Urteil des LG Bonn vom 16.01.2004

LG Bonn: stand der technik, flughafen, grundstück, unterbrechung der verjährung, radio und fernsehen, einfamilienhaus, lärm, angemessene entschädigung, zivilrechtliche ansprüche, wertminderung

Landgericht Bonn, 3 O 313/99
Datum:
16.01.2004
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Grundurteil
Aktenzeichen:
3 O 313/99
Schlagworte:
Fluglärm
Normen:
§ 906 BGB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand:
1
Die Kläger machen gegenüber der Beklagten einen Ausgleichsanspruch in Geld in
Höhe von 376.020,98 DM nebst Zinsen aus § 906 BGB wegen Fluglärms geltend, den
die den internationalen Flughafen der Beklagten benutzenden Flugzeuge auf den bis zu
ihrer Veräußerung in den Jahren 1999 bzw. 2001 in ihrem Eigentum stehenden
Grundstücken hervorrufen. Begehrt werden insoweit ein Betrag von 95.686,98 DM für
durchgeführte Schallschutzmaßnahmen, 4.584,- DM für die Einholung eines
Sachverständigengutachtens sowie insgesamt 275.750,- DM für die Wertminderung der
beiden Hausgrundstücke.
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Die Kläger errichteten auf den vormals in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken B-
Str. in M in den Jahren 1963/64, als es sich noch um ein zusammenhängendes
Grundstück handelte, ein ebenerdiges Einfamilienhaus als sogenanntes "Flachdach-
Scheibenhaus", mit
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sehr großen, einfach verglasten Fensterflächen. Im Jahre 1971 wurde ein Zimmer
dieses Einfamilienhauses vergrößert. Im Jahre 1977 erbauten die Kläger auf diesem
Grundstück ein weiteres Einfamilienhaus, ebenfalls als "Flachdach-Scheibenhaus",
wobei dessen Fenster mit Thermoverglasung versehen wurden. Die beiden Häuser
waren durch ein gemeinsames Schlafzimmer miteinander verbunden. Im Verlauf des
Rechtsstreits wurde das 1977 erbaute Einfamilienhaus mit dem angrenzenden
Schlafzimmer des im Jahre 1963 erbauten Hauses sowie einem entsprechenden
Grundstücksteil mit notariellem Kaufvertrag vom 15.09.1995 zu einem Kaufpreis von
471.750,- DM an eine der Töchter der Kläger, die bereits zuvor in diesem Haus gewohnt
hatte, veräußert. Der Kaufvertrag sieht eine fluglärmbedingte Wertminderung in Höhe
von 83.250,- DM (15 %) vor (Ziffer I.3. des Kaufvertrages). Ansprüche aus dieser
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fluglärmbedingten Wertminderung gegen Dritte sollten gemäß Ziffer III.1. des notariellen
Vertrages bei den Verkäufern verbleiben. Das Hausgrundstück wurde in der Folgezeit
mit notariellem Kaufvertrag vom 18.11.1999 von der Tochter der Kläger weiter veräußert
zu einem Kaufpreis "mit Rücksicht auf die Fluglärmbelästigung" von 460.000,- DM. In
Ziffer IV.1. des Vertrages heißt es, dass eventuelle Ansprüche wegen
Fluglärmbelästigung des Objektes nicht an den Käufer abgetreten werden. Die Kläger
verpflichteten sich, die noch bestehende Verbindung zwischen den Häusern zu
schließen, was auch geschah.
Das im Jahre 1963/1964 errichtete Einfamilienhaus wurde von den Klägern mit
notariellem Kaufvertrag vom 02.02.2001 zu einem Kaufpreis von 725.000,- DM
veräußert. Ausweislich Ziffer (2) 2. des Kaufvertrages wurde bei der Bemessung des
Kaufpreises die besondere Lage des Kaufobjektes in dem Bereich der Einflugschneise
des Flughafens Köln/Bonn und den sich hieraus ergebenden Beeinträchtigungen der
Anwohner durch Fluglärm berücksichtigt. In Ziffer (8) 1. des genannten Vertrages heißt
es, dass eventuelle Ansprüche wegen bestehender Fluglärmbelästigungen nicht an den
Käufer abgetreten, sondern beim Verkäufer verbleiben. Wegen der Einzelheiten der
baulichen Gegebenheiten und der erwähnten notariellen Kaufverträge wird auf die zu
den Akten gereichten Fotokopien der Baupläne (Anlage 1ff. zur Klageschrift) und die
notariellen Kaufverträge vom 15.09.1995 (Bl. 419ff. d.A.), vom 18.11.1999 (Bl. 1443ff.
d.A.) und vom 02.02.2001 (Bl. 1511ff. d.A.) Bezug genommen.
5
Die Beklagte betreibt den Flughafen Köln/Bonn in Wahn. Die Haupt-Start- und
Landebahn 14L-32R wurde unter dem 12.12.1958 nach §§ 7 LuftVG, 32 Abs.2
Verordnung über Luftverkehr in ihrer damals gültigen Fassung genehmigt. Die
"endgültige Genehmigung zum Betrieb des Verkehrsflughafens Köln/Bonn" wurde mit
Urkunde vom 03.01.1959 erteilt. Die Bahn 14L-32R, über die ca. 90 % des Flugverkehrs
abgewickelt werden, bildet eine Achse von Nordwesten nach Südosten, in deren
südöstlicher Verlängerung sich das Grundstück der Kläger in einer Entfernung von ca. 4
km befindet. Das Grundstück, welches entweder direkt oder nur geringfügig seitlich
versetzt in einer Höhe von ca. 400 m überflogen wird, liegt in der Lärmschutzzone 2
nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm aus dem Jahre 1971. Die Beklagte
unterhält in der Nähe der vormals klägerischen Grundstücke die Fluglärmmessstelle 6.
6
Im Jahre 1991 bot die Beklagte bestimmten Anwohnern, darunter auch den Klägern, im
Rahmen eines sogenannten "Lärmschutzprogrammes" die Erstattung bestimmter
Kosten für passive Lärmschutzmaßnahmen wie den Austausch von
Schlafzimmerfenstern und Nebenarbeiten an. In einem hierzu vorgesehenen Vertrag,
der von den Klägern nicht unterzeichnet wurde, waren Abfindungserklärungen
bezüglich der mit entsprechenden Lärmschutzvorkehrungen ausgestatteten Räume
vorgesehen. Wegen der Einzelheiten wird auf das zu den Akten gereichte Prospekt der
Beklagten (Anlage B 7, Bl. 94 ff. d.A.) verwiesen.
7
Die Kläger behaupten, bei Errichtung des Einfamilienhauses in den Jahren 1963/1964
habe auf dem von der Beklagten betriebenen Flughafen lediglich ein geringes
Verkehrsaufkommen, insbesondere ohne Düsenflugzeuge und ohne Nachtbetrieb,
geherrscht. Überflüge hätten tagsüber nur im Abstand von Stunden mit
Propellermaschinen stattgefunden. Der Flugverkehr sei in diesen Jahren derartig gering
und leise gewesen, dass Belästigungen für sie hieraus nicht entstanden seien. Auch im
Jahre 1977 sei der Nachtflugverkehr derart unbedeutend gewesen, dass er zu keinen
unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen auf den klägerischen Grundstücken geführt
8
habe. Im Jahre 1978 seien beispielsweise nur drei Flüge je Nacht aufgezeichnet
worden. Bis Ende der 80er Jahre hätten sie nachts von Fluglärm ungestört bei offenem
Fenster schlafen können. Auch tagsüber sei es im Jahre 1977 nur zu einer
hinnehmbaren Zahl an Überflügen gekommen. Insoweit vertreten die Kläger die Ansicht,
dass der Fluglärm weder in den Jahren 1963/64 noch im Jahr 1977 bereits unzumutbar
gewesen sei und schon aus diesem Gesichtspunkt eine eventuell Fluglärmvorbelastung
der Grundstücke nicht berücksichtigt werden könne. Selbst wenn bereits in diesen
Zeitpunkten eine unzumutbare Fluglärmvorbelastung vorgelegen hätte, könne diese hier
auf Grund der erheblichen Zunahme der Geräuschbelastung in der Zeit nach 1977 in
Form einer zusätzlichen unzumutbaren Belastung nicht zu einem Anspruchsausschluss
führen. Die zukünftige Entwicklung sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennbar
gewesen, was insbesondere für den Nachtflugverkehr, der - so die Behauptung der
Kläger - zu dieser Zeit praktisch nicht stattgefunden habe, gelte. Im übrigen sind sie der
Ansicht, dass es ihnen angesichts der noch vorhandenen unbebauten Fläche auf ihrem
Grundstück nicht zuzumuten gewesen sei, dass 1977 erbaute zweite Einfamilienhaus
an einem anderen Ort zu errichten.
Die Kläger behaupten, der Gesamtflugverkehr habe sich seit 1976/1977 bis in das Jahr
1990 verdoppelt. Insbesondere der Anteil von Flugbewegungen mit Düsenmaschinen
habe sich in dieser Zeit erheblich vergrößert. Erst seit dem Jahre 1987 seien der
Nachtflugverkehr, aber auch das übrige Flugverkehrsaufkommen massiv angestiegen.
In den Jahren 1991/1992 habe es beispielsweise im Jahresdurchschnitt 150
Flugbewegungen täglich gegeben, d.h. durchschnittlich habe alle 9,6 Minuten eine
Flugbewegung über ihrem Hausgrundstück stattgefunden. In der Nacht hätten in dieser
Zeit durchschnittlich 31 Überflüge stattgefunden, die sich insbesondere auf die Zeit
zwischen 3.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens konzentriert hätten. Es gebe aber auch
Nächte mit mehr als 50 Überflügen. Seit 1993 sei es zu einem weiteren massiven
Anstieg der Fluglärmbelastung ihrer Grundstücke gekommen. Der von den einzelnen
Flugbewegungen ausgehende Lärm habe sich dabei über die Jahre nicht geändert.
Nachts lägen eine Vielzahl von Einzelschallereignissen über 75 dB(A), einzelne sogar
bis 96,5 dB(A). Darüber hinaus werde sich der ständig steigende Bedarf an
Frachtflugverkehr auch in der Zukunft auf dem Flughafen der Beklagten in Köln/Bonn
konzentrieren und damit zu einem weiteren ständigen Anstieg des Nachtflugverkehrs
führen. Der Passagiercharterverkehr würde sich in der Zukunft entsprechend entwickeln.
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Die Kläger behaupten, sie seien durch diesen Fluglärm nachts ständig geweckt und am
Wiedereinschlafen gehindert worden, weshalb sie sich morgens wie "gerädert" fühlten.
