Urteil des LG Dortmund vom 09.12.2005
LG Dortmund: firma, lebensversicherung, treu und glauben, vergleich, abtretung, kreditvertrag, rückzahlung, darlehensvertrag, grundpfandrecht, gesellschafter
Landgericht Dortmund, 3 O 928/04
Datum:
09.12.2005
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 928/04
Schlagworte:
HAT 52
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus den nachfolgend
genannten Darlehen
a) Darlehen 1: 26.775,00 DM (Anschaffungs- und Her-
stellungskosten) = 13.689,84 € und
b) Darlehen 2: 2.983,50 DM (Neben- und Werbungs-
kosten) = 1.525,44 €
wegen Nichtigkeit der Darlehensverträge einschließlich der
Vergleichsverträge keine Zahlungsansprüche aus Haupt-
forderung, Zinsen und Nebenkosten gegen den Kläger
geltend machen kann.
2. Die Beklagte wird verurteilt,
a) an den Kläger 5.063,83 € (i.W. fünftausenddreiund-
sechzig 83/100 Euro) zu zahlen,
b) an den Kläger die zur Sicherung der im Antrag zu 1.
genannten „Darlehen“ abgetrenenen gegenwärtigen und
zukünftigen Rechte aus der Lebensversicherung unter
Einschluss etwaiger damit verbundenen Rechte im Falle
eines Unfalls, Berufsunfähigkeit und Invalidität beim
H Konzern, LV-Nr.:#######, einschließlich aller
Dividenden und Gutschriften an den Kläger zurück abzu-
treten,
Zug um Zug gegen Übertragung/Abtretung der ihm gehörenden
Fondsanteile an dem I, eingetragen im
Grundbuch von L, Blatt ####, sowie Zug um Zug gegen
Abtretung aller Ansprüche gegen die Fondsverantwortlichen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/10
und die Beklagte 9/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch
nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des bei-
zutreibenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung
der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
1.000,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Unter dem 20.06.1994 unterschrieb der Kläger einen formularmäßigen "Auftrag und
Vollmacht ( I2 (im Folgenden: I2 ) womit er die K Steuerberatungsgesellschaft mbH (im
Folgenden: Firma K) beauftragte, den Beitritt zu der vorgenannten Fondsgesellschaft mit
einer Anteilssumme in Höhe von 90.000,00 DM zu erklären. Er erteilte der Firma K
ausdrücklich Vollmacht, sowohl für die Gesellschaft als auch für die einzelnen
Gesellschafter die erforderlichen Zwischen- und Endfinanzierungskredite aufzunehmen,
namens der Gesellschaft und der Gesellschafter Konten bei Banken zu eröffnen und
über Eigen- und Fremdmittel zu verfügen und das Immobilienvermögen des Fonds als
Sicherheit insgesamt zu belasten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
Anlagen K 5, Bl. 84 d.A. und B 2, Bl. 272 und 273 d.A., verwiesen. Am 07.07.1994
unterschrieb der Kläger eine weitere Vollmacht für die Firma K (Einzelheiten Bl. 274 bis
281 d.A.). Die Unterschrift wurde notariell beglaubigt.
2
Der I2 wurde von der I3, der T sowie Q und T2, mit dem Zweck gegründet, in der I
Straße ## ein Büro- und Geschäftshaus in M zu errichten, was sodann vermietet und
verwaltet werden sollte. Zur Realisierung des Gesellschaftszwecks sollten über eine
Treuhandgesellschaft, die Firma K, weitere Gesellschafter beitreten und den
Gesellschaftszweck durch ihre Kapitaleinlage fördern.
3
Zur Finanzierung eines Teils der Beteiligungssumme schloss die Firma K namens des
Klägers mit der E Bank unter dem 21.12.1995 einen schriftlichen Darlehensvertrag u.a.
mit folgenden Konditionen:
4
Darlehenssummen: 63.000,00 DM + 7.020,00 DM
5
Tilgungsaussetzung gegen Abtretung einer Lebensversicherung
6
(Einzelheiten K 9, Bl. 94 und 95 d.A.)
