Urteil des LG Cottbus vom 13.03.2017

LG Cottbus: umkehr der beweislast, grundsatz der unmittelbarkeit, stand der technik, gerät, irreführende werbung, prozessführungsbefugnis, trockenlegung, unterlassen, verbraucher, irreführung

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Gericht:
LG Cottbus Kammer
für Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 O 48/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 5 Abs 1 UWG
Wettbewerbsverstoß: Irreführende Bewerbung eines Geräts mit
der behaupteten Eignung zur Trockenlegung feuchten
Mauerwerks mittels elektromagnetischer Wellen; Beweislast für
die Wirkungsbehauptung
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu
verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder
einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Beklagten, im
geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, für das Gerät „Aquapol“ zu werben
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 166,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2009 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf die vom Kläger verauslagten
Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die
Zeit von dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang eines
Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu
zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 Euro
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten als Vertreiber eines sogenannten Aquapol-Gerätes auf
Unterlassung in Anspruch.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die
Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf
gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.
Der Beklagte ist vertriebsbeauftragter Fachberater mit der Aquapol-Vertriebszentrale
Deutschland Ost. Mit Schreiben vom 04.03.2009 gab der Beklagte ein Angebot zur
Mauertrockenlegung und Mauertrockenhaltung ab. Auf dieses Angebot wird verwiesen
(Bl. 61 – 78 d.A.).
Der Kläger mahnte mit Schreiben vom 26.03.2009 den Beklagten ab. Eine
Unterlassungserklärung wurde nicht abgegeben (Bl. 79 – 92 d.A.). Nachdem der
Beklagte mit Schreiben vom 01.04.2009 Stellung genommen hatte, wurde er erneut
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Beklagte mit Schreiben vom 01.04.2009 Stellung genommen hatte, wurde er erneut
durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.04.2009 erfolglos abgemahnt.
Der Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 08.04.2009.
Das Aquapol-Gerät zur angeblichen Trockenlegung von Mauerwerk ist vom Kläger
geöffnet worden. Wegen der Einzelheiten des Aufbaus des Gerätes wird auf die Anlagen
K 15 und K 16 verwiesen (Bl. 175 – 184 d.A.).
Der Kläger ist der Auffassung, er sei prozessführungsbefugt und aktiv legitimiert.
Bezüglich der Einzelheiten wird auf den Vortrag des Klägers verwiesen.
Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte betreibe irreführende Werbung. Insoweit
behauptet der Kläger, dass von dem Beklagten angebotene Aquapol-Gerät sei völlig
wirkungslos und entfalte keinerlei Wirkung im Rahmen der Trockenlegung von
Mauerwerk. Es handele sich um eine Aluminiumbüchse, in die drei Plastikstifte, zwei
Plastikscheiben und ein Kupfernagel eingebaut worden seien. Mit einem solchen Gerät
könne man keine Mauer trockenlegen, genau so wenig wie mit jeder beliebigen Art von
Amulett. Zur Näheren Begründung verweist der Kläger auf die von ihm überreichten
Anlagen.
Der Kläger ist weiter der Auffassung, er könne eine Abmahnpauschale in Höhe von
166,60 Euro verlangen. Darüber hinaus die Rechtsanwaltskosten, die durch die weitere
Abmahnung angefallen seien.
Der Kläger hat zunächst den Antrag aus der Klage vom 16.04.2009, Bl. 2 – 11 d.A.,
angekündigt.
Der Beklagte hat im schriftlichen Vorverfahren teilweise anerkannt, so dass am
15.07.2009 durch Teil-Anerkenntnisurteil entschieden wurde. Auf dieses Urteil wird Bezug
genommen (Bl. 281 f d.A.).