Der Nachtflugverkehr mache im Hausinneren selbst am Ohr des Schlafenden einen
unzumutbaren Lärm. Auch tagsüber seien die Bewohner in ihren privaten und
beruflichen Tätigkeiten aufgrund des von den Überflügen ausgehenden Lärms
beeinträchtigt. Innerhalb des Hauses könnten sie immer wieder wegen plötzlich
auftretenden Fluglärms Sprache und Musik aus Radio und Fernsehen nicht richtig hören
und verstehen, müssten Gespräche, Telefonate und Diktate unterbrechen und würden
insbesondere in Phasen gesteigerter Ruhebedürftigkeit, nämlich am späten Nachmittag
und am frühen Abend, beim Ausruhen, beim Lesen sowie auch beim Arbeiten etc.
gestört. Aufgrund der Fluglärmbeeinträchtigungen seien sie auch an einer
angemessenen Nutzung der ihnen vormals gehörenden Grundstücke mit - unstreitig -
mehreren Außenterrassen und einem Schwimmbad, Garten und Außenanlage
gehindert. Der Fluglärm störe sie in einer unvertretbaren, ihre Gesundheit angreifenden
Weise.
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Den massiven Fluglärmeinwirkungen, denen die Häuser ausgesetzt seien, könne nicht
in zureichendem Maße durch entsprechende passive Schallschutzmaßnahmen
begegnet werden. Im Übrigen vertreten die Kläger die Ansicht, dass es den Bewohnern
dieser Häuser auch nicht zumutbar sei, sich ständig bei vollständig geschlossenem
Fenster im Hausinneren aufzuhalten.
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Die Klägerin sind der Ansicht, dass bereits die Dauerschallpegel der ihre vormaligen
Grundstücke überfliegenden Flugzeuge die Grenze der zumutbaren Belästigung
überschreiten würden. Gleiches gelte für die einzelnen Spitzenschallpegel sowie die
Dauer und Häufigkeit der Überflüge. Gerade die hohen Schallpegel mit hoher Frequenz
führten zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und seien deshalb nicht
zumutbar.
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Während die Kläger im Hinblick auf den Gebietscharakter zunächst vorgetragen haben,
dass es sich um eine Bebauung im ruhigen Außenbereich gehandelt habe, behaupten
sie nunmehr, dass es sich bereits im Jahre 1963/1964 bei Errichtung des ersten Hauses
bei dem Gebiet um ein reines Wohngebiet gehandelt habe. Da von der - unstreitig - in
der Nähe verlaufenden Autobahn nur zeitweise und bei bestimmten Windrichtungen ein
gleichbleibendes Rauschen zu vernehmen sei, sind die Kläger der Ansicht, dass auch
dies keine Beeinträchtigung der Grundstücke darstelle.
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Den ihnen nach ihrer Ansicht zustehenden Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2
BGB in Höhe von 376.020,98 DM begehren die Kläger einerseits für die bereits
durchgeführten Schallschutzmaßnahmen, andererseits für lärmbedingte
Wertminderungen ihrer zwischenzeitlich veräußerten Grundstücke. Die durchgeführten
Schallschutzmaßnahmen mit einem von den Klägern errechneten und von der
Beklagten bestrittenen Kostenaufwand in Höhe von 112.572,91 DM abzüglich 10 %
"neu für alt" und 5 % wegen Energieersparnis, d.h. 95.686,98 DM, beziehen sich mit
Ausnahme eines Teilbetrages von 6.249,10 DM für den Einbau von
Schallschutzfenstern im Schlafzimmer des 1977 erbauten Hauses alleine auf das im
Jahre 1963/1964 errichtete Einfamilienhaus. Im Hinblick auf die Wertminderungen, die
nach Ansicht der Kläger 25 % des Verkehrswertes der Hausgrundstücke betragen,
werden nach der Darstellung der Kläger derzeit nur Teilbeträge geltend gemacht und
zwar für das 1963 errichtete Haus von einer nach Ansicht der Kläger gegebenen
Wertminderung in Höhe von 225.000,- DM ein Teilbetrag von 192.500,- DM und für das
1977 errichtete Haus von einer angenommenen Wertminderung in Höhe von 150.000,-
DM ein Betrag von 83.250,- DM.
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Nachdem die Kläger zunächst mit der Klageschrift vom 28.12.1993 (Bl.1 d.A.) die
Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 290.255,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem
22.01.1994 beantragt haben, haben sie die Klageforderung mit Schriftsatz vom
12.08.1996 (Bl.414 d.A.) auf 332.651,62 DM nebst 4 % Zinsen aus 290.255,- DM für die
Zeit vom 22.01.1994 bis zum 19.08.1996 und von 332.651,62 DM ab dem 20.08.1996
erhöht, dann mit Schriftsatz vom 30.09.1996 (Bl.444, 448 d.A.) um 4.500,- DM
zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 05.05.1998 (Bl.666, 669 d.A.) haben sie die
Zahlung von 381.256,91 DM nebst 4 % Zinsen aus 262.211,19 DM für die Zeit vom
22.01.1994 bis zum 11.08.1996, von 300.007,75 DM für die Zeit ab dem 12.08.1996 bis
zum 13.05.1998 und von 381.256,91 DM ab dem 14.05.1998 beantragt.
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Die Kläger beantragen nunmehr (Bl.1340, 1371 d.A.),
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 376.020,98 DM nebst Zinsen in Höhe von 4 %
jährlich aus 262.211,19 DM für die Zeit vom 22.01.1994 bis zum 11.08.1996, aus
300.007,75 DM ab dem 12.08.1996 bis zum 13.05.1998 sowie aus 376.020,98 DM
ab dem 14.05.1998 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Die Beklagte rügt zunächst die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs gemäß
20
§ 13 GVG.
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In der Sache behauptet sie, dass der von ihr betriebene Flughafen Köln/Bonn als
internationaler Flughafen bereits seit seiner Eröffnung von Düsenmaschinen der ersten
Generation angeflogen worden sei. Auch Nachtflugverkehr habe bereits in den Jahren
1963/1964 stattgefunden. Die Zunahme des Düsenflugverkehrs, des Nachtverkehrs
sowie des Flugverkehrs im Ganzen sei für die Kläger aufgrund der allgemeinen
Entwicklung auch vorhersehbar gewesen. In diesem Zusammenhang vertritt sie die
Ansicht, dass den Klägern auf Grund entsprechender Veröffentlichungen bereits Anfang
der 60er Jahre die dynamische Entwicklung des Flugverkehrs hätte bekannt sein
müssen und der seitens der Kläger geltend gemachte Ausgleichsanspruch damit bereits
aufgrund der hieraus resultierenden Vorbelastung der Grundstücke scheitere. Wegen
der schon zu Beginn der 60er Jahre aufgetretenen massiven Lärmbelastung seien die
Kläger darüber hinaus für die vorliegende Klage auch nicht aktivlegitimiert, da die
Kläger das Grundstück, was zwischen den Parteien unstreitig ist, erst später erworben
hätten. Weiterhin behauptet die Beklagte, dass trotz eines Anstiegs der
Flugbewegungen der Fortschritt im Flugzeugbau sowie eine immer stärkere
Einschränkung der Nachtflugmöglichkeiten zu einer Verringerung des Fluglärms geführt
hätten. Zu einer weiteren Reduzierung habe die am 01.11.1992 in Kraft getretene
Nachtflugregelung mit der Begrenzung auf leisere Flugzeuge, die Neuregelung der
Nachtflugbeschränkungen auf dem Verkehrsflughafen Köln/Bonn durch Bescheid des
Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 26.08.1997 zum 01.11.1997, nach der in der Zeit zwischen 22
und 6 Uhr - unstreitig - nur noch Strahlflugzeuge starten und landen dürften, die
besonders lärmarm und nach ICAO Annex 16, Band I, Kapitel 3 und einer besonderen
Bonusliste des Bundesverkehrsministeriums als lärmarm eingestuft sind, sowie der
Ablauf des Bestandsschutzes zum 01.11.2002 für die bis zu diesem Zeitpunkt noch
verkehrenden Flugzeuge, die nach den oben genannten Vorgaben nicht besonders
lärmarm sind, geführt. Soweit Spitzenpegel beispielsweise im Jahre 1993 über 90 dB(A)
gelegen hätten, habe es sich lediglich um Einzelfälle gehandelt, welche jedoch auch
bereits im Jahre 1964 vorgekommen seien. Das von ihr angebotene Programm zum
passiven Schallschutz sei vor diesem Hintergrund ausreichend.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass der beispielsweise im Jahre 1993 unter 60 dB(A)
liegende energieäquivalente Dauerschallpegel unter Berücksichtigung der
Lärmvorbelastung der vormals klägerischen Grundstücke nicht zu einer Überschreitung
der Zumutbarkeitsschwelle führe. Zum einen seien hier die Grenzwerte nach dem
Fluglärmschutzgesetz einschlägig, was sich insbesondere aus einer Bindungswirkung
aus dem Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Köln vom 16.02.1988 (Aktenzeichen 8
U 160/96) im vorliegenden Verfahren ergebe. Zum anderen müsse berücksichtigt
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werden, dass es sich bei den beiden den Klägern vormals gehörenden Anwesen um
eine Bebauung im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB handele. Im Hinblick auf
den Gebietscharakter müssten sich die Kläger insoweit an ihrem prozessualen
Geständnis festhalten lassen. Im Außenbereich sei die Zumutbarkeitsschwelle im
Vergleich zu anderen Wohngebieten jedoch wesentlich höher.
Im Übrigen seien Ansprüche der Kläger verwirkt, da sie 1971 und 1977 in Kenntnis
entsprechender Fluglärmereignisse die Erweiterungs- und Neubauten vorgenommen
hätten.
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Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und vertritt hierzu die Ansicht, dass die
Wesentlichkeitsschwelle - wenn überhaupt - spätestens im Jahre 1961 mit Aufnahme
des interkontinentalen Düsenflugverkehrs überschritten worden sei. Sie behauptet,
bereits zu diesem Zeitpunkt seien die Beeinträchtigungen auch auf den vormals
klägerischen Grundstücken fühlbar geworden.
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Im Hinblick auf die durchgeführten Schallschutzmaßnahmen bestreitet die Beklagte
deren Erforderlichkeit und wendet sich im Übrigen auch gegen die Höhe der einzelnen
Positionen. Sie behauptet, bei dem im Jahre 1977 errichteten Einfamilienhaus seien die
nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm erforderlichen baulichen
Schallschutzanforderungen nicht beachtet worden und vertritt insoweit die Ansicht, nicht
zu einer nachträglichen Finanzierung der diesbezüglichen Versäumnisse der Kläger
verpflichtet zu sein.