7
5,25 % Sollzinsen fest für die Zeit vom 30.12.1995 bis 31.03.2001
8
Auszahlung: 90 %
9
Darlehensbefristung: 30.12.1995 bis 30.06.2016
10
Sicherung durch eine Grundschuld in Höhe von 37.500.000,00 DM
11
an dem Grundstück der Fondsgesellschaft.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der E Bank vom 21.02.1996
(Anlage B 4, Bl. 282 bis 284 d.A.) und auf die Anlage B 12 (Bl. 452 bis 465 d.A.)
verwiesen.
13
Beigefügt waren Listen der Anleger, in denen folgende Beträge aufgelistet wurden:
14
Bruttodarlehen,
15
Damnum,
16
Bearbeitungsgebühr,
17
Nettodarlehen, abgesichert durch Lebensversicherung,
18
Zinsen,
19
Gesamtbetrag aller Zahlungen.
20
Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 297 bis 307 d.A. verwiesen.
21
Im September 2000 schlossen der Kläger und die Beklagte einen Vergleich u.a. mit
folgenden Konditionen:
22
Erlass der Darlehensforderung durch die Beklagte in Höhe
23
von 42,5 %,
24
"Neue Kapitalforderung" 36.225,00 DM + 4.036,50 DM,
25
5,25 % Zinsen fest für die Zeit vom 01.01.2000 bis 31.12.2010,
26
Tilgungsaussetzung durch Lebensversicherung,
27
Sicherung durch bestehende Grundschulden,
28
Erlass sämtlicher Forderungen durch den Kläger.
29
Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der E Bank.
30
Der Kläger meint, der Darlehensvertrag und der Vergleich seien unwirksam und begehrt
deshalb und im Wege des Schadensersatzes Rückzahlung seiner Leistungen und die
Feststellung, dass der Beklagten keine Ansprüche mehr zustehen. Er zahlte:
31
18.900,00 DM (Barkapital) + 4.500,00 DM (Durchführungsgebühr) =
32
23.400,00 DM = 11.964,23 € an die Treuhänderin,
33
5.063,83 € Zinsen an die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin
34
(Einzelheiten Anlage K 12, Bl. 108 d.A.).
35
Die Ausschüttungen des Fonds erhielt die Beklagte bzw. deren
36
Rechtsvorgängerin.
37
Der Kläger beantragt,
38
1. festzustellen, dass die Beklagte aus den nachfolgend
39
genannten "Darlehen"
40
a) Darlehen 1: 26.775,00 DM (Anschaffungs- und Her-
41
stellungskosten) = 13.689,84 € und
42
b) Darlehen 2: 2.983,50 DM (Neben- und Werbungs-
43
kosten) = 1.525,44 €
44
wegen Nichtigkeit der Darlehensverträge einschließlich der
45
Vergleichsverträge keine Zahlungsansprüche aus Haupt-
46
forderung, Zinsen und Nebenkosten gegen den Kläger
47
geltend machen kann.
48
2. Die Beklagte zu verurteilen,
49
a) an ihn 9.028,06 € zu zahlen,
50
Zug um Zug gegen Übertragung/Abtretung der ihm gehörenden Fondsanteile
an dem I, eingetragen im Grundbuch von L, Blatt ####, Zug um Zug gegen
51
Abtretung aller Ansprüche gegen die Fondsverantwortlichen, wobei sich der
im Antrag zu 2. genannte Betrag wie
52
folgt zusammensetzt::
53
54
aa) Rückzahlung der geleisteten Bareinlage von
55
18.900,00 DM = 9.663,42 € (Eigenkapital) und
56
4.500,00 DM = 2.300,81 € (Agio = insgesamt
57
11.964,23 €) nebst
58
bb) bisher gezahlter Zinsen auf die Darlehensverträge
59
Nr. 1 und 2 von zusammen 5.063,83 € in der Zeit
60
vom 01.01.1996 bis 31.12.2004,
61
cc) abzüglich der erzielten Steuervorteile in der Zeit
62
von 1996 bis 2003 in Höhe von jährlich geschätzt
63
1.000,00 € p.A. = 8 Jahre = 8.000,00 €,
64
dd) abzüglich der Ausschüttungen des I in der Zeit von 1996 bis 2003 –
bereits bei den
65
Zinszahlungen berücksichtigt.
