Urteil des LG Dortmund vom 14.12.2006

LG Dortmund: handelsvertreter, deutsche bundespost, handbuch, nebenberuf, beendigung, geschäftsbeziehung, verfügung, brief, anbieter, verschwiegenheit

Landgericht Dortmund, 16 O 92/05
Datum:
14.12.2006
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
III. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 O 92/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Die Beklagte ist ein weltweit führendes Logistikunternehmen, das mit einer Vielzahl von
Dienstleistungen auf dem internationalen Markt vertreten ist. Hierzu unterhält sie in
Deutschland eine Vielzahl von eigenen Postfilialen und daneben sogenannte
Postagenturen. Bei letzteren handelt es sich um rechtlich selbständige
Geschäftsbetriebe, welche Dienstleistungen im Auftrag der Post erbringen.
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Der Kläger war vom 12.04.1999 bis zum 31.08.2004 Betreiber einer solchen
Postagentur in F . Nach Kündigung des am 12.04.1999 geschlossenen
Postagenturvertrages für private Agenturpartner im Nebenberuf durch die Beklagte
macht der Kläger einen Ausgleichsanspruch als Handelsvertreter gemäß § 89 b HGB
geltend.
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Die Beklagte, deren Vertriebssystem zunächst allein aus posteigenen Filialen bestand,
entwickelte in Abweichung zu dieser Vertriebsstruktur das Konzept der Postagenturen.
Dieses sah vor, dass die Beklagte in zumeist bereits bestehenden
Einzelhandelsbetrieben einen Postschalter installierte (Postagentur) und sich der neue
Postagenturnehmer zum selbständigen Betrieb dieses Postschalters verpflichtete.
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In der Präambel des zwischen den Parteien geschlossenen Postagenturvertrages heißt
es hierzu:
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"Beide Seiten sind sich darüber einig, dass die Vertriebskooperation der Deutschen
Post AG mit privaten Agenturpartnern der ununterbrochenen Sicherstellung einer
flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit postalischen Grundleistungen und
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einer Verbesserung bzw. Sicherung der Kundenakzeptanz und der Auslastung der
Kapazitäten des Geschäftsbetriebes des Agenturpartners dient."
Diese Entwicklung betraf auch die Postfiliale der Beklagten in der Gemeinde F , welche
im Jahre 1999 geschlossen und durch eine Postagentur, die des jetzigen Klägers,
ersetzt wurde.
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Der Kläger betrieb zu diesem Zeitpunkt in der Gemeinde F einen selbständigen
Einzelhandelsbetrieb, indem er vornehmlich Tabakwaren, Zeitschriften und diverse
Kleinartikel vertrieb sowie eine Lottoannahmestelle unterhielt.
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Die Parteien schlossen am 12.04.1999 einen Postagenturvertrag, nach welchem sich
der Kläger verpflichtete, die Beklagte in selbständiger Tätigkeit bei der Wahrnehmung
von Aufgaben und Leistungen zu vertreten. Zu seinen Verpflichtungen gehörte die
ganzjährige Öffnung der Agentur und die Anbringung diverser Werbeschilder nach
Maßgabe der Beklagten. Der Geschäftsbetrieb sollte in den von dem Kläger
angemieteten Räumen stattfinden. Die Beklagte stellte allerdings dem Kläger die zum
Betrieb notwendige Ausrüstung zur Verfügung, welche der Kläger ankaufte.
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Zum Gegenstand des Postagenturvertrages heißt es in § 1 Abs. 1:
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"Der Agenturpartner übernimmt von der Deutschen Post AG mit Wirkung vom
02.08.1999 die stationäre Vertretung in F . Er bietet alle für Postagenturen jeweils
vorgesehenen sowie die mit ihm in Anlage 2 festgelegten Verkaufsprodukte und
Dienstleistungen an."