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Das Landgericht Köln (Aktenzeichen 22 O 601/93) hat in diesem Verfahren am
10.10.1996 ein Grund- und Teilurteil erlassen, mit dem es den seitens der Kläger
geltend gemachten Ausgleichsanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und
im Hinblick auf die durchgeführten Schallschutzmaßnahmen einen Betrag in Höhe
87.000,- DM zugesprochen hat. Hinsichtlich der geltend gemachten Wertminderung der
Grundstücke hat es eine weitere Beweiserhebung angeordnet. Das Oberlandesgericht
Köln (Aktenzeichen 8 U 160/96) hat das Urteil des Landgerichts Köln mit Berufungsurteil
vom 16.02.1998 aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen. Aufgrund einer von der
Beklagten erhobenen Zuständigkeitsrüge wurde der Rechtsstreit sodann mit Beschluss
des Landgerichts Köln vom 20.08.1998 an das Landgericht Bonn verwiesen. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Köln vom 07.11.1996 (Bl.
483ff. d.A), das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 16.02.1998 (Bl. 626ff. d.A.) und
den Beschluss des Landgerichts Köln vom 20.08.1999 (Bl. 1292 d.A.) verwiesen.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
28
In diesem Verfahren wurde Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher
Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dr. L und N sowie durch
Inaugenscheinnahme im Rahmen verschiedener Ortstermine. Wegen des Ergebnisses
der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. L vom
25.03.1996 (Bl. 303ff. d.A.), 10.05.2002 (Bl. 1792ff. d.A.), 21.05.2003 (Bl. 1981ff. d.A.)
und 28.07.2003 (Bl. 2195 d.A.) sowie die ergänzenden Ausführungen in den
mündlichen Verhandlungen vom 03.12.1998 (Bl. 895ff. d.A.) und vom 05.08.2003 (Bl.
2233f. d.A.), die Gutachten des Sachverständigen N vom 14.12.1998 (Bl. 946ff. d.A.) und
18.06.1999 (Bl. 1245ff. d.A.) sowie dessen mündliche Erläuterung in den
29
Verhandlungen vom 22.11.1998 (Bl. 999ff. d.A.) und 21.06.1999 (Bl. 1259ff. d.A.), die
Ortstermine vom 18.09.1998 (Bl. 77 d.A.), 14.10.1998 (Bl. 801 d.A.), 02.06.1998 (Bl.
1187ff. d.A.), 07.06.1999 (Bl. 1197ff. d.A.), 23.04.2002 (Bl. 1734ff. d.A.), 30.04.2002 (Bl.
1738ff. d.A.), 22.06.2002 (Bl. 1776ff. d.A.) sowie die Beweisbeschlüsse vom 01.09.1994
(Bl. 204ff. d.A.), 12.10.1998 (Bl. 796ff. d.A.), 01.02.2002 (Bl. 1646 ff. d.A.) und 10.05.2002
(Bl. 1744ff. d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
30
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
31
Da die Höhe des geltend gemachten Anspruches streitig ist und einer weiteren,
gegebenenfalls umfänglichen Aufklärung bedarf, hat die Kammer vorab über den
Anspruchsgrund der Klage gemäß § 304 Abs. 1 ZPO entschieden.
32
I. Die auf § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützte Klage ist zulässig, insbesondere ist der
Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet.
33
1. Der Zivilrechtsweg nach § 13 GVG ist nicht schon aufgrund der gesetzlichen Fiktion
des § 71 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Luftverkehrsgesetz ausgeschlossen. Zwar
gilt der Flughafen Köln/Bonn nach der genannten gesetzlichen Regelung als im Plan
festgestellt, da er auf Grund erstmaliger Genehmigung aus dem Jahre 1958 in dem
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand bis zum 03.10.1990 betrieben
wird (vgl. OVG Münster, Urteil vom 10.07.2003, Aktenzeichen 20 D 78/00.AK). Jedoch
schließt dies die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach § 906 BGB in
Verfahren vor den Zivilgerichten nicht aus (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 22.02.2002,
Aktenzeichen 8 U 52/00).
34
2. Ein solcher Ausschluss ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung
von §§ 9 Abs. 2, 3 Luftverkehrsgesetz, 75 Abs. 2 VwVfG.
35
§ 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG schließt Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf
Beseitigung oder Änderung der Anlage oder auf Unterlassung ihrer Benutzung aus,
soweit und sobald der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden ist. Dies gilt
auch zugunsten solcher Vorhaben, für die aufgrund besonderer gesetzlicher
Vorschriften ein Plan als bestandskräftig festgestellt gilt (vgl. BVerwG, LKV 1998, 148,
149; OVG Berlin, DVBl. 1997, 73 ff.). Dem entsprechend schließt auch § 9 Abs. 3
Luftverkehrsgesetz Beseitigungs- und Änderungsansprüche gegenüber rechtskräftig
planfestgestellten Anlagen aus. Treten in einem solchen Fall nicht voraussehbare
Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlage
nach Unanfechtbarkeit des Planes auf, so kann der Betroffene Vorkehrungen oder die
Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche die nachteiligen
Wirkungen ausschließen. Sind solche Vorkehrungen untunlich oder mit dem Vorhaben
unvereinbar, so richtet sich der Anspruch auf angemessene Entschädigung nach §§ 75
Abs. 2 Satz 1, 2 und 4 VwVfG in Geld. Ein solcher Anspruch ist gegenüber der
Planfeststellungsbehörde gegebenenfalls im Rahmen des Verwaltungsrechtsweges
geltend zu machen (vgl. BGH Z 140, 285, 297). Gleiches gilt für die Geltendmachung
der in § 9 Abs. 2 Luftverkehrsgesetz vorgesehenen Auflagen.
36
Im vorliegenden Verfahren machen die Kläger hingegen keine Maßnahmen nach den
genannten gesetzlichen Bestimmungen geltend. Sie wenden sich nicht gegen die
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Planfeststellungsbehörde, sondern gegen die Beklagte als Betreiberin des Flughafens
und machen dieser gegenüber privatrechtliche Ansprüche nach § 906 BGB geltend. Ob
und inwieweit sich die beschriebene Ausschlusswirkung nach §§ 9 Abs. 2, 3
Luftverkehrsgesetz, 75 Abs. 2 VwVfG auch auf die hier geltend gemachten
zivilrechtlichen Ansprüche erstreckt, ist damit nicht eine Frage der Zulässigkeit des
Zivilrechtsweges, sondern eine solche der Begründetheit (vgl. OLG Köln, a.a.O.).
3. Auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.10.2000 (NVwZ
2001, 209), in der eine direkt gegen § 71 Abs.2 Satz 1 LuftVG gerichtete
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden ist und die
Beschwerdeführer auf die Möglichkeit verwiesen worden sind, im
Verwaltungsrechtsweg Klage auf die begehrte nachträgliche Betriebsbeschränkung zu
erheben, folgt nicht, dass zivilrechtliche Ansprüche gegen den Flughafenbetreiber
selber nach § 906 BGB alleine wegen der gesetzlichen Fiktionswirkung nach § 71
Abs.2 Luftverkehrsgesetz nicht im Zivilrechtsweg geltend gemacht werden können (vgl.
OLG Köln, a.a.O.).
38
4. Gleiches gilt hinsichtlich der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom
05.04.2001 (NJW-RR 2001, 1313, 1314), da der dort geltend gemachte
Schadensersatzanspruch gegen den Betreiber einer Bahnanlage aus materiellen
Gründen, d.h. auf Grund der rechtskräftigen Planstellung nach § 75 Abs.2 Satz 1 VwVfG,
und nicht wegen fehlender Zulässigkeit des Rechtsweges abgelehnt worden ist.
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5. Der Zulässigkeit des Zivilrechtsweges steht auch nicht § 11 Luftverkehrsgesetz i.V.m.
§ 14 Bundesimmissionsschutzgesetz entgegen. Selbst wenn diese Bestimmungen auf
den vorliegenden Fall anwendbar wären, wären die diesbezüglichen Ansprüche
ebenfalls im Zivilrechtsweg geltend zu machen, da es sich um gegen den Betreiber der
Anlage selber gerichtete Ansprüche privatrechtlicher Natur handelt (vgl. OLG Köln,
a.a.O., m.w.N.)
40
II. Der somit in zulässiger Weise auf dem Zivilrechtsweg geltend gemachte
Ausgleichsanspruch wegen zu duldenden Fluglärms steht den Klägern gegenüber der
Beklagten nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Grunde nach zu.
41
1. Die Klage ist nach den obigen Ausführungen unter I.2. nicht von vorneherein
unbegründet.
42
Aus der nach § 71 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 Luftverkehrsgesetz folgenden
Fiktionswirkungen bezogen auf den Planfeststellungsbeschluss folgt kein Ausschluss
der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten zivilrechtlichen Ansprüche.
43
Ein solcher Ausschluss ergibt sich insbesondere nicht aus einer entsprechenden
Anwendung der §§ 9 Abs. 2, Abs. 3 Luftverkehrsgesetz, 75 Abs. 2 - 4 VwVfG. Soweit
diese Regelung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch in Fällen fingierter
Planfeststellungsbeschlüsse entsprechend angewandt wurde (vgl. BVerfG, NVwZ RR
2001, 209; BVerwG, LKV 1998, 148 ff.), war Gegenstand der dort entschiedenen
Streitigkeiten ein Antrag auf nachträgliche Betriebsbeschränkung bzw. Reduzierung des
Flugbetriebes. Dies lässt sich indes auf privatrechtliche Ansprüche gegen den Betreiber
einer nach § 71 Abs.2 Satz 1 Luftverkehrsgesetz im Plan festgestellt geltenden Anlage
auf Grund von Sinn und Zweck der genannten Vorschriften nicht übertragen.
Wesentlicher Gesichtspunkt für den Ausschluss privatrechtlicher Ansprüche in §§ 9 Abs.
44
2, Abs. 3 Luftverkehrsgesetz, 75 Abs. 2 - 4 VwVfG ist, dass bereits im Rahmen des
Planfeststellungsverfahrens über mögliche Schutzmaßnahmen und gegebenenfalls
auch Entschädigungsansprüche von Betroffenen entschieden wurde und der Betroffene
damit vorab die Möglichkeit hatte, den Planfeststellungsbeschluss anzugreifen und
weitere Schutzmaßnahmen zu verlangen (vgl. OLG Stuttgart, NJW RR 2001, 1313 ff.,
m.w.N.). In dem Planfeststellungsverfahren soll damit eine Gesamtentscheidung über
die Zulässigkeit des Vorhabens sowie eventuell erforderliche Folgemaßnahmen
getroffen werden. Im Rahmen dieser abschließenden Gesamtentscheidung müssen
auch die Interessen der eventuell von der Anlage betroffenen Anlieger berücksichtigt
werden.
