Urteil des LG Darmstadt vom 24.09.2009

LG Darmstadt: unterbrechung der verjährung, unerlaubte handlung, verjährungsfrist, erlass, treuhänder, bindungswirkung, einfluss, unternehmen, feststellungsurteil, geldsumme

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Gericht:
OLG Frankfurt 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 31/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 209 Abs 2 Nr 1 BGB vom
25.08.1998, § 213 BGB vom
03.12.1976, § 823 Abs 2 S 1
BGB, § 852 Abs 1 BGB vom
16.08.1977, § 266a Abs 1
StGB
Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen
Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Leitsatz
(Keine weiteren Angaben)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts
Darmstadt vom 25.01.2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund
des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt mit ihrer am 16.08.2007 beim Landgericht Darmstadt
eingegangenen, der Beklagten am 29.08.2007 zugestellten Klage Feststellung,
dass die von ihr in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zur
Insolvenztabelle angemeldete Forderung in Höhe von 20.139,16 € aus einer von
der Beklagten vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stamme.
Die Beklagte war seit Mitte 1996 alleinige und alleinvertretungsberechtigte
Geschäftsführerin der Firma A GmbH mit Sitz in O1. Das Unternehmen kam im
ersten Halbjahr 1997 in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Am 1. März 1998 eröffnete
das Amtsgericht Mannheim das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH.
Acht Arbeitnehmer der GmbH waren u.a. im Zeitraum vom 1. Juli 1997 bis 30.
November 1997 bei der Klägerin sozialversichert. Die GmbH, vertreten durch die
Beklagte, zahlte diesen Arbeitnehmern in den Monaten Juli 1997 bis November
1997 jeweils zum Monatsende die Nettogehälter aus. Das Unternehmen behielt
die auf die Gehaltszahlungen entfallenden Sozialversicherungsbeiträge zwar ein,
führte sie für die Monate Juli, August und November 1997 aber nicht an die
Klägerin ab. Hierbei handelt es sich um einen Gesamtbetrag von 15.443,31 €
(30.204,49 DM). Die Beiträge waren gegenüber der Klägerin jeweils zum 15. des
Folgemonats, also zum 15.8., 15.9. und 15.12.1997 fällig.
Die Klägerin erwirkte wegen der Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte
aufgrund der Nichtabführung der in Rede stehenden Arbeitnehmeranteile zur
Sozialversicherung beim Amtsgericht Hamburg am 28. September 2000 einen
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Sozialversicherung beim Amtsgericht Hamburg am 28. September 2000 einen
rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid (Az. 00-0754878-0-1), Blatt 7 der Akte.
Neben der Hauptforderung sind durch den Vollstreckungsbescheid Kosten in Höhe
von 134,01 € (262,10 DM), Nebenforderungen in Höhe von 2,56 € (5,-- DM) sowie
Zinsen in Höhe von 8,42% aus 30.204,49 DM seit dem 7. Juli 2000 tituliert. Die
Hauptforderung ist in dem Vollstreckungsbescheid als "Schadensersatz gemäß §
823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 266 a, 14 StGB für die Zeit vom 1.7. 97 bis 31.8. 97 und
11/97" bezeichnet.
