Urteil des LG Dortmund vom 17.04.2002

LG Dortmund: einstweilige verfügung, freileitung, standort der anlage, anschluss, erlass, aktivlegitimation, bevollmächtigung, betreiber, berechtigung, zukunft

Landgericht Dortmund, 6 O 53/02
Datum:
17.04.2002
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 53/02
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 29 U 38/02
Tenor:
Die einstweilige Verfügung vom 28.01.2002 wird aufgehoben und die
Verfügungsklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Die Verfügungsklägerin hat mit der C GmbH am 08.05.2001 einen Planungs-,
Konzeptions- und Betriebsvertrag abgeschlossen. Die C GmbH beabsichtigt, in
der Windvorrangfläche ST 52 des Gebietsentwicklungsplanes des
Regierungsbezirks Münster 5 Windkraftanlagen zu errichten. Die Klägerin hat die
Entwicklung des Standortes für die C GmbH für die 5 Windkraftanlagen (Windpark
A) übernommen.
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Die Klägerin hat ferner mit sechs Landwirten aus F am 25.06.2001 einen
Nutzungsvertrag abgeschlossen. Hiernach gestatten
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die Grundstückseigentümer der Klägerin als Nutzer die Errichtung und den Betrieb von
6 Windkraftanlagen in der Windvorrangfläche ST 17 des Gebietsentwicklungsplanes
des Regierungsbezirks Münster (Windpark B). Zuvor hatten die Grundstückseigentümer
die Klägerin am 08.05.2001 bevollmächtigt, sie für die Nutzungsanbindung des
Windparks B zu vertreten.
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Die Klägerin hatte am 04.05.2001 die Beklagte über ihr Vorhaben informiert und um
eine Stellungnahme zu einem möglichen Netzanschluss des Windparks A gebeten; sie
hielt einen Netzanschluss am Umspannwerk 1 für 5 Anlagen zu je 2 MW für möglich. Mit
Schreiben vom 14.05.2001 beantragte sie beider Beklagten, zu prüfen, in wie weit für
die beiden Windparks noch Netzanschlussmöglichkeiten an die 30 KV- Trasse
zwischen S und D besteht. Am 08.06.2001 fand bei der Beklagten in P eine
Besprechung mit dem Geschäftsführer der Klägerin statt wegen der Netzanschlüsse der
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beiden Windparks. Für die Klägerin bestand der günstigste Netzanschluss ca. 3 km
südlich an der 30 KV-Trasse zwischen S und D. Auch den Anschluss des geplanten
Windparks B an diese 30 KV-Trasse, der ca. 5 km entfernt ist, hielt sie für möglich. Die
Beklagte benutzte diese 30 KV-Freileitung in der Vergangenheit zu der Versorgung der
Gemeinden M und U. Diese Gemeinden werden inzwischen von den Stadtwerken M2
versorgt. Die 30 KV-Freileitung wird derzeit nur noch für einen befristeten Zeitraum zum
Zwecke der Noteinspeisung für die Umspannanlage 1 betrieben. Das Umspannwerk 1
wird zur Zeit regelmäßig mit Strom aus dem im Norden von J gelegenen Umspannwerk
versorgt. Die Beklagte plant die Notversorgung des Umspannwerks 1 durch eine
Leitung, die ebenfalls aus dem Umspannwerk im Norden von J parallel zu der
bisherigen Versorgungsleitung gelegt werden soll. Danach plant die Beklagte den
Rückbau der 30 KV-Leitung zwischen S und D. Die 30KV-Leitung zu Gunsten der
Beklagten ist nicht dinglich gesichert, sondern die Beklagte ist aufgrund der Verordnung
über die allgemeinen Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden
(AVBEltV) berechtigt, die Grundstücke für die Leitung zu nutzen.