Bei einer nach der gesetzlichen Fiktion des § 71 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 1
Luftverkehrsgesetz als im Plan festgestellt geltenden Anlage hat eine solche
abwägende Gesamtentscheidung im Vorfeld indes nicht stattgefunden, so dass die
Kläger, die hier im Rahmen eines ordentlichen Planfeststellungsverfahrens nicht die
Möglichkeit hatten, ihre Interessen in hinreichendem Maße einzubringen, nicht auf die
Geltendmachung öffentlichrechtlicher Ansprüche nach § 75 Abs. 2 VwVfG bzw. § 9 Abs.
2 Luftverkehrsgesetz verwiesen werden können.
45
Ein solcher Ausschluss privatrechtlicher Ansprüche ergibt sich auch nicht aufgrund der
gesetzlichen Regelung in § 11 Luftverkehrsgesetz i.V.m. § 14
Bundesimmissionsschutzgesetz. Der gemäß § 11 Luftverkehrsgesetz anzuwendende §
14 Bundesimmissionsschutzgesetz schließt bei unanfechtbarer Genehmigung des
Betriebes einer Anlage privatrechtliche Abwehransprüche insoweit aus, als deren
Einstellung begehrt wird. Nach dieser Regelung können damit nach unanfechtbarer
Genehmigung nur noch Vorkehrungen verlangt werden, die die benachteiligenden
Wirkungen ausschließen und - soweit dies nicht möglich oder vertretbar ist - den
Betroffenen Schadensersatzansprüche gewähren. Ein möglicher Anspruch nach § 906
BGB bleibt hiervon jedoch unberührt (vgl. Giemulla, Luftverkehrsgesetz, § 11 Rdnr. 10,
12, § 9 Rdn. 11, 12).
46
2. Nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks, der gemäß §
906 Abs. 2 S. 1 BGB eine von einem anderen Grundstück ausgehende wesentliche
Beeinträchtigung durch ortsübliche Benutzung zu dulden hat, von dem Benutzer des
störenden Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die
Einwirkung die ortsübliche Nutzung seines Grundstücks über das zumutbare Maß
hinaus beeinträchtigt. Die Beklagte ist nach dieser Vorschrift als Betreiberin des
Flughafens Köln/Bonn zur Erfüllung der Ausgleichsansprüche verpflichtet, die den
Klägern als vormaligen Eigentümern der belasteten Grundstücke daraus erwachsen
sind, dass deren Benutzung durch die Fluggeräusche der den Flughafen Köln/Bonn
benutzenden Flugzeuge in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wurde (vgl. BGH Z 69,
105 ff.; BGH Z 59, 378 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.07.1993, Aktenzeichen.: 9 U
85/92).
47
a) Bei dem Betrieb des Flughafens Köln/Bonn durch die Beklagte handelt es sich um
eine ortsübliche Benutzung. Die Beklagte betreibt den Flughafen aufgrund behördlicher
Genehmigung, so dass die von diesem ausgehenden Einwirkungen auf die vormals
klägerischen Grundstücke nicht rechtswidrig sind. Die Kläger waren von daher nach §
906 Abs. 2 S. 1 BGB zur Duldung der durch den Fluglärm verursachten Störungen auf
ihren Grundstücken verpflichtet. Der von der Beklagten betriebene Flughafen Köln/Bonn
ist seit Jahrzehnten für den Charakter der Landschaft der östlich des Rheins zwischen
48
Bonn und Köln gelegenen Wahner Heide einschließlich des Ortes M in kilometerweiter
Ausdehnung sowohl nord- und südwärts als auch ost- und westwärts von
bestimmendem Einfluss. Die Beklagte ist auch nicht in der Lage, die durch die
Fluggeräusche der den Flughafen, insbesondere die Start- und Landebahn 14 L - 32 R
benutzenden Flugzeuge ausgehenden Beeinträchtigungen der vormals klägerischen
Grundstücke durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen zu verhindern. Nach dem
derzeitigen Stand der Technik ist das Entstehen von Fluglärm sowohl beim Starten als
auch beim Landen von Flugzeugen nicht zu vermeiden. Ein Unterlassungsanspruch
nach § 1004 BGB, der grundsätzlich gegenüber dem Ausgleichsanspruch nach § 906
Abs. 2 S. 2 BGB vorrangig geltend zu machen gewesen wäre, stand den Klägern daher
zu keinem Zeitpunkt zu.
b) Die Kläger sind zur Geltendmachung der hier in Rede stehenden
Ausgleichsansprüche nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB auch aktiv legitimiert. Soweit die
Beklagte in diesem Zusammenhang behauptet, dass die Zumutbarkeitsschwelle des §
906 BGB bereits Anfang der 60er Jahre überschritten worden sei, als die Kläger
unstreitig noch nicht Eigentümer der hier in Rede stehenden Grundstücke waren, läßt
sich dies weder dem vorgelegten Datenmaterial noch der Beweisaufnahme entnehmen.
Die von der Beklagten angegebenen Flugbewegungen lassen einen Schluss auf eine
unzumutbare Beeinträchtigungen in dieser Zeit noch nicht zu, wie sich aus den
Ausführungen des Sachverständigen N, der unter anderem die Fluglärmbelastung der
vormals klägerischen Grundstücke in den Jahren 1963/1964 dargestellt hat, ergibt. Auf
die Einzelheiten seiner sachverständigen Feststellung ist zu einem späteren Zeitpunkt
einzugehen.
49
Die Tatsache, dass die Kläger die beiden streitgegenständlichen Hausobjekte im
Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits veräußert haben, steht ihrer Aktivlegitimation im
vorliegenden Verfahren ebenfalls nicht entgegen. Nach § 265 ZPO sind die Kläger zur
weiteren Geltendmachung der hier streitgegenständlichen Ansprüche befugt. Beide
Erwerber der Grundstücke haben den Klägern Ansprüche aus einer Wertminderung der
Hausgrundstücke wegen Fluglärmbeeinträchtigungen abgetreten und die Kläger zur
weiteren gerichtlichen Geltendmachung ermächtigt.
50
c) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der auf die vormals
klägerischen Grundstücke einwirkende Fluglärm sowohl im Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung als auch zur Zeit der Veräußerung der Grundstücke in den Jahren 1999
und 2001 bzw. bei Durchführung der Schallschutzmaßnahmen, deren Kostenerstattung
mit der vorliegenden Klage unter anderem begehrt wird, eine wesentliche
Beeinträchtigung darstellte, die die ortsübliche Benutzung der vormals klägerischen
Grundstücke über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigte und vor diesem
Hintergrund seitens der Kläger nicht entschädigungslos hinzunehmen war.
51
aa) Nach Änderung des § 906 BGB durch das Sachenrechtsänderungsgesetz vom
21.09.1994 liegt nach § 906 Abs. 1 S. 2 und S. 3 BGB eine unwesentliche
Beeinträchtigung in der Regel dann vor, wenn die Einwirkungen die in Gesetzen oder
Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte oder die Werte in
allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des
Bundesimmissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik
wiedergeben, nicht überschreiten. Nach ständiger Rechtsprechung sind insoweit in
Betracht kommende öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne der zitierten Bestimmung
jedoch nicht schematisch anzuwenden, sondern bilden lediglich einen Anhaltspunkt für
52
die Beurteilung des jeweiligen konkreten Einzelfalles (vgl. OLG Köln, Urteil vom
17.01.2001, Aktenzeichen: 2 U 5/97; Palandt/Bassenge, 62. Auflage, § 906 Rdnr. 17).
bb) Für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Fluglärm fehlen solche allgemein
verbindlichen bundes- oder landesrechtlichen Normen zu der Frage, bis zu welcher
Grenze von Flugplätzen ausgehender Fluglärm noch als unwesentlich anzusehen ist
(vgl. OLG Hamburg, OLGR 1999, 36, 38; OLG Köln, Urteil vom 17.01.2001,
Aktenzeichen: 2 U 5/97).
53
Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm vom 30.03.1971 und die darin festgelegten
Richtwerte enthalten keine verbindliche Festsetzung von Grenzwerten im Sinne des §
906 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Fluglärmschutzgesetz dient nicht der Beurteilung individueller
Lärmbeeinträchtigungen, sondern ist lediglich Grundlage für die Festlegung von
Lärmschutzzonen im Sinne dieses Gesetzes (vgl. Palandt/Bassenge, § 906, Rdnr. 17;
BGH, NJW 1977, 1920, 1922; NJW 1993, 1700, 1702). Die dort vorgesehenen
Richtwerte stellen alleine den Maßstab für bestimmte planungsrechtliche Regelungen
im Bereich der Festsetzung von Lärmschutzzonen dar. Soweit das Oberlandesgericht
Köln in seinem Berufungsurteil in dieser Sache davon ausgegangen ist, dass das
Fluglärmschutzgesetz ein Gesetz im Sinne des § 906 Abs. 1 S. 2 BGB darstellt, mit der
Folge, dass im Grundsatz eine Unterschreitung des dort vorgesehenen Richtwertes von
67 dB(A) als Regelfall für die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung gelten würde,
besteht eine diesbezügliche Bindungswirkung entgegen der Ansicht der Beklagten
nicht. Die Bindung bei einer Zurückverweisung ist auf die rechtliche Beurteilung durch
das Berufungsgericht beschränkt und umfasst insoweit nur solche Rechtsauffassungen
des Berufungsgerichts, die den Grund für die Aufhebung des Urteils bilden (vgl. BGH,
NJW 1958, 59, 60; NJW 1964, 2956 ff.; BGH Z 31, 358 ff.; 51, 131, 135). Im vorliegenden
Fall wurde der Rechtsstreit alleine auf Grund wesentlicher Verfahrensmängel an das
Landgericht Köln zurückverwiesen. Die Ausführungen, die das Oberlandesgericht Köln
im Rahmen seines Berufungsurteils in der Sache gemacht hat, lagen der
Zurückverweisung hingegen nicht zugrunde und entfalten somit nach der oben zitierten
zutreffenden Rechtsprechung auch keine Bindungswirkung für eine weitere
Sachentscheidung.
54
Ebenfalls nicht unmittelbar anwendbar ist die technische Anleitung zum Schutz gegen
Lärm (TA Lärm) vom 26.08.1998. Diese ist nach § 66 Abs. 2
Bundesimmissionsschutzgesetz bei der Konkretisierung des Begriffs der Erheblichkeit
im Sinne von § 3 Bundesimmissionsschutzgesetz zu berücksichtigen und kann
grundsätzlich in diesem Zusammenhang auch als Maßstab gem. § 906 Abs. 1 S. 2 BGB
herangezogen werden (vgl. Palandt/Bassenge § 906, Rdnr. 19). Für den vorliegenden
Fall ist die TA-Lärm jedoch nicht unmittelbar einschlägig, da das
Bundesimmissionsschutzgesetz nach § 2 Abs. 2 Bundesimmissionsschutzgesetz nicht
für Flugplätze gilt.