66
3. Die Beklagte zu verurteilen,
67
an den Kläger die zur Sicherung der im Antrag zu 1.
68
genannten "Darlehen" abgetrenenen gegenwärtigen und zukünftigen
Rechte aus der Lebensversicherung unter Einschluss etwaiger damit
verbundener Rechte im Falle eines Unfalls, Berufsunfähigkeit und
Invalidität beim H Konzern, LV-Nr.: ######, einschließlich aller
Dividenden und Gutschriften an den Kläger zurück abzutreten.
69
70
Die Beklagte beantragt,
71
die Klage abzuweisen.
72
Sie behauptet, bei Abschluss des Darlehensvertrages habe eine Ausfertigung/das
Original der Vollmachten vorgelegen. Die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages sei
Gegenstand der Vergleichsverhandlungen gewesen.
73
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien wird auf die wechselseitig
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
74
Die Kammer hat in anderen Verfahren eine schriftliche Aussage der Zeugin H2
eingeholt. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Beschluss der
Kammer in dem Verfahren 3 O 970/04 (Bl. 338 u. 339 d.A.) sowie auf das Schreiben der
Zeugin vom 30.09.2005 (Bl. 344 bis 346 d.A.) verwiesen.
75
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
76
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
77
Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB einen Anspruch auf
Rückzahlung in Höhe von 5.063,83 € sowie auf Rückübertragung der Rechte und
Ansprüche gegen den H Konzern aus der abgetretenen Lebensversicherung.
78
Der Kläger hat unstreitig an die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin
Darlehenszinsen in Höhe von 5.063,83 € gezahlt. Wegen der Einzelheiten wird insoweit
auf die Anlage K 12 (Bl. 108 d.A.) Bezug genommen.
79
Die darüber hinausgehenden streitgegenständlichen Zahlungen in Höhe von 18.900,00
DM und 4.500,00 DM erfolgten an die Treuhänderin, die Firma K und nicht an die
Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin. Der Kläger kann diese Zahlungen daher auch
nicht gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB von der Beklagten zurückverlangen, denn es fehlt
an einer Leistung an die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin. Dabei handelt es sich
um eine Anspruchsvoraussetzung des Bereicherungsanspruchs nach § 812 Abs. 1 S. 1
BGB. Soweit der Zuwendende – hier der Kläger – die Vermögensverschiebung zur
Erfüllung einer bestehenden oder vermeintlichen Leistungspflicht erbracht hat – hier
Fondsbeitritt gemäß Zeichnungsschein -, kommt daneben wegen des Vorrangs der
Leistungsbeziehung kein Anspruch aus einer Bereicherung in sonstiger Weise, die hier
im Übrigen nicht gegeben ist, in Betracht (Palandt, § 812 Rn. 43).
80
Die Leistung in Höhe von 5.063,83 € sowie die Abtretung der Rechte aus der
Lebensversicherung erfolgten ohne Rechtsgrund, denn der Vergleich (nachfolgend A)
und der Darlehensvertrag (nachfolgend B) sind unwirksam.
81
A.
82
Die Unwirksamkeit des Vergleichs ergibt sich aus §§ 4 Abs. 1 S 4 Nr. 1 f und 6 Abs. 1
VerbrKrG. Danach ist ein Verbraucherkreditvertrag nichtig, wenn in der von dem
Verbraucher zu unterzeichnenden Erklärung die Angabe der Kosten einer Restschuld-
83
oder sonstigen Versicherung, die im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag
abgeschlossen wird, fehlt.
§ 4 VerbrKrG ist auf den Vergleich anzuwenden. Dies ergibt sich daraus, dass § 3 Abs.
2 Nr. 3 VerbrKrG bestimmt, dass § 4 VerbrKrG für gerichtlich oder notariell protokollierte
Kreditverträge keine Anwendung findet. Diese Regelung wäre überflüssig und sinnlos,
wenn sämtliche Vergleiche, die einen Kreditvertrag enthalten, nicht nach § 4 VerbrKrG
formbedürftig wären. Der Vergleich enthält einen Kreditvertrag.