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In § 1 Abs. 3 heißt es weiter:
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"Der Agenturpartner hat die Rechtsstellung eines Handelsvertreters im Nebenberuf und
vertritt die Deutsche Post AG im Rahmen des Vertriebs von Dienstleistungen
rechtsgeschäftlich. Er handelt hierbei im Namen und für Rechnung der Deutschen Post
AG, bei Telekom-Angelegenheiten im Namen und für Rechnung der Deutschen
Telekom AG, bei Postbank-Angelegenheiten im Namen und für Rechnung der
Deutschen Postbank AG und bei Angelegenheiten Dritter im Namen und für Rechnung
des betreffenden Dritten."
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Dementsprechend ist in § 2 des Postagenturvertrages zum Betrieb der Postagentur
festgelegt, dass der Agenturpartner verpflichtet ist, die Dienstleistungen der
Unternehmen Deutsche Post AG, Deutsche Postbank AG und Deutsche Telekom AG
anzubieten.
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Wörtlich heißt es in § 2 Abs. 5 weiter:
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"Der Agenturpartner führt den Betrieb aller festgelegten Dienstleistungen und
Verkaufsprodukte so durch, dass diese den Verpflichtungen gegenüber den Kunden,
den dazu festgelegten Leistungsinhalten und Qualitätsvorgaben sowie den jeweiligen
betrieblichen Belangen entsprechen. Dem Agenturpartner wird ein Handbuch als
Arbeitshilfe zur Verfügung gestellt."
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Hierzu händigte die Beklagte dem Kläger bei Betriebsbeginn ihr Handbuch zum Betrieb
einer Postagentur aus, welches aus zwei Aktenordnern besteht. Ergänzt und aktualisiert
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wurde dieses Handbuch durch während der Vertragsdauer überreichte Hinweisblätter.
Vereinbarungsgemäß war der Kläger des weiteren verpflichtet, täglich Abrechnungs-
und Buchungsunterlagen bei der Beklagten einzureichen. In § 2 Abs. 8 des Vertrages
heißt es hierzu:
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"Der Agenturpartner führt eingelieferte Brief- und Frachtpost sowie Abrechnungs- und
Buchungsunterlagen einschließlich der notwendigen Belege taggleich der Deutschen
Post AG zu."
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Die Daten des Verkaufes wurden so über die von der Beklagten zur Verfügung gestellte
Software in jeder Nacht online an die Beklagte übermittelt. Die Beklagte war daher
täglich über jede einzelne Transaktion des Klägers informiert.
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Die Beklagte machte im Agenturvertrag darüber hinaus Vorgaben über die
Öffnungszeiten der Postagentur. Hierzu heißt es in § 2 Abs. 9 des Vertrages:
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"Der Agenturpartner stellt sicher, dass die Öffnungszeiten der Postagentur mit den
Öffnungszeiten des Hauptgeschäftsbetriebes, die er selbst bestimmt, identisch sind.
...Der Agenturpartner stellt ferner den ganzjährigen Betrieb der Postagentur sicher."
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Das Geschäft des Klägers war zu diesem Zeitpunkt von montags bis freitags von
7.00 Uhr bis 12.30 Uhr und von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr geöffnet, wobei montags
nachmittags das Geschäft geschlossen blieb. An Samstagen war das Geschäft von
7.00 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet.
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Nach § 7 des Postagenturvertrages war der Agenturpartner, auch nach Beendigung des
Vertragsverhältnisses, zur Verschwiegenheit verpflichtet und musste dafür Sorge tragen,
dass die Personen, derer er sich als Erfüllungsgehilfen bediente, sich ebenfalls vor
Aufnahme ihrer Tätigkeit zur Verschwiegenheit verpflichten ließen. Hierzu war gemäß
Anlage 5 zum Postagenturvertrag die Ablegung eins Gelöbnisses und die Verpflichtung
auf das Post-, Bank- und Fernmeldegeheimnis vorgesehen. Das Gelöbnis hat folgenden
Inhalt:
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"Ich gelobe: Ich werde die mir übertragenden Obliegenheiten gewissenhaft erfüllen und
das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland sowie die Gesetze wahren."
