Urteil des LG Bonn vom 29.06.2004

LG Bonn: im bewusstsein, vorweggenommene beweiswürdigung, tarif, versicherung, firma, ohg, preisvergleich, motiv, unterlassen, anschluss

Landgericht Bonn, 11 O 5/04
Datum:
29.06.2004
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 5/04
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung angeblicher Behauptungen von
deren Mitarbeitern in Anspruch. Sie ist Anbieterin von Telekommunikationsleistungen.
Sie gewährt gewerblich Kunden im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Zugang
zu Telekommunikationsnetzen. Die Beklagte stellt solchen Kunden den
Telefonanschluss zur Verfügung. Der Zugang zu den Telekommunikationsnetzen kann
durch eine Voreinstellung des Telefonanschlusses auf einen bestimmten "Carrier", die
sog. Preselection erfolgen. Auf diese Weise werden die vom Telefonanschluss
getätigten Anrufe über voreingestellte Telefonnummern geleitet. Die Anrufe werden
dann nach eigenen, mit denen der Beklagten nicht identischen Tarifen des jeweiligen
Diensteanbieters abgerechnet. Die Klägerin vertreibt u.a. derartige Preselection –
Verträge. Die Tarife der Klägerin sind teilweise günstiger als Telefontarife der
Beklagten. Teilweise sind umgekehrt Telefontarife der Beklagten für den Verbraucher
billiger als bei Einschaltung der Klägerin. Der Zeuge L und der Ehemann der Zeugin B
sind Preselection – Kunden der Klägerin.
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Die Klägerin behauptet, am 14.11.2003 habe eine Mitarbeiterin der Beklagten bei einem
Telefongespräch gegenüber dem Zeugen L wahrheitswidrig erklärt, die Firma U oHG
(also die Klägerin) sei teurer als die V (Beklagte). Der Zeuge L sei mehrfach von einer
Mitarbeiterin der Beklagten angerufen worden, um ihn von ihr, der Klägerin zurück zur
Beklagten zu werben. Am 16.01.2004 habe eine Mitarbeiterin der Beklagten bei einem
Telefonat gegenüber der Zeugin B erklärt, die Firma U sei grundsätzlich teurer als die V.
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Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung
eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgelds in
Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder
Ordnungshaft, zu vollstrecken an dem Vorstand, zu unterlassen, im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu behaupten
und/oder behaupten zu lassen, die Firma U oHG sei teurer als die V,
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hilfsweise für den Fall der Abweisung des Hauptantrags die Beklagte
zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgelds in Höhe von bis zu 250.000
€, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollstrecken an
dem Vorstand, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken
des Wettbewerbs zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, die
Tarife der Firma U oHG seien grundsätzlich teurer als der sogenannte
XXL-Tarif der V.
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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, das Telefongespräch vom 16.01.2004 sei seitens der Zeugin J
geführt worden. Dieser seien die von der Klägerin für ihre
Telekommunikationsdienstleistungen berechneten Preise unbekannt. Die Beklagte
erhebt in Bezug auf den Fall des Zeugen L die Einrede der Verjährung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L, T, I, J und B. Wegen
des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.06.2004 (Bl. 161 – 170 d.A.)
verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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I. Die Klage ist zulässig. Haupt- und Hilfsantrag der Klägerin sind hinreichend bestimmt.
Sie richten sich an den konkret als wettbewerbswidrig gerügten angeblichen
Äußerungen von Mitarbeitern der Beklagten gegenüber den Zeugen L und B aus. Diese
Äußerungen müssten, wenn sie gefallen sein sollten, unterlassen werden. Darauf, dass
die Telefondienstleistungen der Beklagten für Telefonkunden teilweise billiger sind als
solche der Klägerin, kommt es nicht an. Wie die Klägerin richtig anführt, rechtfertigt das
nicht die gerügten Pauschalbehauptungen.
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II. Der Hauptantrag ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus
§§ 1, 3, 13 Abs. 4 UWG zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest,
dass Mitarbeiter der Beklagten die von der Klägerin behaupteten Äußerungen getan
haben.
