Urteil des LG Dortmund vom 29.05.2008
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Landgericht Dortmund, 4 S 31/07
Datum:
29.05.2008
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 S 31/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Dortmund, 129 C 10931/06
Schlagworte:
Beschilderung zur Durchfahrtshöhe
Normen:
BGB § 823 ; StVO Nr. 265
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.12.2006 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Dortmund (129 C 10931/06) abgeändert und neu
gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.944,34 € (i.W.
zweitausendneunhundertvierundvierzig 34/100 Euro) nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.1.2006
und eine Nebenforderung in Höhe von 161,05 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2006 zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und Berufungsverfahrens
tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
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I.
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Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Schadensereignis im
Dezember 2005. Ein Mitarbeiter des Klägers lieferte mit dem Lkw und Sattelauflieger der
Firma Marks Krone des Klägers, amtliches Kennzeichen ####### Waren bei der Firma
Q in der L-straße ## in E an. Eigentümerin des Grundstückes, in dessen Erdgeschoss
die Firma Q betrieben wird, ist die Beklagte.
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Der Fahrer des Klägers passierte vorwärts eine Durchfahrt zum Betriebsgelände der
Firma Q. Die Durchfahrt ist mit einem Verbotsschild mit der Aufschrift "4 m"
gekennzeichnet (Nr. 265 StVO). Nach Entladung fuhr der Mitarbeiter mit dem Fahrzeug
wieder vorwärts durch die Durchfahrt hindurch. Hierbei blieb das Fahrzeug an einer
Deckenquerverbindung hängen. Es entstand am Fahrzeug des Klägers ein
Sachschaden in Höhe von 3.925,79 €.
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Erstinstanzlich hat das Amtsgericht Dortmund die Klage mit der Begründung
abgewiesen, bereits nach dem Vortrag der Klägerseite könne der Schaden nur aufgrund
eines Fahrfehlers des klägerischen Mitarbeiters entstanden sein, da beim Hineinfahren
kein Schaden aufgetreten sei und das Fahrzeug daher grundsätzlich zum Passieren der
Einfahrt geeignet gewesen sein müsse.
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Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er behauptet weiterhin, die Aufschrift
des Schildes sei unzutreffend. Die Durchfahrt weise nicht an allen Stellen die Höhe von
4 m auf. Das Fahrzeug selbst habe jedenfalls die zulässige Höhe von 4 m nicht
überschritten und habe daher wegen der Beschilderung die Durchfahrt ausführen
dürfen. Dem Fahrer sei kein Fahrfehler unterlaufen.
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Der Kläger beantragt deshalb,
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unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Dortmund,
Aktenzeichen 129 C 10931/06, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.975,79
€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
23.1.2006 sowie eine Nebenforderung in Höhe von 179,25 zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie behauptet, die Durchfahrt sei an allen Stellen höher als 4 m. Das Fahrzeug der
Klägerin habe aber selbst offensichtlich die Höhe von 4 m nicht eingehalten. Aus der
Beschilderung sei zudem keine Rechtsfolge abzuleiten, da es sich um eine private
Zufahrt handele und die Eigentümer freiwillig das Schild angebracht hätten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf den Tatbestand
des erstinstanzlichen Urteils sowie die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen werden.
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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens
des Dipl.-Ing. S. Wegen der weiteren Einzelheiten kann Bezug genommen werden auf
die schriftlichen Ausführungen vom 30.1.2008, Bl. 79 ff. d.A..
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Die Berufung ist zulässig und in dem tenoriertem Umfang begründet.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Ersatz des entstandenen
Schadens gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu. Der Kläger muss sich jedoch gemäß § 254
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BGB analog in Höhe von 25 % die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges entgegenhalten
lassen. Es steht dem Kläger daher gegen die Beklagte ein Anspruch in Höhe von
2.944,34 € zu.
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Der Kläger hat dargelegt und nachgewiesen, dass durch die Beklagte fahrlässig eine
Verletzung des klägerischen Eigentums verursacht wurde.
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Die Beweisaufnahme hat zwar nicht ergeben, dass die Durchfahrt am
Beklagtengrundstück die Höhe von 4 m unterschreitet. Der Sachverständige hat
festgestellt, dass die Durchfahrt an der niedrigsten Stelle, nämlich an der Unterkante des
Sturzes, an dem es zum Zusammenstoß mit dem klägerischen Fahrzeug gekommen ist,
4,15 m hoch ist.
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Ebenso wenig hat sich die Behauptung der Beklagten, der Sattelauflieger des Klägers
habe die Höhe von 4 m überschritten, durch das Sachverständigengutachten bestätigt.
Der Sachverständige Dipl.-Ing. S hat überzeugend dargelegt, dass der Sattelauflieger
eine exakte Höhe von 4 m hat. Auch die Annahme, dass der Auflieger des klägerischen
Fahrzeuges bei dem Herausfahren deshalb höher gewesen sein könnte, da er nach
dem Abladevorgang bei der Firma Q leichter gewesen wäre, hat sich nicht bestätigt. Der
Sachverständige hat dargelegt, dass der Anhänger über Luftfedern verfügt. Diese
werden bei schwerer Ladung stärker zusammengedrückt. Wird die Ladung entfernt, wird
die Feder über das Druckventil wieder entlastet. Dies führe – so überzeugend der
Sachverständige – aber nicht dazu, dass der Anhänger dann eine Höhe von mehr als 4
m einnehme. Vielmehr werde die konstruktiv vorgesehene Höhe von 4 m durchweg
erreicht.
