Urteil des LG Dortmund vom 01.02.2010
LG Dortmund (kläger, erblasser, kenntnis, pflichtteil, zpo, bezug, entziehung, behauptung, vater, entziehen)
Landgericht Dortmund, 5 O 31/09
Datum:
01.02.2010
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 O 31/09
Tenor:
Das Versäumnisurteil der Kammer vom 18.05.2009 wird
aufrechterhalten.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem
Urteil zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung
dieser Sicherheit fortgesetzt werden.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger erhebt gegen den Beklagten die Restitutionsklage. Der Restitutionsklage
geht ein Prozess umgekehrten Rubrums zum Aktenzeichen 5 O 141/00 Landgericht
Dortmund voran, in dem der Restitutionskläger als Gesamtschuldner neben den
Schwestern der Parteien, Frau Q und C zur Zahlung von 20.305,55 € an den
Restitutionsbeklagten verurteilt worden ist.
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Bei dem titulierten Betrag handelt es sich um den Pflichtteilsanspruch des
Restitutionsbeklagten, den dieser nach dem Tod des Vaters der Parteien, Q2, der am
02.11.1996 verstorben ist, geltend gemacht hat.
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Der Restitutionsbeklagte ist von dem Erblasser Q2 enterbt worden. Hinsichtlich der
weiteren Einzelheiten des vorangegangenen Rechtsstreits nimmt die Kammer Bezug
auf die in dem Rechtsstreit 5 O 141/00 Landgericht Dortmund gewechselten Schriftsätze
sowie insbesondere auf das Urteil vom 28.12.2005 (Blatt 812 bis 824 d.A. 5 O 144/00
Landgericht Dortmund) sowie auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom
04.01.2006 (Blatt 923 bis 925 d.A. 5 O 144/00 Landgericht Dortmund).
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Der Kläger ist mit der vorstehenden Restitutionsklage der Auffassung, dass der
Erblasser nicht nur eine Enterbung des Beklagten beabsichtigt habe, sondern dem
Beklagten seinen Pflichtteil wegen Erbunwürdigkeit habe entziehen wollen. Seit dem
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Beklagten seinen Pflichtteil wegen Erbunwürdigkeit habe entziehen wollen. Seit dem
18.12.2008 seien dem Restitutionskläger nun Umstände bekannt geworden, dass der
Erblasser dem Restitutionsbeklagten auch den Pflichtteil habe entziehen wollen. In
Kopie lägen dem Kläger seit dem 18.12.2008 Urkunden vor, aus denen sich die Gründe
für die Pflichtteilsentziehung ergäben und die im damaligen Rechtsstreit mangels
Kenntnis nicht hätten vorgetragen werden können.
Mit Eingang der Urkunden beim Prozessbevollmächtigten des Restitutionsklägers unter
dem 18.12.2008 habe der Restitutionskläger vom Nachlassverwalter aus dessen Akten
erstmals ein Attest des Arztes L erhalten, aus dem sich ergebe, dass der Erblasser vom
Restitutionsbeklagten bei einem Kampf zwischen beiden am Sonntag vor dem
26.08.1996 eine Quetschung an der rechten Mittelhand erlitten habe.
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Ebenfalls habe der Kläger am 18.12.2008 ein bis dahin nicht bekanntes Schreiben des
Erblassers vom 27.08.1996 erhalten, in dem dieser dem Restitutionsbeklagten und
dessen Ehefrau, nach schon vorangegangener Wohnraumkündigung erneut das
Mietverhältnis gekündigt habe, weil der Restitutionsbeklagte den Erblasser am
23.08.1996 körperlich angegriffen und die Treppe habe hinunterstoßen wollen.
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Auch liege seit dem 18.12.2008 nunmehr erstmals ein Schreiben des Haus-,
Wohnungs- und Grundeigentümerbezirksverbandes vom 26.09.1996 vor, welches
wiederum dem Restitutionsbeklagten Aggressionen gegenüber dem Erblasser vorhalte.
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Körperliche Angriffe gegen den Erblasser seien aber nach § 2333 BGB ein Grund, den
Pflichtteilsanspruch zu entziehen.
