Urteil des LG Detmold vom 11.06.2010

LG Detmold (arglistige täuschung, widerruf, höhe, beitrittserklärung, gesellschaft, wirkung ex tunc, beitritt, ex tunc, verhältnis zwischen, ex nunc)

Landgericht Detmold, 12 O 277/09
Datum:
11.06.2010
Gericht:
Landgericht Detmold
Spruchkörper:
Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 277/09
Normen:
BGB § 705; BGB § 355 Abs. 1; BGB § 312 Abs. 1, Abs. 3
Tenor:
Das Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil vom 22.02.2010 wird
aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass das Gesellschaftsver-
tragsverhältnis zwischen den Parteien zur Vertragsnummer #####/####
beendet ist.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 55 % und der
Beklagte 45 % zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist eine Fondsgesellschaft, an der sich Kapitalanleger beteiligen konnten.
Am 25.09.2006 erklärte der Beklagte den Beitritt zur Beteiligung an der Klägerin.
Ausweislich der Beitrittserklärung sollte die Vertragssumme inklusive Agio 28.381,50 €
betragen. Vereinbart war eine Einmaleinlage in Höhe von 2.677,50 € inklusive Agio,
fällig am 15.10.2006. Weiter war eine monatliche Rateneinlage für 24 Jahre in Höhe von
89,25 € inklusive Agio, fällig erstmals am 15.10.2006 vereinbart. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf die Beitrittserklärung vom 25.09.2006 Bezug genommen.
2
Die Beitrittserklärung enthält auf ihrer letzten Seite eine Widerrufsbelehrung, auf die
ebenfalls Bezug genommen wird (vgl. Bl. 7 d. A.).
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In der Folgezeit zahlte der Beklagte am 13.10.2006, 14.11.2006, 14.12.2006 und
16.01.2007 jeweils die monatliche Raten in Höhe von 89,25 €. Weiter leistete er am
13.02.2007 und am 13.03.2007 ebenfalls seine monatliche Einlage, die jedoch unter
dem 23.03.2007 zurückgebucht wurde. Die Einmaleinlage in Höhe von 2.677,50 €
zahlte der Beklagte nicht.
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Im Dezember 2006 wandte sich der Beklagte persönlich mit einem Schreiben an die
Klägerin, in dem er seinen Willen zur Beendigung des Vertrags kundtat. T GmbH
Wertpapierhandelsbank, die ausweislich der Beitrittserklärung vom 25.09.2006 zur
Entgegennahme des Widerrufs berechtigt war, bezog sich im Schreiben vom
18.02.2008 auf das Schreiben des Beklagten aus Dezember 2006. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf das Schreiben der S vom 18.02.2008 (Anlage B 1) Bezug
genommen. Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 17.11.2009
widerrief der Beklagte vorsorglich erneut den Beitritt und erklärte gleichzeitig die
Kündigung des Gesellschaftsbeitritts.
5
Die Klägerin hat den Beklagten zunächst im Urkundsprozess auf die Zahlung eines
Betrags in Höhe von 5.533,50 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Der Betrag setzt
sich zusammen aus der Einmalzahlung in Höhe von 2.677,50 € sowie aus Raten für die
Monate April 2007 bis November 2006 (32 Raten à 89,25 €) in Höhe von insgesamt
2.856,00 €.
6
Durch Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil vom 22.02.2010 ist der Beklagte verurteilt worden,
an die Klägerin den Betrag in Höhe von 5.533,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2009 zu zahlen.
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Die Klägerin behauptet, ein wirksamer Widerruf des Beitritts liege nicht vor. So habe
bereits keine Haustürsituation zum Gesellschaftsbeitritt geführt. Ausweislich des
Gesprächsprotokolls (Anlage K 4) sei der Vermittler der Beteiligung dem Beklagten von
einem Bekannten empfohlen worden. Daher sei davon auszugehen, dass sich der
Beklagte an diesen Vermittler gewandt habe. Darüber hinaus sei eine voll umfängliche
Aufklärung über die Risiken des Gesellschaftsbeitritts erfolgt, was der Beklagte auch
selber durch seine Unterschrift auf dem Gesprächsprotokoll bestätigt hat.