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Im Jahr 2003 trat die Beklagte an den Kläger heran mit dem Anliegen, den
Postagenturvertrag zu geänderten Bedingungen fortzuführen. Die Beklagte stellte hierzu
ein neues Partnerkonzept für den Betrieb von Postagenturen vor. Das neue
Vertriebskonzept sah eine wesentlich geringere Grundvergütung vor. Die Beklagte
begründete diese Herabsetzung damit, dass sich eine Vielzahl von Partnern auf die
Erbringung "nicht wertschöpfender Dienstleistungen" konzentriert habe, so dass eine
Anpassung der Grundvergütung erforderlich sei. Der Kläger errechnete für sich aufgrund
der Änderung des Vertragsverhältnisses eine Einnahmeminderung von mindestens
25 %. Außerdem sah der Kläger aufgrund der Forderung der Beklagten nach verstärkten
beratungsintensiven Dienstleistungen einen zusätzlichen Arbeitsaufwand auf sich
zukommen. Außerdem sah das neue Partnerkonzept eine Konkurrenzklausel vor,
wonach der Kläger sämtliche Waren, die auch von der Post vertrieben werden oder
auch zukünftig zu vertreiben waren, aus dem eigenen Sortiment zu streichen hatte. Der
Kläger war aufgrund dessen nicht bereit, den Postagenturvertrag zu diesen geänderten
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Bedingungen fortzuführen. Daraufhin kündigte die Beklagte den Postagenturvertrag mit
dem Kläger zum 31.08.2004.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stünde gegen die Beklagte nach Beendigung der
Vertragsbeziehungen ein Anspruch auf einen Handelsvertreterausgleich nach § 89 b
HGB zu. Er sei für die Beklagte nicht als Handelsvertreter im Nebenberuf, sondern als
Handelsvertreter im Hauptberuf tätig geworden. Die gegenteilige Klausel im
Postagenturvertrag verstoße gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Er, der Kläger, habe bereits
mit Beginn der Tätigkeit mehr als 50 % seiner Arbeitskraft der Postagentur gewidmet.
Bei einer täglichen Kundenzahl von 110 Kunden könne nicht mehr von einer
Nebentätigkeit ausgegangen werden. Zur Aufrechterhaltung seiner Postagentur habe er
zunächst eine, später dann, neben seiner Ehefrau, drei Aushilfen beschäftigen müssen.
Auch aus der Ertragssituation lasse sich ein Überwiegen des Ertrages der Postagentur
gegenüber den anderen Geschäftsbereichen ersehen. Für die Jahre 2003 und 2004 sei
der Anteil der Postagentur an den Gesamterlösen sogar größer als 50 % der gesamten
übrigen Geschäftsbereiche gewesen.
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Die Höhe des Ausgleichsanspruch hat der Kläger auf der Grundlage einer Provision von
23.115,00 € für das letzte vollständig abgeschlossene Geschäftsjahr 2003 unter
Berücksichtigung eines jährlichen Kundenabgangs von 20 % mit 54.588,38 € ermittelt,
seinen klageweise geltend gemachten Ausgleichsanspruch jedoch gemäß § 89 b
Abs. 2 HGB auf den Durchschnitt der Provisionen der letzten fünf Jahre mit 101.438,78 €
auf 20.286,76 € begrenzt.
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Der Kläger beantragt daher,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 20.296,76 € nebst Zinsen in Höhe von 8 %-
Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte macht geltend, die Vereinbarung in § 1 Abs. 3 des Postagenturvertrages
zur Tätigkeit des Klägers als Handelsvertreter im Nebenberuf sei wirksam vereinbart.
