Urteil des LG Detmold vom 06.10.2008
LG Detmold: heizung, haushalt, unterhalt, miete, pauschalbetrag, erwerbstätigkeit, wohnung, anschluss, arbeitsstelle, zwangsvollstreckung
Landgericht Detmold, 3 T 136/08
Datum:
06.10.2008
Gericht:
Landgericht Detmold
Spruchkörper:
Beschwerdekammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 T 136/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Lemgo, 14a M 986/06
Schlagworte:
Erhöhung; unpfändbarer Teil; Arbeitseinkommen; Unterhaltsgläubiger
Normen:
ZPO § 850d; ZPO § 850g S. 1
Leitsätze:
Dem erwerbstätigen Schuldner ist bei der Bemessung des
pnpfändbaren Teils seines Arbeitseinkommens gegen einem
Unterhaltsgläubiger ein pauschaler Erhöhungsbetrag von 40 % des
Regelbetrages ohne konkreten Nachweis zuzubilligen.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der pfand-
freie Betrag auf monatlich 818,90 € festgesetzt wird.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert
von 2.484,-- € tragen die Gläubigerin und der Schuldner je zur Hälfte.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
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Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 793 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache
teilweise Erfolg.
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Zu Recht hat das Amtsgericht auf den Antrag der Gläubigerin vom 12.02.2008, gestützt
auf § 850 g S. 1 ZPO in Verbindung mit § 850 d Abs. 1 und 2 ZPO in der seit dem
01.01.2008 gültigen Fassung seinen Beschluss vom 17.01.2007 abgeändert. Denn mit
dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007
(BGBl I 2007, S. 3189) zum 01.01.2008 haben sich die Voraussetzungen für die
Bemessung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners geändert.
Indes beläuft sich der unpfändbare notwendige Unterhalt, der dem Schuldner verbleiben
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muss, nicht auf 714,31 €, sondern auf 818,90 € und errechnet sich wie folgt:
- Regelsatz für einen Alleinstehenden, § 28 SGB XII
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in Verbindung mit § 1 Regelsatzverordnung NW in
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der Fassung vom 10.06.2008 351,00 €
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- Zuschlag für Erwerbstätigkeit in Höhe von 40 v.H.
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des Regelsatzes, § 82 Abs. 3 S. 1 SGB XII 140,40 €
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- angemessene Kosten für Unterkunft, § 29 Abs. 1 S. 1
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SGB XII 277,50 €
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- angemessene Kosten für Heizung, § 29 Abs. 3 SGB XII 50,00 €
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818,90 €
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Was dem Schuldner nach § 850 d Abs. 1 S. 2 ZPO als unpfändbarer notwendiger
Unterhalt verbleiben muss, wenn – wie hier – wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche
die Zwangsvollstreckung gegen ihn betrieben wird, bestimmt sich ausschließlich nach
sozialhilferechtlichen Vorschriften, seit dem 01.01.2005 also nach den Vorschriften im 3.
und 11. Kapitel des SGB XII. Den Vorschriften im 2. Abschnitt des 3. Kapitels des SGB II
kommt dagegen im Hinblick auf § 850 d Abs. 1 S. 2 ZPO keine Bedeutung zu (so BGH,
NJW-RR 2008, S. 733).
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Bei der Bemessung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners ist
hier der Regelsatz für einen Alleinstehenden in Höhe von 351,-- € zugrunde zu legen.
Der Schuldner kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine
Ehefrau und deren Kind mit in seinem Haushalt leben. Zwar schuldet er auch seiner
Ehefrau Unterhalt. Dies kann der Schuldner aber der Gläubigerin nicht länger
entgegenhalten. Denn seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des
Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 zum 01.01.2008 sind die Unterhaltsansprüche seiner
Ehefrau gegenüber denjenigen der Gläubigerin – sie ist eine minderjährige
unverheiratete Tochter des Schuldners – nachrangig (vgl. § 850 d Abs. 1 S. 2, Abs. 2
ZPO in Verbindung mit § 1609 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BGB). Dem Kind seiner Ehefrau ist der
Schuldner ohnehin nicht zum Unterhalt verpflichtet.
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Dieser Betrag ist um 40 v.H. zu erhöhen, da der Schuldner erwerbstätig ist. Mit dem
Landgericht Stuttgart (vgl. FamRZ 2005, S. 1103 ff.) hält es die Kammer für geboten,
erwerbstätigen Schuldnern auch ohne konkreten Nachweis bei der Berechnung des
fiktiven Sozialhilfebedarfs einen Pauschalbetrag für den mit der Erwerbstätigkeit
verbundenen Mehraufwand zuzubilligen. Befindet sich die Arbeitsstelle – wie hier – vom
Wohnort des Schuldners aus betrachtet in einem Umkreis von 50 km, dann hält die
Kammer insoweit einen Pauschalbetrag von 40 v.H. des Regelsatzes für angemessen.
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Bei der Berechnung des fiktiven Sozialhilfebedarfs des jeweiligen Schuldners sind
grundsätzlich auch dessen tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu
berücksichtigen, soweit diese angemessen sind (§ 29 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB XII). Lebt
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der Schuldner – wie hier - mit Personen in einem Haushalt zusammen, die im Verhältnis
zum betreibenden Gläubiger nur nachrangige Unterhaltsansprüche oder gar keine
Unterhaltsansprüche gegen ihn haben, dann erscheint es der Kammer nicht
sachgerecht, die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung – wie in der
angefochtenen Entscheidung geschehen – durch die Kopfzahl der im Haushalt
lebenden Personen zu teilen. Denn diese Vorgehensweise benachteiligt die Schuldner,
die mit weiteren Personen in einem Haushalt zusammen leben, gegenüber
alleinstehenden Schuldnern. Aus diesem Grunde erscheint es der Kammer angezeigt,
in derartigen Fallgestaltungen bei der Berechnung des fiktiven Sozialhilfebedarfs des
Schuldners die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen,
die anzusetzen wären, lebte er tatsächlich allein in einem Haushalt. Eine
Orientierungshilfe und einen Anhaltspunkt für die nach sozialhilferechtlichen
Gesichtspunkten allenfalls noch angemessene Miete sieht die Kammer im Anschluss an
die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Köln (vgl. Rechtspfleger 1999, S. 548) und
Frankfurt (vgl. NJW-RR 2000, S. 220 (S. 222)) in den Bestimmungen des
Wohngeldgesetzes. Dabei ist auf die nach § 8 Abs. 1 WoGG im mittleren Bereich
liegenden Kosten abzustellen (ebenso: LG Kassel, JurBüro 2005, S. 379 ff.). An diesem
Maßstab gemessen ist im vorliegenden Fall allenfalls eine Miete von 277,50 €
((265,-- € + 290,-- €) : 2) angemessen, zumal der Wohnort des Schuldners der Mietstufe
2 angehört (vgl. dazu die Anlage zu § 1 Abs. 4 WoGG). Die Kosten der Heizung einer für
einen Alleinstehenden angemessenen kleinen Wohnung schätzt die Kammer im
Übrigen auf 50,-- € im Monat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung, noch erfordern hier die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§
574 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 S. 1 ZPO).
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