Urteil des LG Dortmund vom 15.09.2005

LG Dortmund: stationäre behandlung, einbau, versicherungsnehmer, prothese, abrechnung, operation, coxarthrose, rechtshängigkeit, chefarzt, vollstreckbarkeit

Landgericht Dortmund, 2 O 70/04
Datum:
15.09.2005
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
2.Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 70/04
Schlagworte:
Sonderentgelt Fallpauschale
Leitsätze:
Bei der Vergütung von Krankenhausleistungen sind Fallpauschalen
streng nach ihrem Wortlaut anzuwenden.Eine analoge Anwendung auf
entsprechende Sachverhalte ist unzulässig.
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.707,03 € (in Worten:
sechstausendsiebenhundertsieben 03/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Deutschen
Bundesbank aus 34.806,96 € für den Zeitraum vom 01.02.2002 bis
22.03.2004 sowie aus weiteren 6.707,03 € seit dem 23.03.2004 zu
zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des je-weils
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Die Beklagte ist Privatversicherer ihres Versicherungsnehmers I , den sie mit einer
sogenannten Klinikcard ausgestattet hat, wodurch die Klägerin berechtigt ist, Kosten für
die stationäre Behandlung des Versicherungsnehmers direkt gegenüber der Beklagten
abzurechnen.
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Dem Versicherungsnehmer der Beklagten wurde bei der Klägerin wegen einer
Coxarthrose (Arthrose des Hüftgelenks) eine Prothese eingesetzt. Im Laufe des
Rechtsstreits ist streitig geworden, ob es sich dabei um eine Hüftkopf-/Schaftprothese
oder um eine Totalendoprothese gehandelt hat.
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Da der Krankenhausaufenthalt über die Jahreswende vom 25.09.2001 bis 20.01.2002
andauerte, erstellte die Klägerin 2 Rechnungen für die Leistungen bis zum 31.12.2001
und ab 01.01.2002. Die Rechnung für das Jahr 2002 hat die Beklagte beglichen. Mit der
Rechnung für das Jahr 2001 berechnete die Klägerin unter dem 31.12.2001 den Basis-
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und Abteilungspflegesatz, System- und Qualitätssicherungszuschlag sowie für die
Operation das Sonderentgelt 17.03: Einbau einer Hüftkopf-/Schaftprothese. Mit
Schreiben vom 31.01.2001 bat die Beklagte um Zusendung einer korrigierten
Rechnung, da ihrer Auffassung nach die Behandlung nach den Fallpauschalen 17.021
und 17.022 der Bundespflegesatzverordnung abzurechnen sei. Die Klägerin übersandte
daraufhin den Entlassungsbericht. Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 06.11.2002
Operations- und Entlassungsbericht an, ohne dass die Klägerin auf dieses Schreiben
reagierte. Im August 2003 erhob sie Klage vor dem Sozialgericht, dass den Rechtsstreit
an das erkennende Gericht abgab. Im März 2004 zahlte die Beklagte auf die streitige
Rechnung über 34.806,96 € den Betrag von 28.099,93 €, wobei sie eine Abrechnung
nach Fallpauschalen 17.021 und 17.022 vornahm.
Die Klägerin behauptet, bei dem Versicherungsnehmer der Beklagten sei keine
Totalendoprothese sondern eine Hüftkopf-/Schaftprothese eingesetzt worden. Für diese
Operation sei die Berechnung des Sonderentgeltes 17.03 vorgesehen. Die Abrechnung
der Beklagten nach den Fallpauschalen 17.021 und 17.022 sei unzutreffend, weil diese
Fallpauschale bei Einbau einer Hüftkopf-/Schaftprothese bei geschlossener
Schenkelhalsfraktur gelte. Dieser Fall habe jedoch beim Versicherungsnehmer der
Beklagten nicht vorgelegen, da der Einbau der Prothese wegen einer Coxarthrose
erforderlich gewesen sei.