Daneben fehle es an den Merkmalen Überwiegen der Arbeitszeit/-kraft und der
Roheinnahme. Dazu macht die Beklagte weiter geltend, der Kläger habe zum
30.11.2001 zum Gewerberegister weiter die Vermittlung von Reisen angemeldet. Die
Postagentur habe des weiteren zur Stärkung des eigenen Kundenstammes gedient,
weshalb der Kläger von einem Anspruch nach § 89 b HGB einen doppelten Vorteil
hätte.
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Zum Ausgleichsanspruch sei im Übrigen zu berücksichtigen, dass die Beklagte vor der
Privatisierung eine Monopolstellung gehabt hätte. Der Beklagte habe eine Postfiliale
übernommen. Von daher sei zu vermuten, dass die Kunden der Postagentur früher die
betreffende Postfiliale aufgesucht hätten und somit als Altkunden anzusehen seien.
Dies stehe der Vermutung entgegen, dass der gesamte vom Kläger hinterlassene
Kundenstamm aus Neukunden bestehe. Altkunden, zu denen bereits vorher eine
Geschäftsbeziehung zur Deutschen Post AG bestanden hätte, seien aber aus der
Ausgleichsberechnung auszuklammern. Sofern der Kläger auf eine wesentliche
Erweiterung der sogenannten Altkunden abhebe, sei er dafür darlegungs- und
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beweispflichtig. Mit Beendigung des Vertrages sei auch keine direkte Überlassung des
Kundenstammes erfolgt, weil bezüglich der einzelnen Kunden der Beklagten nichts
bekannt geworden sei.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
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Dem Kläger steht ein Ausgleichsanspruch als Handelsvertreter gemäß § 89 b HGB nicht
zu.
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Der Kläger ist nämlich entgegen seiner Bezeichnung im Postagenturvertrag als
Handelsvertreter im Nebenberuf kein Handelsvertreter im Rechtssinne, weshalb es an
einem Tatbestandsmerkmal der Anspruchsgrundlage fehlt.
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Handelsvertreter nach § 84 Abs. 1 HGB ist nur, wer als selbständiger
Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte
zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Dazu gehört nach § 84 Abs. 1
Satz 2 HGB die Möglichkeit, "im Wesentlichen frei seine Tätigkeit zu gestalten und
seine Arbeitszeit zu bestimmen". Entscheidend ist das Gesamtbild der vertraglichen
Gestaltung und tatsächlichen Handhabung. Dazu hat die Rechtsprechung zahlreiche
Abgrenzungskriterien entwickelt, vor allem zu Ort, Zeit und Art und Weise der Tätigkeit,
dem Unternehmerrisiko und der Art und Weise der Vergütung.
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Gegen eine Selbständigkeit sprechen insbesondere die Vorgabe des Tätigkeitsorts und
eines genauen Arbeitsplans, der Bestimmung der täglichen Arbeitszeit und über die
ständige Anwesenheit im Geschäftslokal während der üblichen Ladenöffnungszeit.
Weisungen des Unternehmers, auch über die Nachrichts- und Rechenschaftspflichten,
stehen einer Selbständigkeit nicht entgegen. Insgesamt dürfen die Weisungen aber
nicht so eng sein, dass die Tätigkeit des Handelsvertreters von ihm nicht mehr im
Wesentlichen frei gestaltet wird (Baumbach-Hopt, Kommentar zum Handelsgesetzbuch,
31. Aufl. § 84 Anm. 33 bis 38 m. w. N.; BAG NZA 1995, 649).
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Diese für einen Handelsvertreter essentiellen Merkmale eines selbständigen
Gewerbetreibenden liegen bei einem Postagenturpartner nach dem zwischen den
Parteien geschlossenen Vertrag nicht vor.
