Urteil des LG Darmstadt vom 14.07.2008

LG Darmstadt: beratung, stadt, erwerb, zessionar, tennishalle, grundstück, anwaltskosten, pachtvertrag, zwangsversteigerung, aufnehmen

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Gericht:
OLG Frankfurt 22.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
22 U 5/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 280 Abs 1 BGB, § 675 Abs 1
BGB
Rechtsanwaltshaftung: Vermutung beratungskonformen
Verhaltens bei mehreren Handlungsalternativen
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Darmstadt vom 09.11.2005 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 37.778,08 € sowie 280,08 €
vorgerichtliche Anwaltskosten, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 17.05.2005 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird
zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger ¾ und der
Beklagte ¼ zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweiligen
Gegenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der die Vollstreckung
Betreibende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrags leistet.
Das Urteil beschwert beide Parteien mit mehr als 20.000,-- €.
Gründe
I. Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren Regressansprüche gegen den
Beklagten wegen behaupteter Pflichtverletzungen aus anwaltlicher Tätigkeit des
Beklagten geltend.
Der Beklagte war in den Jahren 2001 bis 2004 für den Kläger tätig. Dieser war
bereits geraume Zeit vor der Mandatierung des Beklagten mit der Errichtung eines
Sportzentrums in O1 befasst, in dem insbesondere eine Tennishalle und
Tennisfreiplätze betrieben werden sollten. Die Tennishalle befand sich auf einem
Grundstück, für das ein Erbbaurecht einer aus fünf Personen bestehenden
Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestand. Die A-Bank betrieb die
Zwangsversteigerung bezüglich dieses Erbbaurechts. Der Kläger schloss mit ihr
am 20.09.1999 (noch ohne die anwaltliche Beratung des Beklagten) einen von
seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten konzipierten notariellen
„Ausbietungsvertrag“ (Anlage K 1 zur Klageschrift vom 08.04.2005, Bl. 17 ff d. A.),
in dessen §§ 5 und 6 Regelungen über Zahlungsverpflichtungen und -modalitäten
enthalten waren. Auf die Vertragsurkunde wird wegen deren Einzelheiten Bezug
genommen.
Der Kläger zahlte in der Zwangsversteigerung einen Betrag von 1 Million DM und in
der Folgezeit weitere 250.000,-- DM gemäß § 5 Nr. 2 des Ausbietungsvertrags an
die A-Bank. Er wurde am 02.03.2000 als Erbbauberechtigter bezüglich des
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die A-Bank. Er wurde am 02.03.2000 als Erbbauberechtigter bezüglich des
Grundstücks, auf dem die Tennishalle stand, eingetragen.
Die weiteren mit dem Verbleib der Tennisfreiplätze zusammenhängenden Beträge
von insgesamt 250.000,-- DM gemäß § 5 Nr. 1 und § 6 Nr. 1 des
Ausbietungsvertrags zahlte der Kläger zunächst nicht. Er wurde deshalb von B, der
aus abgetretenem Recht der A-Bank vorging, im Verfahren B ./. C (4 O 444/02
Landgericht Darmstadt = 22 U 98/03 Oberlandesgericht Frankfurt), dessen Akten
im vorliegenden Verfahren beigezogen waren, in Anspruch genommen. Ihn vertrat
der Beklagte als Prozessbevollmächtigter. während sein jetziger
Prozessbevollmächtigter für die gegnerische Partei, B, tätig war. Das in diesem
Verfahren ergangene Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 10.04.2003, durch
das der hiesige Kläger verurteilt wurde, an B 127.822,97 € nebst Zinsen zu zahlen,
wurde durch Beschluss des Senats gemäß § 522 II ZPO vom 09.09.2004 bestätigt
und damit rechtskräftig. Der Kläger zahlte daraufhin die Urteilssumme nebst
Zinsen und Kosten an B. Die Gesamtsumme bildet – nebst vorgerichtlicher
Anwaltskosten – die hiesige Klageforderung. Bezüglich der Freiplätze schloss der
Kläger am 29.05.2001 einen Pachtvertrag mit der Stadt O1, auf den Bezug
genommen wird (Anlage K 6 zur Klageschrift vom 08.04.2005, Bl. 28 f. d. A.). Dem
vorausgegangen war u. a. eine Besprechung am 19.02.2001 im Rathaus der Stadt
O1, zu der der Beklagte den Kläger begleitet hatte, und über deren Verlauf es eine
Gesprächsnotiz (Anlage K 3 zur Klageschrift vom 08.04.2005) des Assessors D,
der die Gesprächsbeteiligte E (jetzt: F) begleitete, gibt, auf die verwiesen wird.
