Urteil des LG Dortmund vom 01.06.2010
LG Dortmund (beteiligung, höhe, bank, prospekt, entgangener gewinn, agio, zug, grund, beratung, zeichnung)
Landgericht Dortmund, 1 O 74/09
Datum:
01.06.2010
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
1 Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 74/09
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.875,00 € (in Worten:
vierzehntausendachthundertfünfundsiebzig Euro) zuzüglich Zinsen in
Höhe von 4 % p.a. vom 29.11.2004 bis zum 17.05.2009 und ab dem
08.05.2009 zuzüglich Zinsen auf den sich hieraus ergebenden
Gesamtbetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu
zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von allen unmittelbaren und
mittelbaren Verbindlichkeiten aus dem Darlehen der C-Bank, das dort
unter der Darlehenskontonummer ######### geführt wird und der
teilweisen Finanzierung ihrer Beteiligung an der „W“ mit der
Kommanditisten-Nr. ###### dient, freizustellen und die Zustimmung
zum Eintritt in dieses Darlehensverhältnis zu erteilen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von
allen Schäden freizustellen, die sie dadurch erleidet, dass sie von den
Finanzbehörden nicht sogleich ohne Berücksichtigung der Beteiligung
„W“ mit der Kommanditisten-Nr. ###### einkommensteuerlich veranlagt
wurde.
Die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 1. bis 3. erfolgt Zug um Zug
gegen Übertragung der Beteiligung an der „W“ im Nennwert von
25.000,00 € mit der Kommanditisten-Nr. ######.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.504,35 € (in Worten:
zweitausendfünfhundertundvier 35/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 18.05.2009
zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der
Gegenleistungen im Annahmeverzug befindet.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin, die als Zahnärztin tätig ist, war langjährige Kundin der Beklagten. Sie
macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Vermittlung einer
Beteiligung an der "W" – nachfolgend "W" genannt –geltend.
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Unternehmerisches Ziel der "W" war die Produktion und Vermarktung von
internationalen Kino- und TV-Filmen. Der Beitritt zum Fonds erfolgte über die N als
Treuhandkommanditistin. Es war eine Mindestbeteiligung von 25.000,00 € zuzüglich 5
% Agio vorgesehen, die in Höhe von 54,5 % plus 5 % Agio, bezogen auf das
Kommanditkapital, eigenfinanziert wurde. Die übrigen 45,5 % unterlagen einer
obligatorischen Fremdfinanzierung durch ein Darlehen der C-Bank. Der Prospekt weist
im Rahmen der Investitionsplanung die Mittel für die Eigenkapitalvermittlung aus (4,900
% - Seite 63 des Prospektes). Ferner wird im Prospekt erläutert, dass der Vertrag über
die Eigenkapitalbeschaffung mit der W2 abgeschlossen wurde und dass diese
zuzüglich der Vergütung von 4,900 % das Agio zur zusätzlichen Abdeckung von
Vertriebsaufwendungen erhalte.
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Auf Einladung des langjährigen Kundenbetreuers M besuchte die Klägerin in
Begleitung ihres Ehemannes am 10.11.2004 eine W-Informationsveranstaltung. Der
Prospekt wurde ihr wenige Tage nach dieser Veranstaltung übergeben, bevor sie am
19.11.2004 eine Beteiligung an "W" in Höhe von 25.000,00 € nebst Agio von 1.250,00 €
zeichnete. Den eigenfinanzierten Anteil nebst Agio zahlte die Klägerin an die
Treuhandkommanditistin. Im Übrigen wurde die Beteiligung – wie vorgesehen – über
die C-Bank finanziert (Darlehenskonto-Nr. #########).
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Die Beklagte erhielt für die Vermittlung der Beteiligung nach einer mit der W2
geschlossenen Vertriebs- und Vergütungsvereinbarung Provisionen in Höhe von
zumindest 7,085 % des vermittelten Nominalkapitals. Darüber wurde die Klägerin
seitens der Beklagten bzw. ihres Mitarbeiters M nicht informiert.