Der Kläger beantragt nunmehr,
den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise
Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am
Beklagten, im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, für das Gerät „Aquapol“ zu werben
Der Kläger beantragt weiter,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 166,60 Euro nebst 8 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
Der Kläger beantragt weiter,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.379,80 Euro nebst 8 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
Der Kläger beantragt weiter,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf die vom Kläger verauslagten
Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die
Zeit von dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang eines
Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu
zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet zunächst die Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation des
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Der Beklagte bestreitet zunächst die Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation des
Klägers. Insoweit wird auf den weiteren Vortrag des Beklagten Bezug genommen.
Der Beklagte behauptet, dass von ihm angebotene Aquapol-Gerät sei bei Beachtung
sämtlicher Umgebungsfaktoren und Einhaltung sämtlicher begleitender Maßnahmen
geeignet, ein durch aufsteigende Feuchte befallenes Mauerwerk gemäß der
Maßmethoden einschlägiger Normen trockenzulegen. Die … GmbH habe insbesondere
im öffentlichen Bereich eine Vielzahl zufriedener Kunden. Bezüglich der Einzelheiten wird
verwiesen auf den Schriftsatz des Beklagten vom 11.01.2010. Eine Irreführung des
Verbrauchers läge nicht vor. Zur Wirksamkeit des Aquapol-Gerätes beruft sich der
Beklagte weiter auf die von ihm mit Schriftsatz vom 10.07.2009 vorgelegten Anlagen.
Abmahnkosten könne der Kläger nicht verlangen, da der Unterlassungsanspruch schon
nicht begründet sei. Insoweit bestreite der Beklagte auch den Vortrag des Klägers zur
Höhe der Abmahnkostenpauschale. Der Schadensersatzanspruch des Klägers stelle
keine Entgeltforderung dar. Insoweit kämen von vorn herein nur Zinsen von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in Betracht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist prozessführungsbefugt.
Für die Wirtschafts- und Verbraucherverbände im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 und 3 UWG
gilt die Theorie der Doppelnatur. Die in diesen Vorschriften aufgestellten
Begründetheitsvoraussetzungen werden zugleich als Prozessvoraussetzungen, nämlich
der Prozessführungsbefugnis, qualifiziert. Dies hat wegen der grundsätzlich vorrangig zu
prüfenden Frage der Zulässigkeit der Klage mehrere prozessuale Folgen. Die
Voraussetzungen sind von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Die
Tatsachen, aus denen sich die Klagebefugnis ergibt, müssen spätestens im Zeitpunkt
der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorliegen. Für die
Feststellung der Voraussetzungen gelten die Grundsätze des Freibeweises (vgl. BGH
GRUR 2005, 689; BGH GRUR 2007, 610; BGH GRUR 2001, 846). Bei Fehlen einer dieser
Voraussetzungen ist die Klage als unzulässig und nicht als unbegründet abzuweisen (vgl.
BGH GRUR 1996, 217).
Hier hat die Feststellung der Voraussetzungen im Wege des Freibeweises ergeben, dass
der Kläger prozessführungsbefugt ist. Im Rahmen des Freibeweises ist das Gericht nicht
an die Grundsätze des Strengbeweises gebunden, insbesondere nicht an den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Das Gericht geht danach aufgrund der vom
Kläger vorgelegten Anlagen von seiner Prozessführungsbefugnis aus. Diese Anlagen sind
die Anlage K 1, wonach der Kläger als Wettbewerbsverband nach der
Unterlassungsklageverordnung anerkannt ist. Ferner die Satzung des Deutschen Holz-
und Bautenschutzverbandes e.V. Anlage K 2 mit Liste der ausführenden Unternehmen
Anlage K 3. Weiter wird insbesondere zugrunde gelegt das Protokoll der mündlichen
Verhandlung der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts … vom 04.08.2009
Anlage K 21 mit der Aussage des Zeugen …. Unter Auswertung dieser Anlagen im Wege
des Freibeweises geht das Gericht von der Prozessführungsbefugnis des Klägers aus. Ein
weiterer Umstand ist hierbei zu berücksichtigen.