Am 16. Dezember 2004 wurde über das Vermögen der Beklagten durch das
Amtsgericht Darmstadt das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt RA1
zum Treuhänder bestellt. Die Klägerin meldete ihre Forderungen aus dem
Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hamburg vom 28. September 2000 bei
dem Treuhänder unter lfd. Nr.14 wie folgt zur Insolvenztabelle an: 15.443,31 €
Hauptforderung, 134,01 € Kosten, 2,56 € Nebenforderungen und 4.559,28 €
Zinsen vom 7.7. 2000 bis zum 15.12.2004, insgesamt 20.139,16 €. Bei der
Anmeldung gab die Klägerin an, dass es sich bei der Forderung um eine solche
aus einer von der Beklagten vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung
handle. Im Prüfungstermin erkannte der Treuhänder die Forderung dem Grunde
und der Höhe nach an. Die Beklagte widersprach der Forderung. Die Beklagte hat
im Insolvenzverfahren beantragt, ihr die Restschuldbefreiung zu erteilen. Die
Klägerin begehrt nunmehr die Feststellung, dass es sich bei der von ihr zur
Insolvenztabelle angemeldete Forderung um eine solche aus einer von der
Beklagten vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung handle.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die von der Beklagten erhobene
Verjährungseinrede unbegründet sei, weil die titulierten Ansprüche aus dem
Vollstreckungsbescheid vom 28. September 2000 erst nach Ablauf von 30 Jahren
verjähre. Unbeschadet dessen sei der Lauf der Verjährungsfrist durch die von der
Klägerin am 12. Mai 2006 vorgenommene Forderungsanmeldung zur
Insolvenztabelle gehemmt worden. Auch nach der eigenen Einlassung der
Beklagten stehe fest, dass sie bei der Nichtabführung der Arbeitnehmerbeiträge
zur Sozialversicherung vorsätzlich gehandelt habe. Die Beklagte sei verpflichtet
gewesen, durch besondere Maßnahmen unter Zurückstellung anderweitiger
Zahlungspflichten, notfalls sogar durch Kürzung der auszuzahlenden Gehälter, die
Fähigkeit zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge so weit wie möglich
sicherzustellen. Das bloße Hoffen auf Zahlungen Dritter und auf die Einhaltung von
Zahlungszusagen reiche hierfür nicht aus. Gegen diese Verpflichtung habe die
Beklagte auch nach ihrem Vortrag vorsätzlich verstoßen, indem sie nach ihrer
Darstellung dem Drängen der Arbeitnehmer nachgegeben und die Nettogehälter
in voller Höhe ausgezahlt habe, obwohl sie keine Maßnahmen zur Sicherstellung
der Abführung der Arbeitnehmerbeiträge ergriffen habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die von ihr im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten beim
Amtsgericht Darmstadt zum Az. 9 IK 533/04 unter der laufenden Nr.14 der
Insolvenztabelle angemeldete Forderung in Höhe von 20.139,16 € mit der
Maßgabe zur Insolvenztabelle festzustellen, dass es sich bei der Forderung um
eine solche aus einer von der Beklagten vorsätzlich begangenen unerlaubten
Handlung handelt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, ein Großkunde der GmbH habe noch Forderungen in einer
hohen sechsstelligen Größenordnung zu begleichen gehabt und zugesagt, bis
spätestens Mitte Dezember 1997 Zahlungen zu leisten. Im Vertrauen hierauf habe
sie die Auszahlung der Nettovergütung an die Mitarbeiter zugesagt. Sie hat die
Auffassung vertreten, dass sie daher bei der unterlassenen Abführung der
Sozialversicherungsabgaben nicht vorsätzlich gehandelt habe. Jedenfalls sei die
Klage aber hinsichtlich der kapitalisierten Zinsen unbegründet, weil es sich nicht
um eine Zinsforderung nach § 849 BGB, sondern um Verzugszinsen handele. In
diesem Fall nähmen Zinsen auch dann an der Restschuldbefreiung teil, wenn die
Hauptforderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe.