Einen förmlichen an die Stadt O1 gerichteten Antrag auf Einräumung des
Erbbaurechts an dem fraglichen Grundstück hatte der Kläger damals und hat ihn
bis heute nicht gestellt.
Der Kläger hat die Rechtsansicht vertreten, der Beklagte habe seine ihm
gegenüber bestehenden anwaltlichen Pflichten in zweifacher Hinsicht verletzt,
wodurch seine – des Klägers - Verurteilung im Verfahren 4 O 444/02 bewirkt
worden sei: Zum einen habe der Beklagte ihm nicht geraten, einen - vermutlich
erfolglosen - förmlichen Antrag auf Einräumung des Erbbaurechts an die Stadt O1
zu richten; zum anderen habe er im Verfahren 4 O 444/02 in erster Instanz nicht
hinreichend und rechtzeitig vorgetragen, was er in zweiter Instanz wegen § 531
ZPO nicht mehr erfolgreich habe nachholen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien
und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils sowie die vor dem Landgericht gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Landgericht in seinem am 09.11.2005 verkündeten Urteil, auf dessen Inhalt
verwiesen wird, hat der Klage aus positiver Vertragsverletzung des Anwaltsvertrags
stattgegeben und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Pflichtverletzung der
falschen Beratung sei kausal für einen Schaden des Klägers. Dieser Schaden
müsse darin gesehen werden, dass der Kläger nach rechtskräftigem Abschluss
des Verfahrens 4 O 444/02 250.000,-- DM zahlen musste, ohne die mit derselben
Summe zu bewertende Gegenleistung, nämlich die Einräumung des Erbbaurechts,
zu erhalten. Auf die Frage, inwieweit verspäteter Vortrag des Beklagten im
Verfahren 4 O 444/02 zum Prozessverlust beigetragen hatte, käme es daher nicht
mehr an.
Gegen das ihm am 27.12.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am
09.01.2006 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel
nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.03.2006 mit am
15.03.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Beklagte, der das Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt, trägt unter
Bezugnahme auf eine von ihm nach der Beratung des Klägers und seines Vaters
am 06.02.2001 gefertigte Aktennotiz (Anlage B 2 zur Klageerwiderung vom
09.06.2005, Bl. 121 d. A.) und eine am 25.02.2003 ihm vom Kläger zugefaxte
Zusammenstellung (Anlage B 3 zur Klageerwiderung vom 09.06.2005, Bl. 122 ff d.
A.) vor, er habe es dem Kläger gegenüber keinesfalls als sicher dargestellt, dass
die Zahlung der 250.000,-- DM gemäß §§ 5 und 6 des Ausbietungsvertrags vom
20.09.1999 bei Anpachtung der Freiplätze zu vermeiden sei.
Weiterhin sei nicht klar, wie der Kläger sich entschieden hätte, wenn der Beklagte
ihm den nach der jetzt vom Kläger vertretenen Ansicht richtigen Rat der
förmlichen Beantragung des Erbbaurechts damals gegeben hätte, da es dem
Kläger und seinem Vater zentral um eine zeitnahe Nutzungsmöglichkeit der
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Kläger und seinem Vater zentral um eine zeitnahe Nutzungsmöglichkeit der
Freiplätze noch in der Saison 2001 gegangen sei. Es habe jedenfalls mehrere
Handlungsalternativen für den Kläger gegeben, so dass eine Vermutung
beratungskonformen Handelns nicht eingreifen könne. Zudem sei der Schaden
vom Landgericht offensichtlich unzutreffend und auch für die Parteien
überraschend ermittelt worden: die 250.000,-- DM, die an die A-Bank zu zahlen
waren, seien keinesfalls der Wert des Erbbaurechts, sondern das Erbbaurecht
hätte zusätzlich zu dieser Zahlung vom Berechtigten erworben werden müssen.
