Urteil des LG Cottbus vom 08.08.2008

LG Cottbus: fahrlässige tötung, schöffengericht, quelle, liquidation, laden, freiheit, beifahrer, link, sammlung, strafprozess

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Gericht:
LG Cottbus 4.
Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 Qs 167/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 464a StPO, Art 6 MRK
Strafverfahren: Erstattungsfähigkeit der Kosten eines
Privatgutachtens nach Freispruch
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde vom 16. Oktober 2006 gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtgerichts Cottbus vom 12. Oktober 2006, Az.: 72
Ls 1420 Js 8467/04 (45/05), werden die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu
erstattenden weiteren notwendigen Auslagen auf 3.013, 62 Euro festgesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des
Beschwerdeführers trägt die Staatskasse.
Der Beschwerdewert wird auf 3.013, 62 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 28. Februar 2005 wurde dem
Beschwerdeführer zur Last gelegt, am 21. Februar 2004 durch dieselbe Handlung eine
fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs und eine fahrlässige Tötung begangen zu
haben (§§ 315 c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2, 222 StGB). Das Amtsgericht Cottbus -
Schöffengericht - sprach ihn von diesem Vorwurf in der Hauptverhandlung vom 28.
November 2005 frei. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen
des Beschwerdeführers auferlegte es der Staatskasse. Zur Hauptverhandlung hatte das
Amtsgericht auch den von ihm geladenen Sachverständigen …, der im Auftrag des
damaligen Angeklagten ein Gutachten erstattet hatte, vernommen und sich bei seiner
Entscheidung auch auf dessen Ausführungen gestützt.
Am 22. August 2006 hat der Beschwerdeführer unter Beifügung der Sachverständigen-
liquidation (Bl. 697 f d.A.) beantragt, die von ihm verauslagten Kosten für das
Sachverständigengutachten … in Höhe von 3.103, 62 Euro zu erstatten. Am 12. Oktober
2006 (Bl. 702) wies das Amtsgericht Cottbus (Rechtspflegerin) den Antrag zurück mit der
Begründung, die Kosten des Privatgutachtens seien nicht erstattungsfähig, weil eigene
private Ermittlungen nicht notwendig gewesen seien. Vielmehr hätte der frühere
Angeklagte Beweisanträge im Ermittlungsverfahren bzw. im gerichtlichen Verfahren
stellen und damit seine prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen können.
Gegen diesen am 16.10.2006 dem Verteidiger zugestellten Beschluss richtet sich die
beim Amtsgericht Cottbus am 16. Oktober 2006 eingegangene sofortige Beschwerde.
Zur Begründung trägt der Beschwerdeführer vor, dass es nur durch das privat
eingeholte Gutachten möglich gewesen sei, das bei den Gerichtsakten befindliche
DEKRA-Gutachten, welches ihn im Ergebnis belastet habe, in Frage zu stellen. Nur durch
die Einführung des Privatgutachtens sei die Ladung des Sachverständigen … zu
erreichen gewesen. Aufgrund des bereits vorliegenden DEKRA-Gutachtens sei auch die
Ablehnung einer weiteren Beweiserhebung gemäß § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO zu
Ungunsten des Angeklagten in Frage gekommen.
Der Bezirksrevisor wurde gehört, Bl. 752 f. d.A..
II.
Die gemäß § 464 b StPO, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG statthafte sofortige
Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Sie ist auch
begründet.
1. Das Amtsgericht (Rechtspflegerin) hat zu Unrecht die Kosten für das vom
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1. Das Amtsgericht (Rechtspflegerin) hat zu Unrecht die Kosten für das vom
Beschwerdeführer eingeholte Privatgutachten als nicht erstattungsfähige notwendige
Auslagen behandelt.
a) Ob eigene private Ermittlungen eines Betroffenen gemäß § 464 a StPO
erstattungsfähig sind, wird in Rechtssprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet
(vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., 2007, § 464 a Rn. 16 m.w.N., Jakubetz JB 99, 564 ff.).
Einen allgemeinen Grundsatz, das einem nicht verurteilten Betroffenen unter allen
Umständen sämtliche Auslagen zu erstatten sind, gibt es jedenfalls nicht (BVerfG, NJW
85, 726). Angesichts des Amtsermittlungsprinzips, des Beweisantragsrechts und des „in
dubio„ - Grundsatzes werden eigene private Ermittlungen eines Betroffenen vielfach als
in der Regel nicht notwendig angesehen, weil vorrangige prozessuale Möglichkeiten im
Ermittlungs- und im gerichtlichen Verfahren auszuschöpfen seien, insbesondere durch
zu stellende Beweisanträge bzw. Anregungen (vgl. OLG Celle, StV 06, 32; KK-Franke,
StPO, 5. Auf., 2003, § 464 a Rn 7 m.w.N.; Meyer-Goßner aaO). Dem wird die Forderung
nach Waffengleichheit im Strafprozess (Dahs, NStZ 91, 354) oder die Freiheit des
Betroffenen, sich aktiv (nämlich z.B. durch Beibringung von Gutachten) zu verteidigen
(vgl. OLG Düsseldorf StV 90, 362), entgegengesetzt. Allerdings wird aber auch - so auch
von der Kammer (z.B. Beschlüsse vom 02.06.2008 in 24 Qs 208 und 267/07) - Einzelfall
bezogen die Erstattungsfähigkeit sonstiger Auslagen jedenfalls dann anerkannt, wenn
eigene Ermittlungen das Verfahren im besonderen Maße gefördert haben (vgl. LG
Marburg, StV 90, 362; Meyer-Goßner aaO).
b) Dies ist ersichtlich hier der Fall gewesen. Denn durch die Vorlage des privaten
Sachverständigengutachtens sah sich das Schöffengericht veranlasst, den
Sachverständigen … zur Hauptverhandlung zu laden und diesen auch als
Sachverständigen zur Frage des Bewegungsverhaltens des verunfallten PKW´s und der
Insassen zu vernehmen. Aus den Urteilsgründen geht hervor, dass sich das Gericht bei
seiner Entscheidungsfindung auch und vor allem auf die Ausführungen des
Sachverständigen … gestützt hat. Denn es kam zu dem Ergebnis, dass nach den
Ausführungen dieses Sachverständigen nicht ausgeschlossen werden könne, dass der
Beschwerdeführer nicht der Fahrer des verunfallten PKW gewesen sei, sondern lediglich
der Beifahrer.
c) Angesichts dessen können keine Zweifel daran bestehen, dass das privat eingeholte
Gutachten das Verfahren im besonderen Maße gefördert hat mit der Folge, dass die
insoweit entstandenen Auslagen als notwendige zu qualifizieren und damit dem Grunde
nach erstattungsfähig sind.
2. Soweit es um die Höhe der Liquidation des Sachverständigen … geht, ist sie nicht
angegriffen worden und im Übrigen auch offensichtlich nicht zu beanstanden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO analog.
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