Urteil des LG Cottbus vom 15.04.2009

LG Cottbus: wiedereinsetzung in den vorigen stand, aufruf, akte, wartezeit, entschuldigung, verfügung, fortdauer, beschwerdekammer, link, quelle

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Gericht:
LG Cottbus 4.
Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 Qs 70/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 44 StPO, § 46 Abs 1 StPO
Fernbleiben der Hauptverhandlung bei verspätetem Beginn
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom
15. April 2009 (Az.: 40 OWi 126/07) wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens und seine eigenen Auslagen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer war zusammen mit seinem Verteidiger zur Verhandlung über
seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 09.03.2007, der gegen ihn wegen
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ergangen war, auf den
25.09.2008, 10.30 Uhr, geladen worden. Hierbei handelte es sich um eine Umladung, die
aufgrund eines Terminsverlegungsantrages des Verteidigers zustande gekommen war.
Die Leseabschrift der Umladung mit dem entsprechenden Belehrungsvordruck
„Übersicht der Rechtsfolgen bei Ausbleiben im Termin“ auf der Rückseite des
Umladungsschreibens befindet sich aufgrund gerichtlicher Verfügung als Bl. 142, 143 in
der Akte.
Dem auf den 25.09.2008 anberaumten Hauptverhandlungstermin waren
Hauptverhandlungs-termine am 26.06. und 20.11.2007 und der Beschluss vom
04.05.2008 auf Einholung eines human-biologischen Gutachtens zur Frage der
Fahrereigenschaft des Betroffenen vorausgegangen. Zum Termin am 25.09.2008 war
auch der Sachverständige geladen worden und erschienen.
Der Aufruf der vorliegenden Sache erfolgte um 11.00 Uhr, weil die Verhandlung in einer
vorangegangenen Sache eine Verzögerung erfahren hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren
der Betroffene und sein Verteidiger, die zunächst vor dem Sitzungssaal gewartet hatten,
nicht mehr zugegen. Der Verteidiger war mit dem Betroffenen um 10.50 Uhr auf der
Geschäftsstellenabteilung erschienen und hatte dort – gemäß Aktenvermerk vom
25.09.2008, Bl. 89 – mitgeteilt, dass man bis jetzt gewartet habe, ohne ihm mitzuteilen,
warum er so lange warten müsse. Wenn man als Mandant 15 Minuten später komme,
ergehe gleich ein Verwerfungsurteil. Er habe noch einen Termin in Leipzig. Für einen
neuen Termin stehe er zur Verfügung. Der vorgenannte Gesprächsvermerk lag der
Amtsrichterin in der um 11.00 Uhr aufgerufenen Verhandlung vor. Um 11.05 Uhr
verkündete sie das Verwerfungsurteil, weil der Betroffene ohne hinreichende
Entschuldigung ferngeblieben sei.
Hiergegen beantragte der Betroffene durch seinen Verteidiger am 24.10.2008 die
Zulassung der Rechtsbeschwerde, legte zugleich Rechtsbeschwerde ein und beantragte
für seinen Mandanten wegen der Versäumung der Hauptverhandlung weiterhin die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Diesen Antrag verwarf das Amtsgericht mit Beschluss vom 15.04.2009, weil der
Betroffene sich ohne hinreichende Entschuldigungsgründe entfernt habe, was einem
Ausbleiben gleich stehe. Mit einer – hier eingetretenen – Verzögerung des Beginns der
Verhandlung habe der Betroffene rechnen müssen. Dieser hätte sich ebenso wie sein
Verteidiger im Verhandlungssaal melden und auf evtl. andere Termine hinweisen können
oder durch die Geschäftsstelle nähere Erkundigungen über die Terminsdauer der
vorausgegangenen Sache einholen können. Dies sei jedoch nicht geschehen. Der
Betroffene sei auch, was näher ausgeführt wird, ordnungsgemäß über die Pflicht zum
Erscheinen belehrt worden.
Gegen den am 20.04.2009 dem Verteidiger zugestellten Beschluss legte dieser am
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Gegen den am 20.04.2009 dem Verteidiger zugestellten Beschluss legte dieser am
27.04.2009 sofortige Beschwerde ein. Er beanstandet, dass er nicht über die Gründe der
Verspätung der Verhandlung in Kenntnis gesetzt worden sei. Deshalb habe sich der
Betroffene genau so berechtigt entfernt wie im umgekehrten Fall nach Ablauf der
grundsätzlich einzuhaltenden Wartefrist ein Verwerfungsurteil gerechtfertigt wäre.