Die Nutzungsmöglichkeiten des Klägers aufgrund des Pachtvertrags entsprächen
denjenigen, die bei Einräumung eines Erbbaurechts gegeben gewesen wären. Mit
nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 03.07.2008 (dort S. 2, Bl. 269 d. A.)
behauptet der Beklagte, der Kläger hätte einen Kredit aufnehmen und Zinsen
zahlen müssen, wenn ihm der Beklagte von der Durchführung des Prozesses 4 O
444/02 abgeraten hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Beklagten
wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 15.03.2006 (Bl. 21 ff d. A.), 08.08.2006 (Bl.
242 ff d. A.) und 03.07.2008 (Bl. 268 ff d. A.) Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils der Landgerichts Darmstadt vom 09.11.2005 die
Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er behauptet unter Benennung
seines Vaters als Zeugen, dass er vom Beklagten nicht darauf hingewiesen
worden sei, dass er den Antrag auf Erbbaurecht hätte stellen können und er sich –
falls ein solcher Hinweis erteilt worden wäre – beratungskonform verhalten hätte.
Weiterhin vertritt der Kläger die Ansicht, die in § 5 des Ausbietungsvertrags vom
20.09.1999 gewählte Formulierung „wenn der Erwerber das im Grundbuch des
Amtsgerichts O2 von O1 bezeichnete Erbbaugrundstück Band ... Blatt ... zur
Inhaberschaft erwirbt, und zwar ohne Übernahme irgendwelcher Rechte in Abt. II
und III mit Ausnahme solcher Rechte in Abt. II, die sich auf das Erbbaurecht
beziehen“ könne nur so verstanden werden, dass Zahlungsvoraussetzung der
Erwerb des Erbbaurechts und nicht auch der Erwerb der Nutzungsmöglichkeiten
bezüglich der Freiplätze aufgrund eines Pachtvertrags gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Klägers
wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 29.05.2006 (Bl. 224 ff d. A.) und
04.07.2008 (Bl. 276 ff d. A.) Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat am 10.06.2008 hat der Kläger auf Befragen erklärt, er habe bislang
keinen Antrag auf Einräumung des Erbbaurechts gestellt und könne nichts dazu
sagen, ob er einen solchen Antrag noch stellen wolle. Auf das Terminsprotokoll
vom 10.06.2008 (Bl. 264 ff d. A.) wird verwiesen.
II. Die zulässige Berufung ist zum überwiegenden Teil begründet.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der von
ihm im Oktober 2004 aufgrund des im Verfahren 4 O 444/02 ergangenen
rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Darmstadt gezahlten Urteilssumme von
127.822,97 € (entsprechend 250.000,-- DM). Die Verurteilung des Klägers im
genannten Verfahren entspricht auch nach der Auffassung des jetzt
entscheidenden Senats der materiellen Rechtslage und war nicht die Folge einer
Pflichtverletzung des Beklagten.
Zunächst ist festzustellen, dass der Ausbietungsvertrag vom 20.09.1999 in
seinem § 5 nicht eindeutig und lückenlos regelt, unter welchen Voraussetzungen
der Kläger zur Zahlung der in den §§ 5 und 6 genannten Beträge von insgesamt
250.000,-- DM verpflichtet sein sollte. Der Senat hält an seiner mit den Parteien in
der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2008 diskutierten Auslegung des
Ausbietungsvertrags, nach der es auf die tatsächliche Nutzung beider
Grundstücke ankommt, fest.
Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Benennung des „Erbbaugrundstücks“
mit Band- und Blattzahl des Erbbaurechtsgrundbuchs sowie der Hinweis auf die
mangelnde Übernahme irgendwelcher Rechte in Abt. II und III darauf hindeutet,
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mangelnde Übernahme irgendwelcher Rechte in Abt. II und III darauf hindeutet,
dass der Erwerb des Erbbaurechts Zahlungsvoraussetzung sein sollte.