84
Ein Kreditvertrag ist ein Vertrag, durch den ein Kreditgeber einem Verbraucher einen
entgeltlichen Kredit in Form eines Darlehens, eines Zahlungsaufschubes oder einer
sonstigen Finanzierungshilfe gewährt
85
oder zu gewähren verspricht (§ 1 Abs. 2 VerbrKrG). Diese Voraussetzungen sind im
vorliegenden Fall erfüllt, denn die Parteien haben u.a. vereinbart, dass die Beklagte
dem Kläger ein Darlehen in Höhe von 36.225,00 DM + 4.036,50 DM zu einem Zinssatz
in Höhe von 5,25 % gewährt (Nr. 7 des Vergleichs). Entgegen der Rechtsansicht der
Beklagten handelt es sich nicht um eine unentgeltliche Stundung, für die das
Verbraucherkreditgesetz nicht gelten würde. Gegen eine Stundung (zur Definition vgl.
Palandt, § 271 Rn. 12) spricht, dass der Darlehensvertrag unwirksam ist (dazu unten B.)
und der Beklagten daher keine fällige Darlehensforderung zustand, die gestundet hätte
werden können. Es fehlt zudem an der Unentgeltlichkeit, weil der Kläger verpflichtet
war, für die gesamte Laufzeit 5,25 % Zinsen zu zahlen und auf die Rückforderung seiner
bis dahin geleisteten Zins- und Tilgungsraten verzichtete.
86
Der Vergleichsvertrag enthält unstreitig keine Angaben zu den Kosten der
Lebensversicherung. Diese Kosten sind nach § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 f VerbrKrG
anzugeben, weil die Lebensversicherung im "Zusammenhang" mit dem Vergleich
abgeschlossen worden ist. Entscheidend ist insoweit eine enge Verbindung zwischen
dem Kredit- und dem Versicherungsvertrag. Diese ist immer dann gegeben, wenn aus
der maßgebenden Sicht des Verbrauchers die Zahlungen auf den Ansparvertrag
wirtschaftlich regelmäßigen Tilgungsleistungen gleich stehen (BGH XI ZR 10/04, XI ZR
330/03, XI ZR 150/03, II ZR 411/02; Hemmerde u.a. in WM 1993, 181 ff.). Dies ist
vorliegend der Fall, weil nach der Regelung in Nr. 7 Abs. 2 und Nr. 9 des Vergleichs die
Tilgung ausgesetzt wurde und dafür parallel Zahlungen auf die Lebensversicherung
geleistet werden sollten, die nach den übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien
bei Abschluss des Vergleichs ganz oder zumindest teilweise zur Rückzahlung des
Nettokredites verwendet werden sollte. Dies ergibt sich auch aus dem
Zeichnungsschein ("Der Auftraggeber wünscht: Tilgung über Lebensversicherung") und
aus dem Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten an den Kläger ("Sie haben
folgende Konditionen gewählt: Tilgungsaussetzung gegen Abtretung von
Lebensversicherungsansprüchen"). Die Kapitallebensversicherung diente damit nicht
als reines Sicherungsmittel. Unerheblich ist nach der oben zitierten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, dass der Kläger das Darlehen bei Fälligkeit auch mit anderen
Mitteln hätte tilgen können. Ohne Bedeutung ist danach auch ein zeitlicher
Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Kredit- und des
Lebensversicherungsvertrages.
87
Festzuhalten bleibt damit, dass in dem Vergleich die in § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 f VerbrKrG
vorgeschriebene Angabe fehlt. Unbeachtlich ist, dass es sich möglicherweise um einen
Realkreditvertrag handelt, denn nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ist lediglich § 4 Abs. 1 S
88
4 Nr. 1 b VerbrKrG (Angabe des Gesamtbetrages) entbehrlich.
Eine Heilung des nichtigen Vergleichs nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG ist nicht eingetreten.
