Urteil des LG Dortmund vom 22.02.2008
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Landgericht Dortmund, 3 O 491/07
Datum:
22.02.2008
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 491/07
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.375,00 € (i.W.:
vierzehntausenddreihundertfünfundsiebzig Euro) nebst Zinsen in Höhe
von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von
jeweils 1.796,90 € seit dem 02.05.2007, 02.06.2007, 02.07.2007,
02.08.2007, 02.09.2007, 02.10.2007, 02.11.2007 und 02.12.2007 zu
zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte nach einem Streitwert in
Höhe von 14.375,00 €.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
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Mit Beschluss vom 01.02.2006 (Anlage K 1, Bl. 16 d. A.) eröffnete das Amtsgericht
Dortmund das Insolvenzverfahren über das Vermögen des F und ernannte den Kläger
zum Insolvenzverwalter. Mit schriftlichem Vertrag ohne Datum (Anlage K 2, Bl. 17 – 28
d. A.) vermietete der Kläger der X GmbH Geschäftsräume in L, L-straße zum Betrieb
eines Friseursalons. Vereinbart wurde u. a. eine Laufzeit vom 20.03.2006 bis
31.03.2009 und ein Staffelmietzins ansteigend von 1.460,00 € zuzüglich Umsatzsteuer.
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Mit Beschluss vom 01.05.2007 (Anlage K 3, Bl. 29 d. A.) eröffnete das Amtsgericht
Freiburg auf den Antrag vom 01.02.2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen
der X GmbH und ernannte den Beklagten zum Insolvenzverwalter, der die
Geschäftsräume nicht in Besitz nahm und das Mietverhältnis mit Schreiben vom
25.06.2007 (Anlage K 6, Bl. 36 d. A.) "fürsorglich" zum nächstmöglichen Termin
kündigte.
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Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist die nicht gezahlte Miete für den Zeitraum
Mai 2007 bis Dezember 2007.
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Der Kläger meint, es handele sich um eine Masseverbindlichkeit.
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Er beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.984,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von jeweils 1.796,90 €
seit dem 02.05.2007, 02.06.2007, 02.07.2007, 02.08.2007 und 02.09.2007 zu
zahlen,
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und den Beklagten weiter zu verurteilen, an ihn 5.390,70 € nebst Zinsen in Höhe
von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von
jeweils 1.796,90 € seit dem 02.10.2007, 02.11.2007 und 02.12.2007 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er meint, es handele sich um eine Insolvenzforderung, die der Kläger ebenso wie die
Mietrückstände bis zum 01.05.2007 in Höhe von 7.735,90 € (Einzelheiten Bl. 32 – 34 d.
A.) zur Insolvenztabelle anzumelden habe.
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Der Beklagte erklärt die Insolvenzanfechtung, weil der Kläger das Mietverhältnis nicht
fristlos wegen der unstreitigen Nichtzahlung der Miete seit Januar 2007 gekündigt habe.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß §§ 55 Abs. 1 Nr. 2,
2. Altern., 108 Abs. 1 S. 1 InsO, 535 Abs. 2 BGB eine Masseforderung in der aus dem
Tenor ersichtlichen Höhe.
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Nach § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Altern. InsO sind Masseverbindlichkeiten die
Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung nach der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Nach § 108 Abs. 1 S. 2 InsO
bestehen Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände
oder Räume mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Nach § 108 Abs. 3 InsO sind
lediglich die Ansprüche für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung Insolvenzforderungen.
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Zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin ist unstreitig ein Mietvertrag über
Gewerberäume mit einer vereinbarten Laufzeit bis zum 31.03.2009, also auch für die
Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen worden, der vor der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens nicht beendet worden ist. Nur dann, wenn das Mietverhältnis
im Falle der Insolvenz des Mieters vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst
worden ist, sind die Forderungen des Vermieters Insolvenzforderungen (BGH IX ZR
66/05, Rn. 10 und 11 des Umdrucks).