Andererseits ist dies nicht so eindeutig formuliert, wie es von einem unter
anwaltlicher Beratung zustande gekommenen notariellen Vertrag zu erwarten
wäre, sondern die Regelung kann ohne weiteres auch anders verstanden werden:
Die Verwendung des Ausdrucks „Erbbaugrundstück … zur Inhaberschaft“ legt bei
wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Abstellen auf die tatsächliche Inhaberschaft,
also den Besitz am Grundstück, nahe. Diesen hat der Kläger aufgrund des
Pachtvertrags mit der Stadt O1 erlangt. Damit war die faktische
Nutzungsmöglichkeit in gleicher Weise wie beim Erwerb des Erbbaurechts
gegeben. Das wirtschaftlich erstrebte Ziel, das Hallen- und das
Freiplätzegrundstück gleichzeitig nutzen und bewirtschaften zu können, war
erreicht. Die laufenden finanziellen Belastungen des Klägers waren durch die
gleiche Höhe von Pacht- und Erbbauzinsen identisch. Darauf hatte der
Klägervertreter als Vertreter des Klägers B in seiner Klageschrift vom 09.09.2002
(dort S. 6) im Verfahren 4 O 444/02 selbst hingewiesen, also die nunmehr von ihm
bekämpfte Auslegung des Ausbietungsvertrags vertreten. Es war auch entgegen
der vom Kläger im Schriftsatz vom 04.07.2008 geäußerten Ansicht nicht
wirtschaftlich verfehlt, 200.000,-- DM für die faktische Nutzungsmöglichkeit
bezüglich des Freiplätzegrundstücks aufzuwenden. Der Pachtvertrag enthielt über
die zunächst vereinbarte Vertragsdauer von 5 Jahren hinaus eine
Verlängerungsoption für weitere fünf Jahre. Wie der Kläger mehrfach ausgeführt
hat, war die gemeinschaftliche Verwendung beider Grundstücke sein erklärtes Ziel,
von dem er sich ein insgesamt wirtschaftlich erfolgreiches Engagement versprach.
Auch ist das Freiplätzegrundstück, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung
dargelegt hat, für ihn deutlich besser verwendbar als für den benachbarten
Tennisverein, so dass nichts dafür spricht, dass das Pachtverhältnis nicht auch in
Zukunft fortgesetzt werden wird.
Selbst wenn man aber der Auslegung des Vertrags durch den Kläger im Schriftsatz
vom 04.07.2008 folgen wollte, stünde nicht mit der für eine Verurteilung des
Beklagten erforderlichen Sicherheit fest, dass ein Beratungsfehler des Beklagten
für die Belastung des Klägers mit der Verpflichtung, 250.000,-- DM an die A-Bank
bzw. an den Zessionar B zu zahlen, kausal geworden wäre.
Der Rechtsanwalt ist seinem Mandanten gegenüber zu umfassender und
möglichst erschöpfender Beratung verpflichtet (BGHZ 171, 261 ff). Zwar muss der
Mandant in seinen Angelegenheiten eigenverantwortlich die Weichenstellungen
vornehmen; jedoch muss der Rechtsanwalt ihn dazu mit allen notwendigen
Informationen über die Rechtslage und die Folgen möglicher
Entscheidungsvarianten ausstatten.
Im vorliegenden Fall hätte der Beklagte – die Richtigkeit der Auslegung des
Ausbietungsvertrags durch den Klägervertreter einmal unterstellt - den Kläger
richtig dahingehend beraten müssen, dass auch bei Abschluss eines
Pachtvertrags die in den §§ 5,6 des Ausbietungsvertrags genannte mit der
Nutzungsmöglichkeit des Freiplätzegrundstücks zusammenhängende Summe von
insgesamt 250.000,-- DM zu bezahlen war.
