Urteil des LG Dortmund vom 11.07.2003

LG Dortmund: ware, kaufvertrag, rückzahlung, rückabwicklung, fristbeginn, ausnahme, unternehmer, auslieferung, gesetzgebungsverfahren, widerrufsrecht

Landgericht Dortmund, 17 S 30/03
Datum:
11.07.2003
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
17. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 S 30/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Lünen, 7 C 479/02
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.01.2003 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Lünen - 7 C 479/02 - wird auf ihre Kosten zu-
rückgewiesen.
G r ü n d e :
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I.
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Auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung
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wird Bezug genommen.
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Il.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung von 1.866,00 € gegen
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die Beklagte zu. Die Klägerin kann die Rückzahlung des eingeklagten Be-
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trages im Wege der Rückabwicklung des zwischen den Parteien am
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07.04.2002 geschlossenen Kaufvertrages gemäß § 346 BGB n.F. i.V.m.
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§§ 312, 355, 357 BGB n.F. verlangen. Zwischen den Parteien ist ein
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Rückabwicklungsverhältnis i.S.d. § 346 BGB n.F. entstanden, da die Kläge-
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rin den zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag wirksam
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gemäß § 312 BGB n.F. i.V.m. § 355 Abs. 2 BGB n.F. widerrufen hat.
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Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag stellt ein Haustür-
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geschäft i.S.d. § 312 BGB n.F. dar. Gemäß § 312 BGB n.F. i.V.m. § 355
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Abs. 2 BGB n.F. stand der Klägerin als Verbraucherin ein Widerrufsrecht
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zu. Dieses hat sie mit dem Widerruf vom 14.06.2002 wirksam ausgeübt.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehen gegen die Anwendbar-
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keit des § 355 Abs. 2 BGB n.F. keine Bedenken. Soweit die Beklagte ein-
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wendet, § 355 Abs. 2 BGB n.F. sei verfassungswidrig, folgt die Kammer
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dieser Auffassung nicht. Formelle Fehler im Rahmen des Gesetzge-
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bungsverfahrens betreffend das Schuldrechtsmodernisjerungsgesetz hat
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die Beklagte nicht dargetan und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Die
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Tatsache, dass das im Mai 2001 eingeleitete Gesetzgebungsverfahren
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zügig zu Ende gebracht worden ist, begründet nicht schon seine Verfas-
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sungswidrigkeit. Auch gegen die materielle Verfassungsmäßigkeit des
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Gesetzes bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist das vom Gesetz-
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geber zu beachtende Rückwirkungsverbot nicht verletzt worden, da das
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am 29.11.2001 verkündete Gesetz gemäß Art. 229 § 5 EGBGB erst auf
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die nach dem 31.12.2001 entstehenden Schuldverhältnisse anzuwenden
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ist.
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Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf des
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Vertrages vom 07.04.2002 vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten
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war der Widerruf vom 14.06.2002 auch rechtzeitig.
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Gemäß § 355 Abs. 1 BGB n.F. i.V.m. § 312 Abs.1 BGB n.F. kann ein Verbrau-
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chervertrag - hier das Haustürgeschäft - binnen 2 Wochen gegenüber
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dem Unternehmer widerrufen werden, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt
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der Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung beginnt.
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Der Fristbeginn erfordert hingegen bei Warenlieferungsgeschäften, wie dem Vorliegen-
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den, entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht, dass auch die Wa-
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ren vollständig geliefert worden sind. Die anders lautende Regelung
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des § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F. , wonach der Lauf der Frist auch vom Eingang der
Waren beim Empfänger abhängt, ist auf die Fälle des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F.
nicht anwendbar.
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Vielmehr betrifft diese Vorschrift die Fälle des § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB n.F.. Hierfür
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spricht zum einen die grammatische Auslegung. Danach ist es naheliegend,
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dass sich die in § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F. erwähnte Frist auf die in
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§ 355 Abs. 3 Satz 1 BGB n.F. genannte lange Frist bezieht. Ferner spricht
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auch die Tatsache, dass die in § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F. enthaltene Re-
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gelung nicht in § 355 Abs. 2 BGB n.F. Eingang gefunden hat, gegen die
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Rechtsauffassung des Amtsgerichts, die 2-Wochen-Frist laufe erst mit
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Lieferung der Waren. Letztlich weist die Beklagte zu Recht darauf hin,
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dass sich aus § 312 d Abs. 2 BGB n.F. im Gegenschluss ergibt, dass im
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Falle von Haustürgeschäften der Lauf der 2-Wochen-Frist gerade nicht an
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die Auslieferung der Ware geknüpft sein soll. Dort ist für Fernabsatzverträge
ausdrücklich in Abweichung zu § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. geregelt, dass die
Widerrufs-
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frist bei Lieferung von Waren erst ab Eingang der Ware beim Empfänger
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beginnt. Eine entsprechende Ausnahme hat der Gesetzgeber in der Vor-
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schrift des § 312 BGB n. F. für Haustürgeschäfte hingegen nicht vorgese-
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hen. Gestützt wird diese Auslegung im Übrigen auch in der Literatur (vgl.
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Palandt-Heinrichs, 61. Aufl., Ergänzungsband. § 355 Rn. 19).
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Mithin ist der Beginn der Widerrufsfrist allein an die Erteilung einer ord-
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nungsgemäßen Widerrufsbelehrung geknüpft. Die seitens der Beklagten
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unter dem 07.04.2002 erteilte Widerrufsbelehrung genügt den Anforde-
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rungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht, da sie entgegen
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§ 355 Abs. 2 BGB n.F. keinen vollständigen Hinweis auf die
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Regelung des § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. enthält. Mithin ist mit der Widerrufs-
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belehrung vom 07.04.2002 die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt worden.
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Eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung ist auch zu keinem späteren
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Zeitpunkt erteilt und die 2-Wochen-Frist somit auch später nicht in Lauf
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gesetzt worden.
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Dementsprechend war die am 14.06.2002 abgegebene Widerrufserklärung rechtzeitig
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i.S.d. § 355 Abs.1 BGB n.F.. Folglich steht der Klägerin der geltend ge-
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machte Zahlungsanspruch im Wege der Rückabwicklung des mit der Be-
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klagten geschlossenen Haustürgeschäftes zu.
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Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO
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zurückzuweisen.
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