Der Beklagte hat den ursprünglichen Klageantrag überwiegend anerkannt. Der
anerkannte Klageantrag bezog sich auch auf das Aquapol-Gerät im Bezug auf die
Gebäudetrockenlegung. Dies folgt schon aus dem Antrag I 1.6. Dort heißt es, im Gerät
wird diese Bodenenergie durch eine Polarisationseinheit rechtsdrehend stabil
umgewandelt (Polarisierungseffekt) und in den Wirkraum abgegeben. Das gesendete
Wirkfeld ist nun zum Boden gerichtet. Der Wirkraum ist wesentlich für die
Gebäudetrockenlegung sowie für positive biologische Effekte.
Das Anerkenntnis des Beklagten kann sich nicht beziehen auf die unverzichtbaren
Prozessvoraussetzungen, wie beispielsweise die Prozessführungsbefugnis. Diese ist vom
Gericht von Amts wegen zu prüfen. Aus dem Anerkenntnis des Beklagten konnte das
Gericht zumindest indiziell entnehmen, dass auch der Beklagte von der
Prozessführungsbefugnis des Klägers ausgeht. Insgesamt ist daher im Wege des
Freibeweises von der Prozessführungsbefugnis des Klägers auszugehen wie bereits bei
Erlass des Teilanerkenntnisurteils.
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Die weitere Unterlassungsklage ist begründet.
Der Unterlassungsanspruch des Klägers folgt aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs.
1 UWG.
Die von dem Beklagten mit der Anlage K 4 vom 04.03.2009 vorgenommene Werbung ist
irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG und deshalb unlauter im Sinne
von § 3 UWG. Der Beklagte hat daher die Werbung zu unterlassen, soweit er verurteilt
worden ist.
Der Tatbestand der Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG ist erfüllt, wenn eine Werbeangabe
geeignet ist, bei den angesprochenen Verkehrskreisen, an die sich die Werbung richtet,
konkrete Fehlvorstellungen hervorzurufen und diese zu falschen Entscheidungen zu
beeinflussen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 5 Rn. 2.65). Dabei ist stets auf
den Empfängerhorizont des beworbenen Verkehrskreises abzustellen. Irreführend ist
eine Werbaussage in jedem Fall dann, wenn ein objektiv falscher Tatbestand behauptet
wird. Aber selbst objektiv zutreffende Angaben können irreführend sein, wenn ein
beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise damit unrichtige Vorstellungen
verbindet (vgl. BGH GRUR 1998, 1043). Es kommt mithin maßgeblich darauf an, wie die
angesprochenen Verbraucher- bzw. Kundenkreise die beanstandeten Werbebotschaften
des Beklagten verstehen und ob die von der Werbung erweckten Vorstellungen, soweit
sie einen nachprüfbaren Inhalt haben, mit den wirklichen Verhältnissen übereinstimmen.
Mit dem Angebot zur Mauertrockenlegung und Mauertrockenhaltung vom 04.03.2009,
Anlage K 4, wendet sich der Beklagte in erster Linie an interessierte Bauherren, die eine
grundlegende Mauerwerkssanierung ihrer Gebäude wegen bestehender Feuchte
beabsichtigten und sich zu diesem Zweck über verschiedene Verfahrensweisen zur
Trockenlegung feuchten Mauerwerks erkundigen. Adressat der Werbung ist danach ein
eher allgemeines Publikum. Bei diesem Publikum handelt es sich nicht primär um
versierte Baufachleute, sondern um im Bauwesen nicht all zu bewanderte Laien, die mit
der technischen Wirkungsweise des angebotenen Gerätes in keiner Weise vertraut sind.
