Urteil des LG Dortmund vom 01.04.2004

LG Dortmund: unternehmen, abfindung, ertragswert, nennwert, aktionär, lege artis, angemessene entschädigung, stille reserven, eingliederung, akte

Landgericht Dortmund, 18 AktE 2/03
Datum:
01.04.2004
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
IV. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 AktE 2/03
Tenor:
Die gegen die Antragsgegnerin zu 1.) gerichteten
Anträge werden zurückgewiesen.
Die angemessen Abfindung der ausgeschiedenen Aktionäre der
Antragsgegnerin zu 1.) wird dahingehend festgesetzt, dass für je drei
Aktien der Antragsgegnerin zu 1.) im Nennwert von 50,00 DM im
Wechsel je eine Stamm- oder eine Vorzugsaktie der Antrags-gegnerin
zu 2.) im Nennwert von 50,00 DM und eine bare Zuzah-lung von 10,00
EUR zu gewähren sind.
Die angemessene Barabfindung der ausgeschiedenen Aktionäre der
Antragsgegnerin zu 1.) wird auf 140,00 EUR für jede Aktie im Nennwert
von 50,00 DM festgesetzt.
Die bare Zuzahlung und die angemessene Barabfindung ist ab dem
23.01.1996 bis zum 31.12.1998 mit 2 % über dem jeweiligen Dis-
kontsatz der Deutschen Bundesbank, ab dem 01.01.1999 bis zum
11.04.2002 mit 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz und ab dem
12.04.2002 mit 2 % über dem Basiszinssatz des § 247 BGB zu
verzinsen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Antragsteller sowie die Vergütung und
Auslagen des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre
trägt die Antragsgegnerin zu 2.).
G r ü n d e :
1
A.
2
Die Antragsgegnerin zu 1.), die , befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von
industriellen Erzeugnissen auf dem Gebiet des Maschinen- und Apparatebaues,
insbesondere von Maschinen und Geräten zur Gewinnung, Behandlung und
Verarbeitung von Milch und anderen Produkten, z.B. Melkmaschinen, Kühlgeräte,
Molkerei-Separatoren und Butterungsmaschinen. Außerdem werden u.a. hergestellt und
vertrieben Separatoren und Schleuderungsmaschinen zum Trennen und Klären von
Flüssigkeiten und zur Behandlung von Suspensionen aller Art. Das Fertigungs- und
Produktprogramm läßt sich in die Sparten "Trenntechnik" und "Landtechnik"
differenzieren. Im Unternehmensbereich "Trenntechnik" werden im Wesentlichen
Separatoren und Dekanter hergestellt, die die Aufgabe der Konzentration von
Fettstoffen, der Klärung von Suspensionen und der Trennung von
Flüssigkeitsgemischen bei gleichzeitiger Abscheidung von Fettstoffen dienen. Neben
einem weiteren Unternehmen (" ") ist die Antragsgegnerin zu 1.) insoweit
Weltmarktführer.
3
Ihr Grundkapital beläuft sich auf 127.680.000,00 DM. Es ist in Aktien in verschiedenen
Stückelungen aufgeteilt, deren kleinste den Nennwert von 50,00 DM hat.
4
Die Antragsgegnerin zu 2.) mit Sitz in Bochum verfügt über ein Grundkapital von
207.500.000,00 DM. Es wurden je 2.075.000 Stamm- und Vorzugsaktien zum Nennwert
von je 50,00 DM ausgegeben. Die Antragsgegnerin zu 2.) befasst sich mit der
Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb von Maschinen, Systemen und
Komponenten, insbesondere auf dem Gebiet der Energie-, Umwelt- und Prozesstechnik.
Sie ist in drei Unternehmensbereiche aufgeteilt, nämlich Wärme- und Energietechnik,
Luft- und Kältetechnik sowie Nahrungsmittel- und Prozesstechnik. Im Geschäftsbereich
Wärmetechnik entwickelt und fertigt sie Produkte, die im Bereich der industriellen
Prozesskühlung zur Anwendung kommen. Im Geschäftsbereich Energietechnik werden
gleichfalls im Wesentlichen Wärmetauscher gestützte Anlagen und Systeme für den
Einsatz im Kraftwerksbereich und in Müllverbrennungsanlagen entwickelt und geliefert.
Das Produktionsprogramm wird durch komplette Blockheizkraftwerke, Kesselanlagen,
Vorwärmestraßen und Lagertankanlagen für Öl ergänzt. Im Produktbereich der Luft- und
Kältetechnik finden sich Anlagen für die Beheizung und Klimatisierung gewerblicher
und industrieller Gebäude, ferner Eismaschinen und Gefriersysteme. Die Gesellschaften
des Unternehmensbereiches Nahrungsmittel und Prozesstechnik planen und errichten
Anlagen und Prozesse für eine Vielzahl von Industriebereichen, in denen flüssige Stoffe
und Pulver hergestellt bzw. verarbeitet werden. Die Produkte werden nicht nur
unmittelbar in der Nahrungsmittelindustrie, sondern auch in anderen Industriezweigen
wie der Chemie, der Arzneimittelherstellung, der Umwelttechnik sowie im Maschinen-
und Schiffbau eingesetzt. Die Produktpalette geht über einzelne Komponenten und
Teilanlagen bis zu schlüsselfertigen Anlagen und Verarbeitungsbetrieben wie komplette
Zuckerfabriken und Molkereien.
5
Seit Anfang 1994 erwarb die Antragsgegnerin zu 2.) sukzessive Aktien der
Antragsgegnerin zu 1.). Im Mai 1994 erhielt sie von der Großaktionär-Familie , der auch
der Antragsteller zu 1.) entstammt, ca. 53 % des gesamten Aktienkapitals. Zuletzt hielt
sie 95,73 % am Grundkapital der Antragsgegnerin zu 1.).
6
Die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1.) beschloss am 20.06.1995 die
Eingliederung in die Antragsgegnerin zu 2.). Deren Hauptversammlung stimmte dem am
23.06.1995 zu. Die Eingliederung wurde im Handelsregister am 13.12.1995
eingetragen, die (letzte) Veröffentlichung in den Geschäftsblättern erfolgte am
7
22.01.1996. Zum Eingliederungsprüfer gemäß § 320 Abs. 3 AktG bestellt und mit der
Erstattung des Berichtes beauftragt wurde die Wirtschaftprüfungs-Gesellschaft m.b.H..
Der Auftrag wurde ihr am 21.04.1995 erteilt; am 05.05.1995 legte der
Eingliederungsprüfer seinen Bericht vor, für dessen genauen Wortlaut und Inhalt auf die
Ablichtung Blatt 66 - 79 verwiesen wird. Eben diese Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft
war zuvor auch schon mit den Jahresabschlüssen der Antragsgegnerin zu 1.) und mit
der Vorbereitung des Berichtes des Vorstandes gemäß § 319 Abs. 3 Ziff. 3 AktG befasst
gewesen. Der Eingliederungsprüfer kam zu einem Unternehmenswert der
Antragsgegnerin zu 1.) in Höhe von 309,5 Millionen DM und der Antragsgegnerin zu 2.)
in Höhe von 2.510.000.000,00 DM. Dies führte zu einem Unternehmenswert in Höhe
von 121,18 DM pro Aktie der Antragsgegnerin zu 1.) im Nennwert von 50,00 DM und
von 604,82 DM pro Aktie im Nennwert von 50,00 DM der Antragsgegnerin zu 2.). Der
Eingliederungsprüfer schlug deshalb vor, zehn Aktien der Antragsgegnerin zu 1.) in
zwei Aktien der Antragsgegnerin zu 2.) umzutauschen, bei einem durch bare Zuzahlung
auszugleichendem Spitzenbetrag von 2,16 DM. Tatsächlich angeboten wurden den
Aktionären für je 10 Stück Inhaberaktien je eine Stamm- und eine Vorzugsaktie der
Antragsgegnerin zu 2.) nebst einer baren Zuzahlung von 15,00 DM, alternativ eine
Barabfindung in Höhe von 122,50 DM je Aktie im Nennbetrag von 50,00 DM.
Die Antragsteller halten dies für unangemessen niedrig und begehren im vorliegenden
Spruchstellenverfahren die Festsetzung höherer, nach ihrer Auffassung angemessener
Abfindungen mit folgenden Begründungen:
8
1.
9
Antragsteller zu 1.),________________________
10
Der Antragsteller zu 1.) war - wie schon erwähnt - Mitglied der Großaktionär-Familie. Er
hielt Aktien der Antragsgegnerin zu 1.) im Nennwert von 754.400,00 DM. Bis zum Jahre
1993 war er zudem als Finanzvorstand in Diensten der AG zu 1.).