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Eine Postagentur übernimmt nämlich als privater Anbieter die Aufgaben einer Postfiliale
nach den grundgesetzlichen Vorgaben gemäß Art. 87 f. GG, wonach der Bund im
Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene
und ausreichende Dienstleistungen gewährleistet, welche durch aus dem
Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangene Unternehmen und durch
andere private Anbieter erbracht werden sollen. In § 11 PostG ist hierzu geregelt, dass
Universaldienstleistungen ein Mindestangebot an Postdienstleistungen sind, die
flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis
erbracht werden müssen. Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch
Rechtsverordnung den Inhalt und Umfang des Universaldienstes festzulegen und
darüber hinaus die Mindestqualität der Dienstleistungen einschließlich der
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Qualitätsmerkmale für das Annahme- und Zustellnetz und für die Brieflaufzeiten sowie
die Maßstäbe für die Bestimmung des Preises einer Universaldienstleistung
festzulegen. In der hierzu ergangenen Post-Universaldienstleistungsverordnung
(PUDLV) sind hierzu bis ins Einzelne gehende Vorgaben hinsichtlich der erforderlichen
Mindestqualität der Postuniversaldienstleistungen enthalten. So finden sich in § 2 bis 4
PUDLV die Qualitätsmerkmale der Briefbeförderung, der Paketbeförderung sowie der
Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften. Es finden sich qualitative Regelungen
über Briefkästen, Einrichtungen, in denen Verträge über Brief- oder
Paketdienstleistungen abgeschlossen werden und abgewickelt werden können, über
das zu fordernde Entgelt zu einem erschwinglichen Preis sowie über die Brieflaufzeiten.
Letztere legen als verbindliches Ziel für 85 % der Sendungen eine durchschnittliche
Laufzeit von drei Tagen nach dem Einlieferungstag, für 97 % der Sendungen eine
Laufzeit von fünf Tagen nach dem Einlieferungstag fest, die für sämtliche
Beförderungsverhältnisse im Gesamtrahmen des innergemeinschaftlichen Postverkehrs
sowie für jedes bilaterale Beförderungsverhältnis zwischen zwei Mitgliedstaaten erreicht
werden müssen. Außerdem ist nach Länge, Höhe, Breite und Einzelmaß geregelt, was
als Briefsendung zu definieren ist. Ähnliche Regelungen enthält § 3 für die
Qualitätsmerkmale der Paketbeförderung. Des Weiteren ist in § 2 festgelegt, dass für die
Briefbeförderung bundesweit mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen vorhanden
sein müssen, welche werktäglich nachfragegerecht betriebsbereit sein müssen. Zu den
Werktagen soll auch der Samstag zählen (vgl. Begründung zur PUDLV, BT-Drucksache
14/16 96 S. 8). Die Öffnungszeiten sollen sich an der Nachfrage der Nutzer orientieren
und werden von daher tendenziell den allgemeinen Ladenschlusszeiten angepasst.
Um einen Postagenturpartner in den Stand zu setzen, diese Regelungen zu
berücksichtigen, wird ihm ein Handbuch zum Betrieb einer Postagentur ausgehändigt,
welches unstreitig aus zwei Aktenordnern besteht und ständig durch Hinweisblätter
ergänzt und aktualisiert wird.
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Bei diesen bis ins Einzelne gehenden Vorgaben, welche den Postagenturpartner auf
verfassungsrechtlicher Grundlage im Bereich des Postwesens und auch der
Telekommunikation gemacht werden, was auch durch das von ihm abgelegte Gelöbnis
deutlich gemacht wird, besteht eine solch weitgehende Weisungsgebundenheit
hinsichtlich des Geschäftsablaufs und der Art und Weise der Tätigkeit, dass von einer im
Wesentlichen frei gestalteten Arbeit eines Handelsvertreters hier nicht die Rede sein
kann.
