Urteil des LG Dortmund vom 11.03.2009
LG Dortmund: unerlaubte handlung, mittelbare täterschaft, vermittler, gefahr, nachschusspflicht, beitrittserklärung, geldanlage, firma, steuerpflicht, anleger
Landgericht Dortmund, 21 O 190/06
Datum:
11.03.2009
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
21. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 O 190/06
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 28 U 77/09
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.143,25 € (in Worten:
achttausendeinhundertdreiundvierzig 25/100 Euro) nebst Zinsen in
Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
19.08.96 zu zahlen Zug- um Zug gegen Übertragung etwaiger
Ansprüche des Klägers aus dem Zeichnungsschein des atypischen
Gesellschafters an der Firma G in X vom 11.01.2002.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger aus einer vorsätzlich
begangenen unerlaubten Handlung zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der Kläger nimmt den Beklagten nach Unterzeichnung einer Beitrittserklärung im
Rahmen einer atypisch stillen Beteiligung an der G in X auf Grund schlechter Beratung
im Zusammenhang mit der Beitrittserklärung bzw. aus unerlaubter Handlung auf
Schadensersatz in Anspruch.
2
Wegen des weitergehenden Sachvortrages wird auf die Gründe des Urteils des
Landgerichts vom 31.08.2007 (Blatt 261 bis 265 der Akten) verwiesen.
3
Das Oberlandesgericht Hamm hat auf die Berufung des Beklagten das am 31.08.2007
verkündete Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache an das Landgericht
zurückverwiesen mit der Begründung, dass für eine haftungsbegründende mittelbare
Täterschaft des Beklagten zu 3) weder ausreichend vorgetragen noch Beweis geführt
worden sei.
4
Insbesondere müsse auch zur Höhe darüber zu entscheiden sein, ob der Kläger, der
bereits bei Vertragsschluss als Rentner kleine Bezüge hatte und als solcher keinerlei
Steuern zahlte und zahlt, sich Steuervorteile anrechnen lassen müsse.
5
Der Kläger behauptet nunmehr, dass der Beklagte die Anlagevermittler bei persönlich
abgehaltenen Schulungen angewiesen habe, nicht auf den Prospektinhalt einzugehen
sondern nur die Vorteile (Steuervorteile und Rendite) hervorzuheben. Eine echte
Produktschulung sei nie erfolgt. Vielmehr habe der Beklagte ein Präsentationsgespräch
vorgegeben, von dem nicht habe abgewichen werden dürfen. Erst ab einem Umsatz von
1.125.000,- € sei eine Fachschulung des jeweiligen Mitarbeiters erfolgt, jedoch mit der
Maßgabe, dass das aus dem Prospekt gewonnene Wissen nicht gegenüber dem
Kunden eingesetzt werden durfte, um den Geschäftsabschluss nicht zu gefährden.
Sämtliche Schulungen seien nach den Vorgaben des Beklagten geplant und
durchgeführt worden.
6
Der Kläger beantragt,
7
1. Den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.143,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % -
Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 18.08.06 zu zahlen;
2. Festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger aus einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung zu Schadensersatz verpflichtet ist.
8
9
Der Beklaget beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Er bestreitet, dass die behauptete unrichtige Schulung der Zeugin L bereits vor dem
Verkaufsgespräch mit dem Kläger stattgefunden habe und dass die Schulung
unmittelbar durch den Beklagten erfolgt sei. Sämtliche Vermittler seinen im Besitz eines
Emissionsprospektes der G gewesen und hätten daher Kenntnis von den besonderen
Risiken des Anlageproduktes gehabt. Zudem habe der Zeuge T vor dem Landgericht
München I angegeben, dass der Prospekt von ihm zwar nicht im Erstgespräch
durchgesprochen worden sei, dass er den Kunden aber auf ausdrückliches Verlangen
einen solchen Prospekt ausgehändigt habe. Eine vorsätzlich unerlaubte Handlung des
Beklagten sei dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen.
12
Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gegenseitig
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
13
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 13.02.2009 durch Vernehmung
des Zeugen P. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll
vom 13.02.2009 in Sachen 21 O 154/06, welches im Einverständnis mit den
Parteivertretern beweiseshalber verwertet werden darf Bezug genommen.
14
Entscheidungsgründe:
15
Die Klage ist begründet.
