Urteil des LG Dortmund vom 05.08.2009

LG Dortmund (kläger, eintritt des versicherungsfalles, treu und glauben, reparatur, versicherungsnehmer, motorrad, höhe, versicherer, umstände, wahrheitspflicht)

Landgericht Dortmund, 22 O 177/08
Datum:
05.08.2009
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
22. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 O 177/08
Schlagworte:
Obliegenheitsverletzung, Fahrzeugversicherung
Leitsätze:
1. Leistungsbefreiende Obliegenheitsverletzung wegen
wahrheitswidriger Angabe der Reparatur in einer Fachwerkstatt.
2. Zu den Forderungen an die Notwendigkeit einer Wiederholung der
Belehrung über die Leistungsfreiheit bei Falschangaben.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden nach einem Streitwert in Höhe von
5.487,18 € dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei dieser für das Motorrad Yamaha (##-## #)
genommenen Kaskoversicherung wegen eines Diebstahlereignisses in Anspruch.
2
Das Motorrad war über die T-Bank finanziert und an diese sicherungsübereignet
worden.
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Das Motorrad erlitt am 03.08.2006 einen erheblichen Vorschaden an der linken Seite,
als es mit einem nach links abbiegenden Pkw kollidierte. Die Reparatur erfolgte im
Wesentlichen durch den Kläger selbst, der Ersatzteile über eBay erworben haben will.
Allenfalls der Einbau des anderweitig erworbenen Blinkers und Spiegels erfolgte bei der
Fachwerkstatt Firma I in C.
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Einen weiteren Vorschaden erlitt das Motorrad, als es im Dezember 2006 durch
Windeinwirkung umkippte.
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Beide Schäden meldete der Kläger zeitnah der Beklagten.
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Am 05.06.2007 stellte der Kläger das Motorrad gegen 23.30 Uhr hinter dem Haus ab, in
dem sich seine Wohnung befindet. Als er am 06.06.2007 um 5.45 Uhr zur Arbeit fahren
wollte, fand er das Motorrad dort nicht mehr vor.
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In der Schadenanzeige vom 06.06.2007 beantwortete der Kläger die Frage nach
reparierten/unreparierten Schäden nicht, was die Beklagte zu Nachfragen vom
12.06.2007 und 23.07.2007 veranlasste. Das Schreiben vom 23.07.2007 enthielt
folgenden Hinweis:
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"Wie bereits in der Schadenanzeige, weisen wir erneut darauf hin, dass Sie zu
vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet sind, da Sie sonst
ihren Versicherungsschutz verlieren können."
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Hierauf erwiderte der Kläger mit Schreiben vom 28.07.2007, dass durch das
Schadensereignis von Dezember 2006 nur leichte Kratzspuren und eine leichte Beule
am Auspuff entstanden sei. Die Kratzer habe er mit einem Lackstift beheben können.
Sodann teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 21.09.2007 mit, dass sie
festgestellt habe, dass sich am 03.08.2006 ein weiterer Vorschaden ereignet habe und
bat um schriftliche Stellungnahme. Hierauf reagierte der Kläger mit Schreiben vom
09.10.2007 wie folgt:
10
"…
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nach der Kollision im August 2006 trug das Motorrad an der linken Fahrzeugseite
an folgenden Stellen Schäden:
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Kupplungsgriff, Ausgleichsgewicht, Sturzpad, vorderen Blinker und am hinteren
Verkleidungsteil. Diese Schäden wurden komplett von der Yamaha-Fachwerkstatt
I in C behoben. Ich hoffe somit all Ihre Fragen beantwortet zu haben …"
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In der Folge überreichte der Kläger noch kleinere Anschaffungsrechnungen u.a. für das
Lenkerrohr und räumte sodann gegenüber der Beklagten ein, dieses ausgetauscht zu
haben, weil er versehentlich bei Montierung neuer Gewichte für die Optik das Gewinde
beschädigt habe. Er erklärte ferner mit Schreiben vom 07.12.2007, keine Rechnung
über Käufe bei der Firma I einreichen zu können, da er Ersatzteile über eBay erworben
habe.
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Der Kläger macht Ansprüche wie folgt geltend:
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5.462,18 € gemäß Gutachten DEKRA vom 08.08.2007
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25,00 € Unkostenpauschale
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5.487,18 €.