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Er rügt:
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a. Den Aktionären sei der Bericht des Vorstandes ge-
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14
mäß § 319 Abs. 3 Ziff. 3 AktG nicht zugänglich gemacht worden. Eine Überlassung
sei sogar ausdrücklich abgelehnt worden.
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a. Der Prüfungszeitraum vom 21.04.1995 bis zum
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05.05.1995 sei offensichtlich viel zu kurz, als dass eine substantielle, fundierte und
zuverlässige Eingliederungsprüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
habe stattfinden können.
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a. Ein Hinterfragen der Wertansätze durch die Aktio-
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näre auf der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1.) am 20.06.1995 sei
bewusst vereitelt worden, indem ihnen - wahrheitswidrig - erklärt worden sei, von
der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei niemand anwesend.
21
a. Methodenrügen:
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aa) Die Ermittlung der nachhaltig zu erzielenden
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Erträge sei für die ausscheidenden Aktionäre nicht nachvollziehbar begründet
worden. Nicht ersichtlich sei, ob bei der Schätzung der Zukunftserträge auch die
Planzahlen mit herangezogen worden seien. Auch sei nicht ersichtlich, ob und in
welchem Umfang die zugrunde gelegten Erträge bereits um Körperschaftssteuer
gemindert worden seien. Falls eine Minderung stattgefunden habe, müsse
angegeben werden, ob die Thesaurierungsbelastung oder die
Ausschüttungsbelastung abgezogen wurde. Der Antragsteller zu 1.) ist der
Auffassung, dass die Körperschaftssteuer die künftigen Unternehmenserträge
überhaupt nicht mindern dürfe. Die personenbezogene Steuerlast dürfe bei der
Unternehmensbewertung insgesamt, also auch bei Kapitalgesellschaften, keine
Rolle spielen.
24
25
a. Der Kapitalisierungszinsfuß sei unzutreffend
26
27
ermittelt worden.
28
Methodisch falsch sei es bereits, für den Prognosezeitraum I mit zwei
verschiedenen Basiszinsfüßen zu arbeiten. Auch sei er zu hoch angesetzt: Die
Rendite öffentlicher Anleihen habe im Juni 1995 bei einer Laufzeit von 8 - 15
Jahren nur 6,74 % betragen. Hiervon müsse einheitlich ausgegangen werden.
29
Der Inflationsabschlag sei bei der Antragsgegnerin zu 1.) zu niedrig angesetzt. Es
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sei - wie üblich - von einem Abschlag von 2 % auszugehen.
Auch der Risikozuschlag sei unzutreffend angesetzt. So bestünden einmal Gründe
für eine Differenzierung der Risikozuschläge beider Antragsgegnerinnen nicht. Hier
dürfe nur das allgemeine Unternehmer-Risiko angesetzt werden; spezielle
Unternehmer-Risiken seien bei der Ertragsplanung zu berücksichtigen. Das
allgemeine Unternehmer-Risiko sei bei beiden Unternehmen gleich und - wie üb-
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lich - mit 1,5 % anzusetzen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die
Antragsgegnerin zu 1.) - anders als die Antragsgegnerin zu 2.) - nicht börsennotiert
sei. Ein sogenannter Fungibilitätszuschlag sei deshalb nicht gerechtfertigt.
32
a. Der Eingliederungsprüfer habe es unterlassen,
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alternative Bewertungsmethoden heranzuziehen und Plausibilitätskontrollen
vorzunehmen. So seien einmal die Liquidationswerte nicht ermittelt worden, die
hier durchaus höher liegen könnten, als der ermittelte Unternehmenswert.
Außerdem sei keine Wertberechnung nach der DVFA-Methode für die
Antragsgegnerin zu 1.) vorgenommen worden, anders als bei der Antragsgegnerin
zu 2.).
35
a. Unternehmenswert der Antragsgegnerin zu 1.)
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37
Die nachhaltig zu erzielenden Unternehmenserträge seien deutlich zu niedrig
angesetzt worden. Denn die in der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1.)
vorgelegten Planzahlen ergäben für den Zeitraum 1995 bis 1999 einen
Durchschnittsgewinn von 29 Millionen DM. Dies ergebe bei dem vom
Eingliederungsprüfer angesetzten Zinsfuß einen Ertragswert von 286,2 Millionen
DM, nach dem richtigerweise anzusetzenden Kapitalisierungszinsfuß von 6,24 %
sogar einen Ertragswert von 464,74 Millionen DM. Tatsächlich seien die
nachhaltigen Erträge der Antragsgegnerin zu 1.) auch weit höher als die geplanten
29 Millionen DM und lägen bei ca. 40 Millionen DM, was zu einem Ertragswert von
676,44 Millionen DM führe.
38
Das Jahresergebnis für die Unternehmensjahre 1993 und 1994 sei negativ verfälscht
worden, weil in die Bilanz Rückstellungen in einer Art und Höhe eingegangen sind,
die nicht der Wirklichkeit entsprächen. So seien in diesen Jahren eigens neue
Gründe für Rückstellungen geschaffen worden. Von den zum 31.12.1993 gebildeten
Rückstellungen in Höhe von 14 Millionen DM seien im Folgejahr auch tatsächlich
nur 3,37 Millionen DM verbraucht worden. Gleichwohl sei das Rückstellungsvolumen
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im nächsten Bilanzjahr noch einmal auf 19,5 Millionen DM erweitert worden.
Die Abschreibung einer Beteiligung in Österreich um 5,9 Millionen DM auf Null sei
unsachgerecht, weil diese Tochtergesellschaft allein ein geschätztes Eigenkapital
von 6 - 10 Millionen DM inne habe.
40
Auch sei zu vermuten, dass eine Abwertung der Vorräte stattgefunden habe, die
nicht durch vorhandene Risiken gerechtfertigt sei.
41
Auch für die Wertberichtigung von Forderungen liege kein sachlich berechtigter
Grund vor.
42
Der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens sei deutlich zu gering angesetzt
worden. So seien die Werkswohnungen mit dem Buchwert von 3,5 Millionen DM
angesetzt worden. Nach einer Eigenbewertung der Antragsgegnerin zu 1.) belaufe
sich ihr Verkehrswert aber auch 30 Millionen DM. Ein weiteres wertvolles Einzelhaus
in Oelde sei mit 750.000,00 DM angesetzt worden, obwohl der Marktwert 3,8
Millionen DM betrage. Ähnlich verhalte es sich mit weiterem Grundbesitz.
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Schließlich verfüge die Antragsgegnerin zu 1.) über erhebliche Steuerguthaben aus
thesaurierten Gewinnen. Bei einer Ausschüttung des vorhandenen Eigenkapitals der
Einstufungen "EK 50" und "EK 45" könne die Antragsgegnerin zu 1.) gegenüber den
Finanzbehörden eine Rückforderung von 31 Millionen DM realsieren.
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Bei Auflösung der stillen Reserven betrage das Eigenkapital der Antragsgegnerin zu
1.) mindestens 154,9 Millionen DM.
45
a. Unternehmenswert der Antragsgegnerin zu 2.):
46
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Nach Anwendung des vom Antragsteller zu 1.) zutreffenden
Kapitalisierungszinssatzes ergebe sich hier ein Unternehmenswert in Höhe von
2.928.450.000,00 DM. Das Wertverhältnis beider Unternehmen sei daher
48
1 : 3,5.
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Die Einschätzung des Unternehmenswertes der Antragsgegnerin zu 2.) werde auch
dadurch gestützt, dass inzwischen - im Jahre 1999 - die Antragsgegnerin zu 2.) durch
die Metallgesellschaft AG übernommen worden sei, wobei für sie ein
Unternehmenswert von 3,946 Milliarden DM ermittelt worden sei.
50
2.
51
Antragsteller zu 2.) und 4.) __________________________
52
Sie wählen die Alternative (nur) der Barabfindung.
53
Auch sie rügen die nach ihrer Auffassung mangelnde Nachvollziehbarkeit der Ermittlung
einzelner Bewertungsansätze. Auch rügen sie die Verquickung der
Prüfungsgesellschaft mit den Vorbereitungsarbeiten zur Eingliederung einerseits und
der Eingliederungsprüfung andererseits und weisen insoweit auf die (knappen)
Zeitabläufe hin. Diese Nähe der Eingliederungsprüfer zu den Antragsgegnerinnen hat
nach Auffassung der Antragsteller zu 2.) und 4.) auch dazu geführt, dass nicht ein
Abfindungspreis, sondern der sogenannte "Grenzpreis" eines fiktiven Veräußerers
ermittelt worden sei.