55
Die vom Bundesgerichtshof für Wohngebiete bei Verkehrslärmimmissionen entwickelte
enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle kann ebenfalls nicht zugrunde gelegt
werden, da diese nach zutreffender Rechtsprechung deutlich über der
fachplanungsrechtlichen Erheblichkeitsschwelle liegt, die im privaten
Nachbarrechtsverhältnis der Grenze entspricht, bis zu der der Eigentümer
Beeinträchtigungen entschädigungslos hinnehmen muss (vgl. BGH, NJW 1993, 1700 ff.;
BGH Z 122, 76, 79).
56
cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind wesentliche
Geräuschimmissionen im Sinne des § 906 BGB identisch mit den erheblichen
Geräuschbelastungen und damit schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne der §§ 3
Abs. 1, 22 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (vgl. BGH, NJW 1993, 1700 ff.).
Umwelteinwirkungen in diesem Sinne sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder
Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für
die Allgemeinheit oder Nachbarschaft herbeizuführen. Nicht erforderlich ist insoweit der
Eintritt eines tatsächlichen gesundheitlichen Schadens. Vielmehr ist die Grenze der
Zumutbarkeit bereits dann überschritten, wenn bei einer zeitlich anhaltenden
Belästigung das psychische und physische Wohlbefinden der betroffenen Personen
ungünstig beeinflusst wird (vgl. BGH, NJW 1981, 1369 ff.).
57
Bei Fluglärm ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Grundsatz - nicht
anders als bei sonstigem Verkehrslärm - in erster Linie auf den Mittelungspegel
abzustellen, wobei daneben insbesondere aufgrund der Besonderheiten bei
Düsenflugzeugen im Rahmen der tatrichterlichen Einzelfallbeurteilung auch den
Spitzenpegeln und der Art und Dauer des Lärms wesentliche Bedeutung zukommt (vgl.
BGH, NJW 1995, 1823 ff.). Auch wenn die Festlegung von Grenzwerten in den
privatrechtlichen Umweltstandards wie z.B. DIN-, VDI- und VDE-Normen für die Frage
der Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit im Sinne des § 906 BGB bei durch Fluglärm
hervorgerufenen Beeinträchtigungen nach den obigen Ausführungen keine Regelfälle
gemäß § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB darstellen, so können sie dennoch als
Orientierungshilfen und Anhaltspunkte für die Beurteilung und Einordnung von Fluglärm
herangezogen werden (vgl. Palandt/Bassenge, § 906, Rdnr. 17). Anhaltspunkte bei der
Frage der Wesentlichkeit von Flugplätzen ausgehenden Fluglärms in diesem Sinne
können beispielsweise die Richtwerte der TA-Lärm vom 26.08.1998, die DIN 45643 Teil
3 "Messung und Beurteilung von Fluglärm" sowie die VDI-Richtlinie 2058 "Beurteilung
von Arbeitslärm in der Nachbarschaft" und die DIN 18005 "Schallschutz für den
Städtebau" sein. So sehen etwa die genannten TA-Lärm und die DIN 18005 den
Immissionsgrenzwert für ein reines Wohngebiet bei einem äquivalenten
Dauerschallpegel von tagsüber 50 dB(A) und nachts 40 dB(A) und für ein allgemeines
Wohngebiet von tagsüber 55 dB(A) und nachts 45 dB(A). Die VDI-Richtlinie 2058 sieht
bezogen auf äquivalente Dauerschallpegel in allgemeinen Wohngebieten die
Grenzwerte bei 55 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts. Soweit die in der
Verkehrslärmschutzverordnung nach der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung für
Wohngebiete genannten Grenzwerte von 59 dB(A) tagsüber und 49 dB(A) nachts hier
als Orientierungshilfe herangezogen werden, muss jedoch beachtet werden, so die
nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. L, dass
Fluglärm im allgemeinen als wesentlich lästiger empfunden wird als
Straßenverkehrslärm, auf den sich die genannte Verordnung eigentlich bezieht.
58
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind diese Werte, die nach den
obigen Ausführungen ohnehin allenfalls Anhaltspunkte für die Beurteilung der
Fluglärmbelastung bieten können, jedoch nicht schematisch anzuwenden, sondern
bilden lediglich einen Anhaltspunkt für die Beurteilung des jeweiligen Einzelfalles,
wobei auch umgekehrt die Überschreitung der Werte nicht als Regelfall für die
Wesentlichkeit angesehen werden kann. Die Zumutbarkeitsgrenze ist vielmehr anhand
einer wertenden Betrachtungsweise innerhalb eines gewissen Spektrums von
Möglichkeiten im Rahmen tatrichterlicher Würdigung des Einzelfalles zu ermitteln (vgl.
BGH, NJW 1995, 1823 ff.). Abzustellen ist dabei nicht auf das subjektive Empfinden des
konkret Betroffenen, vielmehr ist maßgeblich das Empfinden eines verständigen,
59
durchschnittlichen Benutzers des betroffenen Grundstücks in seiner örtlichen
Beschaffenheit, Ausgestaltung und Zweckbestimmung, wobei die Umstände des
konkreten Einzelfalles gleichwohl zu berücksichtigen sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom
16.02.1998, Aktenzeichen: 8 U 130/96; OLG Köln vom 17.01.2001, Aktenzeichen: 2 U
5/97). In diesem Zusammenhang sind nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht nur das Ausmaß des Lärms, sondern auch die Art des Lärms
sowie die Gebietsart und eine mögliche Lärmvorbelastung des betroffenen
Grundstückes zu berücksichtigen, wobei im Rahmen der tatrichterlichen
Gesamtbetrachtung nicht nur den Mittelungspegeln, sondern auch den Spitzenpegeln
wesentliche Bedeutung zukommen kann, was nach der insoweit herrschenden
Rechtsprechung insbesondere dann nahe liegt, wenn es um die Beurteilung durch
Düsenflugzeuge verursachten Lärms geht (vgl. BGH, NJW 1995, 1823 ff.; NJW 1986,
2423 ff.; NJW 1993, 1700 ff.; NJW 1981, 1369 ff.). Bei diesem besteht die Besonderheit,
dass er gegenüber anderen Lärmbeeinträchtigungen durch kurzzeitige verhältnismäßig
hohe Schalldrücke und bestimmte Frequenzzusammenhänge gekennzeichnet ist und
sich daher beispielsweise gegenüber Straßenverkehrslärm mit gleicher Pegelfrequenz
als wesentlich störender für den Betroffenen darstellt.
dd) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht unter Zugrundelegung der
vorgenannten Erwägungen zur hinreichenden Überzeugung der Kammer fest, dass die
vormals klägerischen Grundstücke in einer die Grenzen der Zumutbarkeit deutlich
übersteigenden Weise wesentlichen, von den den Flughafen der Beklagten
benutzenden Flugzeugen ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen insbesondere zur
Nachtzeit ausgesetzt waren. Bei der insoweit notwendigen Gesamtbeurteilung stützt
sich die Kammer auf die überzeugenden, in jeder Hinsicht nachvollziehbaren und von
Sachkunde getragenen Ausführungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen
Herrn Dr. L in seinen Gutachten sowie den ergänzenden mündlichen Erläuterungen,
denen sie sich vollumfänglich anschließt, sowie die protokollierten Ergebnisse der in
diesem Verfahren durchgeführten Ortstermine.
60
Der Sachverständige Dr. L hat im vorliegenden Verfahren für einen Zeitraum von
mehreren Jahren Berechnungen auf der Grundlage eigener Messungen auf den vormals
klägerischen Grundstücken sowie in dem 1963/1964 errichteten Einfamilienhaus sowie
der eingereichten Protokolle der Messstation 6 der Beklagten durchgeführt, die letztlich
sämtlich für eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung der beiden vormals zusammen
gehörenden Grundstücke sprechen.
61
Im Einzelnen:
62
(1) Der Sachverständige Dr. L hat zur Vorbereitung seines ersten Gutachtens in diesem
Verfahren eine Dauermessung in der Zeit vom 26.05.1995 bis zum 22.06.1995
durchgeführt. Der Sachverständige ist im Rahmen dieser Messung zu einem
durchschnittlichen energieäquivalenten Dauerschallpegel nach Leq 3 (Mittelungspegel)
von tagsüber 57,7 dB(A) und nachts (22.00-6.00 Uhr) von 57,1 dB(A) gelangt. Die von
dem Sachverständigen gemessenen Spitzenpegel betrugen tags 78,9 dB(A) bzw. an
lauten Tagen 80,1 dB(A) und nachts 78,3 dB(A) bzw. in lauten Nächten 80,4 dB(A). In
der Zeit von 3.00 bis 5.00 Uhr nachts betrug der mittlere Maximalpegel nach den
Ausführungen des Sachverständigen 87 dB(A), der maßgebliche Beurteilungspegel
nach DIN 456433 58 dB(A) tags und 62 dB(A) nachts, in lauten Nächten 67 dB(A), der
äquivalente Dauerschallpegel nach Leq 4 tagsüber 52,6 bis 55,9 dB(A) und nachts 48-
52,2 dB(A). Hinsichtlich der Anzahl der Überflüge hat der Sachverständige in der Zeit
63
von 3.00 bis 5.00 Uhr nachts mehr als 5,5 Überflüge pro Stunde gemessen, insgesamt
lagen davon 9,5 Überflüge über einem mittleren Maximalpegel von 87 dB(A). Wegen der
weiteren diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Tabelle 5.1 des Gutachtens vom
25.03.1996 (Bl.321 d.A.) verwiesen.
Die Pegeldifferenzen im Haus betrugen nach den weiteren Messungen des
Sachverständigen im Wohnzimmer des 1963/1964 errichteten Hauses 23 dB(A), im
dortigen Schlafzimmer 25 dB(A) und im Wohnzimmer des 1977 errichteten Hauses 26
dB(A). Der mittlere Maximalpegel betrug danach bei geschlossenem Fenster nachts
zwischen 3 und 5 Uhr 64 dB(A) im Wohnzimmer, 62 dB(A) im Schlafzimmer und 61
dB(A) in dem zweiten Haus, wobei sich nach den weiteren nachvollziehbaren Angaben
des Sachverständigen die Werte bei gekipptem Fenster um jeweils 15 dB(A) erhöhen.
64
(2) Im Rahmen seines Gutachtens vom 28.08.2002 hat der Sachverständige Dr. L die
Entwicklung der äquivalenten Dauerschall- und Spitzenschallpegel zwischen den
Jahren 1995 und Mitte 2002 begutachtet.
