Urteil des LG Dortmund vom 14.10.2005

LG Dortmund: vergleich, darlehensvertrag, fonds, gesellschafter, grundpfandrecht, rückübertragung, kredit, verbraucher, vertragsabschluss, nachschuss

Landgericht Dortmund, 3 O 952/04
Datum:
14.10.2005
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
3.Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 952/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger aus einem Streit-wert
in Höhe von 47.656,71 € auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Im Jahr 1994 beabsichtigte der Kläger, sich mit einer Summe von 50.000 DM an dem M
GbR zu beteiligen. Diese GbR wurde von der T mbH & Co. - sowie der W2 mbH mit dem
Zweck gegründet, in der I-Straße ein Büro- und Geschäftshaus in M2 zu errichten, was
sodann vermietet und verwaltet werden sollte. Zur Realisierung des
Gesellschaftszwecks sollten über eine Treuhandgesellschaft, die K mbH (Treuhänderin)
weitere Gesellschafter beitreten und den Gesellschaftszweck durch ihre Kapitaleinlage
fördern.
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Am 27.04.1994 unterzeichnete der Kläger zu diesem Zweck ein schriftliches
Treuhandangebot an die Treuhänderin, das zugleich eine Vollmacht beinhaltete, womit
der unterzeichnende Gesellschafter die Treuhänderin ausdrücklich bevollmächtigte,
sowohl für die Gesellschaft als auch für die einzelnen Gesellschafter die erforderlichen
Kredite aufzunehmen, Konten bei Banken zu eröffnen, über Eigen- und Fremdmittel zu
verfügen sowie das Immobilienfondsvermögen als Sicherheit zu belasten. Der Kläger
bevollmächtigte die Treuhänderin zugleich, 70 % der Beteiligungssumme, somit
35.000,00 DM, durch ein Darlehen zu finanzieren.
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Durch notariell beglaubigte Urkunde vom 05.10.1994 wurde das Angebot auf Abschluss
eines Treuhandvertrages und Bevollmächtigung der Treuhänderin wiederholt. Die
Treuhänderin erklärte für den Kläger den Beitritt zur Fondsgesellschaft.
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Im Jahr 1994 stellte die I2- aus C der Gesellschaft 70 % des Gesamtaufwandes von
48.250.000,00 DM als Kreditmittel zur Verfügung. Das Gesamtnettodarlehen belief sich
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auf 33.750.000,00 DM. Zur Sicherung dieses Kredites wurden Grundschulden in Höhe
von 37.550.000,00 DM bestellt.
Der Kläger war, vertreten durch die Treuhänderin, durch ein Darlehen in Höhe von
insgesamt 38.900,00 DM an diesem Kredit beteiligt, das durch annuitätische Tilgung
zurückgezahlt werden sollte. Aufgrund dieser Tilgungsvereinbarung erfolgte kein
Abschluss einer Kapitallebensversicherung, die an die Rechtsvorgängerin der
Beklagten abgetreten worden wäre.
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Im Jahr 2000 erstellte die I3, F, T und Partner GbR aus E im Auftrag einer
zwischenzeitlich gegründeten Interessengemeinschaft ein Konzept, dass die
Sanierungswürdigkeit und Fähigkeit des in wirtschaftlichen Schwierigkeiten
gekommenen Fonds begutachtete.
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Mit Schreiben vom 04. September 2000 erklärte die Beklagte, dass sie zu einer
Mitwirkung der Sanierung des Fonds bereit sei und bot allen Anlegern, auch dem
Kläger, den Abschluss eines Vergleichs an, der u. a. vorsah, dass die Beklagte auf 42,5
% der ursprünglichen Kreditforderung zum 31.12.1999 verzichtete. Unter Ziffer 5) des
Vergleiches sollte vereinbart werden, dass
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". . . die bisher geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen nicht zurückgefordert werden,
dass dann verbleibende Darlehen nach Ablauf der Sanierungsphase ordnungsgemäß
zurückgeführt wird und Sie rechtsverbindlich auf jegliches Ersatz - und sonstige
Ansprüche . . . aus den streitgegenständlichen Forderungen - seien diese bekannt oder
unbekannt - verzichten."
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Mit Unterschrift vom 27.09.2000 erklärte sich der Kläger mit diesem Vergleich
einverstanden. Die zum 31.12.1999 bestehende Kapitalforderung wurde hierdurch auf
18.366,03 DM reduziert.
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Der Kläger behauptet, die Beteiligung an der Fonds GbR sei ihm durch den
Finanzmakler X vermittelt worden. Ein Prospekt habe bei der Unterzeichnung nicht
vorgelegen. Dies sei ihm erst 3 Jahre später durch den Vermittler übersandt worden. Die
hierin enthaltenen Angaben seien falsch. Sie dienten ausschließlich dazu,
Interessenten über angebliche Mieterträge und die Werthaltigkeit der Beteiligung zu
täuschen. Tatsächlich seien der Fonds Nr. ## schon in der Zeit von 1991 bis 1995
überschuldet gewesen.