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Bei der Festsetzung des Basiszinses sei die offensichtliche Zinssenkungspolitik der
Deutschen Bundesbank, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Eingliederung
allgemein bekannt gewesen sei, unbeachtet geblieben. Der Basiszinssatz könne
allenfalls mit 6,4 % für die Folgejahre angenommen werden. Als Stabilitätsabschlag
seien nur 1,2 % gerechtfertigt. Die Risikoabschläge seien willkürlich gegriffen; eine
Begründung hierfür werde auch nicht gegeben. Die mangelnde Fungibilität der Aktien
der Antragsgegnerin zu 1.) dürfe insoweit auch nicht berücksichtigt werden, weil diese
jederzeit eine Börseneinführung hätte vornehmen können, andererseits daran kein
Interesse hatte, weil es finanziell so stark war, dass es des Kapitalmarktes zu
Kapitalerhöhungen oder Anleiheemissionen nicht bedurfte.
55
Das nicht betriebsnotwendige Vermögen der Antragsgegnerin zu 1.) sei zu niedrig
gegriffen. Auch sei das Steuerguthaben insoweit überhaupt nicht eingeflossen.
Schließlich meinen die Antragsteller zu 2.) bis 4.), die Jahresabschlüsse der Jahre 1993
und - insbeson-
56
dere - 1994 seien von der zu dieser Zeit die Antragsgegnerin zu 1.) schon dominierende
Antragsgegnerin zu 2.) im Hinblick auf die Eingliederung bereits gezielt manipuliert
worden, indem der Ertrag durch Einstellung sachlich nicht gerechtfertigter
Rückstellungen in enormer Höhe gezielt gemindert worden sei.
57
Der Antragsteller zu 3.) hat seinen Antrag im Verlaufe des Verfahrens zurückgenommen.
58
4.
59
Der Antragsteller zu 5.) ( ) schließt sich den Ausführungen des Antragstellers zu 1.) an
und bemängelt ebenfalls die ungenügende Nachvollziehbarkeit des Eingliederungs-
Prüfgutachtens.
60
5.
61
Ihren Unmut über die nach ihrer Auffassung unangemessene Abfindung geben auch die
übrigen Antragsteller allgemein Ausdruck.
62
6.
63
Der gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre gibt ebenfalls seinem
Befremden darüber Ausdruck, dass die Eingliederungsprüfung binnen sehr kurzer Frist
und zudem von Personen vorgenommen worden ist, die zuvor als Abschlussprüfer und
in der Vorbereitung der Eingliederung selbst tätig waren.
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Die DVFA-Methode erachtet er als ungeeignet zur Bewertung von Unternehmen. Auch
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der gemeinsame Vertreter hält den Basiszinssatz der Eingliederungsprüfer für zu hoch.
Der Durchschnittswert der Umlaufrenditen börsennotierter Bundeswertpapiere mit einer
Restlaufzeit von über 8 - 15 Jahren habe am Bewertungsstichtag 6,82 % ausgewiesen.
Soweit die Eingliederungsprüfer für die Prognosephase II (Jahre ab 1997) einen
höheren Durchschnittswert zugrunde gelegt haben, begegnet dies methodischen
Bedenken: Denn abzustellen sei allein auf die Anlagealternative, die dem
ausscheidenden Aktionär zum Bewertungsstichtag (theoretisch) zur Verfügung stehe.
Die Inflationsquote sei mit 1 % zu niedrig angesetzt. Eine nachvollziehbare Begründung
für die Ungleichbehandlung beider Antragsgegnerinnen werde nicht gegeben. Gleiches
gelte auch für den angesetzten Risikozuschlag. Der gemeinsame Vertreter ist der
Auffassung, dass Synergieeffekte hälftig beiden Gesellschaften zuzurechnen seien.
Wegen der in den Folgejahren tatsächlich erwirtschafteten Erträge und abgeführten
Steuergutschriften bedürfe die Ertragslage der Antragsgegnerin zu 1.) eingehender
Überprüfung.
7.
66
Die Antragsgegnerinnen verteidigen das Eingliederungs-Prüfgutachten und führen
hierzu an:
67
Der Prüfzeitraum sei nicht zu kurz gewesen, weil der Prüferbestellung vom 21.04.1995
eine mündliche Auftragserteilung vorangegangen sei. Deshalb hätten die Prüfer -
teilweise auch im Rahmen der üblichen Jahresabschlussprüfung der beteiligten
Gesellschaften - schon frühzeitig mit ihren Arbeiten zur Bewertung der beteiligten
Unternehmen beginnen können und hätten dies auch getan. Diese Vorgehensweise sei
nicht nur üblich, sondern wegen der besonderen Kenntnisse des Abschlussprüfers auch
zweckmäßig und kostensparend gewesen.
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Die den Aktionären während der Hauptversammlung erteilte Auskunft sei richtig
gewesen, denn das Mitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe die Versammlung
zu diesem Zeitpunkt gerade eben verlassen gehabt.
69
a)Zu den Methodenrügen:
70
Auf die Ertragswertmethode abzustellen sei lege artis gewesen. Die
Substanzwertmethode und die DVFA-Methode seien hingegen ungeeignet zur
Ermittlung des Unternehmenswertes. Auf den Liquidationswert abzustellen habe keine
Veranlassung bestanden, weil eine Beendigung des Unternehmens nicht in Rede
gestanden habe. Jedenfalls müssten bei der Ermittlung des Liquidationswertes dann
aber auch die Sozialplanverbindlichkeiten mit berücksichtigt werden, die einen 3-
stelligen Millionenbetrag ausgemacht hätten. Etwaige Synergieeffekte seien zu Recht
nicht berücksichtigt worden.
71
b) Ertragswertermittlung:
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Auszugehen gewesen sei zu Recht von den Ergebnissen der Vergangenheit, weil nur
sie eine einigermaßen sichere Grundlage für die Abschätzung der weiteren Entwicklung
hergäben. Auf Planzahlen für die Zukunft sei hingegen kein Verlass, weil diese in der
Regel viel zu optimistisch ausfielen. Dies habe sich auch bei der Antragsgegnerin zu 1.)
im Nachhinein herausgestellt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers zu 1.) sei die
Körperschaftssteuer insoweit zum Abzug zu bringen, als die die historischen
73
Anschaffungskosten übersteigenden tatsächlichen Reinvestitionsaufwendungen der
Körperschaftssteuer unterlägen. Dies sei methodengerecht nur bei der Antragsgegnerin
zu 1.) angewendet worden, weil die Antragsgegnerin zu 2.) körperschaftssteuerliche
Verlustvorträge habe, die dazu führten, dass bei ihr keine
Körperschaftssteuerbelastungen auf überschießende Reinvestitionsaufwendungen
anfielen.
Bei der Ermittlung des Basiszinsfußes sei nicht auf die am Bewertungsstichtag
veröffentlichten Durchschnittswerte abzustellen gewesen. Mit der Idee, dass der "ewige"
Ertrag des Unternehmens diskontiert werden solle, sei ein langfristig zu erwartender
Basiszinssatz zu ermitteln gewesen. Hierfür sei die langfristig zu erwartende
Reinvestitions-Rendite aus Vergangenheitsdaten abgeleitet worden. Insoweit seien
Durchschnittsrenditen für den Zeitraum von 1968 bis 1993 unter Ausblendung der in
dieser Zeitspanne stattgefundenen Hoch- und Niedrigzinsphasen zu ermitteln gewesen.
74
Der Inflationsabschlag von 1 % liege innerhalb der üblichen Spanne von 0,5 - 2 %. Bei
der Antragsgegnerin zu 2.) keinen Inflationsabschlag vorzunehmen sei sachgerecht
gewesen, weil hier die zu erwartenden zukünftigen Erträge bereits unter Anwendung
einer angemessenen Inflationsquote ermittelt worden sei.
75
Schließlich sei auch der angesetzte Risikozuschlag sachgerecht gewesen. Denn die
Antragsgegnerin zu 2.) sei in drei unterschiedlichen Geschäftsbereichen tätig, jeweils
mit einer Vielzahl von Produktbereichen. Die Antragsgegnerin zu 2.) habe hingegen nur
über zwei Produktbereiche verfügt. Sie sei zudem als reiner Lieferant von Komponenten
in einer wettbewerbsmäßig ungünstigeren Position, als die Antragsgegner zu 2.) als
Systemlieferant.
76
Schließlich gebiete auch die unterschiedliche Fungibilität der Aktien eine differenziere
Risikobewertung.
77
Das Körperschaftssteuerguthaben könne nur insoweit berücksichtigt werden, als
ausschüttungsfähiges Eigenkapital vorhanden gewesen sei. Für eine Ausschüttung
hätten aber nur 39,1 Millionen DM zur Verfügung gestanden, so dass ein möglicher
Körperschaftssteuererstattungsanspruch von rund 15,6 Millionen DM vorgelegen habe.
Unterstellt, die Ausschüttung erfolge zwei Jahre nach dem Bewertungsstichtag, sei
dieser auf 13,5 Millionen DM abzuzinsen. Dem stünden allerdings die durch die
Realisierung der stillen Reserven entstehenden Kosten und Steuern in Höhe von 13,1
Millionen DM entgegen.