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Darüber hinaus sei ein etwaiger Widerruf auch zu spät erfolgt. Die in der
Beitrittserklärung vorhandene Widerrufsbelehrung sei zutreffend. Über eine Pflicht zur
Rückgewähr der von der Beklagten erbrachten Leistungen sei nicht aufzuklären, da eine
solche Pflicht deshalb nicht existiere, da der Gesellschaftsvertrag als wirksam zu
behandeln sei, wenn er in Vollzug gesetzt worden sei. Eine arglistige Täuschung durch
den Vermittler der Beteiligung im Rahmen des Anlagegesprächs liege ebenfalls nicht
vor.
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Die Klägerin beantragt nunmehr,
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das Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil vom 22.02.2010 für vorbehaltlos
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zu erklären,
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den Beklagten zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen
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Rechtsverfolgung der Klägerin mit einem Gesamtbetrag in Höhe von
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546,69 € zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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das Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil vom 22.02.2010 aufzuheben
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und die Klage abzuweisen.
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Widerklagend beantragt der Beklagte,
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1.)
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festzustellen, dass das Gesellschaftsverhältnis zwischen den Parteien
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beendet ist;
22
2.)
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die Klägerin zu verurteilen, den Beklagten von Verpflichtungen aus
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der Beitrittserklärung vom 25.09.2006 freizustellen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Der Beklagte behauptet, er sei am 25.09.2006 von einem Bekannten bei sich zu Hause
aufgesucht worden. Der Bekannte habe ihm wenige Tage zuvor angerufen und erklärt,
dass er eine gute Versicherung für ihn habe und ihn gefragt habe, ob er vorbeikommen
könne. Dies habe er bejaht. Während des Anlagegesprächs sei er nicht darüber
aufgeklärt worden, dass er Gesellschafter der Klägerin mit den damit bestehenden
Risiken, insbesondere dem Haftungsrisiko und dem Risiko des Totalverlustes, werde.
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Der Beklagte ist der Ansicht, er habe seinen Beitritt wirksam widerrufen. Die
Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft, da nur auf die Pflichten des zum Widerruf
Berechtigten hingewiesen worden sei, nicht auf dessen Rechte.
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Darüber hinaus ist der Beklagte der Ansicht, ihm stehe auch ein Recht zur fristlosen
Kündigung zu, da ihm die Beteiligung als Versicherung verkauft worden sei und daher
eine arglistige Täuschung vorliege. Eine Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften
Gesellschaft komme deshalb nicht in Betracht, weil der Gesellschaftsbeitritt des
Beklagten noch nicht in Vollzug gesetzt worden sei. Darüber hinaus stehe ihm ein
Leistungsverweigerungsrecht zu, weil er durch Täuschung zum Beitritt veranlasst
worden sei und die Erfüllung der Einlagepflicht dem Täuschenden zugute kommen
würde. Zudem beruft sich der Beklagte auf Verwirkung, da er im Jahr 2009 nicht mehr
mit der dann überraschend erfolgten Klage habe rechnen müssen. Zudem habe er, von
der Klage überrascht, bei der Klägerin angerufen. Dort habe man ihm mitgeteilt, dass
seine Beteiligung beendet sei.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil vom 22.02.2010 war aufzuheben. Denn die
zulässige Klage ist nicht begründet.
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Der Klägerin steht kein Anspruch gegen den Beklagten gem. § 705 BGB in Verbindung
mit der Beitrittserklärung vom 25.09.2006 (mehr) zu.
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Mit Beitritt vom 25.09.2006 hat sich der Beklagte dazu verpflichtet, eine Einmaleinlage in
Höhe von 2.677,50 € inklusive Agio zum 15.10.2006 an die Klägerin zu erbringen.
Diese Einmaleinlage hat der Beklagte unstreitig nicht geleistet.
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Weiter hat sich der Beklagte mit Beitrittserklärung vom 25.09.2006 dazu verpflichtet, ab
dem 15.10.2006 monatliche Raten in Höhe von 89,25 € zu zahlen. Dieser Verpflichtung
ist der Beklagte unstreitig nur für die Monate Oktober 2006, November 2006, Dezember
2006 und Januar 2007 nachgekommen.
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Der Beklagte hat seinen Beitritt zur Klägerin jedoch wirksam widerrufen.