Der Geschäftsführer der Klägerin fasste den Inhalt der Besprechung im Schreiben vom
15.06.2001 an die Beklagte zusammen. Die Beklagte
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hatte mit Schreiben vom 10.09.2001 der im Schreiben vom 15.06.2001
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angegebenen Einigkeit darüber widersprochen, dass die Beklagte die 30 KV-Leitung
zwischen S und D so lange nicht zum Nachteil der Klägerin verändere, bis für beide
Windparks Netzanschlusslösungen gefunden würden. Dass die Beklagte in der
Besprechung nicht zugesagt habe, die 30 KV-Freileitung unverändert zu lassen, ist
nunmehr unstreitig.
In
Bauvoranfragen an die zuständigen Behörden gerichtet worden. Mittlerweile wurden
Bauvorbescheide erteilt.
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Mit Schreiben vom 07.12.2001 wandte sich die Klägerin an die Beklagte wegen der
Netzanschlüsse für die beiden Windparks, die im Jahre 2002 errichtet werden sollten.
Sie bat unter Berufung auf eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/Oder, ihr bis
zum 21.12.2001 die Netzdaten für den Anschluss der Windparks bekannt zu geben und
die Netzanschlussmöglichkeiten darzulegen.
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Mit Schriftsatz vom 23.01.2002 beantragte die Klägerin den Erlass einer einstweiligen
Verfügung, mit der sie für die bestehende 30 KV-Freileitung die Netzdaten für den
Anschluss von Windkraftanlagen, die mögliche Anschlussleistung für Windkraftanlagen
jeweils am nächstgelegenen Punkt zum Windpark A und B sowie Unterlassung der
Veränderung der 30 KV-Leitung bis zur Klärung der Netzanschlüsse der beiden
Windparks begehrte. Sie berief sich dabei als Anspruchsgrundlage auf § 3 EEG,
wonach derjenige Netzbetreiber anschlusspflichtig sei, zu dessen technisch für die
Aufnahme geeignetem Netz die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage bestehe
und die entsprechende Netzdaten und Anlagendaten offenlegen müsse. Dies sei für die
beiden Windparks die 30 KV-Leitung. Sie behauptete, dass die Verweigerung der
Netzdaten für sie zu unzumutbaren wirtschaftlichen Folgen führe, weil sie bereits
Planungskosten in Hohe von ca. 200.000,00 € in die Windparks investiert habe, deren
Errichtung für das zweite und dritte Quartal des Jahres 2002 geplant sei. Sie benötige
einen Vorlauf von mindestens sechs Monaten. Bei einer Verzögerung drohe ihr ein
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Ertragsausfall von täglich 10.400,00 €, was bei 42.185 MW-Stunden zu je 9 Cent pro
KW-Stunde in 20 Jahren einen Schaden von 750.000,00 € ergebe.
Nachdem die Kammer mit Beschluss vom 28.01.2002 die begehrte einstweilige
Verfügung erlassen hatte und die Beklagte hiergegen mit Schriftsatz vom 19.03.2002
Widerspruch eingelegt hatte, bezieht sich die Klägerin wegen ihrer Aktivlegitimation auf
die Verträge vom 08.05. und 25.06.2001 sowie auf die Vollmacht vom 08.05.2001. Die
Beklagte sei auch passivlegitimiert. Diese sei Netzbetreiberin im Sinne von § 2 Abs. 1
EEG. Die 30 KV-Freileitung zwischen S und D werde von der Beklagten nicht nur als
elektrisches Versorgungsnetz betrieben, sondern gehöre auch zur allgemeinen
Versorgung. Denn die Leitung diene der Notversorgung für das Umspannwerk 1.
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Nach dem Gesetzeswortlaut gehe es um die allgemeine Versorgung und nicht um die
öffentliche Versorgung. Das Umspannwerk 1 diene aber der allgemeinen Versorgung.
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Nachdem die Beklagte aufgrund der erlassenen einstweiligen Verfügung die
Informationsansprüche zu a) und c) des Beschlusses vom 28.01.2002 mit Schreiben
vom 10.04.2002 erfüllt hatte, erklärt die Klägerin insoweit die Hauptsache für erledigt. Im
Übrigen beantragt sie,
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die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
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Die Beklagte beantragt,
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die einstweilige Verfügung insgesamt aufzuheben und die Verfügungsklage
abzuweisen.