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Beendet wurde das streitgegenständliche Mietverhältnis nach § 109 Abs. 1 S. 1 InsO
a.F. i. V. m. § 580 a Abs. 2 und Abs. 4 BGB durch die Kündigung des Beklagten vom
25.06.2007 (Anlage K 7, Bl. 36 d. A.) zum 31.12.2007. In den vor dem 01.07.2007
eröffneten Insolvenzverfahren – wie vorliegend – gilt nach Art. 103 c EGInsO das
bisherige Recht. Danach kann der Insolvenzverwalter ein Miet- oder Pachtverhältnis,
das der Insolvenzschuldner als Mieter eingegangen ist, ohne Rücksicht auf die
vereinbarte Vertragsdauer unter Einhaltung der gesetzlichen Frist, im vorliegenden Fall
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also bei Geschäftsräumen zum nächsten Kalendervierteljahr kündigen.
Unerheblich ist, dass die Insolvenzschuldnerin die Mieträume vor der
Vertragsbeendigung und vor der Insolvenzeröffnung zurückgegeben oder dem Besitz
durch Räumung aufgegeben hat, denn auf die tatsächliche Nutzung nach der
Überlassung der Räume – hier unstreitig – kommt es nicht an (Münchener Kommentar §
109 InsO Rn. 19). § 109 Abs. 1 InsO bleibt anwendbar, obwohl sein Zweck, der Masse
den Mietgebrauch zu belassen, den zuvor der Schuldner ausgeübt hat, verfehlt wird. Die
Alternative in dieser Situation, das beiderseitige Rücktrittsrecht gem. § 109 Abs. 2 InsO
kann für die Masse günstig sein, kann sich aber auch als nachteilig erweisen, weil sie
dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit nimmt, das Mietobjekt wieder zu nutzen, falls er
es noch benötigt. Anderseits darf nach Überlassung der Mietsache der Vermieter darauf
vertrauen, dass zumindest die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten wird.
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Ein Rücktrittsrecht hat der Insolvenzverwalter nach § 109 Abs. 2 InsO nur dann, wenn
die Räume zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch nicht überlassen waren, was
vorliegend nicht der Fall ist.
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§ 109 InsO geht als Spezialregelung § 103 InsO vor (Braun, § 108 Rn. 1).
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Dem Kläger steht damit eine mietvertragliche Masseforderung zu. Sie beläuft sich für
den streitgegenständlichen Zeitraum [01.05.2007 (Insolvenzeröffnung) bis 31.12.2007
(Vertragsbeendigung) auf 8 x 1.450,00 € + 60,00 € = 1.510,00 € + 19 % = 1.796,90 € =
14.375,20 € mithin die Klageforderung].
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Dem Beklagten steht kein Anfechtungsrecht wegen der unterlassenen fristlosen
Kündigung wegen Zahlungsverzuges durch den Kläger zu. Dahin stehen kann, ob die
Unterlassung einer in den Grenzen des § 112 InsO möglicherweise zulässigen fristlosen
Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB im vorliegenden Fall eine anfechtbare
Rechtshandlung nach §§ 129 ff. InsO sein kann, denn die §§ 55, 108, 109 und 112 InsO
regeln die Rechte und Pflichten bei Miet- und Pachtverhältnissen im Falle der Insolvenz
des Mieters abschließend und zwar unter Berücksichtigung des
"Gegenleistungsaspektes", wonach derjenige, dessen Leistung der Masse zugute
kommt, auch die ungeschmälerte Gegenleistung aus der Masse verlangen kann (BGH
IX ZR 66/05 Rn. 17). Die §§ 55, 108, 109, 112 InsO gegen mithin als Spezialregelung
den Anfechtungsvorschriften der §§ 129 ff. vor.
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Der Beklagte war daher antragsgemäß mit der Kostenfolge des § 91 ZPO zu verurteilen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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