65
Im Hinblick auf den äquivalenten Mittelwert ist der Sachverständige dabei zu dem
Ergebnis gelangt, dass dieser für die Zeit von 1995 bis 2001 unter Zugrundelegung der
sechs verkehrsreichsten Monate 59,6 dB(A) betrug. Im Hinblick auf die Entwicklung der
Spitzenschallpegel hat der Sachverständige in diesem Gutachten festgestellt, dass die
überwiegende Anzahl der Flugereignisse insbesondere zur Nachtzeit zwischen 22.00
und 6.00 Uhr unter bzw. um 80 dB(A) lagen und sich der Spitzenpegel damit um 7 dB(A)
im Vergleich zu dem 1995 gemessenen Zeitraum reduziert hat. Im Hinblick auf die
Anzahl der Flugbewegungen, so der Sachverständige, sei demgegenüber keine
wesentliche Verringerung eingetreten. Zusammenfassend hat der Sachverständige in
diesem Gutachten in einer für das Gericht nachvollziehbaren Weise ausgeführt, dass
eine signifikante Änderung sowohl im Hinblick auf die Tages- und Nachtmittelungspegel
als auch die Anzahl der Flugbewegungen in der Zeit zwischen 1995 und Mitte 2002
nicht eingetreten ist. Die Anzahl der Flugbewegungen sei, gestützt auf die auch den
Parteien vorliegenden Messungen des Ingenieurbüros H und Partner, die in einem
anderen Verfahren durchgeführt wurden, um 50 % angestiegen, so dass die festgestellte
Reduzierung der Spitzenpegelbelastung teilweise durch die höhere Anzahl an
Flugereignissen in diesem Zeitraum kompensiert werde. Insoweit steige auch die
Wahrscheinlichkeit von Aufweckreaktionen und Störungen des Nachtschlafes um mehr
als 50 % an.
66
(3) Der Sachverständige hat im Rahmen des dritten Gutachtens vom 21.05.2003,
welches insbesondere der Klärung der Frage diente, ob durch die Herausnahme
bestimmter Flugzeugtypen wegen des entfallenden Bestandschutzes für laute
Flugzeuge eine erhebliche Reduzierung der Lärmbelästigung zur Nachtzeit
festzustellen ist, die seitens der Beklagten übersandten Daten der Flugbewegungen in
der Zeit vom 01.11.2001 bis zum 01.02.2002 und vom 01.11.2002 bis zum 01.02.2003
ausgewertet. Hier ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass die mittlere
Anzahl der Flugbewegungen um 1,3 Bewegungen pro Nacht zurückgegangen ist und
sich der Mittlungspegel für die Nachtzeit damit um 0,4 dB(A) reduziert hat. Tagsüber ist
es nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen hingegen zu
einem Anstieg des äquivalenten Pegels nach Leq 4 um 0,9 dB(A) gekommen. Dies sei
auf einen Anstieg der Flugbewegungen um rund 10 % zurückzuführen. Zur Nachtzeit
seien hingegen die sehr lauten Flüge mit Maximalwerten zwischen 81 und 96 dB(A)
entfallen.
67
(4) Der Sachverständige Dr. L hat in seiner Ergänzung zur gutachterlichen
Stellungnahme vom 21.05.2003 tabellarisch aufgrund weiterer seitens der Beklagten zur
Verfügung gestellter Daten die Entwicklung des nächtlichen Fluglärms in der Zeit von
Anfang Februar 2002 bis Anfang Juni 2002 und Anfang Februar 2003 bis Anfang Juni
2003 dargestellt. Diese Tabelle hat er in der mündlichen Verhandlung ergänzt durch die
Daten für das Jahr 1995 aus der Tabelle 5.1 des Gutachtens vom 25.03.1996.
68
Die Entwicklung der mittleren nächtlichen Fluglärmpegel nach Leq (3) und der
Flugbewegungen stellt sich danach wie folgt dar:
69
Zeit
1995
Pegel
dB(A)
2002 01.02.-
01.06. Pegel
dB(A)
2003 01.02.-
01.06. Pegel
dB(A)
1995
Anzahl
2002
Anzahl
2003
Anzahl
22-23
55,6
53,3
52,9
2,4
3,1
2,7
23-00
51,1
53,7
53,7
1,4
4,4
3,7
00-01
56,2
57,3
55,4
4,2
6,7
5,0
01-02
52,8
54,8
52,9
1,5
2,6
1,9
02-03
49,6
57,6
54,4
0,7
4,4
2,9
03-04
61,1
60,4
59,5
4,8
9,5
7,3
04-05
61,2
60,9
59,9
5,7
10,4
7,1
05-06
54,5
56
55,4
1,6
4,1
2,9
Gesamt
57,1
57,7
55,2
(22,3) 45,2
33,5
Aufweckreaktion 91 %
86,8 %
78,8 %
70
Bei der Beurteilung der in der Tabelle dargestellten Messwerte sind zwei weitere -
bereits dargestellte - Aspekte zu beachten:
71
Zwar handelt es sich bei den von dem Sachverständigen gemessenen Werten sämtlich
um solche Werte, die im Außenbereich der vormals klägerischen Grundstücke
gemessen wurden, jedoch ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Fluglärm nicht
entscheidend auf die Werte bei geschlossenem Fenster abzustellen, da ein Wohnen bei
ständig geschlossenen Fenstern und Türen den Betroffenen nicht zumutbar ist und zum
Wohnen auch die angemessene Mitbenutzung der Außenwohnanlage gehört (vgl. BGH,
NJW 1986, 2423 ff.).
72
Im Rahmen der anzustellenden Gesamtbeurteilung der Zumutbarkeit des Fluglärmes
kann im übrigen nicht alleine auf den Dauerschallpegel abgestellt werden, da dieser
alleine keine geeignete Bemessungsgrundlage für die von Fluglärm ausgehenden
störenden Beeinträchtigungen darstellt. Hier ist, wie bereits ausgeführt wurde, auch die
Art des Lärms zu berücksichtigen, die bei Fluglärm gegenüber anderen
Verkehrslärmimmissionen durch kurzzeitige, plötzlich auftretende, verhältnismäßig hohe
Schalldrücke und bestimmte Frequenzzusammenhänge gekennzeichnet ist. Vor diesem
73
Hintergrund kommt dem Spitzenschallpegel nach herrschender Meinung bei der
Beurteilung von Fluglärm, der von Düsenflugzeugen verursacht wird, im Rahmen der
anzustellenden Gesamtbetrachtung eine wesentliche Bedeutung zu. Nach den
Messungen und Berechnungen des Sachverständigen Dr. L aufgrund der von der
Beklagten überreichten Daten für die Messstelle 6 hat sich der Spitzenpegel von 87
dB(A) im Mittel in der Zeit zwischen 3 und 5 Uhr nachts im Jahre 1995 auf 80 dB(A) in
der Zeit bis ins Jahr 2001 reduziert. Ab dem Jahr 2001 ist es dann nach den
Feststellungen des Sachverständigen zu einer weiteren Reduzierung der Spitzenpegel
gekommen, insbesondere da in dieser Zeit die Flugereignisse mit dB(A)-Werten von
über 81 dB(A) zur Nachtzeit entfallen sind.
(5) Nach den weiteren Ausführungen von Herrn Dr. L geht die Kammer auch davon aus,
dass es sich bei den seitens des Sachverständigen gemessenen und zuvor
dargestellten Lärmwerten um die Zumutbarkeitsgrenze des § 906 BGB überschreitende
Beeinträchtigungen handelt. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass unter
Zugrundelegung sämtlicher herrschender Bewertungskriterien hier von einer
unzumutbaren Beeinträchtigung der Kläger auszugehen ist, da aufgrund der
Lärmbeeinträchtigungen, die von dem seitens der Beklagten betriebenen Flughafen
ausgehen, mit hoher Wahrscheinlichkeit insbesondere bei älteren Menschen mit einer
Änderung der Schlaftiefe und Aufweckreaktionen zu rechnen ist. Zu diesem Ergebnis
gelangt der Sachverständige im Rahmen seiner detaillierten und für das Gericht
nachvollziehbaren Ausführungen ausgehend von verschiedenen anerkannten Studien
und wissenschaftlichen Abhandlungen auf diesem Gebiet, wie der Ausarbeitung von
Griefhahn, dem Bewertungsverfahren des holländischen Gesundheitsrates, der
Schlafstudie des DLR sowie auch einer eigenen aus verschiedenen
Bewertungskriterien entwickelten Formel, welcher er in seiner Stellungnahme vom
28.07.2003 ausführlich dargelegt hat und auf die wegen der Einzelheiten Bezug
genommen wird, nach denen sämtlich bei den vorliegenden Messwerten von einer
Unzumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigungen auszugehen ist.
74
Im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen hat nach den Ausführungen des
Sachverständigen in seinem letzten Gutachten vom 28.07.2003 eine Befragung von
Betroffenen ergeben, dass sich 10 % der Bevölkerung bei Fluglärm von 54 dB(A),
Straßenverkehrslärm von 59 dB(A) und Schienenverkehrslärm von 64 dB(A) stark
belästigt fühlten. Ein Grenzwert im Hinblick auf die Frage der erheblichen Belästigungen
von Fluglärm kann nach der nachvollziehbaren und detaillierten Darstellung des
Sachverständigen in diesem Gutachten unter Zugrundelegung vorgenannter
Feststellungen bezüglich der unterschiedlichen Lästigkeit verschiedener
Lärmereignisse den zur 16. Bundesimmissionsschutzverordnung
("Verkehrslärmschutzverordnung") entwickelten Grenzwerte für Straßenverkehrslärm
entnommen werden. Diese legt den Grenzwert für Wohngebiete bei
Straßenverkehrslärm bei 59 dB(A) tagsüber und 49 dB(A) nachts fest. Eine Übertragung
dieser Grenzwerte auf die sich durch die Befragung ergebende Feststellung, dass sich
bei einer Lärmbelästigung von 59 dB(A) 10 % der Bevölkerung stark belästigt gefühlt
haben, ergibt nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L, denen sich die
Kammer anschließt, unter Zugrundelegung der gleichen Maßstäbe für Fluglärm eine
Schwelle für den mittleren Tagespegel von 53 dB(A) und den mittleren Nachtpegel von
43 dB(A). Diese Werte entsprechen einem Prozentsatz stark belästigter Personen von
10 %. Zu denselben Ergebnissen gelangt man nach den weiteren Feststellungen des
Sachverständigen, wenn man von den Grenzwerten der 16.