78
Für die nachhaltig zu erwirtschafteten Erträge der Antragsgegnerin zu 1.) sei lediglich
auf die Vergangenheitsergebnisse der Jahre 1990 - 1994 abzustellen gewesen,
aufgrund derer zum Bewertungsstichtag eine Prognose anzustellen gewesen wäre. Die
in den Folgejahren tatsächlich festgestellten Jahresabschlüsse müssten insoweit außer
Betracht bleiben. Bewertungsverfälschungen hätten nicht stattgefunden. Die
Einschätzung des Wertes des nichtbetriebsnotwendigen Vermögens sei unrealistisch.
Schließlich habe die Antragsgegnerin zu 2.) die Mehrheit der Aktien an der
Antragsgegnerin zu 1.) zu Preisen erworben, die - im Rahmen einer
Plausibilitätskontrolle - zu praktisch eben jenem hier ermittelten Unternehmenswert der
Antragsgegnerin zu 2.) führten.
79
Die Kammer hat Beweis erhoben über die Höhe der angemessenen Abfindung durch
80
Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen ,
Düsseldorf. Wegen des Ergebnisses der Begutachtung wird auf den Inhalt seines
schriftlichen Gutachtens vom 23. August 2000 verwiesen.
Gegen das Gutachtenergebnis hat der Antragsteller zu 1.) folgende Beweiseinreden
erhoben:
81
a)
82
Er stellt die Authentizität der von dem Sachverständigen eingesetzten Planergebnisse in
Frage und rügt, dass der Sachverständige sich nicht überzeugt habe, dass die
Planzahlen auch tatsächlich der seinerzeitigen Unternehmensplanung entsprachen. Er
hat behauptet, Mitarbeiter der Antragsgegnerin zu 2.) hätten auf Anweisung der
Unternehmensleitung innerhalb weniger Tage speziell für das vorliegende
Spruchstellenverfahren eine komplette neue Konzernplanung erarbeiten müssen, die
von den tatsächlichen, zuvor beschlossenen Planzahlen erheblich abgewichen sei.
83
b)
84
Außerdem habe der Sachverständige es unterlassen, das Ergebnis seiner Prognose der
zukünftigen finanziellen Überschüsse auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Die
Ergebnisprognose des Sachverständigen habe deshalb nicht nur hinter den
Planvorgaben, sondern dramatisch hinter den veröffentlichen
Unternehmensergebnissen zurückgelegen. Dies widerspreche dem Prinzip der
Wertaufhellung.
85
c)
86
Die vom Sachverständigen vorgenommene Bereinigung der Planzahlen sei nicht
nachvollziehbar. Auch fehle es an einer Begründung, warum dies nur bei einer
Gesellschaft vorgenommen worden sei.
87
d)
88
Die tatsächliche Entwicklung habe ergeben, dass der tatsächliche Überschuss der
Antragsgegnerin zu 1.) 64,5 % des gesamten Konzernüberschusses der
Antragsgegnerin zu 2.) ausmache, weshalb eine Wertrelation von
89
1 : 6 an der Realität vorbeigehe. Die Ertragskraft der Antragsgegnerin zu 1.) habe sich
offensichtlich viel besser entwickelt als geplant, während sich die Ertragskraft der
Antragsgegnerin zu 2.) viel schlechter entwickelt habe als geplant.
90
Die Antragsgegnerinnen halten dem Gutachten entgegen:
91
a)
92
Es berücksichtige beim Ansatz des Risikozuschlages nicht die strukturellen und
markterheblichen Unterschiede zwischen der Antragsgegnerin zu 1.) und der
Antragsgegnerin zu 2.). Deshalb sei es nicht sachgerecht, für zwei unterschiedliche
Unternehmen mit demselben Risikozuschlag zu rechnen. Der Geschäftsbereich der
Antragsgegnerin zu 1.) birge wegen seiner geringeren Diversifizierung für den
93
Anteilseigner deutlich höhere Risiken. Nicht sachgerecht sei es gewesen, wenn der
Sachverständige nur von Abschreibungen in Höhe der handelsrechtlichen Werte
ausgegangen sei. Richtige Basis hätten die tatsächlichen Wiederbeschaffungskosten
zur Substanzerhaltung sein müssen. Diese würden erheblich differieren.
Die Realisierung des Körperschaftsteuer-Guthabens sei nicht realistisch. Einmal stehe
die Annahme des Sachverständigen in krassem Widerspruch zur bisherigen Praxis der
Dividendenausschüttung der Antragsgegnerin zu 2.). Dividenden seien in der
Vergangenheit nur in sehr begrenztem Umfange ausgeschüttet worden, da die
erwirtschafteten Ergebnisse entweder als stille Reserven oder Rücklagen genutzt
wurden. Außerdem setzte die Ausschüttung voraus, dass ein entsprechender
Bilanzgewinn vorlag. Dieser sei aber nicht vorhanden und auch durch Realisierung der
stillen Reserven nicht herstellbar gewesen.
94
Die Kammer hat über die tatsächliche Behauptung des Antragstellers zu 1.), dem
Sachverständigen seien eigens für diesen Zweck verfälschte Planzahlen vorgelegt
worden, Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen . Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 9. Juli 2002 (Blatt 505 - 595)
Bezug genommen.
95
Außerdem hat der Sachverständige sein Gutachten in diesem Lichte ergänzt; auf Blatt
581, 582 der Akte wird verwiesen.
96
B.
97
I.
98
Sämtliche Anträge sind zulässig. Insbesondere haben alle Antragsteller ihre
Antragsberechtigung hinreichend dargetan.
99
II.
100
Als unbegründet abzuweisen waren die gegen die Antragsgegnerin zu 1.) ( ) gerichteten
Anträge. Diese ist nicht passivlegitimiert. Gegen wen der Antrag im aktienrechtlichen
Spruchstellenverfahren zu richten ist, war bis zum Inkrafttreten des
Spruchverfahrensgesetzes in den Verfahrensvorschriften des Aktiengesetzes nicht
geregelt. Dies stellt wegen der besonderen Kostennorm des § 306 Abs. 7 AktG und des
Umstandes, dass sich solche Anträge regelmäßig auch gegen den richtigen
Antragsgegner, die Hauptgesellschaft, richten, in der Praxis allerdings auch kein
Problem dar. Richtigerweise ist die Hauptgesellschaft (hier die Antragsgegnerin zu 2.),
GEA AG) passivlegitimiert, denn sie ist Schuldnerin der Ausgleichsforderung
(Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, 2. Aufl., § 320 b Rdn. 3; Hüffer, AktG, 5.
Aufl., § 320 b Rdn. 2).
101
III.
102
Im Übrigen haben die Anträge Erfolg. Den ausscheidenden Aktionären der
Antragsgegnerin zu 1.) steht ein Anspruch auf eine höhere Abfindung zu, als ihnen
angeboten wurde.
103
Nach § 320 Abs. 5 AktG steht jedem aus der eingegliederten Gesellschaft
104
ausscheidenden Aktionär eine angemessen Abfindung zu. Die Abfindung hat durch
Aktien der Hauptgesellschaft zu erfolgen. Spitzenbeträge oder Aktienspitzen können
durch bare Zuzahlung ausgeglichen werden (Münch-Komm.-Grunewald, AktG, 2. Aufl.,
§ 320 b Rdn. 3 + 10). Gemäß § 320 b Abs. 1 Satz 3 AktG steht den ausscheidenden
Aktionären dann, wenn die Hauptgesellschaft ihrerseits eine abhängige Gesellschaft ist,
nach ihrer Wahl alternativ eine angemessene Barabfindung zu. Woraus sich das
Abhängigkeitsverhältnis der Antragsgegnerin zu 2.) im Sinne von § 17 AktG ableitet,
haben die Verfahrensbeteiligten zwar nicht näher dargelegt; dass es sich bei der
Antragsgegnerin zu 2.) aber um ein beherrschtes Unternehmen handelt und den
Antragstellern sowie den übrigen außenstehenden Aktionären neben einem
Abfindungsanspruch durch Aktien der Hauptgesellschaft auch ein Anspruch auf
angemessene Barabfindung zusteht, ist zwischen allen Verfahrensbeteiligten unstreitig.
Die Abfindung in Aktien ist nach der Verschmelzungswertrelation zu ermitteln. Den
Antragstellern und außenstehenden Aktionären müssen so viele Aktien der
Konzernspitze angeboten werden, wie ihnen zustünden, wenn beide Gesellschaften
miteinander verschmolzen würden.