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Sie beruft sich darauf, dass die Klägerin die Aktivlegitimation sowie die
Bevollmächtigung der C GmbH nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe. Ferner beruft
sie sich darauf, dass die Klägerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe, dass die
Beklagte Netzbetreiberin im Sinne des § 2 EEG bezüglich der 30 KV-Freileitung sei.
Insoweit behauptet sie, dass diese Freileitung nicht mehr der öffentlichen Versorgung
diene, weil sie nur noch befristet zum Zwecke der Noteinspeisung für die
Umspannanlage 1 betrieben werde. Folglich handele es sich bei dieser
Elektrizitätsleistung nicht mehr um einen Bestandteil eines Netzes im Sinne der §§ 2, 3
EEG. Demgemäß sei sie weder zur Auskunftserteilung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 EEG
noch zur Nichtvornahme einer Veränderung der Freileitung verpflichtet. Es sei zu
berücksichtigen, dass diese Freileitung zu ihren Gunsten nicht dinglich gesichert sei,
sondern nur eine obligatorische Sicherung auf der Grundlage des
Grundstücksbenutzungsrechts nach der AVBEltV bestehe. Da die Freileitung heute
nicht mehr in ihrem Versorgungsgebiet liege, könne sich die Klägerin auch nicht mehr
auf ihren Bestand der Leitungen im dortigen Gebiet berufen. Sie könne mangels
dinglicher Sicherung der Freileitung zum Zeitpunkt des Abschlusses eines
Anschlussvertrages keine Gewahr dafür bieten, dass die Leitung für die gesamte
Laufzeit des Einspeisevertrages (in der Regel 20 Jahre) im Hinblick auf Rechte Dritter
bestehen werde.
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Es sei bereits beschlossen, die Freileitung rückzubauen. Bereits bei der Besprechung
am 08.06.2001 habe sie der Klägerin mitgeteilt, dass der Netzanschluss an die
Freileitung für die beiden Windparks nicht realisierbar sei, sondern ein komplettes
neues Versorgungskonzept erstellt werden müsste. Sie habe die Klägerin darauf
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aufmerksam gemacht, dass sie die Freileitung rückbauen werde, weil der rechtliche
Bestand der Freileitung nicht mehr gesichert sei und entsprechende Instandhaltungs-
und Umbaumaßnahmen an der 25 km langen Freileitung notwendig seien und dass sie
diese Leitung nur noch als Noteinspeisung für das Umspannwerk 1 betreibe und nach
Abschluss von Ersatzmaßnahmen im Jahre 2002 die Freileitung demontiere, die sie
längstens nur noch bis zum Jahre 2005 mangeIs dinglicher Sicherheit betreiben dürfe.
Der Anschluss der Klägerin an die Freileitung stelle sich als unangemessene
Bedingung dar. Die Beklagte könne nicht verpflichtet werden, eine unnütze und
unrentable Leitung allein aufgrund eines günstigen Anschlusses der Klägerin
aufrechtzuerhalten.
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Für die einstweilige Verfügung fehle es auch am Verfügungsgrund. Eine Eilbedürftigkeit
liege nicht vor. Denn die Klägerin habe noch keinen Antrag auf Erlass einer
Baugenehmigung bei der zuständigen Behörde gestellt. Erst nach Erlass einer
Baugenehmigung sei diese berechtigt, einen Windpark zu errichten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten
Urkunden, eidesstattlichen Versicherungen und das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 17.04.2002 und, soweit entscheidungserheblich, auf nachfolgende
Entscheidungsgründe verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G RÜ N D E
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Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben und die Verfügungsklage insgesamt
abzuweisen.
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Die Klägerin hat einen Verfügungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
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1.
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Zwar hat die Klägerin nunmehr ihre Aktivlegitimation hinreichend glaubhaft gemacht.