Bundesimmissionsschutzverordnung für Fluglärm einen Malus von 6 dB(A) in Ansatz
75
bringe, wie dies etwa im Rahmen der ISO 9613-1 vorgesehen ist. Eine solche
Malusbetrachtung ist - so der Sachverständige - international üblich und hat auch
Eingang in die ISO 1996-1 gefunden, die seit April 2003 aufgrund der Zustimmung des
Deutschen Instituts für Normung als Mitgliedsorganisation internationale Geltung erlangt
hat. Dort ist für Fluglärm ein Malus von 3 - 6 dB(A) eingeführt, so dass die Bonus-Malus-
Betrachtung nach den Angaben des Sachverständigen als Stand der Technik bei
Lärmbelästigung angesehen werden kann. Die Schwelle der Unzumutbarkeit liegt damit
unter Beibehaltung dieser Grundsätze für Fluglärm bei 61 dB(A) tagsüber und 51 dB(A)
nachts. Dieses Ergebnis korrespondiert nach Darstellung des Sachverständigen mit
einer Versuchsanordnung von Prof. Dr. Griefhahn, nach der mit kardiovaskulären
Reaktionen durch Geräuschepisoden auszugehen sei, wenn deren Dauerschallpegel
zwischen 62 und 80 dB(A) liege. Selbst wenn insoweit die einzelnen Grenzwerte für
sich genommen in der jeweiligen fachwissenschaftlichen Diskussion streitig sind, ergibt
sich jedoch aus der Gesamtschau die Richtigkeit der die unzumutbare
Belastungsgrenze beschreibenden hier angenommenen Schwellenwerte.
Wie die seitens des Sachverständigen durchgeführten Messungen gezeigt haben,
werden Werte über dem dargestellten Grenzwert von 51 dB(A) nachts bereits im Mittel
regelmäßig überschritten, was auch die Gegenüberstellung der Entwicklung der
mittleren nächtlichen Flugpegel und der Flugbewegungen in der Tabelle unter Ziffer (4)
zeigt. Aus dieser ergibt sich für die Zeit von 3 bis 5 Uhr nachts im Hinblick auf die
Messungen aus den Jahren 1995, 2002 und 2003 ein durchschnittlicher mittlerer Pegel
von über 60 dB(A), so dass nach den oben dargestellten Grundsätzen von einer
unzumutbaren Beeinträchtigung auszugehen ist. Hingegen ist es nach der zutreffenden
Rechtsprechung nicht Voraussetzung, dass diese Beeinträchtigungen ein Ausmaß
erreichen, bei dem mit einer etwaigen Gesundheitsgefährdung der Betroffenen zu
rechnen ist. Im Rahmen des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB geht es wesentlich um einen
sächlichen Ausgleich widerstreitender, nachbarrechtlicher Interessen, der nicht erst
dann zu gewähren ist, wenn bereits Gesundheitsgefährdungen der Beteiligten
eingetreten oder jedenfalls ernsthaft zu befürchten sind. Vielmehr ist nach der bereits
oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Grenze der
entschädigungslos hinzunehmenden Zumutbarkeit schon dann überschritten, wenn bei
einer zeitlich anhaltenden Belästigung in dem festgestellten Ausmaß das physische und
psychische Wohlbefinden der betroffenen Person ungünstig beeinflusst wird (vgl. BGH,
NJW 1981, 1369 ff.; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.07.1993, Aktenzeichen: 9
U 85/92). Hiervon ist indes auf Grund der obigen Feststellungen auszugehen. In diesem
Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Tabelle in Ziffer (4) lediglich die
mittleren Pegel nach Leq (3) darstellt, während die Spitzenpegel, die nach den obigen
Ausführungen gerade bei Fluglärm von entscheidender Bedeutung sind, dort gar nicht
aufgeführt sind.
76
Die Tatsache, dass sich die Pegel, insbesondere die Maximalpegel zur Nachtzeit im
Vergleich zu den 1995 durchgeführten Messungen reduziert haben, hat nach den
nachvollziehbaren Darstellungen des Sachverständigen, denen sich das Gericht
anschließt, die Aufweckwahrscheinlichkeit nicht gravierend verändert.
77
Ausgehend von den Daten aus dem Jahre 1995 ist nach den Feststellungen des
Sachverständigen bei im Mittel 22,3 deutlich wahrnehmbaren Überflügen pro Nacht
davon auszugehen, dass bei 92 % der in dieser Situation mit gekipptem Fenster
Schlafenden eine Änderung der Schlaftiefe mit Aufweckreaktion eintritt. Diese
Aufweckwahrscheinlichkeit hat sich ausweislich der Gegenüberstellung des
78
Sachverständigen entsprechend der Tabelle in Ziffer (4) lediglich auf 86,8 % für die Zeit
vom 01.02.2002 bis 01.06.2002 und 78,8 % für die Zeit vom 01.02.2003 bis zum
01.06.2003 reduziert. Maßgeblich für die Aufweckwahrscheinlichkeit ist - so die
nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen - nämlich primär die Anzahl der
Flugereignisse, nicht hingegen die von den einzelnen Flugereignissen ausgehende
Lärmbeeinträchtigung, die sich hier, wie die Tabelle ebenfalls zeigt, in der Tat seit Mitte
der 90er Jahre reduziert hat. Die Aufweckhäufigkeit hat sich damit auf Grund der
Zunahme der Flugereignisse trotz geringerer Lärmbeeinträchtigung durch das einzelne
Flugereignis nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom
21.05.2003 aufgrund der festgestellten Pegelreduzierung lediglich geringfügig auf rund
78 % reduziert. Zumutbar ist nach den Ausführungen des Sachverständigen in
Anlehnung an die einschlägigen von ihm näher dargelegten Studien hingegen lediglich
eine Aufweckwahrscheinlichkeit von rund 20 %. Selbst wenn man diesen
Schwellenwert noch in Zweifel ziehen möchte, so ist jedenfalls eine
Aufweckwahrscheinlichkeit von weit über der Hälfte aus der Sicht des vernünftigen
objektiven Betrachters nicht mehr zumutbar. Hinzu kommt, dass die Frage, wann Lärm
nachts als erheblich belästigend einzustufen ist, auch eng mit der Häufigkeit und der
Höhe der Schallereignisse verknüpft ist. In diesem Zusammenhang ist - so der
Sachverständige weiter - entsprechend den Forschungsergebnissen der verschiedenen
Studien wesentlich auf die Spitzenpegel als Kenngröße abzustellen. Danach folgen die
Störungen des Nachtschlafes nicht alleine dem Energieäquivalenzprinzip, sondern sind
nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. L sehr stark mit
der Anzahl der Flugereignisse verknüpft. Die Schwelle zur Unzumutbarkeit sei in
diesem Zusammenhang nach einer in der Stellungnahme vom 28.07.2003 näher
erläuterten Veröffentlichung von Griefhahn, Jansen, Scheuch und Spreng, die auch mit
den Ergebnissen der Studie des holländischen Gesundheitsrates in Einklang stehe, bei
13 und mehr Ereignissen über 53 dB(A) erreicht, während auch nach dieser Studie bei
einer Überschreitung von 6 Ereignissen über 60 dB(A) nach wissenschaftlichen
Grundsätzen eine Gesundheitsgefährdung nicht mehr ausgeschlossen werden könne.
Die Spitzenpegel bewegen sich nach den oben dargestellten Messungen des
Sachverständigen Dr. L in der für die Aufweckwahrscheinlichkeit besonders relevanten
Zeit von 3 bis 5 Uhr nachts trotz einer Reduzierung gegenüber den Messungen aus dem
Jahr 1995 bei nach wie vor bis zu 80 dB(A). Die Zunahme der Flugbewegungen
verstärkt - wie die obigen Ausführungen zeigen - dagegen die darauf beruhenden
Beeinträchtigungen.
79
(6) Dem stehen auch die Feststellungen der Kammer anlässlich der durchgeführten
Ortstermine nicht entgegen. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass es sich bei solchen
Ortsterminen stets nur um eine auf einen kurzen Zeitraum beschränkte Wahrnehmung
handeln kann, die im Hinblick auf die durchschnittliche Lärmbelastung nicht unbedingt
repräsentativ sein kann. Dies hat die Kammer z.B. beim Ortstermin am 23.04.2002
erfahren müssen, als keine Flugbewegungen vorkamen. Die Kammer hat im Rahmen
ihrer Ortstermine aber festgestellt, dass überfliegende Flugzeuge sowohl tags als auch
nachts bei geschlossenem Fenster mit entsprechender Aufmerksamkeit deutlich
wahrnehmbar waren und sich diese Bemerkbarkeit bei gekipptem Fenster bzw.
geöffneter Kaminklappe des 1963 gebauten Hauses verstärkt hat. Im Außenbereich hat
die Kammer die Lärmbeeinträchtigung beim Überfliegen der Flugzeuge als laut
empfunden. Insoweit wurde im Rahmen der durchgeführten Ortstermine der von den
querenden Flugzeugen ausgehende Lärm von der Kammer durchaus als
Beeinträchtigung empfunden. Soweit die Unzumutbarkeit sich im Wesentlichen aus dem
80
nächtlichen Fluglärm ergibt, war auch zu berücksichtigen, dass die Situation im Rahmen
von Ortsterminen eine andere ist als eine reale Schlafsituation, auf die es im
vorliegenden Fall im Hinblick auf eine Aufweckwahrscheinlichkeit jedoch entscheidend
ankommt. Angesichts der im Ortstermin wahrgenommen Geräuschbelastung durch
Fluglärm bei gleichzeitig verminderten sonstigen Umgebungsgeräuschen ist die vom
Sachverständigen unter Auswertung des Schrifttums errechnete
Aufweckwahrscheinlichkeit aufgrund der Zahl der Überflüge jedoch nachvollziehbar und
plausibel. Dies betrifft im Übrigen aufgrund der benachbarten Lage beide Grundstücke
in gleicher Weise.
d) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung für den seitens der Kläger geltend
gemachten Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB war bezüglich der bereits
durchgeführten Schallschutzmaßnahmen der Zeitpunkt von deren Durchführung und
bezüglich des geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz der Wertminderungen der
Zeitpunkt der jeweiligen Veräußerung der Hausgrundstücke. Soweit in der
Rechtsprechung bei der Frage der Unzumutbarkeit der Lärmbelästigungen auf den
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt wird, kann dahinstehen, ob
dies den Besonderheiten des vorliegenden Falles gerecht würde, da sich insoweit für
die Feststellung des Vorliegens des Anspruchsgrundes keine Unterschiede ergeben.