105
Für die Verschmelzungswertrelation ist die Bewertung beider Unternehmen erforderlich;
für die Bemessung der angemessenen Barabfindung die Bewertung der
Antragsgegnerin zu 1.). Beide Werte bestimmen sich maßgeblich danach, wie die
Gesellschaft ohne Abschluss des Unternehmensvertrages wertmäßig zu beurteilen
wäre. Der nach diesen Grundsätzen ermittelte Wert stellt die angemessene Abfindung
dar, weil der ausscheidende Aktionär die Summe erhalten muss, die dem Wert seiner
Beteiligung am Unternehmen voll entspricht. Nur die volle Abfindung ist angemessen
(BVerfGE 14, Seite 263 (284); OLG Düsseldorf, AG 1990, Seite 397).
106
Mathematisch oder naturwissenschaftlich anerkannte Verfahren zur Ermittlung dieses
Unternehmenswertes existieren nicht. Entscheidend für die Findung der
Unternehmenswerte können auch keine subjektbezogenen Determinanten
(Mindestverkaufspreis einerseits/Höchstkaufspreis andererseits) sein (Großfeld,
Unternehmens- und Anteilsbewertung, 4. Aufl., Seite 25). Auf die individuellen
Grenzwerte von potentiellen Kaufvertragsparteien (auch Abbruchpunkte genannt) kann
es deshalb nicht ankommen. Zu finden ist vielmehr ein objektivierter Wert. Es ist der
Unternehmenswert und die Verschmelzungsrelation festzusetzen, die aus Sicht eines
objektiv vernünftigen dritten Betrachters als "angemessen" gelten kann. Da sich die
Unternehmen tatsächlich nicht am Markt bewegen (sprich: nicht verkauft werden) ist die
Bewertung aufgrund einer fiktiven Situation durchzuführen. Auf dem Weg zur Findung
der angemessenen Abfindung müssen folgerichtig größtenteils fiktive Gedankengänge
und Argumentationsstränge verfolgt werden. Um die Sicht des objektiv-vernünftigen
Dritten zu befriedigen, muss es sich dabei um solche Vorgehensweisen handeln, die in
der betriebswirtschaftlichen Lehre weitgehend anerkannt und akzeptiert sind und für die
mehr Argumente existieren, als dagegen. Auch bei diesen betriebswirtschaftlichen
Ansätzen handelt es sich vielfach um Verfahren, die rein subjektive Einschätzungen und
Prognosen zur Grundlage habe und deshalb mit erheblichen Unsicherheiten behaftet
sind. Wie eingangs schon erwähnt, können auch sie keinesfalls für sich in Anspruch
nehmen, den "wahren" Unternehmenswert mathematisch exakt zu bestimmen (OLG
Stuttgart, AG 2004, Seite 45). Letztendlich können sie nur zu einer tauglichen
Schätzgrundlage im Sinne von § 287 Abs. 2 ZPO führen (BGH, DB 2001, Seite 969;
Pilz, ZGR Seite 2001, Seite 185; Bilda JR 2002, Seite 17; BayObLG, DB 2001, Seite
36).
107
1.
108
In Rechtsprechung und Lehre (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg NZG 2001,
Seite 471, OLG Düsseldorf, AG 1999, Seite 321; BayObLG, AG 1995, Seite 509,
Großfeld a.a.O., Seite 203) anerkannt ist, dass der sogenannte Liquidationswert die
Untergrenze des Unternehmenswertes darstellt. Hierbei handelt es sich um den Erlös,
der sich erzielen läßt, wenn sämtliche Gegenstände des Unternehmens veräußert
werden (Summe der Einzelveräußerungspreise nach Abzug von Schulden,
Liquidationskosten und eventuellen Steuern). Auf ihn abzustellen kommt jedoch nur
dann in Betracht, wenn es sich nicht lohnt, das Unternehmen fortzuführen. Dem ist nach
den Ausführungen des Sachverständigen , denen keiner der Verfahrensbeteiligten
entgegengetreten ist, offensichtlich nicht so: Beide Antragsgegnerinnen arbeiteten bzw.
arbeiten sehr profitabel. Der Ertragswert ist offensichtlich höher als der Liquidationswert,
so dass auf letzteren nicht abzustellen ist.
109
2.
110
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 100,
Seite 189) ist es mit Art. 14 GG unvereinbar, bei der Bestimmung der Abfindung oder
des Ausgleichs den Börsenkurs der Aktien eines Unternehmens außer Betracht zu
lassen. Auch der BGH hat entschieden (BGHZ 147, Seite 108), dass die Abfindung der
außenstehenden Aktionäre grundsätzlich unter Berücksichtigung des an der Börse
gebildeten Verkehrswert der Aktie zu erfolgen hat. Der Unternehmenswert darf danach
niemals geringer angenommen werden, als ein am Stichtag vorhandener Börsenwert
aller ausgegebenen Aktien. Im vorliegenden Fall kommt die Anwendung dieses
(Mindest-) Wertmaßstabes indes nicht in Betracht, weil die Aktien der Antragsgegnerin
zu 1.) nicht an der Börse notiert waren.
111
3.
112
Als derzeit bekannter bester und plausibelster Weg zur Ermittlung des objektivierten
Unternehmenswertes gilt die sogenannte Ertragswertmethode. Sie ist in
Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt (OLG Zweibrücken , WM 1995,
Seite 980; OLG Stuttgart, AG 2004, Seite 43; OLG Düsseldorf, AG 2003, Seite 688).
Dabei wird der Unternehmenswert nach den erwarteten Gewinnen in der Zukunft
bestimmt; sie werden auf den Bewertungsstichtag abgezinst und dadurch zum
Ertragswert kapitalisiert. Maßgeblich ist das sogenannte Stichtagsprinzip. Denn die
Aktionäre sollen für den Wert ihrer Aktien an diesem Stichtag Aktien der anderen
Gesellschaft in dem auf denselben Tag bezogenen Gegenwert erhalten. Infolge dessen
ist die Ertragsentwicklung aus der Sicht des Stichtages zu prognostizieren. Spätere
Entwicklungen können nur berücksichtigt werden, wenn sie in ihren Ursprüngen bereits
am Stichtag angelegt und erkennbar waren (sog. Wurzeltheorie). Zusätzlich zum
Ertragswert ist das nicht betriebsnotwendige Vermögen mit dem Substanzwert
(Liquidationswert) anzusetzen. Für die Verschmelzungswertrelation bzw. den
Abfindungsanspruch im vorliegenden Fall ergibt sich danach Folgendes:
113
a) Unternehmenswert der Antragsgegnerin zu 1.)
114
( )
115
Wie ausgeführt, setzt sich der Unternehmenswert der Antragsgegnerin zu 2.) zusammen
aus ihrem (abgezinsten) Ertragswert und dem Wert des nichtbetriebsnotwendigen
Vermögens.
116
aa) Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens
117
(1) Zutreffend hat der Sachverständige zunächst ermittelt, welche Beträge zukünftig aus
Sicht des Bewertungsstichtages voraussichtlich für eine Ausschüttung zur Verfügung
stehen werden. Methodengerecht hat er dieser Überlegung die erwirtschafteten Erträge
der Vergangenheit zugrunde gelegt. Hierfür eine Referenzperiode von fünf Jahren (1990
- 1994) zu greifen, ist nicht zu beanstanden. Regelgerecht hat der Sachverständige
weiter die Ergebnisrechnungen der Antragsgegnerin zu 1.) um die wesentlichen
außerordentlichen Aufwendungen und Erträge sowie um die auf das
nichtbetriebsnotwendige Vermögen entfallenden Aufwendungen und Erträge bereinigt
sowie periodenfremde Aufwendungen und Erträge periodengerecht zugeordnet.
Außerdem hat er diejenigen Aufwendungen und Erträge eliminiert, denen für die
Zukunftsrechnung keine Maßstabsfunktion beigemessen werden kann, weil sie
zukünftig nicht oder anders anfallen. Ferner hat er besondere konjunkturelle Einflüsse
berücksichtigt und aus diesem Grund die Jahre 1990 - 1992 aus der Referenzperiode
ausgeblendet. Es ist plausibel, lediglich die Ergebnisrechnungen der Jahre 1993 und
1994 als repräsentativ für die Zukunft anzusehen.
118
Sofern von Seiten der Antragsteller eingewandt worden ist, Grund und Höhe der
Bereinigungen ließen sich dem Gutachten und seinen Anlagen nicht entnehmen, sieht
die Kammer keine Veranlassung, den Sachverständigen ergänzend zu hören. Die
Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des zuständigen Obergerichts (OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2004 (19 W 5/03
119
AktE)) an, wonach die Verfahrensbeteiligten (nur) ein Recht haben, Einsicht in die
Unterlagen zu nehmen, die dem Gericht vorliegen. Das Gutachten selbst soll nicht
sicherstellen, dass alle Einzelheiten der Berechnung nachvollzogen werden können
(OLG Düsseldorf a.a.O.; Emmerich-Habersack, § 193 a Rdn. 17; Müko-Altmeppen, §
293 a Rdn. 37). Es soll dem Aktionär neben den allgemein zur Verfügung stehenden
Erkenntnisquellen nur eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen. (OLG Hamm, NJW-RR
99, Seite 973). Dabei hat es auch im vorliegenden Fall zu verbleiben, denn der Kammer
ist nicht ersichtlich, dass und warum der Sachverständige bei der Vornahme dieser
Bereinigungen unsachgemäß oder gar willkürlich vorgegangen sein sollte.