Die insoweit angesprochenen Verbraucherkreise entnehmen den Werbeaussagen des
Beklagten, dass die angepriesenen Entfeuchtungssysteme ohne größeren Arbeits- und
Kostenaufwand und ohne Substanzeingriffe in die Gebäudesubstanz zu der erwünschten
nachhaltigen Trockenlegung des feuchten Mauerwerks führen. Der interessierte Kunde
setzt dabei voraus, dass die von dem Beklagten angebotene Methode in der Praxis nach
bestimmten Standards erprobt ist, tatsächlich – wie dargestellt – funktioniert und die ihr
zugeschriebene Wirkung entfaltet und damit den allgemein anerkannten Regeln der
Bautechnik entspricht. Denn dies ist der Mindeststandard, zu dem sich ein
Bauunternehmen bei Abschluss eines Werkvertrages zumindest stillschweigend
verpflichtet. Der Verbraucher geht davon aus, dass die Werbebehauptung dem Stand
gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse des Baufaches entspricht, zumal sich der
Beklagte hier eines bekannten physikalischen Wirkungsprinzips berühmt, nämlich der
Elektroosmose, das einer wissenschaftlichen Nachprüfung aber ohne Weiteres
zugänglich ist. Lässt das beworbene Trockenlegungssystem hingegen eine fundierte,
technisch bzw. physikalisch nachvollziehbare Grundlage vermissen, wird der Interessierte
Kunde in den durch die Gewerbeaussagen hervorgerufenen Erwartungen in das Produkt
getäuscht.
Bei der Feststellung einer irreführenden Werbung nach § 5 Abs. 1 UWG trifft zwar
grundsätzlich den Unterlassungskläger die Darlegungs- und Beweislast für die
Unrichtigkeit der Werbebehauptung, hier mithin die fehlende Zwecktauglichkeit des
angepriesenen Produktes, das es sich insoweit um eine anspruchsbegründende
Voraussetzung des Irreführungstatbestandes handelt (vgl. BGH NJW-RR 2001, 1391).
Auch im Wettbewerbsprozess gilt der allgemeine prozessrechtliche Grundsatz, dass die
Partei die ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die rechtsbegründenden Tatsachen
darzulegen und zu beweisen hat (vgl. Köhler/Bornkamm aaO. § 5 Rn. 3 Punkt 19). Hier ist
jedoch von einer Umkehr der Beweislast zu Lasten des Beklagten auszugehen. Stützt
sich der Werbende auf eine fachlich umstrittene, wissenschaftlich nicht abgesicherte
Behauptung, ohne die Gegenansicht in seiner Werbung zu erwähnen, hat er damit
zugleich die Verantwortung für die objektive Richtigkeit seiner Angaben übernommen. Er
muss sie dann im Streitfall unter Umständen sogar beweisen (vgl. BGH NJW-RR 1991,
1391). Diese Grundsätze zur Beweislastumkehr sind in der Rechtsprechung zwar in
erster Linie für Werbeangaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens entwickelt
worden, für die besonders schwere Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und
Klarheit der Aussagen gelten. Auf den Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung
lassen sich diese Grundsätze jedoch nicht beschränken, sie beanspruchen vielmehr in
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lassen sich diese Grundsätze jedoch nicht beschränken, sie beanspruchen vielmehr in
gleicher Weise auch bei anderen fachlich umstrittenen, wissenschaftlich nicht
abgesicherten Behauptungen Geltung, sofern die umstrittene Wirksamkeit als
Behauptung einem Wirkungsnachweis grundsätzlich zugänglich ist (vgl. OLG Naumburg,
Urteil vom 29.05.2009, 10 U 56/08). Diese Grundsätze zur Umkehr der Beweislast bei
wissenschaftlicher Umstrittenheit der Wirksamkeit eines Produktes finden also im
Streitfall Anwendung. Trägt also der Kläger in einem Streit über die tatsächlichen
Wirkungen eines beworbenen Produktes das Fehlen einer wissenschaftlichen Grundlage
der Werbeaussage substantiiert vor, ist es Aufgabe des Beklagten, die wissenschaftliche
Absicherung seiner Werbangabe zu beweisen (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 295).