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Die Klägerin behauptet, sie sei von der Beklagten bei Zeichnung der Beteiligung nicht
über die Risiken der Beteiligung aufgeklärt worden. Es sei ihr auch in erster Linie auf die
Sicherheit der Anlage angekommen und nicht auf Steuervorteile, zumal sie auf Grund
der Finanzierung der Praxis und Praxisausstattung bereits so viele
Steuerabschreibungen gehabt habe, dass der streitgegenständliche Fonds aus
steuerlichen Gesichtspunkten nicht sonderlich attraktiv gewesen sei.
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Die Klägerin ist der Ansicht, zwischen ihr und der Beklagten sei ein
Anlageberatungsvertrag zustande gekommen, den die Beklagte verletzt habe. Zum
einen sei diese zur Aufklärung über die von der Fondsgesellschaft für die Vermittlung
der streitgegenständlichen Anlagen erhaltenen Provisionen verpflichtet gewesen. Zum
anderen seien ihr die Beteiligungen als sichere und steuervorteilhafte Anlagen
vorgestellt worden. Risikohinweise – insbesondere zur Realisierbarkeit steuerlicher
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Vorteile – seien nicht erteilt worden. Ferner habe die Beklagte ihre
Plausibilitätsprüfungspflicht verletzt; die Bezeichnung als Garantiefonds sei irreführend,
Steuervorteile seien nach der Konzeption des Fonds von vornherein zweifelhaft
gewesen. Bei pflichtgemäßer Aufklärung hätte sie von einer Beteiligung "W" Abstand
genommen. Sie hätte dann vielmehr in eine Kapitalanlage investiert, die ihr mindestens
4 % p. a. Zinsen gebracht hätte.
Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.875,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe
von 4 % p. a. vom 29.07.2004 bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit und ab
Rechtshängigkeit zuzüglich Zinsen auf den sich hieraus ergebenden
Gesamtbetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von allen unmittelbaren und mittelbaren
Verbindlichkeiten aus dem Darlehen der C-Bank, das dort unter der
Darlehenskonto-Nr. ######### geführt wird, und der teilweisen Finanzierung ihrer
Beteiligung an der "W" mit der Kommanditisten-Nr. ###### dient, freizustellen und
die Zustimmung zum Eintritt in dieses Darlehensverhältnis zu erteilen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen Schäden
freizustellen, die sie dadurch erleidet, dass sie von den Finanzbehörden nicht
sogleich ohne Berücksichtigung der Beteiligung am "W" mit der Kommanditisten-
Nr. ###### einkommenssteuerlich veranlagt wurde;
4. die Verurteilung gemäß den Anträgen 1. bis 3. Zug um Zug gegen Übertragung
der Beteiligung an der "W" im Nennwert von 25.000,00 € mit der Kommanditisten-
Nr. ###### auszusprechen;
5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.504,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
6. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistungen in
Annahmeverzug befindet.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, die Steuerersparnis sei das Hauptinteresse der Klägerin gewesen. Vor
der Zeichnung der Beteiligung habe sich die Klägerin von ihrem Steuerberater über die
steuerlichen Aspekte der Beteiligung beraten lassen. Nach dieser Beratung habe die
Klägerin dem Zeugen M erklärt, sie habe sich für eine Beteiligung entschieden und ihm
die Zeichnungssumme genannt, mit der Bitte, die Zeichnungsunterlagen vorzubereiten.
Eine von dem Prospekt abweichende Beratung sei durch den Zeugen M nicht
vorgenommen worden, insbesondere seien keine Anpreisungen oder
Garantieerklärungen abgegeben worden. Die Klägerin habe sich ausdrücklich auf den
Rat ihres Steuerberaters verlassen. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass zwischen
den Parteien kein Beratungs-, sondern lediglich ein Vermittlungsvertrag zustande
gekommen sei.