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Insofern kann dahinstehen, ob bereits im Dezember 2006 ein wirksamer Widerruf erfolgt
ist. Unstreitig ist im Dezember 2006 ein Schreiben bei der Klägerin bzw. bei der insoweit
ausweislich der Beitrittserklärung vom 25.09.2006 empfangsbevollmächtigten SECI mit
dem Inhalt eingegangen, dass sich der Beklagte von dem Vertrag lösen will. Das
Schreiben liegt dem Gericht jedoch nicht vor. Insoweit ist zweifelhaft, ob der Inhalt
dieses Schreibens den Anforderungen an einen Widerruf gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB
genügt. Zwar genügt eine Äußerung, aus der sich ergibt, dass der Verbraucher den
Vertrag nicht mehr gelten lassen will (vgl. BGH NJW 1993, 128, Palandt-Grüneberg, 69.
Aufl., § 355 RandNr. 6 mit weiteren Nachweisen), so dass insbesondere dann, wenn
wie hier der Beklagte als Verbraucher selbst die Erklärung abgegeben hat, mit der das
Rechtsverhältnis gestaltet werden sollte, eine Auslegung des unstreitig in dem
Schreiben von Dezember 2006 bekundeten Willen zur Beendigung des Vertrags
dahingehend, dass ein Widerruf im Sinne des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB gemeint ist, in
Betracht kommt.
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Demgegenüber erfolgte das Schreiben jedoch zu einem Zeitpunkt, in dem die Klägerin
als Empfängerin der Willenserklärung nicht mehr davon ausgehen musste, dass der
Beitritt widerrufen wird. Die Erklärung konnte von der Klägerin vielmehr auch als
Kündigung des Vertrages aufgefasst werden, zumal der Beklagte bis zum diesem
Zeitpunkt – und auch darüber hinaus – zunächst monatliche Raten geleistet hat. Dass
die Klägerin bzw. die S die Erklärung in diesem Sinne aufgefasst hat, ergibt sich auch
aus dem von dem Beklagten vorgelegten Schreiben der SECI vom 18.02.2008 (Anlage
B1). Insoweit vermag das Gericht ohne konkrete Kenntnis vom Inhalt des Schreibens
aus Dezember 2006 nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die darin offenbar
enthaltene Willenserklärung zur Beendigung des Vertrages als Widerruf im Sinne des §
355 Abs. 1 S. 2 BGB auszulegen ist.
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Allerdings hat der Beklagte durch seine Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom
17.11.2009 ausdrücklich den Widerruf des Beitrittes erklärt.
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Der Widerruf ist auch wirksam. Dem Beklagten stand ein Widerrufsrecht gem. § 312
Abs. 1 Nr. 1 BGB zu. Denn das Gericht geht davon aus, dass bei Abschluss der
Beitrittserklärung eine Haustürsituation vorlag. Voraussetzung für das Vorliegen einer
Haustürsituation im Sinne des § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist der Abschluss eines Vertrags
mit einem Unternehmer über eine entgeltliche Leistung durch mündliche Verhandlung
im Bereich der Privatwohnung des Beklagten. Diese Voraussetzungen liegen vor. Zwar
ist der Beitritt zu einer Gesellschaft kein Vertrag über eine entgeltliche Leistung im
engeren Sinne. Wenn der Zweck des Beitritts aber wie hier nicht vorrangig darin
besteht, Mitglied der Gesellschaft zu werden, sondern vielmehr der Kapitalanlage dient,
ist der Beitrittsvertrag einem entgeltlichen Vertrag zumindest gleichzustellen (vgl. BGH
NJW-RR 2005, 181 mit weiteren Nachweisen).
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Das Widerrufsrecht ist auch nicht gem. § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Ein
solcher Ausschluss liegt dann vor, wenn die Verhandlungen auf vorherige Bestellung
des Verbrauchers geführt worden sind. Insoweit trägt die Klägerin selber nicht vor, dass
eine solche vorherige Bestellung des Beklagten erfolgt ist. Allein aus dem Umstand,
dass sich aus dem Gesprächsprotokoll ergibt, dass dem Beklagten der Anlagevermittler
empfohlen worden ist, lässt sich noch nicht der Schluss ziehen, dass eine vorherige
Bestellung durch den Beklagten erfolgt ist. Der Vortrag der Klägerin, nachdem davon
auszugehen sei, dass eine solche vorherige Bestellung vorliegt, reicht angesichts der
substantiierten Behauptung des Beklagten, der Bekannte sei nach vorheriger
telefonischer Ankündigung zu ihm gekommen, nicht aus. Auch der Umstand, dass sich
der Vermittler zuvor telefonisch angekündigt hat, führt nicht dazu, eine vorherige
Bestellung durch den Beklagten anzunehmen.