Die Berechtigung der Klägerin, die Ansprüche für die C GmbH geltend zu machen, die
die 5 Windkraftanlagen im Windpark A errichten will und bereits Bauvoranfragen hierfür
an die zuständigen Behörden gerichtet hat, ergibt sich aus dem von der Klägerin
vorgelegten Vertrag mit der C GmbH vom 08.05.2001, den die Beklagte nicht in Zweifel
gezogen hat.
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Die Berechtigung der Klägerin, für die 6 Grundstückseigentümer in W Windkraftanlagen
im Windpark B innerhalb der Windvorrangfläche ST 17 zu errichten und zu betreiben,
ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Nutzungsvertrag mit den
Grundstückseigentümern vom 25.06.2001 und deren Bevollmächtigung vom
08.05.2001, die die Beklagte ebenfalls nicht bestritten hat. Damit hat die Klägerin
hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie Einspeisewilliger bzw. Anlagenbetreiber im
Sinne des § 3 Abs. 1 EEG ist. Dass die Bauvoranfragen nicht von der Klägerin gestellt
wurden und die Bauvorbescheide nicht an die Klägerin ergingen, ist aufgrund der
vorgelegten Verträge unerheblich.
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2.
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Die Klägerin hat jedoch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Beklagte
bezüglich der 30 KV-Freileitung zwischen S und D, an die sie sich mit den beiden
geplanten Windparks A und B anschließen will, Netzbetreiber ist.
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Gemäß § 3 Abs.1 Satz 1 EEG ist der Netzbetreiber verpflichtet, Anlagen zur Errichtung
von Strom nach § 2 an sein Netz anzuschließen, den gesamten Strom abzunehmen und
zu vergüten. Dabei trifft diese Verpflichtung den Betreiber, zu dessen technisch für die
Aufnahme geeignetem Netz die kürzestete Entfernung zum Standort der Anlage
besteht. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 EEG hat der Netzbetreiber die Netzdaten und
Anlagedaten offen zu legen, soweit es für die Planung des Netzbetreibers und des
Einspeisewilligen sowie für die Feststellung der Eignung erforderlich ist.
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Netzbetreiber ist gemäß § 2 Abs. 1 EEG das Energieversorgungsunternehmen, das
Netze für die allgemeine Versorgung betreibt.
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Da sich die Klägerin an die 30 KV-Freileitung mit den beiden Windparks anschließen
will, musste sie darlegen und glaubhaft machen, dass es sich bei dieser Leitung um
eine solche handelt, die der allgemeinen Versorgung dient. Dies ist nicht der Fall. Diese
Leitung ist zwar diejenige, zu der die kürzeste Entfernung für den Anschluss der beiden
geplanten Windparks im Sinne des § 3 Abs. 1 EEG besteht. Sie dient aber nicht mehr
der allgemeinen Versorgung. Unstreitig ist, dass die allgemeine Versorgung der
Gemeinden U und M, der diese Freileitung früher diente, nunmehr von den Stadtwerken
M2 geleistet wird. Ferner ist unstreitig, dass das Umspannwerk 1, welches im
Versorgungsgebiet der Beklagten Iiegt, mit Strom aus einer Leitung eines
Umspannwerkes im Norden von J versorgt wird und die 30 KV-Freileitung nur noch als
Notversorgung des Umspannwerkes 1 dient. Es ist auch nicht bestritten worden, dass
die Notversorgung des Umspannwerkes 1 durch eine Parallelleitung zur vorhandenen
Stromleitung aus dem Umspannwerk im Norden von J von der Beklagten bereits
geplant und sie diese bis zur Mitte dieses Jahres fertig stellen wollte, wenn nicht die
einstweilige Verfügung gegen sie ergangen wäre.
