Urteil des LG Dortmund vom 14.02.2008

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Landgericht Dortmund, 2 O 324/07
Datum:
14.02.2008
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 324/07
Schlagworte:
Elektronikversicherung,Festplatte,Daten
Normen:
§§1,2 ABE
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits
nach einem Streitwert von 9.963,28 €.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Entschädigungsleistungen aus einer bei der
Beklagten genommenen Elektronikversicherung.
2
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Elektronikversicherung als
Pauschalversicherung für elektronische Betriebseinrichtungen zu einer
Versicherungssumme von 40.000,00 € bei vereinbartem Selbstbehalt in Höhe von
125,00 € je Schadensfall. Es gelten die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die
Elektronik-Versicherung (ABE) – Fassung Januar 1997, TV 201-04. In diesen ist u. a.
bedungen:
3
"
§ 1 Versicherte Sachen
4
(...)
5
2 Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, sind
6
a) Datenträger (Datenspeicher für maschinenlesbare Informationen) nur versichert,
wenn sie vom Benutzer nicht auswechselbar sind (z. B. Festplatten jeder Art);
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b) Daten (maschinenlesbare Informationen) nur versichert, wenn sie für die
Grundfunktion der versicherten Sache notwendig sind (System-Programmdaten aus
Betriebssystemen oder damit gleichzusetzenden Daten).
8
(...)
9
§ 2 Versicherte Schäden und Gefahren
10
(...)
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3 Entschädigung für versicherte Daten (§ 1 Nr. 2 b) wird nur geleistet, wenn der
Verlust oder die Veränderung der Daten infolge eines dem Grunde nach
versicherten Schadens an dem Datenträger eingetreten ist, auf dem diese Daten
gespeichert waren.
12
(...)"
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Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird
auf den in Ablichtung bei den Gerichtsakten befindlichen Versicherungsschein vom
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31.08.2005 (Anlage K1 zur Klageschrift) sowie das Bedingungswerk der Beklagten
(Anlage K2 zur Klageschrift) verwiesen.
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Am 13.02.2007 kam es im Unternehmen der Klägerin zu einem Serverausfall.
Dieserhalb beauftragte die Klägerin die Fa. D GmbH mit der Suche und Behebung des
Fehlers. Das von der Klägerin beauftragte Unternehmen vermutete zunächst, dass ein
Festplattendefekt ursächlich für den aufgetretenen Fehler war und tauschte deshalb die
Festplatte aus. Als die aufgetretenen Probleme hierdurch nicht behoben werden
konnten, stellte die Fa. D GmbH nach Durchführung weiterer Ermittlungen fest, dass ein
Materialfehler an einem mit dem Server verbundenen SATA-Kabel den Fehler
verursachte. Nach durchgeführtem Kabelaustausch lief der Server ohne Fehlerhinweise.
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Durch den Ausfall des Servers kam es zu Schäden an dem auf dem Server befindlichen
Betriebssystem sowie an den Anwendungsprogrammen, welche die Fa. D GmbH
beseitigte.
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Die Fa. D berechnete der Klägerin von ihr erbrachte Leistungen unter dem 21.05.2007
mit insgesamt 9.963,28 €, deren Erstattung die Klägerin von der Beklagten
beanspruchte.
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Die Beklagte lehnte die Erbringung von Leistungen ab. Die Klägerin trat der
Leistungsablehnung mit Schreiben ihrer nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom
27.07.2007 entgegen und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 10.08.2007
zur Regulierung auf. Die Beklagte hielt an ihrer Leistungsablehnung fest.
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Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr vorprozessuales Begehren weiter.
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Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei bedingungsgemäß zur Erstattung der von ihr
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aufgewendeten Kosten verpflichtet. Die Festplatte sei durch das fehlerhafte Kabel
dergestalt beschädigt worden, dass die auf ihr gespeicherten Daten sowie die auf dem
Server befindliche Software nicht mehr nutzbar gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.963,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.08.2007 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, sie sei bedingungsgemäß nicht eintrittspflichtig, da ein Defekt der
Festplatte nicht vorgelegen habe und die Reparatur beschädigter
Programminstallationen nur vom Versicherungsschutz erfasst sei, wenn der Verlust oder
die Veränderung von Daten ihre Ursache in einem Schaden an dem Speichermedium
hätten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu
den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht der klageweise verfolgte Anspruch nicht aus §§ 1, 49 ff. VVG i. V. m.
§§ 1 Nr. 2, 2 Nr. 1, 9 Nr. 10 ABE zu.
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Zwar sind – worüber die Parteien auch nicht streiten – durch den Serverausfall im
Unternehmen der Klägerin am 13.02.2007 Schäden an dem auf dem Server
befindlichen Betriebssystem sowie an den Anwendungsprogrammen entstanden, mithin
versicherte Daten im Sinne von § 1 Nr. 2 lit. b) ABE verloren gegangen bzw. verändert
worden.
