich mit 1 Prozent unter dem Basiszinszinssatz,
mindestens aber 4 % bedungen ist.
54
IV.
55
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709,
711 ZPO.
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