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Der Kläger beantragt,
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1.
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.487,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-
Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.06.2008 zu zahlen,
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hilfsweise,
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die Beklagte zu verurteilen, den Betrag von 5.487,18 € nebst Zinsen in Höhe von
5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.06.2008 an die T
Bank AG, T-Platz #, ##### N zu der Finanzierungsnummer SB-NR.:
############### zu zahlen,
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2.
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die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn Anwaltskosten zu erstatten in Höhe von
546,68 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
Anhängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie beruft sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung (Falschangaben zu
Vorschäden und Reparaturen).
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist in vollem Umfang unbegründet.
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I.
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Zwar ist das äußere Bild einer Entwendung unstreitig, so dass ein bedingungsgemäßer
Versicherungsfall gegeben ist.
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II.
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Die Beklagte ist jedoch gemäß § 6 Abs. 3 VVG a.F., § 7 Ziffer I. Nr. 2 Satz 3, Ziffer V. Nr.
4 AKB leistungsfrei.
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Der Kläger hat die Aufklärungsobliegenheit verletzt, indem er mit Schreiben vom
09.10.2007 vorsätzlich falsche Angaben zu der Reparatur der Vorschäden gemacht hat.
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Der Versicherungsnehmer ist nach Eintritt des Versicherungsfalles gem. § 7 Ziff. I Nr. 2
Satz 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein
kann. Dazu gehört auch die Pflicht, den Versicherer vollständig und wahrheitsgemäß
über solche Umstände zu unterrichten, die für die Regulierung von Bedeutung sind. Es
muss dem Versicherer ermöglicht werden, sachgerechte Feststellungen zu treffen. In
diesem Zusammenhang ist die wahrheitsgemäße Mitteilung über den Reparaturzustand
des Fahrzeugs ein maßgeblicher Umstand (OLG Köln, r + s 2009, 8). Damit ist auch die
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des Fahrzeugs ein maßgeblicher Umstand (OLG Köln, r + s 2009, 8). Damit ist auch die
Frage, wer eine Reparatur vorgenommen hat von erheblicher Bedeutung.
Wenn der Kläger somit in dem Schreiben vom 09.10.2007 formulierte, sämtliche
Schäden, die bei dem Unfall im August 2006 entstanden waren, seien "komplett" von
einer Fachwerkstatt repariert worden, so handelte es sich ersichtlich um eine
vorsätzliche Falschangabe. Denn wie der Kläger selbst einräumte, waren allenfalls zwei
Ersatzteile im Rahmen einer Gefälligkeitsleistung eingebaut worden.
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Auch die Voraussetzungen der Relevanzrechtsprechung sind gegeben.
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Der Kläger ist zunächst in dem Fragebogen "Schadenanzeige Kasko-Diebstahl"
ordnungsgemäß belehrt worden. Die Belehrung ist durch eine "Einrahmung" optisch
hervorgehoben und befindet sich unmittelbar über der Unterschriftenzeile.
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Vorliegend führt auch der Umstand, dass die Falschangabe des Klägers erst mit
Schreiben vom 09.10.2007 erfolgte, nicht dazu, dass die Belehrung unzureichend erteilt
wäre. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob der Versicherungsnehmer im Anschluss an
die Belehrung in dem Fragebogen aufgrund besonderer Umstände erneut derart
schutzwürdig erscheint, dass der Grundsatz von Treu und Glauben es dem Versicherer
gebietet, die bereits gegebene Belehrung zu wiederholen. Dies kann beispielsweise der
Fall sein, wenn der Versicherungsnehmer bei einer späteren Nachfrage den Bezug zu
den Fragen der Schadensmeldung und seiner Aufklärungsobliegenheit wegen einer
besonderen Fragestellung nicht ohne Weiteres erkennen kann, oder eine Nachfrage
nach besonders langer Zeit erfolgt und deshalb die Sorge begründet, der
Versicherungsnehmer könne die ursprüngliche Belehrung nicht mehr vor Augen haben.