120
Methodisch richtig ist der Sachverständige bei der darauf aufbauenden
Prognoserechnung so vorgegangen, dass zwei Planungsphasen gebildet wurden. Es
begegnet hier keinen Bedenken, die Planungsphase 1 auf den Zeitraum von fünf Jahren
(1995 - 1999) und den Prognosezeitraum 2 für alle danach folgenden Jahre
festzusetzen. Bei der Bestimmung der sich auf der Grundlage der Daten des
Referenzzeitraums für die Planungsphase 1 voraussichtlich erwarteten Erträge hat der
Sachverständige methodisch zutreffend die Unternehmensplanung berücksichtigt. Die
Behauptung des Antragstellers zu 1.), dem Sachverständigen sei dabei in
betrügerischer Absicht eine gefälschte, eigens für den Zweck der Verwendung bei der
Begutachtung angefertigte Unternehmensplanung vorgelegt worden, erachtet die
Kammer als unbewiesen. Einmal hat der hierzu uneidlich vernommene Zeuge dies nicht
wahrgehalten; seine Aussage war insoweit unergiebig. Des Weiteren hat der
Sachverständige auch bei einer erneuten, kritischen Hinterfragung geäußert, dass sich
121
für ihn keinerlei Verdachtsmomente dahingehend ergeben, ihm sei eine manipulierte
Unternehmensplanung untergeschoben worden.
Der Sachverständige ist bei der Ermittlung der in der Planphase 1 zu erwartenden
Erträge davon ausgegangen, dass jährliche Reinvestitionen (nur) in Höhe der
handelsrechtlicher Abschreibungen unterstellt werden, weil die vorhandenen
Kapazitäten für die geplanten Umsatzsteigerungen ausgereicht hätten. Zu Unrecht
halten die Antragsgegnerinnen dem entgegen, es dürften nicht die ursprünglichen
Anschaffungspreise, sondern die (deutlich höheren) Wiederbeschaffungskosten
angesetzt werden. Ihr eigenes Vorbringen unterstützt den Denkansatz des
Sachverständigen: Denn auf Blatt 5 ihres Schriftsatzes vom 25.06.2001 (Blatt 431 der
Akten) tragen die Antragsgegnerinnen selbst vor, in den Jahren 1990 bis 1994
Abschreibungen in Höhe von insgesamt 184,3 Millionen DM getätigt zu haben. Ihnen
stehen jedoch nur Investitionen in Höhe von 204,8 Millionen DM gegenüber. Das
bedeutet, dass die tatsächlichen Wiederbeschaffungskosten der erneuerten Anlagen
und Güter gerade um 9 Prozentpunkte über den handelsrechtlichen Abschreibungen
lagen. Von einer erheblichen Differenz der Ansätze kann deshalb nicht die Rede sein.
Auf dem Denkweg der Ertragswertmethode, der noch an vielen anderen Stellen mit
etlichen subjektiven Wertungen und Unsicherheiten behaftet ist, ist sie vielmehr
vernachlässigbar.
122
Methodisch einwandfrei wurden zudem die Zinsaufwendungen- und erträge sowie die
Ertragssteuern abgesetzt.
123
Plausibel, nachvollziehbar und deshalb akzeptabel kommt der Sachverständige
deshalb zu folgenden zu kapitalisierenden Ergebnisse der Antragsgegnerin zu 1.):
124
Für das Jahr 1995: 18,5 Millionen DM,
125
für das Jahr 1996: 20,5 Millionen DM,
126
für das Jahr 1997: 25,8 Millionen DM,
127
für das Jahr 1998: 31,1 Millionen DM,
128
für das Jahr 1999: 29,2 Millionen DM,
129
für die Jahre ab 2000: 25,0 Millionen DM,
130
Die Findung dieser Beträge beruht auf der Grundlage der Erkenntnismöglichkeiten, wie
sie (fiktiv) zum Bewertungsstichtag zur Verfügung standen. Einer immer breiter um sich
greifenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (Großfeld a.a.O., Seite 62
m.w.N.) entspricht es, diese fiktiv errechneten Ergebnisse insbesondere bei recht langer
Verfahrensdauer einer sogenannten retrospektiven Plausibilitätskontrolle (auch:
Wertaufhellung oder Soll-/Ist-Vergleich) zu unterziehen. Dem entspricht es, wenn der
Antragsteller zu 1.) gegen das Gutachten einwendet, die im neuen Konzern
konsolidierten Einzelergebnisse der Antragsgegnerin zu 1.) lägen erheblich über den
vom Sachverständigen prognostizierten Beträge. Ob dem tatsächlich so ist, kann indes
dahinstehen, denn die Plausibilitätskontrolle veranlasst die Kammer nicht zu einer
Abweichung von den prognostizierten Erträgen. Denn vom Grundsatz her soll der
Anteilseigner nach dem Wert entschädigt werden, der am Stichtag erkennbar war.
131
Weicht die spätere Entwicklung der Erträge von der am Stichtag erkennbaren deutlich
ab, so ist die Frage zu stellen, warum dies so ist. Ebensowenig, wie er an späteren
Risiken teilnimmt, kann der ausgeschiedene Aktionär nur dann an Chancen teilhaben,
wenn die Voraussetzungen ihres Eintritts am Bewertungsstichtag im Ansatz bereits
geschaffen waren (sog. Wurzeltheorie). An der allgemeinen Konjunkturentwicklung,
gewinnbringenden späteren unternehmerischen Entscheidungen oder anderen
unvorhergesehenen Umständen, wie Änderungen der Rahmenbedingungen etc. nimmt
der ausgeschiedene Aktionär nicht mehr teil. Gründe bzw. konkrete, bereits am
Bewertungsstichtag vorhanden gewesene Tatsachen, die letztlich dafür verantwortlich
waren, dass die Geschäftsentwicklung erheblich besser verlaufen ist, als am
Bewertungsstichtag voraussehbar, sind der Kammer nicht dargetan worden. Deshalb
hat es bei dem Grundsatz der "stichtags-gerechten" Bewertung zu verbleiben.
(2) Kapitalisierungszinssatz
132
Nach der Ertragswertmethode waren diese fiktiv errechneten zukünftigen Erträge auf
eine Größe zum Bewertungsstichtag zu reduzieren. Dieser Abzinsung auf den Stichtag
liegt die Vorstellung zu Grunde, den Betrag zu ermitteln, der bei einem realistischen
Zins (Kapitali-sierungszins) Erträge bringt, die dem zu erwartenden
Unternehmensgewinnen entsprechen (OLG Düsseldorf, ZIP 1988, Seite 1560).
133
a)
134
Ausgangspunkt zur Findung des Kapitalisierungszinssatzes ist der Basiszinssatz. Der
Basiszinssatz bezieht sich auf die aus der Sicht des Stichtages auf Dauer erzielbare
Rendite öffentlicher Anleihen. Abzustellen ist nach ständiger Rechtsprechung auf die
durchschnittliche Rendite solcher öffentlicher Anleihen oder langfristiger
festverzinslicher Wertpapiere. Dabei ist nicht auf die Höhe der Zinshöhe am Stichtag,
sondern auf die aus der Sicht des Stichtages auf Dauer zu erzielende Verzinsung
abzustellen. Dies hat der Sachverständige bei der Ermittlung des von ihm zu Grunde
gelegten Basiszinssatzes beachtet. Die von ihm für das Jahr 1995 zu Grunde gelegte
Größe von nominal 7,0 % begegnet keinerlei Bedenken. So nahm das OLG Stuttgart
(AG 04 Seite 45) für einen Stichtag Ende 1989 einen Basiszins von 7,8 % an. Für einen
Stichtag Mitte 1993 akzeptierte das Oberlandesgericht Düsseldorf (19 W 5/03 AktE)
einen Basiszins von 7,5 %. Für die Sichtweise des Jahres 1995 7,0 % anzunehmen,
entspricht deshalb der langfristig festzustellenden abnehmenden Tendenz. Eine
retrospektive Plausibilitätskontrolle vorzunehmen und die danach stattgefundene
tatsächliche Zinsentwicklung zu berücksichtigen, verbietet sich nach Auffassung der
Kammer bereits vom Ansatz her. Für den Abfindungsanspruch in Aktien ist dies ohnehin
müßig, weil es insoweit auf die Verschmelzungsrelation ankommt und bei der
Bewertung der Hauptgesellschaft derselbe Basiszins zum Tragen kommen muss. Wählt
der ausscheidende Aktionär die
135
Barabfindung, und entgeht ihm infolge der Auszahlung zu geringer Beträge und
sinkenden Zinsniveaus eine entsprechende Anlagemöglichkeit, so ist dies kein Problem
der Bewertung des Unternehmens, sondern des Verzugsschadensrechts (§ 320 b Abs.