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Nach den auch für einen Laien gut nachvollziehbaren Erklärungen des
Sachverständigen hängt der Zusammenstoß bei dem Herausfahren aus der Durchfahrt
mit den topografischen Gegebenheiten der Örtlichkeit zusammen. Anhand der
Lichtbilder ist erkennbar, dass die Einfahrt auf das Betriebsgelände der Firma Q selbst
ein Gefälle aufweist. Der kurze Weg über den Fußgängerweg der L-straße steigt
dagegen, von der Fahrbahn aus betrachtet, leicht an. Dies führt dazu, dass eine Kuppel
gebildet wird. Der Sachverständige Herr S hat im Weiteren erläutert, dass
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dies bei der Einfahrt nicht zu Problemen führt, jedoch bei der Ausfahrt. Anhand der
Anlagen I bis V (Bl. 103 ff. d.A.) hat der Sachverständige dargelegt, dass der extrem
lange und starre Aufliegeranhänger des klägerischen Fahrzeuges je nach Position der
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vorderen Reifen die Höhe von 4 m überschreiten kann. Ist dies bei der Einfahrt noch
kein Problem, da gerade der vordere Bereich der Durchfahrt keinen Sturz aufweist und
die Höhe weit mehr als 4 m beträgt, zeigt die Anlage IV (Bl. 106 d.A.) aber deutlich, dass
in dem Moment der Ausfahrt ein Höhenproblem auftritt. Denn in dem Moment, in dem die
Zugmaschine vorne bereits mit den Rädern die Kuppel überwunden hat und auf der
tiefer gelegenen L-straße angekommen ist, wird automatisch die Achse der hinteren,
dem Auflieger zugehörigen Rädern hochgedrückt, da es sich um einen festen starren
Anhänger handelt. In diesem Moment ist aber eine Kollision mit dem Sturz der
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Durchfahrt im Gegensatz zur Einfahrt möglich. Denn in diesem Moment überschreitet
der Auflieger aufgrund der topografischen Verhältnisse die Höhe von 4,15 m, so dass es
zum Kontakt mit dem Sturz und damit zum Eintritt des Schadens gekommen ist.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu, da
nach Auffassung der Kammer fahrlässig ein unzutreffendes Schild mit der Aufschrift "4
m" angebracht wurde, was so nicht für alle Fälle zutreffend ist. Denn das Schild Nr. 256
StVG besagt:
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"Verbot für Fahrzeuge, deren Höhe 4 m überschreitet".
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Das Fahrzeug des Klägers hat grundsätzlich keine größere Höhe als 4 m. Aufgrund der
besonderen topografischen Verhältnisse des Grundstückes der Beklagten ist aber die
Angabe, dass Fahrzeuge, die 4 m nicht überschreiten, eine problemlose Durchfahrt
möglich ist, nicht zutreffend. Die Beklagten haben jedoch einen Vertrauenstatbestand
durch Anbringung des Verkehrsschildes geschaffen. Zwar geht die Kammer nicht davon
aus, dass vor Anbringung eines solchen Schildes die Einholung eines Gutachtens
notwendig ist, um die mit dem Schild getroffene Aussage zuvor überprüfen zu lassen.
Die Kammer ist jedoch der Überzeugung, dass es der Beklagten durch Beobachtung
erkennbar gewesen wäre, dass das Fahrverhalten der Fahrzeuge bei der Durchfahrt zu
Höhenunterschieden führt.
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Der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges durfte grundsätzlich auf diese Beschilderung
des gewerblich genutzten Grundstückes vertrauen. Analog § 254 BGB muss sich der
Kläger jedoch auch die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges anrechnen lassen (vgl.
Palandt, 66. Auflage, 2007, § 254 Rdnr. 10). Die Kammer ist hierbei von einer erhöhten
Betriebsgefahr von 25 % ausgegangen, da es sich nicht um einen üblichen, sondern um
einen Lkw mit einer besonderen Länge handelte, bei der mithin auch eine höhere
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Betriebsgefahr gegeben ist. Die Kammer hat nicht verkannt, dass auch der Mitarbeiter
des Klägers grundsätzlich vor der Einfahrt darüber nachdenken muss, ob er die
Durchfahrt passieren kann oder nicht. Die Kammer meint jedoch, dass er der
angebrachten Beschilderung vertrauen durfte und letztlich das Fahrzeug die Höhe von 4
m konstruktionsbedingt auch nicht überschritten hat.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte daher in Höhe von 75 % des entstandenen
Schadens ein Ersatzanspruch zu. Dieser beziffert sich wie folgt:
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Reparaturkosten netto nach Sachverständigengutachten 3.546,59 €
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Sachverständigenkosten 359,20 €
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Unfallkostenpauschale 20,00 €
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Gesamt 3.925,79 €
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75 % 2.944,34 €
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Gemäß der §§ 286, 288 BGB hat der Kläger zudem Anspruch auf Ersatz der
entstandenen Verzugszinsen sowie auf Ersatz der nicht anrechnungsfähigen
außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Diese beziffern sich wie folgt:
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Streitwert: bis 3.000,00 €
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0,65 Gebühr 141,05 €
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Auslagenpauschale 20,00 €
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Gesamt netto 161,05 €
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 10 ZPO.
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