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Darüber hinaus stützt der Kläger die Restitutionsklage darauf, dass er durch den
Restitutionsbeklagten getäuscht worden sei bzw. der Beklagte auch das Gericht über
die tatsächliche Höhe des Pflichtteilsanspruchs getäuscht habe. Insoweit habe der
Beklagte bereits einen Prozessbetrug im Ausgangsverfahren begangen. Der Beklagte
habe unter dem 11.06.2003 im seinerzeitigen Rechtsstreit vortragen lassen, dass der
Nachlasswert 287.241,81 DM betragen habe. Hieraus habe der Beklagte einen
Pflichtteilsanspruch von 1/8, mithin 35.905,23 DM errechnet und auch dessen
Ausurteilung beantragt. Schon der auf 18.358,05 € umzurechnende Betrag sei durch
den Beklagten wissentlich überhöht worden. Darüber hinaus sei auch nicht ersichtlich,
warum der vom Beklagten errechnete Pflichtteilsanspruch letztlich auf 20.326,80 €
erhöht worden sei. Der Beklagte habe es insbesondere unterlassen, die Belastungen
des Nachlasses vollständig zu berücksichtigen, wodurch er beim Gericht den Irrtum
eines zu hohen Nachlasses erregt und unter Ausnutzung des Irrtums erreicht habe, dass
ihm ein deutlich zu hoher Pflichtteil zugesprochen worden sei. Der Beklagte habe
nämlich nur "die Daten aus dem Nachlassverzeichnis vom 11.03.1997 für
Nachlassverbindlichkeiten von 88.898,84 DM" zugrunde gelegt, obwohl er gewusst
habe, dass weitere Verbindlichkeiten und Erbfallkosten hinzugekommen seien. Diese
habe er wissentlich verschwiegen, als er seinen Pflichtteilsanspruch berechnet habe.
Insoweit handele es sich um nicht erwähnte weitere Beträge aus den Jahren 1996 und
1997 ausweislich der Aufstellung im Schriftsatz vom 24.01.2010, hinsichtlich deren
Einzelheiten die Kammer auf Blatt 159 d.A. Bezug nimmt.
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Darüber hinaus habe der Beklagte nicht erwähnt, dass der Gutachten-ausschuss für die
im Nachlass befindliche Immobilie von einer bebaubaren Fläche von 600 m²
ausgegangen sei, obwohl er gewusst habe, dass entgegen der Annahme des
Gutachterausschusses nur eine bebaubare Fläche in der Größe von 232,4 m²
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vorhanden gewesen sei.
Hätte der Restitutionskläger die nun vorliegenden Informationen bereits seinerzeit
gehabt und hätte er sie vortragen können, wäre dem Restitutionsbeklagten kein
Pflichtteil zugesprochen worden, weil ihm der Erblasser den Pflichtteil rechtmäßig
entzogen habe. Entsprechendes gelte für einen vom Beklagten begangenen
Prozessbetrug.
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Im Termin vom 18.05.2009 ist der Kläger säumig geblieben. Auf Antrag des Beklagten
ist die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen worden. Gegen das am 09.06.2009
zugestellte Versäumnisurteil vom 18.05.2009 hat der Kläger unter dem 22.06.2009
Einspruch eingelegt.
13
Der Kläger beantragt nunmehr,
14
1.
15
das Versäumnisurteil der Kammer vom 18.05.2009 aufzuheben,
16
2.
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das rechtskräftige Urteil umgekehrten Rubrums des Landgerichts Dortmund vom
28.12.2005 zum Aktenzeichen 5 O 141/00 nebst des vorangegangenen
Versäumnisurteils vom 30.06.2004 aufzuheben,
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3.
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die im Verfahren vor dem Landgericht Dortmund zum Aktenzeichen
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5 O 141/00 erhobene Klage des jetzigen Beklagten und früheren Klägers
zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
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das Versäumnisurteil der Kammer vom 18.05.2009 aufrechtzuerhalten.