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Nach der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 1 EEG knüpft der Begriff des Netzbetreibers
im Sinne des § 2 Abs. 1 EEG an die Begriffsbestimmungen des Gesetzes über die
Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG) an. Es wird in dieser Gesetzesbegründung
hervorgehoben, dass nur Betreiber von Netzen für die allgemeine Versorgung
abnahme- und vergütungspflichtig sind.
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Allgemein im Sinne des § 10 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) ist eine
Versorgung dann, wenn sie von ihrer Konzeption her grundsätzlich für jedermann
zugänglich ist, mithin auf eine offene, nach unten oder oben veränderbare Vielzahl von
Kunden abgestellt und auch tatsachlich durchführbar ist. Eine von vornherein begrenzte,
auf einen oder einzelne Abnehmer abgestellte Versorgung oder die Eigenversorgung
kann schon vom Wortsinn her nicht allgemein sein. Entscheidend ist, ob der Zugang zur
Versorgung für jedermann, der ihre Bedingungen erfüllt, offengehalten ist. Es kommt
mithin auf ihr unbegrenztes quantitatives Element an. Eine Gesamtbetrachtung der
Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes legt die Annahme nahe, dass das Gesetz
mit den Zusätzen im Sinne des § 10 bzw. nach § 10 Abs. 1 Satz 2 einen besonderen
Sinngehalt verbindet. Dieser wird deutlich, wenn man die Rechtsfolgen betrachtet, die §
10 für Energieversorgungsunternehmen vorsieht, die in Gemeindegebieten die
allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern durchführen. Diese Art von
Energieversorgung zwingt zur Veröffentlichung entsprechender Allgemeiner Tarife und
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Bedingungen, zu denen jedermann anzuschließen und zu versorgen ist (Anschluss-
und Versorgungspflicht). Diese Rechtsfolgen der allgemeinen Versorgung von
Letztverbrauchern in Gemeindegebieten geben Hinweise auf den Sinn und Zweck des
Begriffs. Es geht zum einen um eine grundsätzlich jedermann zugängliche Versorgung,
die auf Flächendeckung angelegt, gebietsbezogen im Rahmen von
Massenschuldverhältnissen mit etwa gleicher Strom/Gasabnahme-Charakteristik zu
gleichen Preisen und Bedingungen abgewickelt wird; zum anderen um eine
Versorgung, hinsichtlich welcher der Gesetzgeber mit Blick auf die faktische
Monopolstellung bzw. marktbeherrschende Stellung des Versorgungsunternehmens
zum Schutze der Verbraucher in Form der Anschluss- und Versorgungspflicht einen
Kontrahierungszwang vorgesehen hat. Auch aus diesen Überlegungen folgt, dass es
nicht um von vornherein begrenzte Einzelversorgungen geht, für die es weder Tarife
noch allgemeiner Bedingungen bedarf (Eiser/Riederer/Obernolte, Danner, Kommentar
zum Energiewirtschaftsrecht, § 10 EnWG, Rz. 7, m. w. N.).
Da die Letztverbraucher in dem Gebiet in den Gemeinden S und F durch die
Umspannwerke 1 und die Stadtwerke M2 versorgt werden, dient die 30 KV-Freileitung
bereits objektiv nicht mehr der allgemeinen Versorgung, auch wenn sie zur Zeit noch
und für einen befristeten Zeitraum der Notversorgung des Umspannwerkes 1 dient. Die
Beklagte hat deshalb auch bereits den Willen aufgegeben, diese Freileitung in Zukunft
aufrechtzuerhalten und den Rückbau nach Fertigstellung der geplanten
Parallelenersatzleitung für das Umspannwerk 1 beschlossen. Die Beklagte muss auch
die
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30 KV-Leitung in naher Zukunft aufgeben bzw. beseitigen. Denn diese Leitung ist nicht
dinglich gesichert. Da die Grundstückseigentümer, über deren Gebiet die KV-Leitung
führt, nicht mehr an diese Leitung angeschlossen sind, sondern der Strombezug der
Beklagten über die Leitung eingestellt wurde, sind die Grundstückseigentümer gemäß §
8 AVBEltV nur noch für längstens fünf Jahre verpflichtet, die auf ihren Grundstücken
vorhandenen Einrichtungen der Beklagten zu dulden, es sei denn, dass ihnen dies nicht
zugemutet werden kann; hieraus folgt, dass die Duldungspflicht im Einzelfall durchaus
kürzer sein kann. Wenn nämlich die Parallelleitung für die Noteinspeisung des
Umspannwerkes vorhanden werden sein wird, besteht weder für die
Grundstückseigentümer noch für die Beklagte eine Veranlassung, diese über die Zeit
von fünf Jahren bestehen zu lassen.