Der Kläger hat das Darlehen zu keinem Zeitpunkt empfangen oder in Anspruch
genommen. Die Unwirksamkeit der Vollmacht der Firma K (dazu unten B.) führt dazu,
dass die Darlehenssumme aufgrund der – unwirksamen - Anweisung der Treuhänderin
nicht an die Kläger, sondern auf ein Konto der Treuhänderin ausgezahlt worden ist
(BGH, XI ZR 42/04, XI ZR 272/03). Der Vergleich ist folglich unwirksam.
89
Der Grundsatz von Treu und Glauben rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Gesetzliche
Formvorschriften dürfen im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen
Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Ausnahmen sind nur zulässig,
wenn das Ergebnis für die betroffene Partei – hier die Beklagte – schlechthin untragbar
wäre. Anzunehmen wäre dies bei Arglist, einer schweren Treuepflichtverletzung durch
den Kläger oder Existenzgefährdung (Palandt, § 125 Rn. 16 ff.). Davon kann im
vorliegenden Fall keine Rede sein.
90
B.
91
Die im Namen des Klägers von der Firma K geschlossenen Darlehensverträge sind
unwirksam, weil die Firma K den Kläger nicht wirksam vertreten konnte (§ 177 BGB) und
zudem die Formalien des § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 f VerbrKrG nicht eingehalten wurden.
92
Der Treuhandauftrag und die damit verbundene Vollmacht der Firma K sind wegen
eines Verstoßes gegen Art. 1, § 1 Rechtsberatungsgesetz (im Folgenden RberG)
nichtig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (II ZR 393/02, III ZR 182/00,
XI ZR 321/00, 188/02, 289/02, 272/03 und 42/04) bedarf derjenige, der ausschließlich
oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines Grundstückserwerbes oder eines
Fondsbeitritts im Rahmen eines Steuersparmodells für den Erwerber besorgt, der
Erlaubnis nach Art. 1, § 1 RberG. Ein ohne diese Erlaubnis abgeschlossener
Treuhandvertrag, der so umfassende Befugnisse wie hier enthält (Einzelheiten I und II
der Vollmacht vom 09.01.1995, Bl. 110 bis 115 d.A.), ist nichtig. Die Nichtigkeit erfasst
auch die der Treuhänderin erteilte umfassende Abschlussvollmacht. Dahinstehen kann,
ob der Geschäftsführer der Treuhänderin als Rechtsanwalt zugelassen war, denn
Vertragspartner und Treuhänder des Klägers war die Firma Dr. Jehl, die unstreitig nicht
über eine Erlaubnis zur Rechtsberatung verfügte (BGH, XI ZR 42/02). Ohne Bedeutung
ist auch die im Zeichnungsschein enthaltene Vollmachtserklärung, denn im
Zeichnungsschein wird auf den in dem Prospekt beigefügten weitreichenden und
unwirksamen Treuhandvertrag nebst Vollmacht verwiesen, so dass der im
Zeichnungsschein enthaltenen Erklärung keine eigenständige Bedeutung zukommt
(BGH, II ZR 393/04).
93
Die Vollmacht der Firma K ist nicht nach § 172 BGB als wirksam zu behandeln. Dahin
stehen kann der Meinungsstreit (BGH, II ZR 393/02 einerseits BGH, XI ZR 272/03 und
42/04 andererseits), ob § 172 BGB im vorliegenden Fall anzuwenden ist, denn die
Voraussetzungen des § 172 BGB sind nicht erfüllt. Die Anwendung dieser Vorschrift
erfordert, dass der Rechtsvorgängerin der Beklagten spätestens beim Abschluss der
Darlehensverträge eine Ausfertigung oder das Original der
Vollmachtsurkunde/Urkunden vorlag. Eine Ausfertigung kann der Rechtsvorgängerin
der Beklagten denknotwendig nicht vorgelegen haben, weil Ausfertigungen nur von
notariell beurkundeten Erklärungen und Verträgen, nicht aber von notariell beglaubigten
94
Unterschriften – wie vorliegend – gefertigt werden. Dass der Rechtsvorgängerin der
Beklagten die Originale der notariell beglaubigten Vollmacht oder des
Zeichnungsscheins vorlagen, konnte die Beklagte nicht beweisen. Die Kammer hat eine
schriftliche Aussage der von der Beklagten benannten, erkrankten Zeugin H2 eingeholt.