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Der Kläger behauptet, weder bei Darlehensvertragsabschluss noch bei Abschluss des
Vergleiches sei ihm der auf ihn entfallende Anteil am Gesamtaufwand mitgeteilt worden.
Er vertritt die Auffassung, das bei Vertragsschluss des Vergleiches beide Parteien von
der Wirksamkeit der Beteiligung ausgegangen seien und nur aus diesem Grund einen
Vergleich im September 2000 geschlossen hätten. Nach Auffassung des Klägers ist
dieser Vergleich nach § 779 BGB unwirksam. Hätte er zum Zeitpunkt des
Vergleichabschlusses gewusst, dass der ursprüngliche Darlehensvertrag aus dem Jahr
1994 unwirksam war, hätte er den Vergleich nicht abgeschlossen. Zudem hätten sich
die Parteien über die Sanierungsfähigkeit des Fonds getäuscht.
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Der Kläger meint außerdem, sowohl der Darlehensvertrag als auch die
Vergleichsvereinbarung enthielten nicht die erforderlichen Angaben bzgl. des
Kreditbetrages oder der zur Tilgung und Begleichung der Zinsen und sonstiger Kosten
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zu entrichtenden Teilzahlungen.
Der Kläger behauptet, in der gesamten Laufzeit 10.755,60 € an Zins- und
Tilgungsleistungen erbracht zu haben. Zudem habe er für den Beitritt zur
Interessengemeinschaft einen Beitrag von 127,82 € sowie an die Hausverwaltung einen
Nachschuss in Höhe von 132,46 € zahlen müssen. Hiergegen habe er eine
Ausschüttung in Höhe von 147,44 € und Steuervorteile in Höhe von 7.149,82 € erhalten.
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Nach teilweiser Klageerweiterung und Klagerücknahme beantragt der Kläger nunmehr:
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1. festzustellen, dass die Beklagte gegen den Kläger keine Ansprüche aus
Darlehensvereinbarungen im Zusammenhang mit der Begründung der Beteiligung
des Klägers an der M GbR sowie keine Ansprüche aus dem mit dem Kläger am
04.09.2000 geschlossenen Vergleich hat,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 17.402,39 nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz ab dem 27.01.2005 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübertragung
seiner Beteiligung an der M GbR,
3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, Schadensersatz in Höhe von 10.365,41 €
nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27.01.2005 an den Kläger zu
zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, im Prospekt seien die Risiken der Beteiligung eindeutig
aufgeführt. Insbesondere sei das Vermietungsrisiko hervorgehoben. Die Beklagte
behauptet, bei Abschluss des Darlehensvertrages zwischen der Treuhänderin und der
Rechtsvorgängerin der Beklagten habe die Originalvollmacht des Klägers oder aber
zumindest eine Ausfertigung der notariell beglaubigten Unterschrift vorgelegen.
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Die Beklagte vertritt die Auffassung, sowohl der Darlehensvertrag als auch der im Jahr
2000 folgende Vergleich seien wirksam. Bei Abschluss des Vergleiches seien die
rechtlichen Probleme bzgl. der Wirksamkeit der Darlehensvereinbarung bekannt
gewesen. Über diese rechtliche Unsicherheit habe man sich durch die
Vergleichsvereinbarung gerade einigen wollen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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A. Zulässigkeit
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Soweit der Kläger die Feststellung beantragt hat, dass die Beklagten gegen ihn keine
Ansprüche aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag geltend machen könne, ist dieser
insoweit gestellte Hauptfeststellungsantrag unzulässig. Denn nur für den Fall, dass die
zeitlich nachfolgende Vergleichsvereinbarung zwischen den Parteien nicht wirksam ist,
könnte die Beklagte weitere Ansprüche aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag
gegen den Kläger geltend machen. Der Kläger hätte daher den Feststellungsantrag
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bzgl. der ursprünglichen Darlehensvereinbarung nur hilfsweise für den Fall stellen
können, dass die Feststellung, dass die Beklagte aus dem am 04.09.2000
geschlossenen Vergleich keine weiteren Ansprüche gegen ihn geltend machen kann,
unbegründet ist.
B. Begründetheit
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I. Wirksamkeit des Vergleichs vom 04.09./27.09.2000
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Der Antrag des Klägers auf Feststellung, dass die Beklagte aus dem im September
2000 zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich keine Ansprüche gegen den
Kläger herleiten kann, ist unbegründet. Denn die zwischen den Parteien geschlossene
Vergleichsvereinbarung ist wirksam.
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1.
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Der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich aus September 2000 ist nicht nach
§ 6 Abs. 1 Verbraucherkreditgesetz nichtig. Die Vereinbarung verstößt nicht gegen die
Formvorschriften des § 4 Verbraucherkreditgesetz (in der bis zum 30. September 2000
gültigen Fassung). § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 a Verbraucherkreditgesetz sieht vor, dass die
vom Verbraucher zu unterzeichnende Kreditvereinbarung die Angabe des
Nettokreditbetrages, gegebenenfalls die Höchstgrenze des Kredites enthalten muss.