1, Satz 6, letzter Absatz AktG).
136
b)
137
Methodengerecht war es weiter, diesen Basiszinssatz um einen Risikozuschlag zu
138
korrigieren. Dies soll der Erfahrungstatsache Rechnung tragen, dass die Anlage in
Kapital in einem Unternehmen mit größeren Risiken behaftet ist, als die Anlage in
öffentlichen Anleihen.
Vom Ansatz her nicht zu beanstanden hat der Sachverständige versucht, den
Risikozuschlag aus Kapitalmarktdaten abzuleiten und hierfür die Renditendifferenz
zwischen langfristigen Erträgen aus Aktienanlagen im Vergleich zu denen öffentlicher
Anleihen zu ermitteln (sog. Risikoprämie). Die Risikoprämie hat der Sachverständige
mit 3 - 6 % ermittelt; in einem vorausgegangenen vom zuständigen Obergericht
entschiedenen Verfahren (OLG Düsseldorf, AG 03, Seite 329 (333)) wurde die
Bandbreite auf 4 - 6 % angesetzt. Dieser Denkansatz versagt im vorliegenden Fall
jedoch, weil für die Gewinnung dieser Spanne kein geeigneter Maßstab zur Verfügung
steht: Die Antragsgegnerin zu 1.) war nicht börsennotiert, so dass einmal die
Realisierung von Spekulationsgewinnen ausscheidet, zum Zweiten eine taugliche
Grundlage zur Ermittlung des sog. "Beta-Faktors" nicht gegeben ist.
139
Folglich muss auf andere Methoden zur Erkennung eines angemessenen
Risikozuschlages zurückgegriffen werden. Im Allgemeinen bewegen sich die von der
Rechtsprechung angenommenen Risikozuschläge zwischen 0,5 % und 2 % (Großfeld,
Seite 130 m.w.N.). In besonders begründeten Ausnahmefällen wurden auch 0,0 % (OLG
Düsseldorf, AG 2003, Seite 693) für einen Teil-Konzern und 4,1 % (OLG Düsseldorf AG
2003, Seite 333, für ein im Bereich der "new-technologie" tätiges Unternehmen)
angenommen. Der Sachverständige hat die Antragsgegnerin zu 1.) als ein
Unternehmen mit mittlerer Risikoklasse bezeichnet. Dagegen sind keine
durchgreifenden Argumente vorgebracht worden. Der Mittelwert zwischen dem
niedrigsten angenommenen Risikozuschlag (0,0 %) und dem höchsten der Kammer
bekannt gewordenen (4,1 %) beträgt 2,05 %. Der Mittelwert der am häufigsten
angenommenen Spanne
140
(0,5 - 2 %) beträgt 1,25 %. Mangels jedweder anderer greifbarer Anhaltspunkte schätzt
die Kammer den Risikozuschlag im vorliegenden Fall deshalb auf 1,65 %. Dies hält der
Plausibilitätskontrolle stand: Denn die Antragsgegnerin zu 1.) ist ein Unternehmen, für
dessen Unternehmensbereiche in der Vergangenheit sich weder spezielle
Unternehmensrisiken verwirklicht haben, noch wegen ihrer Diversifizierung in
verschiedene Bereiche und der weltweiten Positionierung für die Zukunft
durchgreifende Veränderungen in Sicht sind. Revolutionäre technische Neuerungen,
die den Absatz ihrer Produkte beeinträchtigen könnten, sind definitiv nicht in Sicht. Es
handelt sich um klassische, solide "old economy".
141
Diesen Risikozuschlag deshalb zu modifizieren und in der Folge für beide Unternehmen
von verschiedenen Risikozuschlägen auszugehen, weil einmal die Aktien der
Antragsgegnerin zu 1.) nicht börsennotiert sind (sog. Fungibilitätszuschlag) und des
Weiteren die beiden Gesellschaften verschiedene Strukturen aufweisen, sieht sich das
Gericht nicht veranlasst.
142
Die Kammer schließt sich einmal der Auffassung an, dass es den ausscheidenden
Anteilsinhabern nicht zum Nachteil gereichen darf, dass sie eine nicht oder nur
schwierig veräußerbare Beteiligung inne hatten (Großfeld a.a.O., Seite 133). Denn die
Enteignung der Anteilseigner ist gegen ihren Willen geschehen. Derjenige, der sich für
den Erwerb nicht börsennotierter Aktien entscheidet, hofft gerade nicht auf
Spekulationsgewinne durch Kursschwankungen. Er hofft auf
143
Dividendenausschüttungen oder - wie hier im Fall einer quasi-personalistisch geprägten
Aktiengesellschaft - auf Wertsteigerungen des Anlagevermögens durch Bildung stiller
Reserven oder sonstiger Thesaurierungen. Dafür ist er zu entschädigen. Kommt wie im
vorliegenden Fall noch hinzu, dass die Gesellschaft, aus der er ausscheidet, dauerhaft
hoch profitabel wirtschaftet, so kommt ein Fungibilitäts-Abschlag jedenfalls nicht in
Betracht.
Auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin zu 2.) in drei Unternehmensbereiche
diversifiziert ist, bleibt außer Betracht. Denn bei näherem Hinsehen besteht für
144
die Bewertung (anders, als es aus innerbetrieblichen Gründen möglicherweise sinnvoll
ist) kein durchschlagender Grund, zwischen den Unternehmensbereichen zu 1.)
(Wärme- und Energietechnik) und dem Bereich zu 2.) (Luft- und Kältetechnik) zu
differenzieren. Beide Bereiche sind nach Auffassung der Kammer praktisch
gleichzusetzen: Der Kreis potentieller Nachfrager dürfte weitgehend identisch sein.
Auch ist weder vorgetragen, noch ersichtlich, warum etwa konjunkturelle
Schwankungen oder Änderungen irgendwelcher Rahmenbedingungen sowie irgendein
allgemeines oder besonderes Unternehmensrisiko den einen Bereich anders treffen
sollte, als den anderen.
145
c)
146
Der weitere Abzug der persönlichen Ertragssteuer von
147
35 % und eines Wachstumsabschlages von 1 % sind methodengerecht und werden mit
durchgreifenden Argumenten auch nicht angegriffen.
148
Nach allem errechnet sich ein Kapitalisierungszinssatz von (7 % + 1,65 % = 8,65 % - 3,5
% - 1,0 % =) 4,15 %.
149
Aus diesem Kapitalisierungszinssatz errechnet sich folgender Ertragswert zum
Bewertungsstichtag:
150
(aa) Ertragswert zum 31.12.1994/01.01.1995
151
zu kapitalisierende Ergebnisse (Mio.
DM)
Abzinsungsfaktor Barwert (Mio.
DM)
1995
18,5
0,9602
17,8
1996
20,5
0,9219
18,9
1997
25,8
0,8852
22,8
1998
31,1
0,8499
26,4
1999
29,2
0,8160
23,8
ab 2000
25,0
19,6632
491,6
Ertragswert
601,3
152
(bb) Aufzinsung zum 20.06.1995
153
Die Aufzinsung führt unter Zugrundelegung
154
von 170 Zinstagen und einem Zinssatz von 7 %
155
zu einem Aufzinsungsbetrag von 19,5 Mio. DM.
156
Der gesamte Ertragswert der Antragsgegnerin
157
zu 1.) beträgt mithin 620,8. Mio. DM.
158
bb)
159
Mit dem Sachverständigen geht die Kammer davon aus, dass der Wert des
nichtbetriebsnotwendigen Vermögens nach Steuern 83,7 Millionen DM betrug.
160
In diesem Betrag ist zu Recht das latente Körperschaftsteuer-Guthaben in Höhe von
53,9 Millionen DM enthalten. Dass ein derartiges Guthaben vorhanden war, ist zwischen
allen Beteiligten unstreitig. Die von den Antragsgegnerinnen gegen die Ansetzung des
Betrages in voller Höhe vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. Einmal müssen
sich die ausscheidenden Anteilseigner nicht an ihrem früheren Ausschüttungs- bzw.
Thesaurierungsverhalten festhalten lassen, denn dieses war maßgeblich dadurch
beeinflusst, dass im vorliegenden Fall die Gruppe der Aktionäre der (nicht
börsennotierten) Antragsgegnerin zu 1.) quasi - personalistisch geprägt war; obwohl als
Kapitalgesellschaft inkorporiert, handelte es sich mehr oder weniger um einen
"Familien-betrieb".
