Urteil des LG Detmold vom 20.03.2006

LG Detmold: vertrag mit schutzwirkung zugunsten dritter, haftung aus vertrag, treu und glauben, anzahlung, treuhandverhältnis, kaufpreis, geschäftsführer, auszahlung, zustellung, sorgfalt

Landgericht Detmold, 1 O 452/05
Datum:
20.03.2006
Gericht:
Landgericht Detmold
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 452/05
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) 11.924,00 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen
Basiszinssatz seit dem 22.09.2005 sowie Rechtsverfolgungskosten von
419,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz seit dem 10.11.2005 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin zu 2) 6.475,00 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen
Basiszinssatz seit dem 22.09.2005 sowie Rechtsverfolgungskosten von
305,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz seit dem 10.11.2005 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreites werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
1
Die Kläger verlangen von der Beklagten die Rückzahlung an sie geleisteter
Kaufpreisanzahlungen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Anfang des Jahres 2004 erfuhr Herr H und die Klägerin zu 2) durch den Zeugen u dem
Angebot der Fa. D GmbH, die den Verkauf von Kraftfahrzeugen zu einem Preis von 58%
des Bruttolistenpreises offerierte. Voraussetzung hierfür war die Clubmitgliedschaft, die
gegen Zahlung einer einmaligen Aufnahmegebühr in Höhe von 50,00 € und eines
Jahresbeitrages in Höhe von 200,00 € erworben werden konnte, sowie eine Anzahlung
in Höhe von 20% des Kaufpreises, gemäß des Formulars "Bankverbindungen Kfz"
entweder direkt auf ein Konto der Fa. D GmbH oder - gegen eine Gebühr in Höhe von
50,00 € - auf ein von der Beklagten geführtes Konto.
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Auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Formulare "Technischer Ablauf
von der Clubmitgliedschaft bis zur Fahrzeugübergabe" und "Pkw, Lkw, Wohnmobile
usw." bestellten der Zeuge H und die Klägerin zu 2) am 19.04.04 einen Pkw VW zu
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einem Kaufpreis von 34.579,60 € bzw. einen Pkw zu einem Kaufpreis von 18.777,50 €.
Am 23.04.04 überwies der Zeuge H die Anzahlung sowohl für seinen Pkw als auch den
der Klägerin zu 2) nebst der Gebühren, insgesamt 18.449,00 € auf das Konto der
Beklagten.
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Nachdem die bestellten Pkws in der Folgezeit nicht ausgeliefert wurden, wurde die
Beklagte mehrfach vergeblich, letztmalig mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23.05.05
unter Fristsetzung bis zum 02.06.05 aufgefordert, die an sie geleistete Anzahlung
zurückzuzahlen. Dies lehnte die Beklagte jedoch unter dem 24.05.05 ab.
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Am 04.06.05 teilte die Fa. D GmbH Herrn H und der Klägerin zu 2) mit, dass die Firma
mangels Masse aufgelöst worden sei und bot verschiedene Abwicklungsmöglichkeiten
des Kaufvertrages an.
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Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 07.09.05 wurde der Fa. D GmbH eine
Nachfrist zur Erfüllung des Vertrages bis zum 19.09.05 gesetzt und zudem die
Anfechtung der Kaufverträge wegen arglistiger Täuschung erklärt.
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Mit Schreiben vom 25.09.05 bot die Fa. D GmbH Herrn H und der Klägerin an, 50% der
Anzahlung zu erstatten, falls im Gegenzug im Wege einer Aufhebungsvereinbarung
erklärt werde, dass wechselseitige Ansprüche nicht mehr bestünden.
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Am 28.09.05 trat Herr H seine Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger zu 1) ab.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 05.10.05 wurden die Rücktritte von den jeweiligen
Kaufverträgen erklärt.
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Mit der vorliegenden Klage werden nunmehr die an die Beklagte geleisteten
Anzahlungen sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten des Herrn H und der
Klägerin zu 2) in Höhe von 419,80 € bzw. 305,95 € geltend gemacht.
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Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte hafte ihnen sowohl aus ihrer Tätigkeit als
Notarin als auch aus ihrer Tätigkeit als Treuhänderin, zumindest aber bestehe eine
Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter:
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Die Kläger behaupten, Anfang Januar 2004 habe der damalige Geschäftsführer der Fa.
D GmbH, der Zeuge T2, dem Zeugen u versichert, dass es sich bei dem Konto bei der
Beklagten um ein Treuhandkonto handele. Es bestehe eine Vereinbarung zwischen der
Fa. D GmbH und der Beklagten dahingehend, dass die Auszahlung der
Kaufpreisanzahlungen erst nach Nachweis der Lieferung des Fahrzeuges und der
Übergabe des Kfz-Briefes erfolge.
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Im März 2004 habe die Beklagte dem Zeugen u auf telefonische Nachfrage auch
persönlich bestätigt, dass die Einzahlungen so lange auf dem Konto verblieben, bis sie
eine Bestätigung der Fa. D GmbH und des jeweiligen Kunden habe, dass das Fahrzeug
ausgeliefert und die Papiere übergeben seien. Dieses habe die Beklagte sinngemäß
auch gegenüber dem Geschäftsführer der Fa. D GmbH, dem Zeugen T5, und deren
Mitarbeiter erklärt.