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Die Aussage des Zeugen L ist nicht hinreichend glaubhaft. Gegen den Zeugen
bestehen zudem Glaubwürdigkeitsbedenken. Er hat bekundet, er habe etwa Ende 2002
oder im Januar 2003 den Preselection – Vertrag mit der Klägerin geschlossen. Nicht viel
später habe er einen Anruf einer Frau bekommen, die ihren Namen genannt und gesagt
habe, sie sei von der V. Sie habe gefragt, warum er zur Klägerin gegangen sei. Er habe
erwidert, der Sekundentakt der Klägerin sei für ihn finanziell günstiger. Die Anruferin
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habe gesagt, das sei so nicht richtig. Es fielen zweifach Kontogebühren an. Die Kosten
seien gleich, sogar bei der Klägerin etwas ungünstiger. Für ihn sei es teurer bei der U.
Das sei eine pauschale Aussage gewesen, es sei nicht erläutert worden, wo die
Unterschiede lägen. Er sei daraufhin wieder zur Beklagten gewechselt. Auf einen Anruf
der Klägerin hin, wonach es bei dieser günstiger sei, sei er wieder zu dieser gewechselt.
Er sei dann wieder von einer Frau angerufen worden, die angegeben habe, von der V
zu sein. Sie habe gefragt, warum er zur Klägerin zurückgegangen sei. Er habe das
erklärt. Die Anruferin habe dann gesagt, die Beklagte hätte einen neuen Tarif, da könne
man zwei Stunden gratis telefonieren. Über das Preisverhältnis im Vergleich zwischen
den Parteien sei bei diesem Anruf nicht gesprochen worden. Der erste Anruf habe wohl
Anfang 2003 stattgefunden, ein Termin im November 2003 wäre zu spät angesetzt. Auf
Befragen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat er dann bekundet, er könne
ohne Rückgriff auf Unterlagen nicht genau sagen, wann das erste Telefongespräch
stattgefunden habe. Das könne auch 2004 gewesen sein. Der zeitliche Abstand
zwischen seinem Wechsel zurück zur Beklagten und dem Anruf der Klägerin habe 4 – 8
Wochen betragen. Er könne nur ca.-Angaben machen.
Mit dieser Aussage hat der Zeuge L die Sachdarstellung der Klägerin im Kernpunkt
nicht bestätigt. Eine Äußerung des Inhalts, die Klägerin sei teurer als die Beklagte, ist
bei einem Telefongespräch im Herbst 2003 nicht gefallen. Nur bei dem vom Zeugen
geschilderten ersten Gespräch soll nach seiner Aussage über einen Vergleich der
Preise der Parteien gesprochen worden sein. Insoweit hat der Zeuge aber auch nicht
die Version der Klägerin voll bestätigt, sondern auf Befragen durch das Gericht nur
bekundet, die Anruferin habe gesagt, die Kosten seien gleich, sogar bei der Klägerin
etwas ungünstiger. Erst auf Befragen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat er
ausgesagt, die Äußerung der Anruferin sei pauschal dahin gegangen, für ihn sei es
teurer bei der Klägerin. Dieser Bekundung war vorausgegangen, dass der Zeuge L eine
deutliche Animosität gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zum
Ausdruck gebracht hatte, als dieser Fragen nach dem exakten zeitlichen Ablauf stellte.
Bei dieser Vorgeschichte kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge L in
Verärgerung über die durchaus zulässige Frageweise des Prozessbevollmächtigten der
Beklagten über seine vorherige deutlich zurückhaltendere Schilderung des
Gesprächsinhalts hinausgegangen ist. Daraus ergeben sich zugleich Glaubhaftigkeits-
und Glaubwürdigkeitsbedenken. Der Zeuge hat eine Äußerung, die Klägerin sei teurer
als die Beklagte, nicht wiedergegeben. Insofern unterscheidet sich die eidesstattliche
Versicherung des Zeugen L vom 10.12.2003, die die Klägerin mit ihrer Stellungnahme
zum Beweisergebnis (Schriftsatz vom 17.06.04, Bl. 199 – 207, Bl. 207a d.A.) vorgelegt
hat, deutlich von seiner Zeugenaussage. Dort hat er ausgeführt, es sei gesagt worden,
"außerdem sei U teurer als V". Dem Kontext nach bezieht sich das auf das zweite
Telefongespräch. Bei diesem ist nach seiner Zeugenaussage aber kein Preisvergleich
angestellt worden. Diese Divergenzen bestätigen nachhaltig die Bedenken, die die
Kammer schon im Haupttermin bei ihrer vorläufigen Würdigung des Beweisergebnisses
hinsichtlich der Tragfähigkeit der Aussage des Zeugen L zum Ausdruck gebracht hat.