Diese Angabe ist in der Vergleichsvereinbarung enthalten. Für den Kläger ist erkennbar,
dass mit Annahme des Vergleiches mit Wirkung zum 31.12.1999 zugunsten der
Beklagten eine Kapitalforderung in Höhe von 18.366,03 DM bestand.
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Der Wirksamkeit der Vereinbarung steht zudem nicht entgegen, dass der Vergleichstext
nicht den nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Verbraucherkreditgesetz zu benennenden
Gesamtbetrag aller vom Verbraucher zur Tilgung des Kredits sowie zur Zahlung der
Zinsen und sonstigen Kosten zu entrichtenden Teilzahlungen aufweist. Gemäß § 3 Abs.
2 Nr. 2 des Verbraucherkreditgesetzes findet diese Vorschrift keine Anwendung auf
Kreditverträge, nach denen der Kredit durch ein Grundpfandrecht gesichert ist.
Ausweislich Ziffer 8 der Vergleichsvereinbarung sicherte die bereits ursprünglich
eingetragene Grundschuld über nominal 37,55 Millionen DM nebst Zinsen und
einmaliger Nebenleistung nach Maßgabe der bereits unterzeichneten
Zweckvereinbarung weiterhin den Gesamtkredit der Beklagten. Die Kammer folgt der
Auffassung des 2. Senates des Bundesgerichtshofs, § 3 Abs. 2 Nr. 2
Verbraucherkreditgesetz beziehe sich nicht auf Kreditverträge, bei denen das
Grundpfandrecht bereits vor Abschluss des Vertrages bestellt war, nicht (vgl. Urteil des
2. Senates vom 14.06.2004, AZ II ZR 393/02, Urteil des 2. Senats vom 21.03.2005, AZ II
ZR 411/02). Denn der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 2 Verbraucherkreditgesetz sieht keine
Unterscheidung zwischen Grundpfandrechten, die bereits zur Sicherung des Kredites
vor Vertragsabschluss und nach Vertragsabschluss bestellt wurden, vor (vgl. auch Urteil
des 11. Senats vom 26.10.2004, AZ XI ZR 255/03).
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2.
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Die Vergleichsvereinbarung vom 04.09./27.09.2000 ist auch nicht gemäß § 779 BGB
unwirksam. Ausweislich des Schriftverkehrs, der bereits zwischen der gegründeten
Interessengemeinschaft und der Rechtsvorgängerin der Beklagten ab Ende des Jahres
1998 geführt wurde, war auch die Unwirksamkeit der ursprünglich geschlossenen
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Darlehensverträge Gegenstand der Vergleichsverhandlungen. Durch Abschluss des
Vergleiches sollte die bestehende Unsicherheit bzgl. der Wirksamkeit des
Darlehensvertrages beseitigt werden. Der Kläger selbst war nach eigenem Vortrag
Mitglied dieser Interessengemeinschaft und daher rechtlich beraten. Er kann sich daher
nicht darauf berufen, dass er sich zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht
darüber bewusst gewesen wäre, dass der ursprünglich geschlossene Darlehensvertrag
möglicherweise rechtlich unwirksam war. Auch ein möglicher Irrtum der Parteien über
die Sanierungsfähigkeit des Fonds führt nicht zu einer Unwirksamkeit des Vergleiches
nach § 779 BGB. Denn es handelte sich um einen Sachverhalt, dessen Ausgang für
beide Parteien ungewiss war. Wenn es dann zu ungünstigen Abweichungen kommt,
fällt dies in das Risiko der Parteien und führt weder zur Unwirksamkeit noch
Anfechtbarkeit des Vergleichs (vgl. Palandt § 779 BGB Rdnr. 15).
Da die Vergleichsvereinbarung aus dem Jahr 2000 wirksam ist, hatte der
Feststellungsantrag des Klägers keinen Erfolg.
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II.
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Aufgrund der Wirksamkeit des Vergleiches war die Beklagte nicht zur Zahlung von
17.402,39 € Zug um Zug gegen Rückübertragung der Fondsbeteiligung zu verurteilen.
Dem Kläger steht kein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen die Beklagte
zu, da die Zahlungen aufgrund der wirksamen Vergleichsvereinbarung, die den
ursprünglichen Darlehensvertrag aus dem Jahr 1994 ersetzt, erfolgten.
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III.
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Der Kläger kann gegen die Beklagte auch keine Schadensersatzansprüche geltend
machen, da er gemäß Ziffer 5 des Vergleiches rechtsverbindlich auf jegliche Ersatz und
sonstige Ansprüche gegen die Beklagte, seien sie bekannt oder unbekannt - verzichtet
hat.
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IV.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 ZPO.
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