Dem Kläger hätten nach einer derartigen Information durch den Beklagten
mehrere Reaktionsmöglichkeiten und Handlungsalternativen zur Verfügung
gestanden, wie sie der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 14.06.2005 (dort S. 5,
Bl. 130 d. A.) darlegt. Wenn objektiv mehrere Verhaltensweisen denkbar und nicht
gänzlich unwahrscheinlich sind, gilt die Vermutung beratungskonformen
Verhaltens nicht (vgl. Palandt-Heinrichs, § 280 Rdn. 39, 66 a), so dass der Kläger
beweispflichtig dafür ist, welche Handlungsalternative er gewählt hätte. Er hat
sowohl in erster Instanz (Schriftsatz vom 13.09.2005, dort S. 2, Bl. 166 d. A.) wie
auch in der Berufungserwiderung vom 29.05.2006 (dort S. 3, Bl. 226 d. A.) seinen
Vater als Zeugen dafür angeboten, dass er für jeden Rat des Beklagten offen und
keinesfalls bereits fest in der Wahl seiner Vorgehensweise war. Unterstellt man,
dass das vom Kläger behauptete Beweisergebnis erzielt werden könnte, ist es
jedoch nicht ausreichend, um die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und
Schaden feststellen zu können: Die einzige Alternative, bei der die Summe von
250.000,-- DM nicht zu zahlen gewesen wäre, wäre diejenige gewesen, dass der
Kläger einen förmlichen Antrag auf Einräumung des Erbbaurechts bei der Stadt O1
gestellt hätte, und dass dieser Antrag dann förmlich abgelehnt worden wäre. Nur
in diesem Fall hätte der Kläger, wie es der Ausbietungsvertrag in § 5 a. E. forderte,
alles unternommen und nichts unterlassen, was der in § 5 Nr. 1 des
Ausbietungsvertrags formulierten Zielsetzung förderlich war. Der Vorwurf, er habe
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Ausbietungsvertrags formulierten Zielsetzung förderlich war. Der Vorwurf, er habe
den Bedingungseintritt vereitelt (§ 162 I BGB), hätte in diesem Falle nicht erhoben
werden können.
Ob der Kläger aber in der damaligen Situation diese Handlungsalternative gewählt
hätte, ist fraglich und nicht hinreichend unter Beweis gestellt, da er, wie aus seiner
als Anlage B 3 überreichten Aufstellung (dort S. 3, Bl. 124 d. A.) hervorgeht, der
schnellen Nutzungsmöglichkeit bezüglich der Freiplätze noch in der Saison 2001
große Priorität einräumte und wegen des späten Tagens („erst acht Wochen
später“, a.a.O.) der für die Entscheidung über die Einräumung eines Erbbaurechts
zuständigen Stadtverordnetenversammlung Zweifel an der Zweckmäßigkeit eines
solchen Antrags hatte. Fraglich ist weiterhin, ob sich die
Stadtverordnetenversammlung tatsächlich gegen eine Einräumung des
Erbbaurechts an den Kläger ausgesprochen hätte. Zwar hatte der Bürgermeister
der Stadt O1 in seinem Schreiben vom 13.12.2001 an die A-Bank (Anlage K 25 zur
Klageschrift vom 08.04.2005, Bl. 98 d. A.) ausgeführt, der Magistrat habe sich
gegen eine Vergabe des Grundstücks in Form eines Erbbaurechtes
ausgesprochen; jedoch ist weder sicher, ob die Stadtverordnetenversammlung
einer entsprechenden Magistratsvorlage zugestimmt hätte, noch ob der Kläger im
Frühjahr/Sommer 2001 von dieser Haltung des Magistrats Kenntnis hatte.
Es ist daher nicht sicher und mit den angebotenen Beweismitteln nicht beweisbar,
dass der Kläger bei umfassender Beratung durch den Beklagten den Antrag auf
Einräumung des Erbbaurechts an die Stadtverordnetenversammlung gestellt
hätte und dieser Antrag abgelehnt worden wäre. Es steht damit – selbst bei
Unterstellung der vom Kläger vertretenen Auslegung des Ausbietungsvertrags –
nicht fest, dass der Kläger bei umfassender Beratung durch den Beklagten die
Zahlung der Verurteilungssumme im Verfahren 4 O 444/02 hätte vermeiden
können.
