Urteil des LG Dortmund vom 10.01.2007
LG Dortmund: anschrift, akte, internet, anwaltskosten, venezuela, vollstreckung, anklageschrift, amerika, entziehung, papiere
Landgericht Dortmund, 22 O 57/06
Datum:
10.01.2007
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
22. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 O 57/06
Leitsätze:
Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers ist grundsätzlich
Voraussetzung für eine wirksame Klageerhebung ( Anschluß BGH NJW
1988, 2114; OLG Hamm MDR 2005, 1247).
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden nach einem Streitwert in Höhe von
7.227,32 € dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die
Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120
% des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger, der die Klage unter der im Rubrum genannten Anschrift erhoben hat, macht
Kaskoansprüche gegen die Beklagte geltend.
2
Er behauptet, er habe mit dem Motorrad L, #####, am 30.05.2005 gegen 16.00 Uhr in
Frankreich auf der M## bei X einen Verkehrsunfall ohne Fremdbeteiligung erlitten. Er
sei mit dem Motorrad gestürzt, als er auf aus einem Gebüsch auffliegende größere
braune Vögel, möglicherweise Rebhühner, reagiert habe.
3
Für das Motorrad habe aufgrund einer kurz vor dem Unfall von der Beklagten erlangten
vorläufigen Deckung Versicherungsschutz bestanden.
4
An dem Motorrad sei durch den Unfall Totalschaden entstanden.
5
Der Kläger wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Aschaffenburg im Jahre 2003 wegen
Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe in Höhe von 25
Tagessätzen zu je 30,00 € verurteilt. Die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg erhob unter
dem 24.05.2005 Anklage gegen den Beklagten (Bl. 164 ff. der Akte 103 Js 15014/04 StA
6
Aschaffenburg, im Folgenden: Beiakte). Neben einem weiteren Versicherungsbetrug
wurde er angeklagt, den Diebstahl des streitgegenständlichen Motorrades vorgetäuscht
zu haben. Die Anklage beruhte insoweit auf einem Teilgeständnis des Klägers vom
13.10.2004 (Bl. 14 ff. der Beiakte). Das Verfahren wurde von der StA Aschaffenburg am
07.06.005 wegen unbekannten Aufenthalts des Klägers vorläufig eingestellt (§ 205
StPO). Das Verfahren ist nach der vorläufigen Einstellung nicht mehr aufgenommen
worden.
Mit der Klage macht der Kläger den behaupteten Fahrzeugschaden in Höhe von
7.000,00 € zuzüglich der Sachverständigengebühren in Höhe von 727,32 € abzüglich
der Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 € geltend, mithin einen Betrag von 7.227,32 €.
Daneben verlangt er die nicht anrechenbaren außergerichtlichen Anwaltskosten in
Höhe von 257,80 €.
7
Er beantragt daher,
8
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7,227,32 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2005 sowie 257,80 € außergerichtlich
entstandener Anwaltskosten nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 18.06.2005 zu zahlen.
9
Die Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Sie rügt, dass der Wohnort des Klägers nicht feststellbar sei.
12
Sie sieht den Kläger als nicht glaubwürdig an und beruft sich auf Leistungsfreiheit
wegen Obliegenheitsverletzung aufgrund des Verschweigens von Vorschäden.
13
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
14
Die Klage ist bereits unzulässig. Es fehlt an einer wirksamen Klageerhebung. Für eine
solche ist die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift grundsätzlich Voraussetzung
(BGH NJW 1988, 2114; OLG Hamm OLGR 2005, 313 f = MDR 2005, 1247; KG Berlin,
KGR 2005, 834). Hieran fehlt es vorliegend.
15
Bereits die in der Klage genannte Anschrift enthielt nur eine "c/o"-Adresse. Eine
Zustellung der Ladung an den Kläger war nicht möglich, wie der Rückbrief Blatt 18 der
Akte belegt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers bat sodann darum, die Anordnung
des persönlichen Erscheinens des Klägers aufzuheben, da dieser sich bis auf Weiteres
in Amerika befinde. Der Kläger werde sich auf absehbare Zeit nicht in Deutschland
aufhalten (Blatt 20 und 51 der Akte). Nachdem das Gericht auf das vorgenannte Urteil
des OLG Hamm hingewiesen hatte, kündigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers
an, die ladungsfähige Anschrift des Klägers nachzureichen. Die angeblich
ladungsfähige Anschrift des Klägers wurde sodann wie folgt mitgeteilt (Blatt 63 der
Akte):
16
I.C. bei P
17
X – road
18
G – T #######
19
UK
20
Auch unter dieser Anschrift konnte der Kläger nicht geladen werden (Bl. 70 d.A). Eine
vom Gericht angeforderte Meldebestätigung konnte der Kläger nicht vorlegen, ohne
hierfür plausible und nachvollziehbare Gründe dargelegt zu haben. Der vorgenannte
Ablauf lässt nur den Schluss zu, dass der Kläger versucht, den Prozess aus dem
Verborgenem zu führen und seinen wahren Aufenthaltsort verschleiern will. Hierzu
passt das Schreiben vom 06.05.2005, welches er an die Staatsanwaltschaft
Aschaffenburg richtete (Bl. 172 der Beiakte). Dieses lautet auszugsweise wie folgt:
21
"Da ich bis heute noch keine Anklageschrift erhalten habe, kann ich auch keine
Stellungnahme abgeben. Ich bin nur (Hervorhebung des Klägers) übers Internet zu
erreichen da ich mich in Deutschland abgemeldet habe. Ich weise darauf hin, dass
es keine Entziehung des Strafverfahrens ist, sondern seit Jahren geplante Änderung
meiner Lebensqualität, die in Deutschland nicht mehr gewährleistet ist. Ich bitte Sie
daher, mir die Anklage so schnell wie möglich übers Internet zukommen zu lassen,
dass ich mich äußeren kann."
22
Zuvor hatte der Kläger sich unter Verwendung einer Anschrift aus Venezuela mit
Schreiben vom 01.01.2005 an die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg gewandt, Bl. 92
der Beiakten). Hier teilte er mit, dass eine Verlobte in Venezuela habe und beabsichtige
in Deutschland zu heiraten. Er befinde sich allerdings noch nicht in Deutschland, da
noch einige Papiere für die Hochzeit fehlen würden. Selbst der Prozessbevollmächtigte
des Klägers musste mit Schreiben vom 28.07.2005, gerichtet an die Beklagte,
einräumen, dass die Kontaktaufnahme mit dem Kläger "wegen eines
Auslandaufenthaltes zur Zeit nicht ganz unproblematisch" sei.
23
Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
24
Der Antrag der Beklagten, den Kläger zur Zahlung einer Prozesskostensicherheit zu
verpflichten, § 110 ZPO, konnte nicht positiv beschieden werden, weil nicht festgestellt
werden kann, dass der Kläger sein gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem
Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat. Der Aufenthaltsort des Klägers ist gänzlich
ungeklärt.
25
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
26