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Auch eine freie Gestaltung von Werbung und Maßnahmen zur Anpreisung und
Kundengewinnung war insgesamt ausgeschlossen oder nur unter extrem erschwerten
Bedingungen möglich. Der zwischen den beiden Parteien geschlossene Vertrag sah in
den §§ 2 Abs. 2, 3, 6 Abs. 1 sowie der Anlage 3 zum Postagenturvertrag vor, dass die
Beklagte die zum Betrieb der Postagentur notwendige Einrichtung stellen sollte. Danach
war die räumliche Anordnung wegen der Notwendigkeit diskreter Kundenbetreuung im
Wesentlichen durch die Beklagte vorgegeben. Eine Umgestaltung war jederzeit durch
die Beklagte möglich. So war die Beklagte berechtigt, Änderungen an der Einrichtung,
den Betriebsmitteln und den Sonderausstattungen vorzunehmen. Der Agenturpartner
war sogar verpflichtet, die gekauften Einrichtungsgegenstände durch gleichartige mit
entsprechend geänderter Aufmachung im Austausch mit den zuvor erworbenen
abzunehmen und zu verwenden. Der Postagenturpartner hätte dem nur ausnahmsweise
widersprechen dürfen. Das Vorliegen eigener Geschäftsräume wird dadurch relativiert
und jegliche Freiheit hinsichtlich der Präsentation der Produkte am Verkaufsort
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abgeschnitten. Hierzu führt auch, dass dem Postagenturpartner ein Auftreten unter
eigener Firma versagt war. Er hatte sowohl in den Geschäftsräumen als auch außerhalb
auf übliche und standardisierte, mithin detailliert vorgeschriebene Art und Weise auf die
Agentur hinzuweisen (Anlage 3 zum Postagenturvertrag). Dies umfasste nicht nur den
Hinweis auf das Vorhandensein der Agentur im Ladengeschäft, sondern auch das
Aushängen von Standard-Preistafeln. Änderungen waren ebenfalls mit der Beklagten
abzustimmen.
Es bestanden auch Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeit, die mit der Selbständigkeit
unvereinbar sind. § 2 Abs. 9 des Partnervertrages sowie die Präambel schrieben eine
ganzjährige Öffnung der Agentur vor, soweit nicht eine Hinderung bestand. Dort wird
dem Kläger nicht eingeräumt, die Agentur wegen Urlaubs schließen zu dürfen. Dies
ergibt sich schon aus den Vorgaben der Post-Universaldienstleistungsverordnung,
wonach Einrichtungen werktäglich nachfragegerecht betriebsbereit sein müssen. Auch
dies steht der Selbständigkeit eines Handelsvertreters entgegen, dem es als
Selbständigem möglich sein muss, jederzeit nach Belieben Urlaub zu nehmen (BAG
NJW 2004, 461, 462). Dies macht nachgerade zu einem großen Teil die Selbständigkeit
aus. Selbst dann, wenn der Postagenturpartner selbst hätte Urlaub nehmen können,
wenn er weiteres Personal einstellte, greift dies unangemessen in die freie Gestaltung
der Tätigkeit ein. Teil der Selbständigkeit ist es nämlich auch, über die Einstellung von
Personal disponieren und überhaupt kein Personal beschäftigen zu können. Durch das
Vorschreiben einer ganzjährigen Öffnung ohne die Möglichkeit einer Schließung wegen
Urlaubs würde diese Freiheit unterlaufen.
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Es lag zudem, worauf schon oben eingegangen worden ist, eine Weisungsdichte vor,
wie sie sonst nur für Arbeitnehmer typisch ist. Nach § 2 Abs. 5 des Partnervertrages
hatte der Kläger das Handbuch zum Betrieb einer Postagentur zu beachten. Dieses
bestand aus zwei DIN-A 4-Aktenordnern. Entsprechend umfangreich waren die dort
geregelten Anweisungen. In dem Handbuch wurden die im Betrieb notwendigen
Geschäftsvorgänge auch außerhalb des reinen Postwesens detailliert dargestellt und
Anweisungen für die Ausführung der Tätigkeit gegeben. Dem Postagenturpartner blieb
deshalb kaum Spielraum, die Tätigkeit nach eigenem Gutdünken zu gestalten. Dazu
trug auch bei, dass häufig neue Anweisungen von der Beklagten eingingen, deren
Beachtung ebenfalls vorgeschrieben war.