Ein Schaden des Klägers in Höhe von 250.000,-- DM kann entgegen der Ansicht
des Landgerichts nicht darin gesehen werden, dass der Kläger 250.000,-- DM an
den Zessionar zahlen musste, ohne im Gegenzug das Erbbaurecht zu erhalten.
Der Wert des Erbbaurechts kann nämlich entgegen der im angefochtenen Urteil
vertretenen, jedoch nicht näher begründeten Auffassung nicht mit 250.000,-- DM
angenommen werden. Hierauf hatte der Beklagte bereits erstinstanzlich mit
Schriftsatz vom 31.10.2005 (Bl. 178 f. d. A.) und nochmals in der
Berufungsbegründung vom 15.03.2006 (dort S. 9 ff, Bl. 219 ff d. A.) hingewiesen,
so dass ein weiterer rechtlicher Hinweis des Senats auf diesen rechtlichen
Gesichtspunkt, der nur im Rahmen der Hilfserwägungen bei Unterstellen der
Richtigkeit der klägerischen Vertragsauslegung zum Tragen kommt, nicht
erforderlich war. Dass der Schaden nicht so, wie es das Landgericht getan hat,
begründet werden kann, folgt schon daraus, dass Zahlungsempfänger bezüglich
der 250.000,-- DM die A-Bank als Vertragspartnerin des Ausbietungsvertrags bzw.
der Zessionar war, während Inhaber des Erbbaurechts zunächst die später in
Insolvenz geratene Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der Frau F beteiligt war,
und nach dem Heimfall des Erbbaurechts die Stadt O1 war. Von diesen Inhabern
hätte das Erbbaurecht zu unbekannten Konditionen neu und zusätzlich zu den
Zahlungen an die A-Bank bzw. der Zessionar erworben werden müssen. Zu der
Frage, welchen Wert das Erbbaurecht als solches hatte, sind im gesamten
Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, so dass auch keine ausreichende
Tatsachengrundlage für die Einholung eines Sachverständigengutachtens besteht.
Dem Senat stehen auch keine Anhaltspunkte für die Schätzung einer
Wertdifferenz zwischen den beiden Rechtspositionen „Erbbaurecht“ einerseits und
„Pachtvertrag“ andererseits zur Verfügung. Die faktische Nutzungsmöglichkeit für
den Kläger ist in beiden Fällen gleich hoch, ebenso die Höhe der jährlich zu
entrichtenden Gegenleistungen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, dass der Kläger, wenn er dies wünscht, nicht die weitere Verlängerung
des Pachtverhältnisses über das Jahr 2011 hinaus erreichen könnte. Ein
bezifferbarer Schaden kann mithin in diesem Punkte nicht festgestellt werden.
2. Ein kausal auf der Pflichtverletzung unzureichender Beratung beruhender
Schaden liegt jedoch in der Belastung mit Prozesskosten und Prozesszinsen.
Dieser Schaden ist vom Beklagten zu ersetzen, was zu einer Verurteilung in der im
Tenor genannten Höhe führt.
Hätte der Beklagte den Kläger zutreffend dahingehend beraten, dass die Zahlung
der hier in Rede stehenden 250.000,-- DM auch bei Abschluss eines Pachtvertrags
bezüglich des Freiplätzegrundstücks geleistet werden müsse, hätte der Beklagte
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bezüglich des Freiplätzegrundstücks geleistet werden müsse, hätte der Beklagte
sich entsprechend der hier einschlägigen Vermutung beratungskonformen
Verhaltens bei Existenz nur einer vernünftigen Handlungsmöglichkeit nicht
verklagen lassen, sondern vorprozessual gezahlt. Ihm wären dann weder
Prozesskosten in Höhe von 18.673,19 € (vgl. die Aufstellung in der Klageschrift
vom 08.04.2005, dort S. 13, Bl. 13 der Akten – 3. bis 8. Position) noch die am
14.10.2004 an den Kläger des Verfahrens 4 O 444/02 gezahlten Prozesszinsen in
Höhe von 19.104,89 € entstanden. Die Summe beider Posten ergibt den im Tenor
genannten Betrag.