Auffällig sind auch die groben Ungenauigkeiten bezüglich der Datierung und zeitlichen
Abfolge. Nach den von der Zeugin I, einer Angestellten der Beklagten, durchgeführten
Recherchen in den Unterlagen der Beklagten ist der Anschluss des Zeugen L schon am
15.08.2002 auf Preselection, vermutlich zugunsten der Klägerin, umgestellt worden. Am
31.03.2003 habe er den Wegfall der Voreinstellung beauftragt. Am 29.10.2003 habe er
bei der Beklagten angerufen und den Auftrag erteilt, seinen Telefonanschluss erneut auf
den Carrier 0028 voreinzustellen. Danach seien keine Telefonkontakte mit dem Zeugen
L mehr in den Unterlagen der Beklagten vermerkt. Diese teilweise von der Zeugin T,
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einer weiteren Mitarbeiterin der Beklagten bestätigten Angaben sind glaubhaft. Die
Klägerin muss Kenntnis davon haben, wann die Preselection des Anschlusses L mit ihr
vereinbart worden ist und ob und wann sie nach einer zwischenzeitlichen Aufhebung
wieder vorgenommen worden ist. Sie hat sich zu den von der Beklagten wiedergebenen
Vorgängen und Daten nicht konkret erklärt. Von diesen muss deshalb zu Lasten der
beweispflichtigen Klägerin ausgegangen werden. Sonstige Bedenken gegen die
Richtigkeit der geschilderten Abläufe bestehen nicht. Die Zeuginnen I und T sind
glaubwürdig. Konkreten Anlass, das Ergebnis der Recherche verfälscht wiederzugeben,
hatten sie nicht. Sie wussten, dass der Carrier, zu dessen Gunsten die Preselection
bestand und wieder eingerichtet worden ist, in der Lage sein würde, etwa unrichtige
Angaben aufzudecken. Sie hatten auch keinen Anlass, ein etwa vorangegangenes
eigenes Fehlverhalten zu decken. Sie haben keines der fraglichen Telefongespräche
selbst geführt. Mit diesen Abläufen ist die Aussage des Zeugen L nicht vereinbar.
Besonders auffällig ist, dass das Telefongespräch, das zur Aufhebung der Preselection
geführt haben soll, nach der Recherche nicht von der Beklagten sondern vom Zeugen L
ausgegangen sein soll. Ebensowenig ist es mit der Aussage des Zeugen L in Einklang
zu bringen, dass der zwischenzeitliche Wegfall der Preselection über einen Zeitraum
von mehr als einem halben Jahr angehalten haben müsste. Der Zeuge hat den Zeitraum
zwischen dem Zurückgehen zur Beklagten bis zum Anruf der Klägerin bei ihm, die zur
erneuten Preselection führte, mit 4 – 8 Wochen angegeben. Dann ist nicht erklärlich,
warum es bis Ende Oktober 2003 gedauert haben müsste, bis die Preselection
wiederhergestellt worden ist. Auch die eidesstattliche Versicherung des Zeugen vom
10.12.2003 (Bl. 207a d.A.) gibt insoweit keinen Aufschluss. Darin datiert er das erste
Telefongespräch mit der Beklagten auf Februar 2003, das zweite auf den 14.1.2003. Da
dieser Zeitablauf nicht richtig sein könnte, dürfte die Klägerin angenommen haben, er
habe den 14.11.2003 gemeint. Ebenso möglich wäre aber jeder andere Monat vor dem
10.12.2003, wenn man von einem Schreibversehen bei der Datenangabe in der
eidesstattlichen Versicherung ausgehen will. Diese eidesstattliche Versicherung darf im
Rahmen der Beweiswürdigung verwertet werden. Die Klägerin hat sie zu diesem Zweck
vorgelegt, die Beklagte hat beweiswürdigend zu ihr Stellung genommen. Ein Verstoß
gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Die Würdigung der
eidesstattlichen Versicherung durch die Beklagte gelangt zum gleichen Ergebnis wie
die des Gerichts; die Beklagte wird also nicht beschwert.
