Urteil des LG Cottbus vom 24.07.2006

LG Cottbus: vorbereitung der verteidigung, verwaltungsbehörde, gebühr, akteneinsicht, entstehung, post, freispruch, fahrtkosten, link, sammlung

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Gericht:
LG Cottbus 4.
Beschwerdekammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 Qs 77/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 5115 RVG,
§ 14 Abs 1 S 1 RVG, § 14 Abs 1
S 3 RVG, § 17 OWiG, § 72 Abs 1
OWiG
Verteidigerkosten im Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren:
Gebührenansatz unterhalb der Mittelgebühr; zusätzliche
Verfahrensgebühr bei anwaltlicher Mitwirkung an einer
Beschlussentscheidung nach erstem Hauptverhandlungstermin
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde vom 24.07.2006 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss
des Amtsgerichts Cottbus 18.07.2006 werden die dem Beschwerdeführer aus der
Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen anderweitig, und zwar auf 1.106,06
Euro festgesetzt.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des
Beschwerdeführers tragen die Staatskasse zu 64 % und der Beschwerdeführer zu 36 %.
Der Beschwerdewert wird auf 458,60 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Durch Bußgeldbescheid vom 31.05.2005 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener
Ortschaften eine Geldbuße von 50,00 Euro verhängt. Zudem wurde die Eintragung eines
Punktes in das Verkehrszentralregister angeordnet.
Das Amtsgericht sprach den Beschwerdeführer nach Durchführung einer zehnminütigen
Hauptverhandlung und anschließender Einholung eines Sachverständigengutachtens zur
Personenidentifikation am 21.03.2006 im Beschlusswege frei und bestimmte, dass die
Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Landeskasse zur
Last fallen. Der Beschwerdeführer begehrte mit Antrag vom 05.04.2007 die Festsetzung
von 1.283,36 Euro.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 18.07.2005 wurden unter Kürzung der
Gebühren erstattungsfähige notwendige Auslagen des Beschwerdeführers in Höhe von
824,76 Euro festgesetzt. Im Einzelnen wurde wie folgt beantragt und festgesetzt:
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.07.2006 richtet sich die sofortige
Beschwerde vom 24.07.2005, beim Amtsgericht am selben Tage eingegangen.
Der Bezirksrevisor wurde gehört.
II.
Die gemäß § 464 b StPO, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthafte sofortige
Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden (§ 311 Abs. 2
StPO).
Sie ist teilweise begründet.
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Die von dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers vorgenommene Bemessung der
Rahmengebühren ist hinsichtlich der Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren unbillig
hoch und damit nicht verbindlich, § 14 Abs. 1 S. 3 RVG. Der Ansatz der Mittelgebühren
ist insoweit nicht zu rechtfertigen. Die Höhe der Gebühren bemisst sich nach den
Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG, somit nach der Bedeutung der Sache, dem Umfang
der Tätigkeit, der Schwierigkeit der Angelegenheit in rechtlicher und tatsächlicher
Hinsicht, den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Mandanten und einem
etwaigen besonderen Haftungsrisiko.
Die Kammer geht, auch nach Inkrafttreten des RVG, in ständiger Rechtsprechung davon
aus, dass in Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten, die bis auf die
verhängte Geldbuße für den Betroffenen keine weiteren Auswirkungen haben, die
Gebühr in aller Regel unterhalb der Mittelgebühr anzusiedeln ist. Die gegen den
Beschwerdeführer verhängte Geldbuße von 50,00 Euro bewegt sich im unteren Drittel
des nach § 17 OWiG eröffneten Rahmens von 5,00 bis 1000,00 Euro. Der Umstand, dass
zusätzlich die Eintragung von 1 Punkt in das Verkehrszentralregister drohte, führt nicht
dazu, eine auch nur durchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit zu begründen. Die
weiteren Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG, insbesondere der Umfang der Tätigkeit, die
tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten und die Vermögensverhältnisse des
Mandanten führen zu keiner anderen Bewertung.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist als unterdurchschnittlich zu beurteilen.
Die Sache wies keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf, da allein die
Frage zu klären war, ob der Beschwerdeführer das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt
hat. Die tatsächliche Problematik war auf den Vortrag des Nichtführens des Fahrzeuges
durch den Beschwerdeführer beschränkt.
Nach den Ergebnissen des Sachverständigengutachtens waren zur Sache weder weitere
rechtliche oder tatsächliche Prüfungen noch eine besondere Vorbereitung der
Verteidigung erforderlich. Es handelte sich um einen sehr einfachen und überschaubaren
Sachverhalt.
Die von dem Beschwerdeführer hervorgehobenen guten Einkommens- und
Vermögensverhältnisse kompensieren die genannten Kriterien nicht in einem Maße, das
zur Annahme der Durchschnittlichkeit der Sache führen kann.