Hierbei genügt der bloße Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht,
um die Richtigkeit der Werbeangabe darzutun und nachzuweisen. Es ist vielmehr
zunächst Sache des Werbenden, die wissenschaftlichen Erkenntnisse substantiiert
vorzutragen, auf die er seine Behauptung stützt (vgl. OLG Frankfurt aaO; rechtskräftig
durch Nichtannahmebeschluss des BGH vom 18.12.2003, I ZR 159/03). Das Gericht
sieht hier davon ab, dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens
nachzukommen, da der Beklagte nicht substantiiert die wissenschaftlichen Erkenntnisse
vorgetragen hat, auf die er seine Behauptung der Wirksamkeit des Aquapol-Gerätes
stützt.
Die Anlage B 1, Patenterteilung, ist ohne Belang, da hier nicht die Wirksamkeit des
Gerätes bescheinigt wird. Die zahlreich vorgelegten Messprotokolle mit Anlage B 2
haben nur einen sehr geringen Darlegungswert, da es sich um eigene Messprotokolle
der Firma … handelt. Die Protokolle geben im Übrigen keine Auskunft darüber, worauf
das Wirkprinzip der Geräte letztlich beruhen soll.
Soweit der Beklagte mit der Anlage B 5 Referenzschreiben vorlegt und mit Schriftsatz
vom 11.01.2010 zahlreiche angeblich zufriedene Kunden aus dem öffentlichen Bereich
nennt, kommt diesem wenig Aussagewert zu. Mit den Referenzschreiben wird lediglich
die subjektive Zufriedenheit der benannten Kunden mit dem Verfahren dokumentiert,
ohne dass die Angaben der Kunden eine belastbare objektive Absicherung gefunden
haben. Bezüglich der im Schriftsatz vom 11.01.2010 genannten Kunden aus dem
öffentlichen Bereich wird nicht dargelegt, wann diese Kunden das Gerät bestellt und
erhalten haben und wie lange das Gerät seine Wirksamkeit in den Gebäuden entfalten
konnte. Als Beweis zur Zufriedenheit der Kunden wird auch nur ein Mitarbeiter der …
Österreich als Zeuge benannt. Irgendwelche konkreten Äußerungen der betroffenen
Kunden werden nicht dargelegt.
Die Anlagen B 6 und B 7, Prüfbericht MPA … und Eidesstattliche Versicherung … …,
geben wiederum nur Meinungen Dritter über den Wirkungszusammenhang wieder, ohne
darzulegen, wie die Wirksamkeit im Einzelnen aussehen soll. Die Anlage B 8, Äußerung
des Herrn …, ist inhaltsleer. Sie gibt nur eine subjektive Meinung wieder.
Das Gutachten … Anlage B 9 für das Bezirksgericht … kann einen substantiierten
Vortrag des Beklagten nicht ersetzen. Der Sachverständige kommt in der
Zusammenfassung zu dem Ergebnis, dass die physikalische Wirkungsweise des Gerätes
noch nicht gänzlich geklärt erscheint. Zudem ist Voraussetzung der Aussagen des
Gutachtens, dass die von der klagenden Partei vorgelegten Messwerte stimmen.
Klagende Partei war aber die … GmbH. Es sind also dem Sachverständigen zur
Auswertung eigene Messprotokolle der … GmbH vorgelegt worden. Wenig aussagekräftig
ist auch die Anlage B 10, eine eigene Infobroschüre der … GmbH. Wissenschaftliche
Erkenntnisse werden in dieser Anlage nicht vermittelt. Nimmt man die Anlage B 15,
einen Beitrag von …, so ist diesem Beitrag zu entnehmen, dass es keine
schulwissenschaftliche Erklärung dafür gibt, wie es gelingen kann, mit Hilfe des Gerätes
feuchte Mauern ohne direkten physischen Kontakt zwischen dem Gerät und dem
Mauerwerk trockenzulegen. Die Anlage B 18 befasst sich mit der nachträglichen
Horizontalabdichtung von Mauerwerk mittels Injektionsverfahren, betrifft also andere
Verfahren als das von dem Beklagten berühmte.