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Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass bei diesen gewichtigen Gesichtspunkten,
welche eindeutig gegen eine Selbständigkeit als Handelsvertreter sprechen, das
Gesamtbild in Richtung eines Handelsvertreterverhältnisses auch nicht dadurch
verschoben wird, dass der Postagenturpartner nach dem geschlossenen Vertrag ein
Unternehmerrisiko trug, als dass er teilweise provisionsabhängig arbeitete, was
allerdings durch die Grundvergütung eingeschränkt war und eigene Geschäftsräume
unterhielt sowie selbst ausgesuchtes Personal beschäftigte.
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Daher fehlt es bei dem Kläger an dem für einen Handelsvertreter essentiellen Merkmal
eines selbständigen Gewerbetreibenden, weshalb ein Anspruch nach § 89 b HGB
ausscheidet. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift, wie sie für andere
Fallgestaltungen erwogen wird, kommt angesichts dessen hier nicht in Betracht.
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Jedoch selbst, wenn man entgegen der Auffassung der Kammer davon ausginge, der
Kläger sei Handelsvertreter, stünde ihm ein Ausgleichsanspruch nicht zu. Die Beklagte
hat aus der Geschäftsbeziehung keine erheblichen Vorteile mit von dem Kläger
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geworbenen neuen Kunden. Der Kläger hat Derartiges weder ausreichend dargelegt
noch unter Beweis gestellt. Zwar bestehen grundsätzlich ein Anscheinsbeweis und eine
widerlegliche Vermutung dafür, dass der bei Vertragsabschluss vorhandene
Kundenstamm vom Handelsvertreter geworben worden ist und nach Beendigung der
Geschäftsverbindungen mit diesem noch fortbesteht (Baumbach/Hopt a.a.O. § 89 b
Rdn. 22 m. w. N.). Derartiges kann jedoch in diesem Fall wegen der Besonderheiten der
Beklagten nicht gelten. Diese bietet Dienstleistungen an, die notwendigerweise von
jedem einmal oder mehrmals in Anspruch genommen werden müssen. Dazu hat die
Beklagte einen sehr hohen Bekanntheitsgrad und Marktanteil. Überdies schreibt ihr das
Postgesetz vor, flächendeckend Filialen vorzuhalten. Dementsprechend ist zu erwarten,
dass eine Vielzahl von Kunden diese Filialen, unter die auch die Agenturen fallen,
aufsucht. Das widerspricht dem Anschein, Kunden der Beklagten am Ende der
Geschäftsbeziehung mit dem Kläger seien zwingend von diesem geworben worden.
Der Vortrag des Klägers lässt auf eben dieses nicht schließen. Zwar mag eine
Umsatzsteigerung darauf hindeuten, dass neue Kunden geworben werden konnten. Es
besteht jedoch genauso die Möglichkeit, dass bereits bestehende Kunden die
Geschäftstätigkeit mit der Beklagten erweitert haben. In diesem Fall reichte die noch
nicht inflationsbereinigte Umsatzsteigerung nicht aus, um eine mit alten Kunden
wesentlich erweiterte Geschäftsbeziehung im Sinne des § 89 b Abs. 1 Satz 2 HGB
anzunehmen. Die Umsatzsteigerung verteilte sich auf derart viele Kunden, dass mit
keinem die Beziehung so erweitert worden wäre, dass er wirtschaftlich gesehen einem
neuen Kunden entspräche.
Danach ergibt sich, dass auch die Darlegungen des Klägers zur Berechnung seines
Ausgleichsanspruchs nicht genügen, weshalb die Klage auch aus diesem Grunde
abzuweisen war.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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