16
Der Kläger kann von dem Beklagten zu 3) sowohl aus c.i.c. als auch gemäß §§ 823, 826
BGB Schadensersatz unter Rückübertragung der durch das Rechtsgeschäft erworbenen
Vorteile verlangen, da das Gericht nach durchgeführter Beweisaufnahme wie zuvor
davon überzeugt ist, dass der Beklagte selbst die Schulungen abhielt, auf Grund deren
die Vermittler, z. B. die Zeugin L und P geschult wurden, und zwar anhand der von dem
Beklagten selbst konzipierten CD mit der dazugehörenden wortgetreu
aufgeschriebenen Fassung des auf der CD wiedergegebenen Gesprächsablaufes.
17
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass die
Schulung der Mitarbeiter der Firma H auf ausdrückliche Anweisungen des Beklagten
anhand der Unterlagen, die er selbst entworfen hatte, erfolgte in der Weise, dass die
Gesprächspartner und potentiellen Anleger unter Hinweis ausschließlich auf die
positiven Aspekte einer solchen Geldanlage informiert werden sollten, wobei die
Vermittler selbst zunächst nicht darüber in Kenntnis gesetzt wurden, dass die
Möglichkeit eines Totalverlustes bzw. die Gefahr einer Nachschusspflicht bestand. Dies
hat die Zeugin L ebenso überzeugend ausgeführt wie der Zeuge P in der mündlichen
Verhandlung vom 13.02.2009.
18
Ferner waren die Vermittler angewiesen, auf die Steuerersparnis hinzuweisen, durch
die im Einzelfall bis zu 30 % der Einmalzahlung steuerlich erstattet wurden, was
allerdings im vorliegenden Fall, wie von vorneherein bekannt war, mangels Steuerpflicht
des Klägers nicht in Betracht kam.
19
Insgesamt ist hiernach bewiesen, dass das Beratungsgespräch, das von der Zeugin L
genau nach dem vorgegebenen Plan abgespult wurde, wie sie bereits in der
mündlichen Verhandlung vom 13.07.07 ausgesagt hat, vom Beklagten selbst den
Mitarbeitern in allen Einzelheiten vorgegeben wurden, wobei die Ausbildungs-
Hierarchie ausschließlich auf den Beklagten und nur auf diesen zurückzuführen war.
20
Dieser Plan zielte darauf, unter allen Umständen einen Vertragsabschluss zu erzielen,
wobei nicht nur auf bestehende Risiken (die den Mitarbeitern- wie ausgeführt – selbst
nicht bekannt waren) nicht hingewiesen wurde sondern die Mitarbeiter angewiesen
waren, im Gespräch von diesen potentiell gefährlichen Punkten abzulenken und nur die
Vorteile – auch im Vergleich zu anderen Geldanlagen – in den Vordergrund zu rücken.
21
Da dem Beklagten selbst der Inhalt des Emissionsprospektes genauestens bekannt
war, wie die späteren Schulung der fortgeschrittenen und erfolgreichen Mitarbeiter zeigt,
und ihm daher auch die tatsächlich vorhandenen Risiken eines möglichen
Totalverlustes sowie der Nachschusspflicht bei der beabsichtigten Irreführung der
anfangenden Mitarbeiter und Kunden bewusst waren, ist auch der subjektive
Tatbestand der §§ 823 , 826 BGB einschließlich des Schädigungsabsicht
nachgewiesen.
22
Die Höhe der Klageforderung ist begründet, insbesondere hat der Kläger sich mangels
Steuerpflichtigkeit keine diesbezüglichen Vorteile anrechnen zu lassen.
23
Der Feststellungsantrag ist ebenfalls zulässig und begründet.
24
Die Zulässigkeit des Antrages resultiert aus § 850 f II ZPO.
25
Wegen der Begründetheit des Antrages wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
26
Der Beklagte hat dabei auch vorsätzlich gehandelt, wie gerade die bewusste Ablenkung
der Kunden nach dem Inhalt des von den Mitarbeitern auswendig zu lernenden
Erstgespräch, welches als CD vorlag und mit den Parteivertretern erörtert worden ist,
von den eventuell negativen Punkten
27
( fehlende Sicherheit, jederzeitige Verfügbarkeit, Gefahr eines Totalverlustes ) beweist,
dass diesem die Gefahren der Geldanlage durchaus bewusst waren.
28
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 und 709 ZPO:
29