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Die Provisionen seien auf Grund der geringen Höhe nicht offenbarungspflichtig
gewesen; im Übrigen seien die im Prospekt enthaltenen Angaben hinreichend,
zumindest habe sie sich hinsichtlich einer etwaigen Pflicht zur Offenbarung von
Rückvergütungen in einem entschuldigenden Rechtsirrtum befunden. Zum Zeitpunkt
des Anlagevertriebs sei auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht
vorhersehbar gewesen, dass dieser im Jahr 2009 eine Verpflichtung der Banken im
Rahmen von Anlageberatungsverträgen zur Aufklärung über die Vertriebsprovisionen
annehmen würde. Eine allgemeine Pflicht zur Mitteilung von Interessenkonflikten
außerhalb des Anwendungsbereiches des WpHG gebe es nicht. Auch von Seiten des
Westfälischen Sparkassen- und Giroverbandes, dem die Beklagte angehöre, habe es
keine entsprechenden Hinweise oder Empfehlungen gegeben. Die Beklagte verweist
außerdem auf die Kollegialgerichtsrichtlinie. Chancen und Risiken seien im Übrigen im
Prospekt ausreichend deutlich dargestellt. Der Prospekt sei hinreichend – auch im
Hinblick auf die steuerliche Anerkennung der Verluste – von der Beklagten auf
Plausibilität überprüft worden. Die konkreten steuerlichen Auswirkungen, die zur
Nichtanerkennung der Verluste führten, seien auf Grund der Komplexität des
Steuerrechts für sie nicht erkennbar gewesen. Die Beklagte behauptet außerdem, die
Höhe der Vergütung der Beklagten sei für die Kaufentscheidung der Klägerin ohne
Belang gewesen. Die Klägerin hätte die Beteiligung auch gezeichnet, wenn sie
Kenntnis über die Höhe der Vergütung gehabt hätte.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist begründet.
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Der Klägerin stehen gegen die Beklagte wegen Aufklärungspflichtverletzungen aus §
280 Abs. 1 BGB i. V. m. den zwischen den Parteien geschlossenen
Anlageberatungsvertrag Ansprüche im tenorierten Umfang zu.
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Über die streitgegenständliche Kapitalanlage in "W" ist zwischen den Parteien ein
konkludenter Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Für einen
Anlageberatungsvertrag reicht es aus, dass die Bank dem Anleger ein bestimmtes
Finanzprodukt aus ihrer Angebotspalette empfiehlt und tatsächlich eine Beratung
stattfindet (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2009, Aktenzeichen: XI ZR 338/08). Von einer
tatsächlichen Beratung der Klägerin ist auch nach dem Vorbringen der Beklagten
auszugehen. In diesem Zusammenhang mag dahinstehen, ob die Klägerin – was sie in
Abrede stellt – sich vor Zeichnung der Beteiligung tatsächlich über die steuerlichen
Aspekte von ihrem Steuerberater hat beraten lassen. In jedem Fall ergibt sich aus dem
Vorbringen der Beklagten, dass der Kundenbetreuer M mit der Klägerin über die
Beteiligung gesprochen hat, wenn er auch nach der Darstellung der Kläger der
Beklagten keine "von den Prospektangaben abweichende" Beratung vorgenommen hat.
Als langjährige Kundin der Beklagten konnte die Klägerin von einer anlegergerechten
Beratung und Empfehlung einer auf ihre Verhältnisse zugeschnittenen Anlageform
ausgehen. Zu der Zeichnung am 29.11.2004 war es auf Grund der Initiative der
Beklagten gekommen, die durch ihren Kundenberater M die Klägerin zu der
Kundenveranstaltung und Präsentation des "W" eingeladen hatte. Wenige Tage nach
der Veranstaltung war es wiederum die Beklagte, die in Gestalt des Zeugen M der
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Klägerin die kompletten Unterlagen für die Zeichnung einschließlich des Prospektes
übergab.
Inwieweit die Beklagte den Beratungsvertrag verletzt hat, weil der Zeuge M die Klägerin
im Beratungsgespräch unrichtig über Risiken der Anlage aufgeklärt hat bzw. ob die
Beklagte ihre Plausibilitätsprüfungspflicht im Hinblick auf den Fondsprospekt verletzt
hat, mag dahinstehen.
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Die Beklagte hat ihre Beratungspflicht schon deshalb verletzt, weil sie den Kläger nicht
über die ihr zugeflossenen Provisionen in Höhe von zumindest 7,085 % des
Nominalkapitals der Beteiligung informiert hat. Im Rahmen der Kapitalanlageberatung
ist die Bank verpflichtet, den Kunden über etwaige Rückvergütungen – Zahlungen des
Anlegers, die hinter dessen Rücken von der Fondsgesellschaft an die Bank
zurückfliesen – aufzuklären. Diese Verpflichtung besteht unabhängig von der Höhe der
Rückvergütungen auf Grund des Interessenkonfliktes der Bank, die gleichsam im
Interesse des Kunden wie auch im eigenen Interesse tätig wird. Die Offenlegung der
Rückvergütungen, insbesondere auch deren konkrete Höhe, ist erforderlich, damit der
Kunde das Umsatzinteresse der Bank einschätzen und beurteilen kann, ob die Bank
und die Berater die Fondsbeteiligung nur deshalb empfehlen, weil sie selbst daran
verdienen (BGH, WM 2009, 405).