Der neue Vortrag des Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom
03.07.2008, der Kläger hätte in diesem Falle einen Kredit aufnehmen und hierfür
Zinsen in nicht genannter Höhe zahlen müssen, bleibt gemäß §§ 525, 296 a ZPO
unberücksichtigt und bietet keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung gemäß §§ 525, 156 ZPO.
Die unrichtige Rechtsauskunft des Beklagten ist ihm entgegen seiner im
Schriftsatz vom 03.07.2008 geäußerten Rechtsansicht auch vorzuwerfen. Der
Rechtsanwalt hat grundsätzlich jeden Rechtsirrtum zu vertreten (vgl. Palandt-
Heinrichs, § 280 Rdn. 68 m.w.N.).
Der Beklagte hat die von ihm vertretene unzutreffende Rechtsansicht im
gesamten Verfahren 4 O 444/02 = 22 U 98/03 durchgängig vorgetragen. Dass er
im Innenverhältnis zu seinem Mandanten, dem Kläger anders – nämlich in dem
Sinne, dass die Richtigkeit seiner Ansicht durchaus zweifelhaft sei – beraten hätte,
hätte der Beklagte substantiiert darlegen und unter Beweis stellen müssen. Dies
ist nicht geschehen. Der Inhalt der internen Aktennotiz des Beklagten vom
07.02.2001 (Anlage B 2 zur Klageerwiderung vom 09.06.2005, Bl. 121 d. A.), in der
der Beklagte Zweifel äußert, reicht hierfür nicht aus, da diese Aktennotiz nichts
darüber aussagt, wie der Beklagte sich dem Kläger gegenüber geäußert hat. Sein
zeitlich etwas späteres Schreiben an den Kläger vom 27.02.2001 (Anlage K 2 zur
Klageschrift vom 08.04.2005, Bl. 23 d. A.) lässt nämlich irgendwelche Zweifel an
der Richtigkeit der vom Beklagten geäußerten Rechtsauffassung nicht erkennen,
sondern stellt sie ohne Einschränkung als richtig dar („.. nicht fällig“, „… nicht
gleichwertig“, „…keine Umgehung“). Die am 25.02.2003 vom Kläger gefaxte
Zusammenstellung (Anlage B3 zur Klageerwiderung vom 09.06.2005, Blatt 122 ff.
d. A.) hat wegen der großen zeitlichen Differenz keinen Aussagewert bezüglich der
Kenntnisse des Klägers wie im soweit entscheidenden Jahr 2001.
3. Es kann in dem vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, ob eine weitere
Pflichtverletzung des Beklagten darin liegt, erst nach Schluss der mündlichen
Verhandlung und damit gemäß § 296 a ZPO unbeachtlich beim Landgericht und
gemäß § 531 II ZPO unbeachtlich beim Oberlandesgericht u. a. zur „Chronologie
der Ereignisse“ (vgl. S. 4 ff des Schriftsatzes vom 03.03.2003, Bl. 76 ff der
Beiakten 4 O 444/02), auch eingereicht als Anlage K 19 a zur Klageschrift vom
08.04.2005, Bl. 64 ff d. A.) vorgetragen zu haben. Denn es ist auch nach
Einführung des gesamten Streitstoffes in den vorliegenden Rechtsstreit
festzustellen, dass der Kläger eben nicht „alles“ unternommen hat, um das Ziel
der Erlangung des Erbbaurechts zu erreichen. Er hat nämlich, wie oben bereits
gesagt, insbesondere bis heute keinen förmlichen Antrag auf Einräumung dieses
Rechts an die Stadtverordnetenversammlung gestellt. Durch rechtzeitigen Vortrag
im Verfahren 4 O 444/02 wäre eine Verurteilung des hiesigen Klägers mithin nicht
zu verhindern gewesen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO und berücksichtigt das
beiderseitige Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Die Entscheidung bezüglich
der als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten folgt
der gerichtlichen Kostenentscheidung.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die
gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat
weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts.
Die Angabe der Beschwer erfolgte im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO i. d. F. des Art.
9 des 2. JuMoG vom 22.12.2006.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.