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Der Widerruf ist auch rechtzeitig im Sinne der §§ 312 Abs. 1 Nr. 1, 355 Abs. 1 S. 2 Abs.
2 BGB erfolgt. Grundsätzlich beträgt die Frist zum Widerruf zwei Wochen. Die Frist
beginnt jedoch erst mit Mitteilung einer deutlich gestalteten Belehrung über das
Widerrufsrecht zu laufen. Insoweit genügt die in der Beitrittserklärung enthaltene
Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 BGB nach Auffassung des Gerichts
nicht. In dem Abschnitt "Widerruf bei bereits empfangener Leistung" im Rahmen der
Widerrufsbelehrung wird allein auf die Verpflichtung des Beitretenden hingewiesen,
seinerseits von der Klägerin erhaltene Leistungen zurückzugewähren, nicht aber darauf,
was mit den Leistungen geschieht, die der Beklagte der Klägerin gewährt hat. Der
Schutz des Verbrauchers erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche
und aus dem Verständnis des Verbrauchers eindeutige Erklärung (vgl. BGH NJW 2007,
1946). Eine diesen Anforderungen genügende Erklärung über die Rechtsfolgen kann
sich nicht darauf beschränken, allein die Verpflichtungen des Widerrufenden
wiederzugeben; eine vollständige Belehrung muss sich auch auf die wesentlichen
Rechte des Widerrufenden erstrecken (vgl. BGH, a.a.O.). Dies ist schon deshalb
notwendig, damit der Widerrufende die Tragweite seiner Entscheidung einzuschätzen
vermag. Insoweit bedarf es ohne weiteres einer Belehrung des Widerrufsberechtigten
darüber, was mit den von ihm dem Unternehmer gewährten Leistungen geschieht, d.h.
in welcher Form sie zurückgewährt bzw. abgerechnet werden. Eine solche Regelung ist
hier um so mehr unabdingbar, als nach der Konzeption die wesentliche Leistung
(insbesondere die "Einmaleinlage") zunächst von dem Beklagten an die Klägerin
erfolgt, bevor bestimmte Rückläufe in Form von Leistungen der Klägerin an den
Beklagten überhaupt möglich sind.
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Im Rahmen der Widerrufserklärung werden umfangreiche Belehrungen dazu gegeben,
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wie Leistungen der Klägerin an den Beklagten im Falle des Widerrufs
zurückzugewähren sind. Solche Leistungen kommen jedoch – wie oben ausgeführt –
erst in einer späteren Phase der Gesellschaft überhaupt in Betracht. Das Schicksal der
gerade in der Anfangsphase deutlich höheren Leistungen an die Klägerin ist aber der
Umstand, der für den Beitrittswilligen regelmäßig von entscheidender Bedeutung ist.
Allein die allgemeine Formulierung, wonach mit dem Widerruf die Beteiligung an der
Klägerin nicht wirksam zustande kommt, besagt gerade nichts über das Schicksal der
beträchtlichen Leistungen aus, die die Klägerin vereinnahmt haben kann.
Für die Anforderungen an den Inhalt der Widerrufsbelehrung ist auch nicht
entscheidend, ob im konkreten Fall auf die Rechtsprechung des BGH zur Abwicklung
fehlerhafter Gesellschaften zurückzugreifen ist. Denn ausschlaggebend ist
ausschließlich, dass die Belehrung in der Form, in der sie gewählt worden ist, eine
einseitige Darstellung der Rechte und Pflichten enthält, die den Erfordernissen an eine
wirksame Widerrufsbelehrung nicht standhält, weil sie sich über wesentliche Rechte des
Beitretenden schlicht ausschweigt, seine Verpflichtung im Abschnitt "Widerruf bei
bereits erhaltener Leistung" aber detailliert behandelt. Diese unausgewogene
Belehrung mag im Einzelfall wegen der verbleibenden Unsicherheiten über das
Schicksal seiner eigenen Leistungen dazu geeignet sein, den Beitretenden von der
Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 22.07.2009, 27
U 5/09).
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Der Widerruf des Beklagten ist mithin schon deshalb rechtzeitig, weil die
Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen des § 355 BGB nicht genügt und
damit unwirksam ist mit der Folge, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann.