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Die Aufrechterhaltung und der Anschluss an diese Leitung wurde der Klägerin, die
nunmehr unstreitig ist, auch nicht in der Besprechung vom 08.06.2001 zugesagt.
Damals hat die Beklagte die Klägerin bereits über die Freileitung aufgeklärt und den
Willen kund getan, diese in absehbarer Zeit rückzubauen. Da die Freileitung nur noch
der Noteinspeisung des Umspannwerkes 1 auf absehbare Zeit dient, ist ersichtlich,
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dass die Beklagte aus dieser Leitung keine Einnahmen mehr erzielt, bis auf den
seltenen Ausnahmefall der Noteinspeisung. Hingegen tragt die Beklagte die
Unterhaltungskosten und müsste die 30 KV-Leitung, wäre
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sie im Interesse der Kläger gezwungen, diese aufrechtzuerhalten, in der Zeit umfassend
erneuern, was bei einer Lange von ca. 25 km mit sehr hohen Kosten verbunden wäre.
Die Aufrechterhaltung dieser Leitung wäre für die Beklagte damit unwirtschaftlich und
deshalb unzumutbar, so dass auch aus diesen Gründen die Pflicht entfiele, die von der
Klägerin beabsichtigten Windparks hieran anzuschließen. Denn gemäß § 10 Abs. 1
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EnWG besteht die Pflicht zum Anschluss und zur Versorgung auch dann nicht, wenn der
Anschluss und die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus
wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist. Bei der Prüfung der wirtschaftlichen
Zumutbarkeit sind die Interessen des Energieversorgungsunternehmens und des
Abnehmers bzw. Einspeisers gegeneinander abzuwägen. Dabei müssen im Sinne des
§ 1 EnWG die Interessen eines Abnehmers/Einspeisers grundsätzlich hinter denen des
Energieversorgungsunternehmens zurückstehen, wenn letztere mit denen der
Allgemeinheit gleich laufen.
Die Beklagte ist als Energieversorgungsunternehmen zwar verpflichtet die Klägerin mit
den geplanten Windparks, wenn sie errichtet worden sind, anzuschließen. Sie ist aber
nicht zum Leistungsaustausch schlechthin verpflichtet, sondern es gilt auch insoweit der
Grundsatz der Vertragsfreiheit, soweit das Gesetz (EEG) nichts anderes bestimmt (vgl.
OLG Koblenz NJW 2000, Seite 2031, 2032).
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Da die 30 KV-Leitung nicht mehr der allgemeinen Versorgung dient, kann die Klägerin
von der Beklagten als einem Wirtschaftsunternehmen nicht verlangen, diese allein
aufrechtzuerhalten, weil die Klägerin andernfalls höhere Aufwendungen für den
Anschluss der geplanten Windparks aufbringen müsste, als sie aufbringen wollte.
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II.
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Da kein Anspruch auf den Anschluss der beiden Windparks an die 30 KV-Freileitung S
mit den geplanten beiden Windparks besteht, hatte die Klägerin gegen die Beklagte
auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Auskünfte gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4
EEG. Deshalb ist bezüglich der Anträge zu a) und c) nach Erteilung der Auskünfte durch
die Beklagte aufgrund der erlassenen einstweiligen Verfügung keine Erledigung
eingetreten und auch insoweit die Klage unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung
abzuweisen.
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III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1. 709 ZPO.
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