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Der Beklagte ist bereits der Auffassung, dass ein Restitutionsgrund gemäß § 580 Nr. 7 b
ZPO nicht vorliege. Soweit der Kläger die Klage darauf stütze, dass ihm erst unter dem
18.12.2008 Umstände bekannt geworden seien, die eine Pflichtteilsentziehung des
Beklagten rechtfertigten, sei der Vortrag des Klägers unzutreffend. Der der
Restitutionsklage zugrundeliegende Sachverhalt sei dem Kläger weitaus früher bekannt
geworden. Die Kenntnis des Restitutionsklägers ergebe sich bereits aus den Anlagen
zur Klageerwiderung, hinsichtlich deren Einzelheiten die Kammer auf Bl. 44 bis 61 d.A.
Bezug nimmt.
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Hieraus lasse sich entnehmen, dass der Räumungsrechtsstreit zwischen dem
Beklagten und seinem Vater dem Kläger – weit früher als in der Klageschrift angegeben
– bekannt gewesen sei. Der Kläger habe schon 1996/1997 Kenntnis davon erlangt,
dass die Räumungsklage mit der Begründung erhoben worden sei, der Vater sei von
dem Beklagten tätlich angegriffen worden. Die seinerzeit bereits vorhandenen Kenntnis
des Klägers ergebe sich aus dem gerichtlichen Protokoll des Amtsgerichts Unna vom
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04.06.1997 (AZ.: 6 VI 393/96).
Darüber hinaus habe er, der Beklagte, seinen Vater nicht tätlich angegriffen und auch
nicht versucht, seinen Vater von der Treppe herunterzuwerfen. Soweit der Kläger ein
Attest des Arztes L vom 26.08.1996 vorlege, erbringe das Attest keinen Beweis für die
vom Beklagten bestrittene Behauptung, dass die Verletzung durch den Beklagten
herbeigeführt worden sei. Das Attest gebe nur die Behauptung des Erblassers wieder,
von seinem Sohn am Samstag an der Hand verletzt worden zu sein. Gründe für die
Entziehung des Pflichtteils nach § 2333 BGB fehlten daher.
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Darüber hinaus fehle es auch an der für die Entziehung des Pflichtteils notwendigen
Form gem. § 2336 BGB.
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Soweit der Restitutionskläger dem Restitutionsbeklagten einen Prozessbetrug im
Ausgangsverfahren vorwerfe, habe der Beklagte sich weder eines versuchten noch
vollendeten Prozessbetruges schuldig gemacht. Der Beklagte habe als lediglich
Pflichtteilsberechtigter seinerzeit nur die Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigten
können, die ihm auch bekannt gewesen seien. Es sei nicht ersichtlich, woher weitere
Erblasserschulden über die von Rechtsanwalt M ermittelten Schulden zum Stichtag des
Todes des Erblassers hinaus herkommen sollten. Dass was dem Beklagten bekannt
gewesen sei, habe er auch mitgeteilt. Der enterbte Beklagte habe insbesondere keine
genaueren Kenntnisse zum Nachlass haben können, als der Kläger und seine beiden
Schwestern, die als Erben in die entsprechenden Unterlagen jederzeit hätten Einsicht
nehmen können. Darüber hinaus sei die Berechnung des Klägers auch nicht richtig.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsprotokoll vom
18.05.2009 und vom 01.02.2009 Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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I.
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Das Versäumnisurteil der Kammer vom 18.05.2009 war aufrechtzuerhalten. Der
Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist zulässig, im Ergebnis aber nicht erfolgreich.
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1.
33
Soweit die Restitutionsklage auf den Restitutionsgrund des § 580 Ziffer 4 ZPO gestützt
wird, ist die Restitutionsklage bereits unzulässig.
34
a)
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Die Klage ist bereits deshalb unzulässig, weil der Beklagte die Frist des § 586 Abs. 1
ZPO nicht eingehalten hat.
36
Es sind keine Anhaltspunkte aus dem Akteninhalt ersichtlich oder vom Kläger
vorgetragen, dass die im Schriftsatz vom 24.01.2010 mitgeteilten Zahlen und Daten dem
Kläger erst nach Klageerhebung bekannt geworden sind.