Ob solche besonderen Umstände gegeben sind, kann nur aufgrund einer
Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles beantwortet werden und hängt
insbesondere auch davon ab, ob der Versicherungsnehmer ausreichende
Anhaltspunkte dafür hat, sich an die frühere Belehrung zu erinnern. Jedenfalls ist es
nicht geboten, die Belehrung losgelöst von den Fallumständen bei jeder Nachfrage des
Versicherers zu wiederholen oder feste Fristen vorzusehen, nach deren Ablauf jeder
Nachfrage eine erneute Belehrung beizufügen ist (BGH VersR 2007, 683; OLG Hamm,
NVersZ 2001, 271).
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Hieran gemessen bedurfte es einer weiteren Belehrung in dem Schreiben vom
21.09.2007 nicht. Denn vorliegend hatte die Klägerin bereits bei einer zunächst
gestellten Nachfrage vom 23.07.2007 den Beklagten wiederholt auf die Wahrheitspflicht
hingewiesen. Dass die Belehrung in dem Schreiben vom 23.07.2007 wegen des
fehlenden Hinweises darauf, dass die Gefahr besteht, dass der Versicherungsnehmer
seinen Versicherungsschutz verliert, auch wenn dem Versicherer ein Nachteil noch
nicht entstanden ist, unzureichend war (vgl. hierzu bereits BGH, VersR 1976 ,383) ist
dabei unerheblich. Denn in dem Hinweis wird auch auf die Schadenanzeige, die die
vollständige rechtlich zutreffende Belehrung enthält, hingewiesen. Der Kläger hatte also
Anlass, sich durch die Belehrung vom 23.07.2007 an die (rechtlich zutreffende)
Erstbelehrung zu erinnern. Überdies hatte der Kläger angesichts der beharrlichen - und
berechtigten - Nachfragen der Beklagten Anlass, sich der Belehrung über die
Wahrheitspflicht zu erinnern.
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Der Verstoß gegen die Aufklärungspflicht war auch generell geeignet, die Interessen
des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Es liegt auf der Hand, dass der
Kaskoversicherer bei der Regulierungsentscheidung über die gesamten Umstände, die
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den Wert beeinflussen können, informiert sein muss. Um eine etwaige Wertminderung
wegen Vorschäden richtig beurteilen zu können, muss er über die Güte der Reparatur
im Bilde sein. Die Güte der Reparatur hängt wiederum davon ab, von wem die
Reparatur durchgeführt wurde. Die Durchführung der Reparatur in einer
Vertragswerkstatt bietet ersichtlich eher die Gewähr der Ordnungsgemäßheit der
Reparatur und der Güte des Ersatzteiles als die in Eigenregie mit ersteigerten
Ersatzteilen durchgeführte Reparatur.
Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass Leistungsfreiheit auch dann anzunehmen
wäre, wenn man vorliegend annehmen wollte, die Beklagte hätte bei der weiteren
Nachfrage mit Schreiben vom 21.09.2007 erneut über die Wahrheitspflicht belehren
müssen. Denn das Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung ist unschädlich, wenn
der Versicherungsnehmer arglistig handelt (OLG Hamm VersR 1999, 89; vgl. BGH,
VersR 1976, 383). Von einem arglistigen Verschweigen ist auszugehen, wenn ein
Versicherungsnehmer nicht nur wissentlich Falsches bekundet hat, sondern wie der
Versicherer beweisen muss bewusst auf die Regulierungsentscheidung des
Versicherers Einfluss nehmen wollte. Dies ist in aller Regel der Fall, wenn der
Versicherungsnehmer den Versicherer über den Wert der versicherten und zu
entschädigenden Sache oder über diesen Wert bestimmende Faktoren in erheblichem
Maße zu täuschen versucht (OLG Saarbrücken, NJW-RR 2008, 1207 m. w. N.). Nach
den Angaben des Klägers im mündlichen Termin, der kleinlaut einräumte, dass das
Schreiben vom 09.10.2007 wohl eine "Falschaussage" beinhalte und der
Interessenlage des Klägers zum Zeitpunkt der Fertigung des Schreibens vom
09.10.2007 hat das Gericht keinen Zweifel, dass dieser in seinem Sinne auf die
Regulierungsentscheidung Einfluss nehmen wollte, indem er wahrheitswidrig angab,
die Reparatur sei "komplett" in einer Fachwerkstatt erfolgt. Eine hiervon abweichende
Motivationslage bei dem Kläger ist weder dargetan noch ersichtlich.
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Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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