Die Zeugin kann sich wegen des Zeitablaufs nicht mehr zuverlässig erinnern, welche
Urkunden ihr vorlagen. Diese Angaben decken sich mit ihrer Vernehmung durch das
Amtsgericht Schöneberg vom 16.10.2003.
Tatsachen, die die Annahme einer Duldungsvollmacht rechtfertigen (vgl. dazu nur BGH,
XI ZR 42/04) sind weder ersichtlich noch dargelegt.
95
Festzuhalten bleibt damit, dass die Treuhänderin als Vertreterin ohne Vertretungsmacht
gehandelt hat und die Darlehensverträge deshalb unwirksam sind. Eine Genehmigung
hat der Kläger nicht erklärt. Dahinstehen kann, ob der Vergleich eine stillschweigende
oder ausdrückliche Genehmigung enthält, denn er ist nach dem oben Gesagten
unwirksam. Die Unwirksamkeit beschränkt sich auf alle Bestandteile (§ 139 BGB).
96
Ein Anspruch auf Rückzahlung der Darlehenssumme aus ungerechtfertigter
Bereicherung steht der Beklagten im Gegenzug nicht zu. Die Unwirksamkeit der
Vollmacht der Firma K führt dazu, dass die Darlehenssumme aufgrund der -
unwirksamen – Anweisung der Treuhänderin nicht an den Kläger, sondern auf ein
Konto der Treuhänderin ausgezahlt worden ist (BGH, XI ZR 42/04 und 272/03).
97
Die Darlehensverträge sind zudem nach §§ 6, 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 f VerbrKrG unwirksam,
weil die Darlehensverträge und die anliegenden Listen unstreitig keine Angaben zu den
Kosten der Lebensversicherung enthielten. Diese Angaben sind nach dem oben
Gesagten notwendig. Eine Heilung nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG ist nicht eingetreten, weil
die Darlehen nicht an den Kläger ausgezahlt wurden, sondern an die Treuhänderin.
98
Die oben genannten Leistungen des Klägers an die Beklagte und deren
Rechtsvorgängerin sind daher ohne Rechtsgrund erfolgt. Der Kläger kann sie
zurückfordern.
99
C.
100
Weitergehende Ansprüche gegen die Beklagte oder deren Rechtsvorgänger hat der
Kläger nicht. Der Kläger kann der Beklagten keinerlei Einwendungen im Wege des
Einwendungs- und/oder Rückforderungsdurchgriffs nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG
entgegenhalten (a.A. BGH, II ZR 407/02, 411/02), weil § 9 VerbrKrG nach § 3 Abs. 2 Nr.
2 VerbrKrG auf Kreditverträge, die durch ein Grundpfandrecht gesichert werden
(Realkredite), nicht anzuwenden ist. Sowohl die Kreditverträge als auch der Vergleich
enthalten die Vereinbarung, dass die Kredite durch die im Grundbuch eingetragene
Grundschuld gesichert werden. Dies ist ausreichend (BGH, XI ZR 201/03, 255/03 und
315/03). Die Kammer folgt insoweit auch bei einem finanzierten Fondsbeitritt der
Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, denn ein Realkreditvertrag
liegt auch dann vor, wenn der Kreditnehmer und Erwerber ein Grundpfandrecht nicht
selbst bestellt, sondern ein Bestehendes übernimmt. Nach dem eindeutigen Wortlaut
des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG kommt es allein darauf an, ob der Kredit nach dem
Kreditvertrag von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht wurde.