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Der wirksame Widerruf führt in den Fällen des Gesellschaftsbeitritts dazu, dass der
Widerruf wie eine außerordentliche Kündigung behandelt wird mit der Folge, dass die
Abwicklung dann nach den Grundsätzen der gekündigten fehlerhaften Gesellschaft
erfolgt (vgl. BGH NJW 2003, 2821 mit weiteren Nachweisen). Danach wird ein
fehlerhafter Beitritt eines Gesellschafters in eine Gesellschaft zum Schutz der übrigen
Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger als wirksam angesehen und lässt sich
nicht mit Wirkung ex tunc beseitigen. Damit besteht die Verpflichtung des
Gesellschafters zur Leistung der Einlage nur bis zum Wirksamwerden des Widerrufs fort.
Danach tritt an die Stelle der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben im
Zeitpunkt des Ausscheidens. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft finden hier
Anwendung. Die Gesellschaft ist durch die Zahlung der Raten durch den Beklagten in
den Monaten Oktober 2006 bis Januar 2007 im Verhältnis zwischen den Parteien in
Vollzug gesetzt worden. Insoweit steht der Invollzugsetzung der Gesellschaft nach
Auffassung des Gerichts nicht entgegen, dass nicht sämtliche Beiträge und die
Einmalzahlung geleistet worden sind.
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Auch ist die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nach der
Entscheidung des EuGH vom 15.04.2010 nicht im Hinblick auf Art. 5 der Richtlinie
85/577 EWG vom 20.12.1995 ausgeschlossen (vgl. EuGH, Urteil vom 15.04.2010, C-
215/08).
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Dementsprechend kann der Widerrufende grundsätzlich seine Mitgliedschaft durch ein
ex nunc wirkendes Austrittsrecht beenden und erhält in diesem Fall – Zug um Zug
gegen Übertragung seiner Beteiligung – ein Auseinandersetzungsguthaben ausgezahlt.
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Insoweit kann dahinstehen, ob der Beklagte bei Unterzeichnung der Beitrittserklärung
durch den Vermittler hinsichtlich des Charakters und der Risiken der Beteiligung
getäuscht worden ist. Nach Auffassung des Gerichts hat der Beklagte eine solche
arglistige Täuschung bereits nicht substantiiert vorgetragen. Darüber hinaus finden die
Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch dann Anwendung, wenn ein Beitritt
durch arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB motiviert worden ist.
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Nach alledem steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung der Einmaleinlage und der
ausstehenden Raten nicht mehr zu. Denn mit Wirksamwerden des Widerrufes kann die
Klägerin die ausstehenden Einlagen nicht mehr separat verlangen. Es besteht vielmehr
lediglich noch ein Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben (vgl. OLG Köln,
a.a.O.).
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Mangels eines Anspruches in der Hauptsache, steht der Klägerin auch kein Anspruch
auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus dem Gesichtspunkt des Verzuges
zu.
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Auf die Widerklage des Beklagten war festzustellen, dass das
Gesellschaftsvertragsverhältnis zwischen den Parteien beendet ist.
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Das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Beklagten ergibt sich
bereits daraus, dass die Klägerin davon ausgeht, dass ein Gesellschaftsverhältnis
zwischen den Parteien besteht, aus dem sie Rechte herleiten will.
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Da der Beklagte wirksam den Widerruf zum Gesellschaftsbeitritt erklärt hat, ergibt sich
daraus zwanglos, dass das Gesellschaftsvertragsverhältnisses zwischen den Parteien
beendet ist.
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Demgegenüber besteht kein Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin auf
Freistellung von den Verbindlichkeiten aus der Beitrittserklärung vom 25.09.2006.
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Zwar bestehen – wie ausgeführt – mit Wirksamwerden des Widerrufes keine Ansprüche
der Klägerin auf Zahlung der monatlichen Raten oder der Einmaleinlage mehr. Darüber
hinaus kommt jedoch aufgrund des Widerrufes des Gesellschaftsbeitritts eine
Inanspruchnahme im Rahmen der Auseinandersetzung der Gesellschaft in Betracht.
Aufgrund des weit gefassten Antrages wäre der Beklagte dann auch von solchen
Ansprüchen der Klägerin freizustellen. Ein derartiger Anspruch auf Freistellung besteht
aber gerade nicht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die ausgeurteilte Kostenquote
erscheint wegen des teilweisen Obsiegens und Unterliegens beider Parteien im
Hinblick auf die insoweit unterschiedlichen Streitwerte angemessen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.
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