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Die Beklagte habe ein entsprechendes Musterschreiben für die Kunden aufgesetzt, die
von der Fa. D GmbH verwendeten Formulare habe die Beklagte ausdrücklich gebilligt.
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Schließlich habe die Beklagte auch Herrn H auf telefonische Nachfrage am 14.04.04
versichert, dass seine bzw. die Anzahlung der Klägerin zu 2) sicher sei und bei
Nichtlieferung bzw. nicht fristgerechter Lieferung zurücküberwiesen werde.
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Die Kläger beantragen,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 11.924,00 € nebst 5% Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 22.09.2005 sowie Rechtsverfolgungskosten von
419,80 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu
zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) 6.475,00 € nebst 5% Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 22.09.2005 sowie Rechtsverfolgungskosten von
305,95 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu
zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, ein notarielles oder anwaltliches Treuhandverhältnis mit
Herrn H bzw. der Klägerin zu 2) habe nicht bestanden. Auch entfalte das mit der Fa. D
GmbH bestehende Vertragsverhältnis keine Schutzwirkung zugunsten des Herrn H bzw.
der Klägerin zu 2):
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Die Beklagte behauptet, bei dem am 03.02.04 bei der Volksbank E eröffnetem Konto
habe es sich lediglich um ein für die Fa. D geführtes Rechtsanwaltskonto gehandelt. Sie
habe dementsprechend weder gegenüber dem Zeugen T2 noch gegenüber den Zeugen
T5, T 4 oder u erklärt, dass die Auszahlungen an die Fa. D GmbH erst erfolge, falls der
Nachweis der Übergabe des Fahrzeuges und der Papiere erbracht worden sei.
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Ein Musterschreiben für die Kunden der Fa. D GmbH habe sie nicht aufgesetzt, sie habe
nur in Einzelfällen Treuhandvereinbarungen mit den Kunden der Fa. D GmbH getroffen.
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Die Anzahlung des Zedenten und der Klägerin zu 2) habe sie an die Fa. D GmbH
ausgezahlt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Klagen sind der Beklagten am 09.11.05 zugestellt worden.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
29
I.
30
Die Kläger haben gegen die Beklagte in dem ausgeurteilten Umfang aus abgetretenen
(§ 398 BGB) bzw. eigenem Recht einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs.I
BGB, da die Beklagte die ihr aus den Treuhandverträgen mit Herrn H bzw. der Klägerin
zu 2) obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt hat. Ob darüber hinaus weitere
vertragliche oder deliktische Ansprüche bestehen, bedarf der Entscheidungen daneben
nicht.
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1.
32
Insoweit kann weiterhin dahin stehen, ob die Beklagte in ihrer Funktion als Notarin tätig
geworden ist oder ob zwischen den Parteien eine unmittelbare Vereinbarung im Sinne
eines Treuhandvertrages geschlossen wurde, denn jedenfalls ist zwischen den Parteien
konkludent ein Treuhandverhältnis begründet worden.
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Ein Treuhandvertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden, wenn das
Verhalten des Treugebers bei der Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
nach Treu und Glauben dahin zu verstehen war, dass das überlassene Geld nur in einer
seinen Sicherungsinteressen entsprechenden Weise weiterzuleiten war und das
nachfolgende Verhalten des Treunehmers – anschließende Entgegennahme des
Geldes – als Annahme des Auftrages gedeutet werden konnte [vgl. BGH NJW 2004,
3630].
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Nach diesen Grundsätzen ist nach den Gesamtumständen des zu beurteilenden
Lebenssachverhaltes zwischen den Parteien konkludent ein Treuhandverhältnis
begründet worden.
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Für die Kunden der Fa. D GmbH bestand nicht nur aufgrund des ungewöhnlichen hohen
Fahrzeugrabattes von 42%, der schon für sich allein gesehen Anlass zu Bedenken
gegen die Seriosität des Geschäftes geben musste, sondern auch wegen der
Vorleistungspflicht auf den Kaufpreis ein nicht zu verkennendes, objektives
Sicherungsbedürfnis. Vor diesem Hintergrund wurde durch die Involvierung der
Beklagten ein besonderer Vertrauentatbestand nicht nur in das Kaufgeschäft, sondern
auch die Beklagte selbst begründet. Es wurde aus Sicht der Kunden durch die
wahlweise gebührenpflichtige Zahlung auf ein Konto der Beklagten eine Möglichkeit zur
besonderen Sicherung der Anzahlung gerade in Bezug und auf Richtung der
Kaufinteressenten in Aussicht gestellt. Etwaige Bedenken der Kunden gegen eine
Direktzahlung an die Fa. D GmbH wurden damit ausgeschaltet.