Der Wortlaut stellt nicht auf die Bestellung, sondern allein auf die Absicherung ab. Für
eine unterschiedliche Behandlung eines realkreditfinanzierten Beitritts zu einem
101
geschlossenen Immobilienfonds und eines realkreditfinanzierten
Grundstücksgeschäftes gibt es keine Rechtfertigung. Der Verbraucherschutz gebietet
keine unterschiedliche Behandlung, denn der Verbraucher ist in beiden Fällen gleich
schutzbedürftig. Fraglich ist allein die Reichweite, die durch den eindeutigen
Gesetzeswortlaut beschränkt ist. Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG stimmt im
Übrigen mit dem Wortlaut des Art. 2, Abs. 3 RL 87/102/EWG (Verbraucherkreditlinie)
überein. Darin heißt es wie folgt:
"(3) Art. 1 a und die Art. 4 bis 12 finden keine Anwendung auf durch
102
Grundpfandrechte gesicherte Kreditverträge oder Kreditversprechen,
103
soweit diese nicht bereits aufgrund von Abs. 1 a des vorliegenden
104
Artikels vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen
105
sind."
106
Die Verbraucherkreditlinie gebietet mithin keine vom Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 2
VerbrKrG abweichende, einschränkende Auslegung. Festzuhalten bleibt damit, dass § 9
VerbrKrG nicht anwendbar ist und dem Kläger damit kein Einwendungsdurchgriff
zusteht.
107
Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen unmittelbaren Anspruch auf
Schadensersatz wegen Falschberatung, denn das Risiko einer sachgerechten
Verwendung des Kredites trägt der Kreditnehmer. Eine kreditgebende Bank ist nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei steuersparenden Bauherren-,
Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft
wenn überhaupt, dann nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Sie
darf regelmäßig davon ausgehen, dass die Kunden entweder selbst über die
notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, oder sich jedenfalls der Hilfe von
Fachleuten bedient haben. Allenfalls ausnahmsweise können sich Aufklärungs- und
Hinweispflichten aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben. Dies kann
dann der Fall sein, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der
Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeberin hinaus
geht, wenn sie einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden
besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehen
begünstigt, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Kreditgewährung sowohl an dem
Bauträger als auch an die einzelnen Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte
verwickelt oder wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten
Wissenvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann
(Palandt, § 280 Rn. 63 ff., BGH, XI ZR 188/02 m.w.N.). Die Ausnahmetatbestände sind
im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
108
Ein schwerwiegender Interessenkonflikt ist nicht schon allein deshalb zu bejahen, weil
eine finanzierende Bank zugleich Kreditgeberin des Bauträgers oder Verkäufers und
des Erwerbers ist. Ein schwerwiegender Interessenkonflikt kann vielmehr nur vorliegen,
wenn zu dieser "Doppelfinanzierung" besondere Umstände hinzutreten. Diese sind
weder ersichtlich noch dargetan.
109
Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin haben auch nicht die Kreditgeberrolle
110
überschritten. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sie im Zusammenhang mit der
Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Objektes gleichsam als Partei des zu
finanzierenden Geschäfts in nach außen erkennbarer Weise Funktionen oder Aufgaben
des Veräußerers oder Vertreibers übernommen und damit einen zusätzlichen auf die
übernommenen Funktionen bezogenen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Allein die
Angabe der Kontoverbindung der Treuhänderin im Zeichnungsschein reicht dafür bei
weitem nicht aus.
Die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin muss sich schließlich auch nicht ein
eventuelles Fehlverhalten der Vermittler, welches dahinstehen kann, gemäß § 278 BGB
zurechnen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird
der im Rahmen von Bauherren-, Bauträger- oder Erwerbermodellen auftretende
Vermittler als Erfüllungsgehilfe im Pflichtenkreis der in den Vertrieb nicht einschalteten
Bank nur insoweit tätig, als sein Verhalten den Bereich der Anbahnung des
Kreditvertrages betrifft. Erklärungen des Vermittlers zu Wert und Rentabilität des
Objektes betreffen nicht das Kreditgeschäft, sondern das zu finanzierende Geschäft und
liegen damit außerhalb des Pflichtenkreises der Bank (BGH, XI ZR 188/02 m.w.N.).
111
Die über den Tenor des Urteils hinausgehende Klage war daher abzuweisen.
112
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt das jeweilige
Unterliegen der Parteien.
113
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 709,
711 ZPO
114