Die Beklagte hat ferner der Auffassung vertreten, dass der Klageanspruch verjährt
sei. Der Vollstreckungsbescheid habe das Bestehen eines
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sei. Der Vollstreckungsbescheid habe das Bestehen eines
Schadensersatzanspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten
Handlung nicht feststellen können. Er beinhalte lediglich die Aussage, dass der
Klägerin eine Forderung gegen die Beklagte in Höhe von 30.471,59 DM zuzüglich
Zinsen zustehe, treffe aber keine bindende Feststellung über die
Anspruchsgrundlage.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 25. Januar 2008, auf dessen Inhalt
ergänzend gemäß § 540 Abs.1 ZPO Bezug genommen wird, die Klage mit der
Begründung abgewiesen, dass der von der Klägerin geltend gemachte
Feststellungsanspruch verjährt sei. Durch den Antrag auf Erlass eines
Mahnbescheids und den darauf folgenden Erlass des Vollstreckungsbescheids vom
28. September 2009 sei die Verjährung nicht rechtzeitig gehemmt worden. Zwei
sei in dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hamburg ausdrücklich der
Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 a StGB genannt, so dass
die Beklagte durch die Bescheide den Vorwurf einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlungen gekannt habe. Die Klägerin habe für eine
Verjährungsunterbrechung dennoch eine Klage auf Feststellung, dass ihr ein
Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung in Höhe der nicht gezahlten
Arbeitnehmerbeiträge zustehe, erheben müssen, weil der Vollstreckungsbescheid
lediglich angebe, dass ein Anspruch in einer gewissen Höhe existiere, ohne dass
damit irgend eine rechtsverbindliche Aussage über den Hintergrund dieses
Zahlungsanspruchs getroffen worden sei. Der Schuldner könne sich auch in
diesem Stadium zulässigerweise mit der Einrede der Verjährung verteidigen, weil
der Anspruch dem Grunde nach erst jetzt geprüft werde.
Gegen das der Klägerin am 1. Februar 2008 zugestellte Urteil hat sie am 20.
Februar 2008 Berufung eingelegt und diese am 1. April 2008 begründet. Sie
verfolgt ihren Klageantrag aus der ersten Instanz in vollem Umfang weiter und rügt
die Verletzung materiellen Rechts durch das Landgericht. Sie ist nach wie vor der
Auffassung, dass der Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich des Anspruchs der
Klägerin auf Feststellung, dass der mit dem Vollstreckungsbescheid rechtskräftig
festgestellte Zahlungsanspruch auf einer von der Beklagten vorsätzlich
begangenen unerlaubten Handlung beruht, durch die Zustellung des
Mahnbescheids und später des Vollstreckungsbescheids gehemmt worden sei. §
204 BGB unterscheide hinsichtlich der Hemmungswirkung nicht zwischen dem
Leistungsanspruch und dem Rechtsgrund des Leistungsanspruchs. Es lasse sich
dem Gesetz auch kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber die
Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist hinsichtlich des Zahlungsanspruchs
anderen Regeln habe unterwerfen wollen als diejenige eines Anspruchs auf
Feststellung, dass ein Zahlungsanspruch auf einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung beruht. Der Schuldner sei dann, wenn - wie im vorliegenden
Fall - bereits im Vollstreckungsbescheid als Grund des Anspruchs eine vorsätzlich
begangene unerlaubte Handlung genannt werde, nicht schutzwürdig, weil er schon
bei der Zustellung des Mahnbescheids ohne weiteres erkennen könne, dass der
Gläubiger seinen Anspruch auf diese Norm stütze. Er sei hinreichend dadurch
geschützt, dass er tatsächliche und rechtliche Einwendungen in dem
Feststellungsrechtsstreit, in dem es um das Vorliegen der Voraussetzungen des
Straftatbestandes gehe, erheben könne.
Sie beantragt,
das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 25.01.2008 zu ändern und
entsprechend ihrem Klageantrag in der I. Instanz neu zu fassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht mit der Begründung abgewiesen, dass der
von der Klägerin verfolgte Feststellungsanspruch verjährt ist.