Die Gesamtwürdigung ergibt derart viele Ungereimtheiten, dass die Aussage des
Zeugen L insgesamt als nicht überzeugungskräftig gewertet werden muss. Die Kammer
zieht dabei nicht in Zweifel, dass es tatsächlich einen der Beklagten zuzurechnenden
Anruf vom 14.11.2003 bei dem Zeugen L gegeben haben kann. Denn die Zeuginnen T
und I haben übereinstimmend bekundet, dass solche Anrufe nicht zwingend in den
Unterlagen der Beklagten verzeichnet sein müssten. Die Zeugin T mochte ferner nicht
ausschließen, dass einer ihrer Mitarbeiter bei einem Aktivtelefonat darüber gesprochen
haben könne, die Klägerin sei teurer als die Beklagte. Das hilft aber nicht weiter. Nach
der Aussage des Zeugen L soll am 14.11.2003 gerade nicht von einem Preisvergleich
die Rede gewesen sein. Der Schluss, dass dann beim ersten vom Zeugen
geschilderten Telefongespräch der fragliche Preisvergleich erfolgt sein müsste, kann
wegen der angeführten Glaubhaftigkeitsbedenken nicht gezogen werden. Auf
Glaubwürdigkeitsbedenken wegen der erkennbar gewordenen Animosität des Zeugen L
gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist bereits eingegangen
worden. Weitere Bedenken treten hinzu. Der Zeuge L erscheint als Mann von einfacher
Wesensart ohne ausgeprägtes Differenzierungsvermögen. Seine Aussage und seine
eidesstattliche Versicherung (Bl. 207a d.A.) spiegeln das wieder. Es ist bei dem Bild
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seiner Persönlichkeit, wie es sich der Kammer dargestellt hat, nicht auszuschließen,
dass der Zeuge Vorgänge auf Umstände reduziert, die so nicht stattgefunden haben. Als
der Zeuge bei der Befragung durch das Gericht versuchte, sich genauer an die
Gesprächsverläufe zu erinnern, waren seine Bekundungen deutlich zurückhaltender als
am Ende seiner Aussage, nachdem er bei der Befragung durch den
Prozessbevollmächtigten der Beklagten den Eindruck gewonnen haben dürfte, man
glaube ihm nicht. Ein solches Aussageverhalten begründet Glaubwürdigkeitsbedenken,
weil dann nicht nur mit Vergröberungen sondern auch mit Verzerrungen im
Aussagegehalt gerechnet werden muss. Welche Formulierungen wann und mit
welchem genauen Wortlaut gefallen sein sollen, kann dann nicht mehr zur Überzeugung
des Gerichts festgestellt werden. Die Kammer kann deshalb der Aussage des Zeugen L
keinen glaubhaften Kern im Sinne der von der Klägerin behaupteten Äußerung
entnehmen. Dabei muss zusätzlich gesehen werden, dass die vom Zeugen
wiedergegebene Äußerung, für ihn sei es teurer bei der Klägerin, nicht dem mit dem
Hauptantrag verfolgten Unterlassungsbegehren entspricht, dieses also nicht
rechtfertigen könnte.
Die Zeugin B hat in ihrer Aussage nicht bestätigt, dass eine dem Hauptantrag der
Klägerin entsprechende Äußerung eines Mitarbeiters der Beklagten erfolgt wäre. Sie hat
bekundet, gesagt worden sei, XXL sei günstiger als U. Ebenfalls sei gesagt worden, die
V sei günstiger als alle anderen. Geäußert worden sei, U sei generell teurer als die V.