Nimmt man die von dem Kläger vorgelegten Unterlagen hinzu, ist festzustellen, dass die
Substantiierungspflicht auf Seiten des Beklagten zur Wirksamkeit des Gerätes und zur
wissenschaftlichen Erkenntnis nicht hinreichend erfüllt worden ist.
Der Kläger hat zunächst vorgelegt mit der Anlage K 9 einen Bericht des Herrn …. Dieser
Bericht kommt zum Ergebnis, dass ein Beleg dafür, dass die „Zauberkästchen“ als
anerkannte Regel der Technik zu bezeichnen wären, bisher nicht erbracht worden ist.
Dies ergibt sich auch aus der Anlage K 10 von ….
Die wissenschaftliche Darlegung zur Entfeuchtung von Mauerwerk Anlage K 11 kommt
ebenfalls zu dem Ergebnis, dass kein wissenschaftlicher Nachweis für die Wirksamkeit
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ebenfalls zu dem Ergebnis, dass kein wissenschaftlicher Nachweis für die Wirksamkeit
des Gerätes vorliegt.
Die Anlage K 12 enthält ein bauphysikalisches Gutachten für das Bezirksgericht … in …
des Sachverständigen …. Dieser kommt zum Ergebnis, dass die dargestellte Funktion
des Systems physikalisch nicht begründbar ist. Es fehle der wissenschaftlich technische
Nachweis zur Tauglichkeit und das Gerät sei nicht dem anerkannten Stand der Technik
zuzuordnen. Nach alledem ist festzustellen, dass der Beklagte seiner Pflicht, die
Richtigkeit seiner Werbeangaben darzutun, substantiiert nicht nachgekommen ist. Ein
Sachverständigengutachten ist nicht einzuholen.
Die Klage ist auch teilweise begründet, soweit der Kläger Zahlung von vorgerichtlichen
Abmahnkosten und Feststellung begehrt.
Der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Abmahnkosten folgt aus § 12 Abs. 1 Satz
2 UWG.
Die Abmahnkostenpauschale in Höhe von 166,60 Euro ist ohne Weiteres angemessen (§
287 ZPO). Andere Vereine machen höhere Abmahnkostenpauschalen geltend (vgl.
Köhler/Bornkamm aaO, § 12 Rn. 1.98).
Auch der Gegenstandswert in Höhe von 50.000,00 Euro ist gerechtfertigt. Es handelt
sich nicht um ein durchschnittlich schwieriges Verfahren, sondern um ein im oberen
Bereich der Schwierigkeit liegendes. Der Regelstreitwert von 20.000,00 Euro (vgl. 6 W
155/03 OLG Brandenburg) ist daher zu überschreiten.
Im Übrigen kann zur Begründung auf den Schriftsatz des Klägers vom 06.08.2009
verwiesen werden.
Nicht begründet ist der Anspruch bzgl. der Zweitabmahnung durch Rechtsanwalt.
Insoweit kann verwiesen werden auf BGH I ZR 47/09, Urteil vom 21. 01. 2010. Nicht
zuzusprechen ist auch der in Ansatz gebrachte Zinssatz von 8 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz. Dieser gilt gemäß § 288 Abs. 2 BGB nur für Entgeltforderungen.
Schadensersatzforderungen stellen aber keine Entgeltforderungen dar.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 2. Nr. 1, 709 ZPO.
Die Höhe der Sicherheitsleistung orientiert sich unter Ausübung eines Ermessens an
einem denkbaren Schaden nach § 717 Abs. 2 ZPO und darf nicht zu niedrig bemessen
werden(vgl. Zöller/ Herget, ZPO, 28. Aufl. § 709 Rdn. 3).
Der Schriftsatz des Beklagten vom 16. 02. 2010 war unbeachtlich nach §§ 128 Abs. 2,
296a ZPO.
Streitwert : bis 53.000,00 Euro
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