Der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch wegen der Vorenthaltung von
Sozialversicherungsbeiträgen unterlag bis zur Neuregelung der
Verjährungsvorschriften der Verjährungsfrist des § 852 Abs.1 BGB a.F.. Dies gilt
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Verjährungsvorschriften der Verjährungsfrist des § 852 Abs.1 BGB a.F.. Dies gilt
auch für den neben dem Zahlungsanspruch bestehenden Anspruch auf
Feststellung, dass es sich um eine Forderung aufgrund einer vorsätzlich
begangenen unerlaubten Handlung handle (BGH Beschluss vom 06.04.2006, IX ZR
240/04). Die Verjährung beginnt mit Kenntnis des Geschädigten vom Eintritt des
Schadens zumindest dem Grunde nach, von der eigenen Schadensbetroffenheit
und von der Person des Ersatzpflichtigen. Die Kenntnis ist vorhanden, wenn dem
Geschädigten zuzumuten ist, aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine
bestimmte Person eine Schadensersatzklage, zumindest als Feststellungsklage,
zu erheben, die bei verständiger Würdigung der von ihm vorgetragenen Tatsachen
Erfolgsaussichten hat (Palandt-Thomas, 60. Aufl., zu § 852 BGB a.F., Rdnr. 4). Im
vorliegenden Fall hatte die Klägerin seit 15.08., 15.09. und 15.12.1997 jeweils
Kenntnis davon, dass die Beklagte die Arbeitnehmeranteile nicht abführte.
Unerheblich ist, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten
erst am 16.12.2004 eröffnet wurde. Dies führt nicht dazu, dass die 3-jährige
Verjährungsfrist erst mit Kenntnis der Klägerin vom Insolvenzverfahren zu laufen
begonnen hätte, weil die Klägerin davor nicht sicher wissen konnte, dass sie ein
Feststellungsurteil benötigen würde, um die Restschuldbefreiung hinsichtlich des
ihr zustehenden Schadensersatzanspruches zu verhindern. Denn der Umstand,
dass es möglicherweise in Zukunft zu einem Insolvenzverfahren über das
Vermögen der Beklagten kommen würde, lag nicht außerhalb der
Lebenserfahrung. Hinzu kommt, dass die Feststellung des Haftungsgrundes aus
einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung auch für das Vollstreckungsprivileg des §
850 f Abs.2 ZPO erforderlich ist. Insbesondere angesichts der Höhe der vorliegend
in Streit stehenden Forderung und der Zahlungsunfähigkeit der GmbH, deren
alleinige Geschäftsführerin die Beklagte war, musste der Klägerin bewusst sein,
dass möglicherweise in Zukunft eine Zwangsvollstreckung durch Pfändung von
Arbeitseinkommen der Beklagten erforderlich sein würde.
Zwar ist im Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hamburg vom 28.09.2000
als Anspruchsgrund „Schadensersatz gem. § 823 Abs.2 BGB i.V.m. §§ 266a, 14
StGB …“ angegeben. Die Bezeichnung eines Anspruchs im
Vollstreckungsbescheid als Schadensersatz aus vorsätzlich begangener
unerlaubter Handlung entfaltet aber im späteren Prozess, mit dem der
Sozialversicherungsträger die Feststellung begehrt, dass ihm der im
Vollstreckungsbescheid titulierte Anspruch aufgrund einer von dem
Insolvenzschuldner vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zusteht, keine
Bindungswirkung. Der auf einem Mahnbescheid beruhende Vollstreckungsbescheid
ist nicht geeignet, die rechtliche Einordnung des in ihm geltend gemachten
Anspruchs festzulegen. Der Mahnbescheid beruht auf den einseitigen, vom Gericht
nicht materiell-rechtlich geprüften Angaben des Gläubigers. Das entspricht dem
Sinn und Zweck des Mahnverfahrens, das wegen eines Anspruchs auf Zahlung
einer bestimmten Geldsumme eingeleitet wird (§ 688 Abs. 1 ZPO) und dem
Gläubiger schnell und kostengünstig zu einem Vollstreckungstitel verhelfen soll.