Das habe die fragliche Mitarbeiterin auf den Tarif XXL der Beklagten bezogen. Diese
Bekundungen entfernen sich wegen des jeweils ausdrücklichen Bezugs zu einem
bestimmten Tarif der Beklagten so weit von der mit dem Hauptantrag gerügten
pauschalen Äußerung, die Klägerin sei teurer als die Beklagte, dass eine Verurteilung
nach dem Hauptantrag nicht auf Grund der Aussage der Zeugin B erfolgen kann.
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II. Auch der auf die gleiche Anspruchsgrundlage gestützte Hilfsantrag der Klägerin ist
unbegründet.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass eine Mitarbeiterin der
Beklagten wörtlich oder sinngemäß geäußert hat, die Tarife der Firma U oHG seien
grundsätzlich teurer als der sogenannte XXL-Tarif der V. Gegen die zum Hauptantrag
wiedergegebenen Bekundungen der Zeugin B bestehen Glaubhaftigkeitsbedenken.
Nach den weiteren Bekundungen der Zeugin B sollen gleichgerichtete Äußerungen von
Mitarbeitern der Beklagten bei 4 oder 5 Telefongesprächen gefallen sein. Bedenken
dagegen ergeben sich daraus, dass die Anrufe, die jeweils von der Zeugin
ausgegangen sein sollen, einem anderen Zweck gedient haben sollen. Ausgangspunkt
ist nämlich nach der insoweit glaubhaften Aussage der Zeugin B der Umstand gewesen,
dass die Beklagte aus der Sicht der Zeugin zu Unrecht 96 € Umstellungskosten auf den
Tarif XXL verlangt hat. Auf Grund ihrer Anrufe hat die Zeugin B erreicht, dass diese
Kosten storniert worden sind. Dass bei Gesprächen über dieses Thema gleich alle vier
oder fünf Mitarbeiter der Beklagten die Äußerungen getan hätten, deren Unterlassung
mit dem Hilfsantrag erstrebt wird, ist nicht lebensnah. Eher ist anzunehmen, dass die
Zeugin im Nachhinein nicht mehr zuordnen kann, wann und bei welchem der
Telefongespräche eine solche Äußerung gemacht worden sein soll. Weitere Bedenken
ergeben sich aus den von der Zeugin dargebotenen Varianten der fraglichen Äußerung.
Diese deuten ebenfalls auf Erinnerungslücken der Zeugin B hin. Denn dass in auch nur
einem der Telefongespräche die Äußerung so variiert worden wäre, entspricht nicht der
Lebenserfahrung. Erst recht nicht lebensnah ist, dass das gleich in bis zu 5
Telefongesprächen mit verschiedenen Mitarbeitern der Beklagten erfolgt sein soll. Auf
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Grund des der Zeugin B vorgehaltenen Faxschreibens kann allerdings davon
ausgegangen werden, dass es ein Telefongespräch der Zeugin mit der Telekom am
16.01.2004 gegeben hat. Das Datum stimmt überein mit der Sachdarstellung der
Beklagten (Klageerwiderung vom 15.03.2004, Bl. 61 ff., dort S. 33 – 35, Bl. 93 – 95 d.A.).
Die Zeugin B hat nach ihrer Bekundung dies Telefongespräch mit einer Frau geführt.