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Diesen durch die Fa. D GmbH geschaffenen Vertrauenstatbestand muss sich die
Beklagte zurechnen lassen, denn sie hat sich für dieses Unterfangung zur Verfügung
gestellt. Dabei musste sie aber damit rechnen, dass die Kunden erhebliches Vertrauen
in ihre unabhängige Person als Notarin bzw. Rechtsanwältin setzten. Die Beklagte
durfte sich nicht der Erkenntnis verschließen, dass insbesondere durch die Verwendung
von Begriffen wie "Anwaltskonto", "Anderkonto" oder sogar ausdrücklich
"Treuhandkonto" der Eindruck entstand, dass es sich bei ihrer Einschaltung um ein
besonderes Sicherungsinstrument handelte, das eine Y um Y Leistung gewährleistete.
Andernfalls hätte aus Sicht der Kunden die Zahlung auf ein Konto der Beklagten –
verbunden mit einer zusätzlichen Gebühr – auch keinen T6 gemacht, es hätte dann
ebensogut direkt an die Fa. D GmbH geleistet werden können. Dass die Beklagte eine
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Treuhanderwartung zugunsten der Kunden zurechenbar zumindest geduldet hat, ergibt
sich schließlich auch daraus, das sie – zumindest – das von der Fa. D GmbH den
Kunden vorgelegte Bestell- und Abwicklungsformular "Pkw, Lkw, Wohnmobil usw."
nicht nur gekannt, sondern auch ausdrücklich gebilligt hat. Dabei kommt es nicht darauf
an, ob dieses Formular auch im streitgegenständlichen Fall zugrunde gelegt wurde.
Aufgrund der somit nach außen hin erklärten Sicherung der Anzahlungen ist es
unmaßgeblich, dass die Beklagte selbst ein Treuhandverhältnis weder angenommen
noch gewollt hat oder sich die Fa. D GmbH möglicherweise entgegen der internen
Vereinbarung insofern abredewidrig verhalten hat.
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Vor dem Hintergrund ihrer Geschäftsbeziehung zu der Fa. D GmbH und unter
Berücksichtigung der von der ihr gebilligten Vertragsunterlagen sowie ihre Kenntnis von
den Modalitäten der Kaufvertragsabwicklung zwischen der Fa. D GmbH und deren
Kunden, konnte die Beklagte die Überweisungen auf das von ihr geführte Konto damit
nur dahin verstehen, dass die Kunden die Anzahlung auch in ihrem Sinne
treuhändlerisch von der Beklagten verwaltet wissen wollten. Selbst wenn daher die
Überweisung als solche nicht auf eine erwartete Treuhand hinwies, hätte die Beklagte
daher zumindest darauf hinweisen müssen, dass sie nur eine Treuhandfunktion für die
Fa. D GmbH übernommen hatte und sich hierauf auch im konkreten Fall beschränken
wollte [vgl. OLG C2 OLGR 2000, 64]. Mangels eines solchen Hinweises aber konnte der
jeweilige Kunde die Entgegennahme des Geldes dann nur als Annahme seines
Treuhandauftrages verstehen.
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Im übrigen wird auf das Urteil des OLG I vom 16.Februar 2006 – Aktenzeichen 28 U
173/05 – verwiesen. Das Gericht macht sich die dortige Argumentation zueigen und
nimmt hierauf Bezug.
40
2.
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Die ihr aus dem Treuhandverhältnis gegenüber Herrn H und der Klägerin zu 2)
obliegenden Pflichten hat die Beklagte dadurch verletzt, dass sie nach ihrem eigenen
Vortrag die Anzahlungen von Herrn H und der Klägerin zu 2) ohne Bestätigung der
Lieferung oder entsprechende Weisung des Kunden an die Fa. D GmbH weiterleitete.
42
3.
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Insoweit handelte die Beklagte auch schuldhaft, zumindest fahrlässig. Bei Beachtung
der im Verkehr erforderlich Sorgfalt hätte die Auszahlung der Kundengelder an die Fa. D
GmbH unterbleiben müssen. Den ihr gemäß § 280 Abs.I S.2 BGB obliegenden
Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt.
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4.
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Die von der Beklagten zu vertretenden Pflichtverletzungen gegenüber Herrn H bzw. der
Klägerin zu 2) begründen für die Kläger einen Schadensersatzanspruch, der sich auf
alle unmittelbaren und mittelbaren Nachteile des schädigenden Verhaltens erstreckt.
Die Kläger haben somit gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe
der an sie geleisteten Anzahlung, mithin in Höhe von 11.924,00 € bzw. 6.475,00 €.
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II.
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Die Kläger haben gegen die Beklagte darüber hinaus gemäß §§ 280 Abs.II, 286 Abs.I
BGB einen Anspruch auf hälftigen Ersatz der ihnen vorgerichtlich entstandenen
Anwaltskosten in Form der Geschäftsgebühr, da diese gemäß Vorbemerkung 3 Abs.IV
S.1 VV RVG nur zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr im gerichtlichen Verfahren
angerechnet wird. Insoweit besteht ein Schadensersatzanspruch in Höhe von weiteren
419,80 € bzw. 305,95 €.
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III.
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Die ausgeurteilten Zinsen sind aus §§ 286 Abs.I, 288 Abs.I, 291 BGB begründet.
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IV.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs.I S.1, 709 ZPO.
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