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Gleichwohl steht der Klägerin ein Anspruch auf Ausgleichung der ihr durch die
Wiederherstellung der Daten entstandenen Aufwendungen nicht zu, da gem. § 2 Nr. 3
ABE die Beklagte Entschädigung für versicherte Daten nur verspricht, wenn deren
Verlust oder Veränderung infolge eines dem Grunde nach versicherten Schadens an
dem Datenträger eingetreten ist, auf dem diese Daten gespeichert waren.
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So liegt der Fall hier aber in Ermangelung einer Beschädigung oder eines Verlustes des
Datenträgers, auf dem sich die versicherten Daten befanden, nicht. Die Beklagte
verspricht in § 2 Nr. 1 Abs. 1 ABE im Rahmen einer Allgefahrendeckung Entschädigung
für Sachschäden an versicherten Sachen durch vom Versicherungsnehmer oder dessen
Repräsentanten nicht rechtzeitig vorhergesehene Ereignisse und bei
Abhandenkommen versicherter Sachen durch Diebstahl, Einbruchdiebstahl, Raub oder
Plünderung, also in der Sachschadensalternative Ersatz nur für
Substanzbeeinträchtigungen an versicherten Sachen selbst, mithin – mangels
Sacheigenschaft von Daten (vgl. insoweit allgemein Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., §
33
90 Rn. 2 m. w. N.) – nicht für den Verlust oder die Veränderung von Daten. Dies folgt –
für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche
Spezialkenntnisse erkennbar – aus der Regelung in § 2 Nr. 3 ABE, in welcher der
Versicherer seine Eintrittspflicht für den Verlust oder die Veränderung von Daten (nur)
übernimmt, wenn Verlust oder Veränderung ihrerseits auf einem versicherten Schaden
an dem Speichermedium selbst beruhen (vgl. insoweit auch Voit/Knappmann, in:
Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 2 AMB 91/97 Rn. 18). Entgegen der Auffassung der
Klägerin führt aber der bloße Datenverlust nicht zu einem Schaden an dem Datenträger
selbst, andernfalls die Risikobegrenzung des § 2 Nr. 3 ABE ("nur") keinen Sinn machte.
Ein Datenträger ist vielmehr erst beschädigt im Sinne von § 2 Nr. 1, Nr. 3 ABE, wenn er
physikalisch so beeinträchtigt ist, dass er nicht mehr maschinell gelesen oder nicht mehr
für die Aufnahme neuer Daten verwendet werden kann (vgl. Tita, VW 2001, 1969). Dies
trifft auf die Festplatte als Speichermedium des Betriebssystems und der
Anwendungsprogramme unstreitig nicht zu, nachdem schadenursächlich nicht – wie
zunächst vermutet – ein Defekt der Festplatte, sondern ein Materialfehler an einem mit
dem Server verbundenen Kabel war. Für derartige Fallgestaltungen bietet die sog. –
vorliegend allerdings nicht in den Vertrag einbezogene – Klausel 010 Daten zu den
ABE (erweiterte Datenträgerversicherung) Versicherungsschutz, nach der
Beschädigung oder Verlust von Daten auch
dann vom Versicherungsumfang umfasst sind, wenn ihnen ein versicherter Schaden an
der Datenverarbeitungsanlage, durch die sie verarbeitet wurden, zu Grunde liegt (Ziff. 4
lit. a) Klausel 010 Daten, abgedruckt bei Voit/Knappmann, a. a. O., § 9 ABE Rn. 22).
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Dahingestellt bleiben kann, ob das schadhafte Kabel – wie die Klägerin meint – vom
Versicherungsumfang der bei der Beklagten genommenen Elektronikversicherung im
Sinne von § 1 Nr. 1 ABE umfasst war, da sich der Regelungsinhalt der Klausel nur auf
den Gegenstand der Versicherung bezieht, hiermit aber noch nichts darüber gesagt ist,
für welche Gefahren der Versicherer eine Risikoübernahme verspricht. Letzteres ergibt
sich erst aus § 2 ABE.
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Der Klägerin steht schließlich auch kein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für die
Fehlersuche zu, da ein bloßer Schadenverdacht nicht schon selbst Sachschaden ist
und, erweist sich der Schadenverdacht als unbegründet, Kosten weder nach den ABE
noch nach § 66 Abs. 1 VVG zu ersetzen sind (vgl. Voit/Knappmann, a. a. O., § 61 VVG
Rn. 12; § 2 AMB 91/97 Rn. 6).
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Die Klage war nach alledem mit der sich aus § 91 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge
abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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