Das entspricht der Aussage der Zeugin J. Sie hat bekundet, sie habe einen Anruf einer
Frau entgegengenommen, bei dem es um eine Rechnung gegangen sei. Sie habe sich
nicht um die Frage gekümmert, ob der Telefonanschluss, um den es gegangen sei,
preselected gewesen sei. Sie habe nur in die (gemeint: beanstandete) Rechnung
gesehen. Sie habe nicht gesagt, U sei grundsätzlich teurer als die V. Ein Name sei
überhaupt nicht gefallen. Diese Bekundungen verstärken die Glaubhaftigkeitsbedenken
gegen die Aussage B. Beide Aussagen decken sich im Ansatz, wonach es um den
Anruf einer Frau bei der Beklagten gegangen ist, der die Beanstandung einer Rechnung
zum Gegenstand hatte. Nach der Aussage der Zeugin B und den im Vortrag der
Beklagten verwerteten Unterlagen letzterer ist sicher, dass das Telefongespräch am
16.01.2004 stattgefunden hat. Dann spricht alles dafür, dass beide Zeuginnen sich auf
dasselbe Telefongespräch beziehen. Die von der Klägerin geäußerten Zweifel, ob das
Telefongespräch von der Zeugin J geführt worden sei, teilt die Kammer nicht. Sie
beruhen auf dem Umstand, dass in den Unterlagen der Beklagten als Anrufer der
Ehemann der Klägerin verzeichnet ist. Es trifft zu, dass die Zeugin J dafür keine
plausible Erklärung gegeben hat. Sie wusste auch nicht, wer die Anruferin gewesen
war, sondern mutmaßte nur, die Anruferin könne die Ehefrau des Anschlussinhabers B
gewesen sein. Ihre frühere Aussage, Anruferin sei eine Frau gewesen, hat sie damit
nicht revidiert. Am auch durch die Zeugin B geschilderten Sachverhalt, dass nicht ihr
Ehemann sondern sie die Anruferin vom 16.01.2004 gewesen ist, ändert das alles
nichts. So gesehen stellt die – nach dem Akteninhalt unerwartete – spontane
Bekundung der Zeugin J, Anruferin sei eine Frau gewesen, ein Indiz dafür dar, dass sie
sich an das Telefongespräch erinnert. Sie bezeichnete ihre Erinnerung bei ihrer
Vernehmung zwar als vage, doch schließt das das Vorliegen konkreter Erinnerung an
bestimmte Einzelheiten nicht aus. Das gilt hinsichtlich der Zeugin J auch deshalb, weil
sie in der Sache bereits eine Stellungnahme geschrieben haben will, wodurch sie sich
schon zu einem zeitnäheren Zeitpunkt die Vorgänge in Erinnerung gerufen hätte und
zwar naheliegenderweise im Bewusstsein, dass sie auf den Vorgang eventuell
zurückkommen müsse. Für das Vorliegen konkreter Erinnerung bei ihr spricht ferner,
dass sie die Beanstandung einer Rechnung als Kern des Anrufs geschildert hat. Das
war eine nicht aus dem Vortrag der Parteien ableitbare Information, die sodann in der
anschließenden Vernehmung der Zeugin B bestätigt wurde. Angesichts der beiden
angeführten signifikanten Übereinstimmungen zwischen den Aussagen der Zeuginnen
J und B steht fest, dass die der Zeugin J mindestens teilweise glaubhaft ist. Tragfähige
Gründe, warum ihre weiteren Bekundungen, sie habe sich nicht darum gekümmert, ob
der Anschluss des Kunden B preselected sei; sie habe nicht gesagt, U sei grundsätzlich
teurer als die V, unzutreffend sein müssten, sind nicht vorhanden. Es gab keinen
zwingenden Anlass, in einem Gespräch, dessen Kern die Beanstandung einer
Rechnung der Beklagten bildete, über Preisvergleiche zu sprechen. Es ist plausibel,
dass die Zeugin J bekundet hat, sie kenne die Tarife der Klägerin oder sonstiger
Konkurrenten der Beklagten nicht. Solche Tarife müssten sie von Berufs wegen nur
interessieren, wenn sie mit Werbegesprächen zum Zweck der Rückholung von
abgewanderten Telefonkunden betraut wäre. Sie hat das aber auf Befragen des
Gerichts in Abrede gestellt und von ihrer Seite initiierte Telefongespräche zu
Werbezwecken ausgeschlossen. Insofern kann es in der Dienststelle der Zeugin J