Schließlich sei nicht erkennbar, ob die Belehrung des Betroffenen gemäß § 73 Abs. 1
OWiG tatsächlich die Ladung zum 25.09.2008 betroffen habe.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist
unbegründet.
Insoweit wird auf die zutreffende Begründung im amtsgerichtlichen Beschluss, mit dem
das Amtsgericht eine Wiedereinsetzung zu Recht abgelehnt hat, verwiesen.
Ergänzend führt die Kammer aus:
Der Betroffene hat den Hauptverhandlungstermin aus eigenem Verschulden nicht
wahrgenommen, weshalb ihm ein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 44 StPO
i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG nicht zur Seite steht. Er hätte zu Beginn der Verhandlung, die
mit dem Aufruf um 11.00 Uhr einsetzte (§ 243 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG)
präsent sein müssen. Die Verzögerung des Beginns der Hauptverhandlung um eine
halbe Stunde rechtfertigte ein Verlassen des Gerichts und damit ein Fernbleiben von der
Hauptverhandlung nicht. Dem Betroffenen war es, weil er grundsätzlich wie jeder
sonstige Verfahrensbeteiligte an Terminstagen mit Verzögerungen rechnen muss,
zumutbar, auf den Aufruf um 11.00 Uhr zu warten. Nichts anderes kann einer Person
beispielsweise auch bei einem Arztbesuch widerfahren. Einen Rechtssatz dahin, dass ein
Betroffener bzw. ein (anwaltlicher) Verteidiger, wie dieser rechtsirrig meint, bereits nach
einer viertel Stunde seine Präsens beenden könne, gibt es nicht. Gewichtige Gründe, die
es ihm unzumutbar gemacht hätten, auch über die viertelstündige Wartezeit hinaus auf
den Aufruf zu warten, hat er nicht vorgetragen. Soweit der Verteidiger auf einen anderen
Termin in Leipzig hingewiesen hatte, ist dieser Vortrag weder substantiiert noch
glaubhaft gemacht worden und bleibt schon deshalb unbeachtlich. Von einer
Prozesspartei ist im Übrigen aber die für einen jeden Verfahrensbeteiligten naheliegende
Überlegung zu erwarten, den Sitzungssaal zu betreten, um den Richter ggf. unter
Hinweis auf besondere Umstände über die Fortdauer der Verzögerung zu befragen und
auf Umstände hinzuweisen, die ihm - dem Betroffenen bzw. dem Verteidiger - aus seiner
Sicht ein weiteres Abwarten unzumutbar machen würde. Immerhin hätte die
Amtsrichterin vorliegend in Würdigung dieser Umstände die andere Sache
möglicherweise unterbrechen können oder jedenfalls Aufschluss über die weitere,
vielleicht nur noch kurze Wartezeit (hier bis 11.00 Uhr) geben können. Wer jedoch eine
solch naheliegende Verhaltensweise unterlässt, obschon sie ohne Weiteres möglich war,
verhält sich schuldhaft, wenn er vorzeitig geht, obschon ihm ein weiteres Zuwarten – wie
hier bis 11.00 Uhr – möglich gewesen wäre.
Soweit es um die Frage der Belehrung des Betroffenen gemäß § 73 Abs. 3 OWiG geht,
hat die Kammer keinen Anlass anzunehmen, dem Betroffenen sei die entsprechende
Belehrung nicht erteilt worden. Die Amtsrichterin hat im Rahmen der Vorlage der Akte
an die Beschwerdekammer die elektronisch abgespeicherte Umladung vom 23.07.2008
mitsamt der Belehrung der Akte beifügen lassen. Daraus wird ersichtlich, dass dem
Betroffenen die Rechtsfolgen bei Fernbleiben ohne genügende Entschuldigung mitgeteilt
worden ist. Auf diese Umladung und Belehrung hat sich ersichtlich der Beschluss vom
15.04.2009 bezogen. Der Betroffene selbst behauptet auch nicht etwa, dass er eine
solche Umladung mit Belehrung nicht erhalten habe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.
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