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Aus den dem Schriftsatz vom 24.01.2010 beigefügten Anlagen, hinsichtlich deren
Einzelheiten auf Blatt 162 ff. der Akten Bezug genommen wird, ergibt sich, dass dem
Kläger die seinerzeit entstandenen Verbindlichkeiten bereits bekannt waren. Es handelt
sich um an den Kläger adressierte Kostenrechnungen bzw. um vom Kläger selbst
veranlasste Überweisungen.
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Entsprechendes gilt für die Größe des Grundstücks. Ausweislich Blatt 174 ff d.A. der
Akten war die Grundstücksgröße bereits im Jahre 2005 Gegenstand einer Beschwerde.
Mithin hätten alle mit Schriftsatz vom 24.01.2010 mitgeteilten Zahlen bereits in dem
vorherigen Rechtsstreit 5 O 141/00 geltend gemacht werden können.
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b)
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Es kann deshalb dahingestellt bleiben, dass die auf § 580 Ziffer 4 ZPO gestützte Klage
nach Auffassung der Kammer nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch
mangels schlüssiger Darlegung zur einer etwaigen Kenntnis des Beklagten
unbegründet wäre.
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2.
42
Soweit die Restitutionsklage darauf gestützt wird, dass dem Kläger – seiner Behauptung
nach – der Inhalt bestimmter Urkunden erst seit dem 18.12.2008 bekannt geworden sei
und sich hieraus ergebe, dass eine Pflichtteilsentziehung des Beklagten gerechtfertigt
sei, ist die Restitutionsklage ebenfalls unbegründet.
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a)
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Auf der Grundlage des mitgeteilten Sachverhalts kann bereits nicht mit der notwendigen
Sicherheit festgestellt werden, dass der Beklagte überhaupt den Tatbestand des § 2333
BGB ausfüllende Tätlichkeiten gegenüber dem Erblasser begangen hat.
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b)
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Letztlich kann die vorstehende Frage etwaiger tätlicher Handlungen des Beklagten
gegenüber dem Erblasser aber dahingestellt bleiben.
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Die der Restitutionsklage zugrunde liegende Entscheidung im Rechtsstreit 5 O 141/00
wäre genauso erlassen worden, wenn die mit der Restitutionsklage vorgelegten
Urkunden schon im ursprünglichen Rechtsstreit 5 O 141/00 Landgericht Dortmund zum
Zeitpunkt der Abfassung des Urteils bekannt gewesen wären. Denn der die etwaige
Entziehung ggf. rechtfertigende Grund hat vorliegend keinen Niederschlag in der
letztwilligen Verfügung (sog. "3-Zettel-Testament") gefunden, vgl. § 2336 BGB. Alleine
die Formulierung "K bekommt nichts", genügt den strengen Anforderungen für eine
Entziehung des Pflichtteils nicht. In der letztwilligen Verfügung kommt weder zum
Ausdruck, dass dem Restitutionsbeklagten der Pflichtteil entzogen werden soll noch
wird ein Entziehungsgrund dargelegt. Beides ist jedoch gemäß § 2336 BGB erforderlich.
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c)
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Darüber hinaus ist die Behauptung des Klägers, dass er von den die
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Pflichtteilsentziehung angeblich rechtfertigenden Gründen erst unter dem 18.12.2008
Kenntnis erlangt haben will, jedenfalls in Teilbereichen wissentlich falsch. Auch wenn
der Kläger tatsächlich erst unter dem 18.12.2008 das Schreiben des Erblassers vom
27.08.1996 erhalten haben will, ist ausweislich des zum Aktenzeichen 6 VI 393/96
Amtsgericht Unna gefertigten Protokolls vom 04.06.1997 ersichtlich, dass dem Kläger –
auch ohne Kenntnis des Schreibens vom 27.08.1996 – ein angeblich tätlicher Angriff
des Restitutionsbeklagten auf den Erblasser bereits 1997 und damit – anders als der
Kläger es in der Klage zu vermitteln zu versucht – nicht erst nach dem Urteil des
Landgerichts Dortmund vom 28.12.2005 bekannt war.
II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1, 709 S. 1, S. 2, S. 3
ZPO.
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