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Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend in Höhe des nach
Rechtshängigkeit gezahlten Betrages von 28.099,93 € für erledigt erklärt.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.707,03 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank aus 34.806,96 € für den Zeitraum vom
01.02.2002 bis 22.03.2004 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der
Deutschen Bundesbank aus 6.707,03 € seit dem 23.03.2004 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich ursprünglich damit verteidigt, dass bei Einbau einer Hüftkopf-
/Schaftprothese nach Fallpauschalen 17.021 und 17.022 abgerechnet werden müsse,
weil bei Einbau einer solchen Prothese auch bei Coxarthrose genau diejenige Leistung
erbracht werde, die in den genannten Fallpauschalen geregelt worden sei. Im Laufe des
Rechtsstreits hat sie bestritten, dass bei ihrem Versicherungsnehmer eine Hüftkopf-
/Schaftprothese eingebaut worden sei. Gestützt auf eine Privatliquidation des
operierenden Chefarztes, der den Einsatz einer Totalendoprothese abgerechnet hat,
behauptet sie nunmehr, bei ihrem Versicherungsnehmer sei eine Totalendoprothese
eingesetzt worden, so dass nach den Fallpauschalen 17.061 und 17.062 abgerechnet
werden müsse.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens über die Frage, welche Prothese dem
Versicherungsnehmer der Klägerin eingesetzt worden ist. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L vom
26.05.2005, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf den
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vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
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Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung weiterer 6.707,03 € nebst Zinsen auf
diesen Betrag sowie den im Laufe des Rechtsstreits gezahlten Betrag für die
Behandlung des Versicherungsnehmers der Beklagten verlangen, da sich die Beklagte
mit Ausstellung der sogenannten Klinikcard gegenüber der Klägerin verpflichtet hat, die
medizinisch notwendigen Kosten für die Behandlung ihres Versicherungsnehmers
unmittelbar an die Klägerin zu zahlen, wodurch dieser ein eigener Leistungsanspruch
eingeräumt worden ist.
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Die Klägerin war berechtigt, den Einbau der Prothese nach dem Sonderentgelt 17.03
und nicht nach den Fallpauschalen 17.021 und 17.022 abzurechnen. Nach dem
Ergebnis des Sachverständigengutachtens steht fest, dass bei dem
Versicherungsnehmer der Beklagten ungeachtet der Privatliquidation durch den
behandelnden Chefarzt keine Totalendoprothese sondern eine Hüftkopf-/Schaftprothese
eingesetzt worden ist. Dieses Ergebnis der Beweisaufnahme wird auch von der
Beklagten ausdrücklich akzeptiert, so dass es einer näheren Begründung nicht bedarf.
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Entgegen der ursprünglich von der Beklagten geäußerten Rechtsauffassung ist bei
Einbau einer Hüftkopf-/Schaftprothese nicht nach den Fallpauschalen 17.021 und
17.022 abzurechnen, da diese Fallpauschalen den Einsatz der Hüftkopf-/Schaftprothese
bei geschlossener Schenkelhalsfraktur vorsehen. Die Anwendung dieser
Fallpauschalen kann nicht auf ähnlich gelagerte Fälle übertragen werden, auch wenn
gleichartige Leistungen dabei erbracht werden. Denn mit den Fallpauschalen ist eine
Vergütungsregelung getroffen worden, die für die routinemäßige Abwicklung von
zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist. Sie kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn
sie allgemein streng ihrem Wortlaut nach sowie nach den dazu vereinbarten
Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen
sowie Abwägungen beläßt (Bundessozialgericht Urteil vom 13.12.2001 Aktenzeichen B
3 KR 1/01 R, NZS 2002, 537 -Leitsätze-; KH 2002, 642 -Volltext-). Sofern sich in der
Praxis erweist, dass es bei dieser streng am Wortlaut der Fallpauschalen orientierten
Abrechnung zu Ungereimtheiten kommt, weil - wie die Beklagte meint - durchaus
gleichartige Leistungen nicht nach den Fallpauschalen sondern nach Sonderentgelten
abgerechnet werden können, ist es Aufgabe der Vertragspartner, diesen möglichen
Ungereimtheiten durch Weiterentwicklung der Fallpauschalen bzw.
Sonderentgeltkataloge zu beheben. Eine analoge Anwendung von Fallpauschalen auf
entsprechende Sachverhalte ist jedenfalls nicht zulässig.
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Somit war die Klägerin berechtigt, die Behandlung und Operation des
Versicherungsnehmers der Beklagten nach dem Sonderentgelt 17.03 abzurechnen.
Diese Abrechnung ist rechnerisch unter den Parteien unstreitig, so dass die Klägerin
den noch nicht beglichenen Teil ihrer Rechnung vom 31.12.2001 verlangen kann.
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Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren
die Kosten des Rechtsstreits ebenfalls der Beklagten aufzuerlegen, da sie die
berechtigte Forderung der Klägerin nach Rechtshängigkeit beglichen hat und sich dazu
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aufgrund von Unterlagen in der Lage sah, die ihr jedenfalls ab November 2002
vorlagen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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