161
Dem entspricht es, dass die Ausschüttung des Körperschaftssteuer-Guthabens auch
nicht auf den Bilanzgewinn eines Jahres beschränkt sein kann, ebensowenig wie auf
den Überschuss aus der Liquidation es nichtbetriebsnotwendigen Vermögens nach
Abzug von Veräußerungskosten und Steuern. Unerheblich ist auch, ob das Garantie-
Kapital bei sofortiger Ausschüttung dieses Guthabens angegriffen werden müsste; denn
hier wird nur ein fiktiver Gedankengang zum Zwecke der Bewertung vorgenommen.
162
Der Gesamt-Unternehmenswert der Antragsgegnerin zu 1.) zum Stichtag beträgt mithin
704,5 Millionen DM.
163
Wie eingangs bereits ausgeführt, handelt es sich bei dieser Zahl nicht um einen
mathematisch oder naturwissenschaftlich tatsächlichen objektivierbaren Umstand,
sondern lediglich um das Ergebnis eines mit einer Vielzahl von Unsicherheiten,
Fiktionen und Wertungen versehenen Denkweges zur Findung eines angemessenen
Ergebnisses. Nach Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO kommt die Kammer zu dem
Ergebnis, dass als Ausgangspunkt für eine angemessene Entschädigung der
ausgeschiedenen Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1.) von einem Unternehmenswert
in Höhe von insgesamt
164
700 Millionen DM
165
auszugehen ist.
166
Auf die Aktie im Nennwert von 50,00 DM entfällt damit ein anteiliger Unternehmenswert
von 274,12 DM. Dies entspricht 140,16 EUR.
167
Nach erneuter, rundender Schätzung gemäß § 287
168
Abs. 2 ZPO legt die Kammer deshalb die angemessene Barabfindung der
ausgeschiedenen Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1.) für jede Aktie im Nennwert von
50,00 DM auf
169
140,00 EUR
170
fest.
171
b) Unternehmenswert der Antragsgegnerin zu 2.)
172
(GEA AG)
173
aa)
174
Auch der Berechnung der zukünftig zu erwartenden Überschüsse der Antragsgegnerin
zu 2.) ist der Sachverständige methodengerecht vorgegangen. Keinen Bedenken
begegnet es auch, die steuerlichen Verlustvorträge wie geschehen (Blatt 37 des
Gutachtens) zu berücksichtigen.
175
Auch hinsichtlich des Kapitalisierungszinssatzes kann auf das zuvor aufgeführte Bezug
genommen werden, allerdings mit der Besonderheit, dass bei der Festlegung des
Kapitalisierungszinssatzes bezüglich der Antragsgegnerin zu 2.) ein Wachstums- bzw.
Inflationsabschlag nicht mehr zu geschehen hatte. Daraus ergab sich für die Abzinsung
der zukünftigen Überschüsse der Antragsgegnerin zu 2.) ein Kapitalisierungszinssatz
von (7 % + 1,65 % - 3,5 % =) 5,15 %. Daraus ergibt sich folgender Barwert:
176
zu kapitalisierende Ergebnisse (Mio.
DM)
Abzinsungsfaktor Barwert (Mio.
DM)
1995
149,3
0,9510
142,0
1996
174,5
0,9044
157,8
1997
181,8
0,8601
156,4
1998
195,4
0,8180
159,8
1999
202,6
0,7780
157,6
2000
183,8
0,7399
136,0
2001
183,8
0,7036
129,3
2002
183,8
0,6691
123,0
2003
183,8
0,6364
117,0
2004
172,1
0,6052
104,2
2005
160,3
0,5756
92,3
2006
160,3
0,5474
87,7
177
2007
160,3
0,5206
83,4
2008
160,3
0,4951
79,4
2009
159,5
0,4708
75,1
ab 2010
158,9
9,1423
1.452,7
Ertragswert
3.253,7
Dieser war mit 170 Zinstagen auf den
178
Stichtag, den 20. Juni 1995 aufzuzinsen,
179
und zwar mit einem Betrag von 106 Mio. DM.
180
Insgesamt ergab sich damit ein Ertrags-
181
wert von 3.359,7 Mio. DM.
182
bb)
183
Mit dem auch insoweit methodengerecht
184
vorgehenden Sachverständigen kommt die
185
Kammer zu einem Wert des nicht betriebs-
186
notwendigen Vermögens in Höhe von 164,4 Mio. DM.
187
Der gesamte Unternehmenswert der Antrags-
188
gegnerin zu 2.) zum Stichtag betrug
189
mithin 3.524,1 Mio DM.
190
Nach rundender Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO setzt die Kammer den
Unternehmenswert der Antragsgegnerin zu 2.) auf
191
3.500 Mio. DM
192
fest.
193
Bei 4.150.000 Stück Aktien im Nennwert von 50,00 DM ergibt sich ein anteiliger
Unternehmenswert pro Aktie in Höhe von 843,37 DM. Dies entspricht umgerechnet
431,21 EUR.
194
Nach erneuter Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO erachtet die Kammer den anteiligen
Unternehmenswert jeder Aktie der Antragsgegnerin zu 2.) im Nennwert von 50,00 DM
mit
195
430,00 EUR
196
für angemessen.
197
4)Umtauschverhältnis
198
Da die Anzahl der Aktien der Antragsgegnerin zu 2.) je zur Hälfte aus Stamm- und
Vorzugsaktien bestehen, ist ein Umtauschverhältnis zu wählen, in dem sich diese
Relation wiederfindet. Zugleich ist ein Modus zu finden, der eine möglichst geringe bare
Zuzahlung ergibt, um die Rechtstellung der Aktionäre, die die Abfindung in Aktien der
Antragsgegnerin zu 2.) wählen, so gering wie möglich zu beeinträchtigen. Deshalb sind
für drei Aktien der Antragsgegnerin zu 1.) je eine Stamm- oder Vorzugsaktie der
Antragsgegnerin zu 2.) nebst einer baren Zuzahlung durch die Antragsgegnerin zu 2.) in
Höhe von 10,00 EUR zu gewähren nach folgender Berechnung:
199
-Aktien (3 x 140,00 EUR) 420,00 EUR
200
-Aktie ( 1 x 430,00 EUR) 430,00 EUR
201
Bare Zuzahlung 10,00 EUR
202
Um die Parität zwischen Stamm- und Vorzugsaktien zu wahren, ist dabei so
vorzugehen, dass für die ersten drei Aktien der Antragsgegnerin zu 1.) eine Stammaktie
der Antragsgegnerin zu 2.) zu gewähren ist, für die zweiten drei Aktien hingegen eine
Vorzugsaktie, usw..
203
Verbleibende Aktienspitzen sind mit dem festgesetzten Wert der Aktie der
Antragsgegnerin zu 1.) bar abzufinden.
204
C.
205
Der Anspruch auf bare Zuzahlung und der Anspruch auf angemessene Barabfindung ist
gemäß § 320 b Abs. 1 Satz 6 AktG mit 2 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der
Deutschen Bundesbank zu verzinsen. Dieser ist mit Wirkung vom 01.01.1999 durch den
Basiszinssatz ersetzt worden. Die Vorschrift selbst ist mit Art. 5 der Verordnung über die
Ersetzung von Zinssätzen vom 05.04.2002 (BGBl I, Seite 1250) geändert worden; zum
12.04.2002 an ist Bezuggröße der Basiszinssatz gemäß
206
§ 247 BGB getreten. Die Zinspflicht beginnt mit dem 23.01.1996. Sie setzt mit dem
Ablauf des Tages ein, an dem die Eintragung der Eingliederung bekannt gemacht
wurde. Die Eintragung selbst erfolgte am 13.12.1995, die (letzte) Veröffentlichung in den
Geschäftsblättern geschah am 22.01.1996.
207
Die Kosten des Verfahrens trägt gemäß § 306 Abs. 7
208
Satz 8 AktG die Antragsgegnerin zu 2.). Billigkeitsgründe, die es rechtfertigen, die
Kosten einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, liegen nicht vor. Dies gilt auch, soweit
gegen die Antragsgegnerin zu 1.) gerichtete Anträge mangels Passivlegitimation
zurückgewiesen worden sind. Denn dies ist wirtschaftlich letztlich bedeutungslos und
hat auch keine besonderen Kosten verursacht (§ 92 Abs. 2 ZPO analog).
209
Insoweit entspricht es auch der Billigkeit, dass die Antragsgegnerin zu 2.) die
außergerichtlichen Kosten der Antragsteller tragen (§§ 306 Abs. 2, 99 Abs. 1 AktG, § 13
a FGG). Der gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre kann gemäß § 306
Abs. 4 Satz 6 AktG von der Antragsgegnerin zu 2.) den Ersatz angemessener barer
Auslagen sowie eine Vergütung für seine Tätigkeit verlangen.
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