Die Kammer geht allerdings davon aus, dass die bisher festgesetzten Auslagen nicht
dem von vom Verteidiger näher beschriebenen tatsächlichen Aufwand gerecht werden.
Die Kammer sieht in Abweichung zur amtsgerichtlichen Beurteilung in einer
Gesamtschau der genannten Kriterien 75 % der jeweiligen Mittelgebühren als
angemessene Gebühren des Verteidigers an.
Ferner ist die Absetzung der Zusatzgebühr Nr. 5115 VV RVG nicht gerechtfertigt. Die
Zusatzgebühr entsteht, wenn durch die Mitwirkung des Anwalts das Gericht dazu
übergeht, nach § 72 Abs. 1 OWiG durch Beschluss zu entscheiden. Hier hängt die
Entstehung der Zusatzgebühr vom Endergebnis des gerichtlichen Verfahrens ab. Der
Übergang in das schriftliche Verfahren und eine Entscheidung im Beschlusswege ist im
OWi-Verfahren auch statthaft, wenn die in der Hauptverhandlung durchgeführte
Beweisaufnahme nicht zur Entscheidungsreife führt und der Richter nach Vertagung der
Sache außerhalb der Hauptverhandlung ergänzende Beweise erhebt, die nunmehr die
Bewertung zulassen, dass eine neue Hauptverhandlung nicht mehr erforderlich ist.
Durch die Entscheidung im Beschlusswege wird die sonst erforderliche
Hauptverhandlung entbehrlich. Der Entstehung der Zusatzgebühr steht nicht entgegen,
dass bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden hat, die noch zu keiner Entscheidung
geführt hat.
Die Gebühr soll die Mitwirkung an dem Entfallen der sonst notwendig werdenden
Hauptverhandlung und damit das Entfallen auch eines weiteren Termins honorieren. Die
Kammer folgt nunmehr insoweit den Auffassungen von Burhoff in RVG,
Praxiskommentar, Nr. 4141 VV RNr. 19, 5151 VV RNr. 3 und Madert - der seine
entgegengesetzte Ansicht nunmehr aufgibt - in Gerold u.a./Madert, RVG, 17. A., VV 4141
Rz. 3). Eine (hier: weitere) Hauptverhandlung wäre, würde es nicht zu einem Übergang in
das schriftliche Verfahren kommen, durchzuführen. Diese Auffassung entspricht der
dem gesamten RVG innewohnenden Tendenz, eine Mithilfe zu einer Vereinfachung,
Verkürzung, Einigung usw. zu belohnen. Die Zusatzgebühren sollen für den Anwalt ein
Anreiz zur zielgerichteten Erledigungsbemühung sein. Sie soll ferner dazu beitragen,
dass zur Entlastung der Gerichtsressourcen weniger Termine stattfinden müssen. Dieses
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dass zur Entlastung der Gerichtsressourcen weniger Termine stattfinden müssen. Dieses
Ziel wird auch bei der Vermeidung einer weiteren Hauptverhandlung nach einem bereits
stattgefundenen, aber ohne Ergebnis gebliebenen Hauptverhandlungstermin erreicht.
Im Übrigen wird durch die anderweitige Erledigung der Sache die sonst anfallende
Hauptverhandlungsgebühr für den nächsten Termin erspart.
Der Verteidiger hat an der Verfahrenserledigung auch mitgewirkt. Für eine Mitwirkung ist
erforderlich aber auch ausreichend, dass es irgendeinen mitursächlichen Beitrag des
Verteidigers gegeben hat, mag der Hauptanstoß zur Einstellung auch vom Gericht
ausgegangen sein (vgl. zum Ganzen: Gerold u.a./Madert a.a.O. VV 4141-4146 Rz. 24-
26). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Entscheidung ohne die
Stellungnahme ebenso ergangen wäre. Es kann nicht Aufgabe des
Kostenfestsetzungsverfahrens sein, nachträglich die Erwägungen zu prüfen, die das
Gericht zu der Entscheidung veranlasst haben. Hat das Gericht Veranlassung gesehen,
dem Verteidiger vor der Verfahrenseinstellung Gelegenheit zur Äußerung zu geben und
kommt es in diesem Rahmen zu einer (hier zustimmenden) Stellungnahme, hat der
Verteidiger mindestens formell, was ausreichend ist, an der Erledigung mitgewirkt. Es
kam erst nach der Stellungnahme zum Freispruch im Beschlusswege.
Die Zahlung einer Aktenversendungspauschale ist der Akte nicht zu entnehmen.
Auch an die Verwaltungsbehörde ist eine solche nicht gezahlt worden (Bl. 112R).
Danach ergibt sich folgende Berechnung:
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 und 4, 464d StPO.
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