Sofern der Gläubiger nicht nur vollstrecken, sondern weitergehend das
Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO in Anspruch nehmen oder die
Restschuldbefreiung nach § 302 Nr.1 InsO verhindern will, muss er ein
Feststellungsurteil erwirken, das im ordentlichen Verfahren ergeht und mindestens
eine Schlüssigkeitsprüfung durch einen Richter voraussetzt. Dass im
Vollstreckungsbescheid ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §
266a Abs. 1, § 14 StGB tituliert ist, ändert im Ergebnis nichts. Wird ein
Geschäftsführer persönlich wegen nicht an den Sozialversicherungsträger
abgeführter Arbeitnehmeranteile in Anspruch genommen, kommt zwar ein
anderer Rechtsgrund als derjenige einer vorsätzlich begangenen unerlaubten
Handlung nicht in Betracht. Für den Schuldner stellt sich im Mahnverfahren also
nicht die Frage, ob er Widerspruch oder Einspruch nur deshalb einlegen soll, um
eine Abänderung der rechtlichen Einordnung der Forderung zu erreichen. Die
Folgen, welche die Titulierung einer derartigen Forderung in einem späteren
Restschuldbefreiungsverfahren nach sich zieht, wird der Schuldner in der Regel
jedoch nicht überblicken. Für eine Belehrung nach § 175 Abs. 2 InsO besteht im
Mahnverfahren noch kein Anlass. Der Schuldner kann deshalb aus Nachlässigkeit
oder auch in der Erwartung eines ihm bevorstehenden Insolvenzverfahrens einen
Vollstreckungsbescheid rechtskräftig werden lassen, ohne dessen Folgen - die bei
Annahme einer Bindungswirkung wegen § 302 Nr. 1 InsO insoweit nicht eintretende
Restschuldbefreiung - zu überblicken. Ein Titel, der ohne eine richterliche
Schlüssigkeitsprüfung aufgrund einseitiger Angaben des Gläubigers ergangen ist,
vermag die weit reichenden Folgen des § 302 Nr. 1 InsO nicht zu rechtfertigen.
(BGH Urteil vom 18.05.2006, IX ZR 187/04; zu der Vorschrift des § 850f Abs. 2 ZPO
vgl. BGH Beschluss vom 05.04.2005, VII ZB 17/05).
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Wenn aber die nur auf der einseitigen Angabe des Gläubigers im
Mahnbescheidsantrag beruhende, ohne Vornahme einer materiell-rechtlichen
Prüfung erfolgte Bezeichnung des Schuldgrundes der unerlaubten Handlung im
Vollstreckungsbescheid keine Bindungswirkung entfaltet, dann hat das im Jahr
2000 durchgeführte Mahnverfahren und der Erlass des anschließend rechtskräftig
gewordenen Vollstreckungsbescheid auch auf den Lauf der Verjährung des der
Klägerin neben dem Zahlungsanspruch möglicherweise zustehenden
Feststellungsanspruchs keinen Einfluss. Hinzu kommt, dass Gegenstand des
Mahnverfahrens nach § 688 Abs.1 BGB nur ein auf Zahlung einer bestimmten
Geldsumme gerichteter Anspruch sein kann, nicht aber ein Feststellungsanspruch.
Darüber hinaus endete die durch die Einleitung des Mahnverfahrens im Jahr 2000
eingetretene Unterbrechung der Verjährung nach §§ 209 Abs.2 Nr.1, 213, 212a
BGB a.F. mit dem Erlass des rechtskräftigen Vollstreckungsbescheides am
28.09.2000. Für die titulierte Forderung gilt nunmehr die 30jährige Verjährungsfrist
des § 218 BGB a.F./ § 197 Abs.1 Nr.3 BGB n.F.. Durch den Vollstreckungsbescheid
ist aber nur die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des in dem Titel
ausgewiesenen Betrages rechtskräftig festgestellt, nicht auch die von der Klägerin
nunmehr begehrte Feststellung, dass es sich bei dem Zahlungsanspruch um
einen solchen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung der
Beklagten handelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen, weil die im
vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Frage, ob die Bezeichnung einer
Forderung als eine solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung
im Vollstreckungsbescheid Einfluss auf den Lauf der Verjährung des
Feststellungsanspruchs des Gläubigers hat, bislang höchstrichterlich noch nicht
entschieden ist (§ 546 Abs.2 Nr.2 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.