anders liegen als bei der in Erfurt, wo dem "Front-Office" für sog. callschwache Zeiten
Listen mit anzurufenden Personen zugeteilt werden, wie die Zeugin T glaubhaft
bekundet hat. Die Aussage der Zeugin J bezieht sich hinsichtlich ihres
Tätigkeitsbereichs auf nachprüfbare Fakten. Das spricht für die Richtigkeit dieser
Bekundungen. Dass sie nicht plausibel erklären konnte, warum entgegen ihren
geschilderten Gewohnheiten als Anrufer Herr B vermerkt worden ist, ist auffällig, für die
zu klärende Beweisfrage aber unerheblich. Ein Versehen der Zeugin J ist insoweit nicht
fernliegend. Nicht zu übersehen ist allerdings, dass die Zeugin J ein Motiv für eine
Falschaussage im zentralen Punkt hätte. Denn wenn sie im Telefongespräch mit der
Zeugin B gesagt hätte, U sei grundsätzlich teurer als die V, wüsste sie spätestens seit
ihrer Zeugenladung, dass sie mit einer solchen Äußerung ihren Arbeitgeber in einen
wettbewerbsrechtlichen Prozess verwickelt hätte und ein Zugeben des Vorwurfs zum
Prozessverlust führen konnte. Dann hätte sie auch mit Konsequenzen für ihre weitere
Tätigkeit bei der Beklagten rechnen müssen. In der jetzigen Zeit hoher Arbeitslosigkeit
ist das ein gravierender Gesichtspunkt, der auch Anlass für eine Falschaussage sein
kann. Ein Rückschluss vom Motiv auf die Richtigkeit des Vorwurfs setzt aber konkrete
Anhaltspunkte voraus, an denen es bezüglich der Zeugin J fehlt. Aus dem zur Aussage
der Zeugin B Ausgeführten ergibt sich, dass deren Bekundungen die Struktur des
Telefongesprächs vom 16.01.04 nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen
werden kann. Es gibt deshalb praktisch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, warum die
Aussage der Zeugin B richtig und die der Zeugin J falsch sein sollte. In der
Glaubwürdigkeitsbeurteilung ergeben sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede.
Zwar hat die Zeugin J an einem der Beklagten als ihrem Arbeitgeber günstigen
Prozessausgang. Umgekehrt weiß aber auch die Zeugin B, dass der Rechtsstreit auf
Grund ihrer Information an die Klägerin geführt wird. Daraus ergibt sich ihr Interesse
daran, dass die Klägerin auf Grund ihrer Information den Prozess gewinnt. Das wäre
zwar kein naheliegendes Motiv für eine Falschaussage, denn wenn die Zeugin B ihre
vorgerichtlichen Informationen an die Klägerin nicht voll bestätigt, hat sie nicht mit
negativen Folgen für sich zu rechnen. Wie dargelegt ist aber nicht hinreichend sicher, ob
und gegebenenfalls welche Formulierungen in welchem der bis zu 5 in Betracht
kommenden Telefongespräche der Zeugin B verwendet worden sind. Schon wegen
dieser Ungewissheit kann die negativ ergiebige Aussage der Zeugin J richtig sein. Eine
Reduktion auf einen zu konkretisierenden glaubhaften Kern der Aussage der Zeugin B
wäre nicht möglich. In welchem der anderen Telefongespräche konkret was gesagt
worden sein soll, kann die Kammer nicht feststellen. Würde die beweisbelastete
Klägerin die Daten der weiteren Telefongespräche benennen, könnte die Beklagte
ermitteln, welche ihrer Mitarbeiter/innen diese geführt haben. Naheliegenderweise
würden diese dann gegenbeweislich von der Beklagten als Zeugen benannt. Das
Ergebnis ihrer Zeugenaussagen ist für das Gericht nicht prognostizierbar. Eine
vorweggenommene Beweiswürdigung wäre unzulässig.
Unter diesen Umständen kann sich die Kammer keine Überzeugung davon bilden, dass
eine Äußerung des im Hilfsantrag der Klägerin bezeichneten Inhalts gefallen ist. Dies
Beweisergebnis schließt weitere in Betracht zu ziehende Anspruchsgrundlagen für das
Klagebegehren aus.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
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Streitwert: 50.000 €
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