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Konkrete Angaben über Provisionszahlungen sind seitens der Beklagte bzw. deren
Mitarbeiters M unstreitig nicht gemacht worden.
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Die Beklagte ist ihrer Aufklärungspflichtverpflichtung auch nicht durch Übergabe des
Fondsprospektes nachgekommen. Der Prospekt enthält nicht die zur sachgerechten
Aufklärung über das Provisionsinteresse der Beklagten notwendigen Angaben. Er
benennt weder einzelne Empfänger der Provisionen, noch gibt er Aufschluss über die
Provisionshöhe. Vielmehr kann aus den Angaben nicht unmissverständlich
geschlossen werden, dass vermittelnden Banken Provisionen in der von der Beklagten
erhaltenen Höhe gewährt werden. Auch soweit W2 als Empfängerin als Mittel für die
Eigenkapitalbeschaffung und des Agio genannt ist, sind die Angaben zumindest
missverständlich. Die Konstellation ist daher nicht mit der dem Urteil des BGH vom
27.10.2009, Aktenzeichen: XI ZR 338/08, zu Grunde liegenden Konstellation
vergleichbar. Hier hat der BGH nur deshalb keine weitere Verpflichtung zur Offenlegung
der Höhe der Rückvergütung angenommen, weil der Prospekt korrekte Angaben
enthielt. Die an die beratende Bank gezahlten Beträge waren dort dem Inhalt und der
Höhe nach zutreffend ausgewiesen.
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Die Aufklärungspflichtverletzungen hat die Beklagte auch zu vertreten. Die
dahingehende Vermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermochte sie nicht zu
entkräften. Soweit sie sich darauf beruft, sie habe sich zum Zeitpunkt der Vermittlung der
streitgegenständlichen Anlage in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden,
vermag die Kammer dem nicht zu folgen. So ist schon nicht konkret vorgetragen, welche
Maßnahmen die von ihr mit der Sichtung der Rechtsprechung betrauten Mitarbeiter
ergriffen haben, insbesondere ob die Rechtsprechung zu vergleichbaren Sachverhalten
umfassend ausgewertet worden ist. Auf Urteile, die nach dem 29.11.2004 ergangen
sind, konnte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt denknotwendig noch nicht vertrauen. Im
Hinblick auf den ihr behaupteten Rechtsirrtum ist der Beklagten selbst zumindest
Fahrlässigkeit vorzuwerfen, denn bei Beratung der Klägerin über die Beteiligung an "W"
hätte sie erkennen können und müssen, dass sie zur Aufklärung über den Erhalt der
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Provisionen verpflichtet war. Der zwischen den Parteien zustande gekommene
Anlageberatungsvertrag ist als Auftrag mit Geschäftsbesorgungscharakter zu
qualifizieren. Im Auftragsrecht galt bereits vor 2004 der allgemeine Grundsatz der
Vermeidung von vertragswidrigen Interessenkonflikten. Von diesem hätte die Beklagte
aus der dazu ergangenen Rechtsprechung auch Kenntnis erlangen können (vgl. OLG
Hamm, Urteil vom 25.11.2009, Aktenzeichen: 31 U 70/09).
In Bezug auf die konkrete streitgegenständliche Frage der Aufklärungspflicht über
Rückvergütungen war die Rechtslage auch zumindest unklar. An einer konkreten
Entscheidung des Bundesgerichtshofs fehlte es. In der Literatur wurden
unterschiedliche Auffassungen vertreten. Auch der Verweis auf die
Kollegialgerichtsrichtlinie vermag den Fahrlässigkeitsvorwurf an die Beklagte nicht zu
erschüttern, da diese auf die Fälle der freien unternehmerischen Betätigung nicht
übertragen werden kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.11.2009, Aktenzeichen: 31 U
70/09). Für diese muss die Beklagte vielmehr selbst die Verantwortung übernehmen
(vgl. auch OLG München, Urteil verkündet am 08.02.2010, Aktenzeichen: 17 U 2966/09).
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Die Aufklärungspflichtverletzung ist für die Anlageentscheidung der Klägerin auch
kausal geworden. Die Vermutung aufklärungsrichtigenden Verhaltens, die für die
Klägerin streitet, vermochte die Beklagte nicht zu widerlegen. Konkrete Anhaltspunkte
dafür, dass die Klägerin auch bei Kenntnis des Interessenkonflikts in seiner konkreten
Ausgestaltung, also von der Höhe der Provisionen, nicht von der Zeichnung abgesehen
hätte, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Die Kammer war daher auch nicht gehalten,
dem im Schriftsatz der Beklagtenseite vom 03.05.2010 gestellten Beweisantrag auf
Vernehmung der Klägerin zu dieser Frage nachzukommen. Eine solche
Parteivernehmung wäre vielmehr auf eine unzulässige Sachverhaltserforschung
hinausgelaufen. Eine diesbezügliche Obliegenheit zur Nachfrage bestand für die
Klägerin nicht (OLG München, Hinweis vom 10.03.2010, Aktenzeichen: 19 U 4543/09).
Die beratende Bank muss vielmehr ungefragt über alle Umstände beraten, die für die
Anlageentscheidung des Kunden maßgeblich sind.
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Die Klägerin hat auf Grund der für ihre Anlageentscheidung kausalen und schuldhaften
Aufklärungspflichtverletzung einen Anspruch auf Erstattung des Eigenkapitalanteils
zuzüglich des Agio in Höhe von insgesamt 14.875,00 €, jeweils Zug um Zug gegen
Übertragung der Rechte aus dem Treuhandvertrag und der Rechte an der
Treuhandkommanditbeteiligung gegen die Beklagte.
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Die Klägerin hat ferner einen Anspruch auf entgangenen Gewinn aus §§ 280 Abs. 1,
252 BGB. Bei Kapitalanlagen gilt die Regel, dass sich ein entgangener Gewinn
typischerweise daraus ergibt, dass das Eigenkapital nicht ungenutzt geblieben wäre,
wenn es nicht in Form der gezeichneten Anlage verwendet, sondern zu einem
allgemeinen üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (BGH-NJW 1992, 1223 ff.). Die
Kammer schätzt die Höhe des entgangenen Gewinns auf 4 % p. a.
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Hinsichtlich des Schadensersatzanspruches (Erstattung von Eigenkapital und Agio
sowie entgangenen Gewinn) stehen der Klägerin darüber hinaus Verzugszinsen aus §§
291, 288 Abs. 1 seit Rechtshängigkeit, mithin seit dem 18.05.2009 zu.
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Im Rahmen des negativen Interesses hat die Klägerin außerdem einen Anspruch auf
Freistellung von den Verpflichtungen aus dem mit der C- Bank geschlossenen
Darlehensvertrag und auf Erteilung der Zustimmung zum Eintritt in das
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Darlehensverhältnis (Klageantrag zu Ziffer 2.). Auch diese Verpflichtung besteht jedoch
lediglich Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte an der
Treuhandkommanditbeteiligung und dem Treuhandvertrag.
Auch der Feststellungsantrag der Klägerin (Klageantrag zu Ziffer 3.) ist begründet,
insbesondere hat die Klägerin ein Interesse an der begehrten Feststellung, weil der
Eintritt von weiteren Schäden noch nicht absehbar ist, da die Klägerin bislang noch
nicht bestandskräftig steuerlich veranlagt wurde.
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Teil des Schadens im Sinne von §§ 280, 249 BGB, den die Klägerin erlitten hat, sind
auch die ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen, die die
Klägerin zu Klageantrag Ziffer 5. geltend macht und die sie von der Beklagten erstattet
verlangen kann.
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Ferner war festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebotes auf
Übertragung der Rechte an der Beteiligung "W" in Annahmeverzug befindet. Der
Annahmeverzug besteht seit Rechtshängigkeit. Spätestens mit der Klage hat die
Klägerin der Beklagten die Übertragung der Kommanditbeteiligung angeboten.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
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