Den Klägern sind bereits im Rahmen der Durchführung der Schallschutzmaßnahmen
bzw. bei der Veräußerung der Hausgrundstücke Belastungen entstanden, die auf die
Lärmbeeinträchtigungen durch den von der Beklagten betriebenen Flughafen
zurückzuführen sind. Die Tatsache, dass die Kläger die beiden streitgegenständlichen
Grundstücke zwischenzeitlich veräußert haben und bei dieser Veräußerung auch einen
Wertverlust in hier noch nicht festzustellender Höhe haben hinnehmen müssen, hat
nicht zugunsten der Beklagten zu einem Ausschluss der den Klägern jedenfalls vor
Veräußerung der Grundstücke zustehenden Ausgleichsanspruchs geführt. Dessen
ungeachtet ergibt sich im Übrigen aus den Auswertungen des Sachverständigen Dr. L
bezüglich der Messdaten für die Jahre 2002 und 2003, dass auch im heutigen Zeitpunkt
die Lärmbeeinträchtigungen, die von dem Flughafen ausgehen, noch ein Maß
erreichen, welches die Zumutbarkeitsschwelle des § 906 BGB deutlich übersteigt. Vor
diesem Hintergrund kommt es auf die Frage des maßgeblichen Zeitpunktes für die
Bewertung letztlich im Ergebnis nicht an.
81
3. Der von den Klägern geltend gemachte Ausgleichsanspruch ist auch nicht schon
deshalb dem Grunde nach ausgeschlossen, weil sie die Häuser in Kenntnis der
Existenz des Flughafens und der von diesem ausgehenden Beeinträchtigungen auf den
Grundstücken errichtet haben. Eine den Ausgleichsanspruch der Kläger nach § 906
Abs. 2 S. 2 BGB ausschließende Lärmvorbelastung lag sowohl bezüglich des in den
Jahren 1963/64 errichteten Einfamilienhauses als auch bezüglich des im Jahre 1977
errichteten Einfamilienhauses nicht vor.
82
Eine mögliche Lärmvorbelastung haftet einem Grundstück kraft seiner
Situationsgebundenheit an und muss vom jeweiligen Eigentümer grundsätzlich
hingenommen werden; sie erhöht die Zumutbarkeitsschwelle im Rahmen des § 906
BGB. Aus einer möglichen Vorbelastung resultiert die Verpflichtung zur gegenseitigen
Rücksichtsnahme, die nicht nur zu einer Pflichtigkeit dessen führt, der die Belästigungen
verbreitet, sondern auch zu einer die Tatsachen respektierenden Duldungspflicht
desjenigen, der sich in der Nähe einer solchen legalen Belästigungsquelle ansiedelt
(vgl. OLG Köln, Urteil vom 17.01.2001, Aktenzeichen: 2 U 5/97). Ausgleichsansprüche
kommen in einem solchen Fall nur noch dann in Betracht, wenn sich durch das weitere
83
Hinzutreten von Immissionen zu der Geräuschvorbelastung der Pegel des
Gesamtgeräusches in beachtlicher Weise erhöht hat und gerade in dieser Erhöhung
eine zusätzliche unzumutbare und damit entschädigungspflichtige Belastung liegt (vgl.
OLG Köln vom 16.02.1998, Aktenzeichen: 8 U 160/96; LG Bonn, Urteil vom 14.03.2000,
Aktenzeichen: 10 O 419/93; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.07.1993, Aktenzeichen: 9 U
85/92; BGH, Baurecht 1988, 204 ff.; BGH Z 49, 148). Diese Voraussetzungen sind hier
gegeben. Zwar waren die vormals im Eigentum der Kläger stehenden Grundstücke -
damals handelte es sich noch um ein Grundstück - bereits von Beginn an den
Belastungen, die von dem Flughafen Köln/Bonn ausgehen, ausgesetzt. Nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch zur hinreichenden Überzeugung der
Kammer fest, dass die damaligen Belastungen noch nicht zu einer den
Ausgleichsanspruch ausschließenden Vorbelastungen der Grundstücke geführt haben.
Die Kammer stützt sich insoweit auf die nachvollziehbaren und in jeder Hinsicht
schlüssigen gutachterlichen Ausführungen des seitens des Gerichts eingesetzten
Sachverständigen N, denen sich die Kammer anschließt.
84
a) Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 14.12.1998 (Bl. 946 ff. d.A.) für die
Zeit ab Oktober 1963 eine deutliche Zunahme des Anteils an Flugzeugen mit
Abfluggewichten von mindestens 70 Tonnen zwischen 22 und 7 Uhr festgestellt, jedoch
den Flugverkehr zwischen 3.00 und 5.00 Uhr nachts als unterdurchschnittlich
bezeichnet. Das einmalige Auftreten eines Maximalpegels von 71 dB(A) sei zu
vernachlässigen. Den äquivalenten Dauerschallpegel tagsüber hat der Sachverständige
in dieser Zeit mit unter 55 dB(A) errechnet. Nach den diesbezüglichen Ausführungen
des Sachverständigen, welchen sich das Gericht voll umfänglich anschließt, kann von
einer maßgeblichen Vorbelastung im Zeitpunkt der Errichtung des ersten
Einfamilienhauses in den Jahren 1963/64 nicht ausgegangen werden. Aus der von dem
Sachverständigen in diesem Gutachten aufgezeichneten Tabelle ergibt sich, dass
sowohl bezüglich der Starts als auch bezüglich der Landungen in der Zeit zwischen
Januar 1963 und Dezember 1964 im wesentlichen propellergetriebene Flugzeuge
vorherrschten, während die Anzahl der strahlgetriebenen Flugzeuge mit durchschnittlich
2,9 Starts pro Monat und 6,2 Landungen in der Zeit von 22.00 bis 7.00 Uhr gering war.
85
Der Ansicht der Beklagten, dass bei objektiver, auch den Klägern möglicher
Betrachtung die weitere zukünftige Entwicklung des Flugverkehrs auf dem von ihr
betriebenen Flughafen erkennbar gewesen sei, schließt sich die Kammer nicht an. Zum
einen hat sich der eingesetzte Flugzeugtyp erst nach diesem Zeitpunkt maßgeblich
dahingehend geändert, dass zunehmend wesentlich lautere Maschinen, insbesondere
Düsenflugzeuge eingesetzt wurden, zum anderen ist es nach den nachvollziehbaren
Ausführungen des Sachverständigen erst in der Folgezeit zu einer maßgeblichen
Lärmbeeinträchtigung durch die deutliche Zunahme des Nachtflugverkehrs gekommen.
Eine solche Entwicklung mag zwar möglicherweise im Jahre 1963 bereits für die
Fachwelt erkennbar gewesen sein, nicht ersichtlich ist jedoch, dass dies auch für die
Allgemeinheit zum damaligen Zeitpunkt galt. Auch aus den seitens der Beklagten
vorgelegten Zeitungsartikeln folgt eine entsprechende Wertung nicht. Soweit diesen
eine technische und wirtschaftliche Weiterentwicklung im Flugverkehr zu entnehmen ist,
war für den Laien jedoch jedenfalls nicht das konkrete Ausmaß und insbesondere die
tatsächlichen Auswirkungen auf die von dem Flughafen ausgehenden
Lärmbeeinträchtigungen zu entnehmen.
86
b) Hinsichtlich der Entwicklung bis in das Jahr 1977, als die Kläger das zweite
87
Einfamilienhaus auf dem Grundstück errichteten, kann zwar eine deutliche Zunahme
des Flugverkehrs verzeichnet werden, diese ist nach den Ausführungen des
Sachverständigen N, denen sich die Kammer auch insoweit anschließt, jedoch nicht
geeignet, im vorliegenden Fall einen Ausgleichsanspruch der Kläger bezüglich dieses
Einfamilienhauses gänzlich auszuschließen. Nach den beiden Gutachten des
Sachverständigen N sowie seinen ergänzenden Erläuterungen ist es zwar bereits seit
1975 zu einer deutlichen Zunahme des nächtlichen Flugverkehrs gekommen. Zu der
dadurch bereits 1977 vorhandenen Geräuschvorbelastung, die möglicherweise bereits
einzelne Schallschutzmaßnahmen beim Hausbau erforderten, sind jedoch durch die
weiteren massiven Erhöhungen der Flugbewegungen Fluglärmgeräusche
hinzugetreten, die die Situation des Grundstückes gegenüber 1977 in einem Maße
verschlechtert haben, dass dadurch eine zusätzliche unzumutbare und damit
entschädigungspflichtige Belastung der Kläger hervorgerufen wurde. Der
Sachverständige hat zur weiteren Entwicklung an Hand der ihm vorliegenden Flugdaten
ausgeführt, dass es nach 1986 zu einer deutlichen Steigerung der Flugbewegungen bis
zu einer Verdoppelung im Jahre 1988 gegenüber dem Jahr 1977 und einer
nochmaligen Verdoppelung bis 1990 gekommen sei. Die geringer werdende Lautstärke
der einzelnen Maschinen sei dabei durch die starke Zunahme der Flugbewegungen
überkompensiert worden; eine Feststellung die insoweit auch mit den Angaben des
Sachverständigen Dr. L übereinstimmt, der mehrfach ausgeführt hat, dass für die Frage
der Belästigung primär nicht die Lautstärke der Ereignisse, sondern die Anzahl der
einzelnen Flugbewegungen entscheidend ist. Nach den nachvollziehbaren
Ausführungen des Sachverständigen N haben sich die Maximalpegel gegenüber 1977
deutlich verschlechtert, Außenschallpegel von 82 dB(A) seien in der Folgezeit
regelmäßig erreicht, Schallpegel von 76 dB(A) mehr als 6 mal überschritten worden. Bei
geöffnetem Fenster seien 65 dB(A) durchschnittlich mehr als 4 mal in der Nacht
überschritten worden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nach den
Feststellungen des Sachverständigen N es in der Folgezeit jedoch durch die
Ausweitung des Frachtverkehrs auf dem Flughafen Köln/Bonn zum einen zum Einsatz
von Maschinen anderer, lauterer Flugzeugtypen gekommen ist, zum anderen sich
dadurch die Zeit der Starts und Landungen vermehrt in die Nacht- bzw. frühen
Morgenstunden verlagert hat.
Danach ist ein Ausgleichsanspruch der Kläger für das im Jahr 1977 errichtete
Einfamilienhaus und das damit verbundene Grundstück zwar nicht ausgeschlossen. Die
tatsächliche, durch die Zunahme der Flugbewegungen seit 1963 bestehende
Vorbelastung des Grundstückes ist jedoch im Rahmen des noch durchzuführenden
Betragsverfahrens bei der Höhe des den Klägern zustehenden Ausgleichsanspruchs zu
berücksichtigen. Gleiches gilt bezüglich des seitens der Kläger bestrittenen Einwands
der Beklagten, die Kläger hätten bei Errichtung des zweiten Einfamilienhauses im Jahre
1977 die erforderlichen baulichen Schallschutzanforderungen nach dem Gesetz zum
Schutz gegen Fluglärm nicht beachtet.
88
4. Die Kläger waren auch auf Grund der Gebietsart des Grundstückes nicht verpflichtet,
Lärmbeeinträchtigungen hier in einem größeren Umfang hinzunehmen.
89
Nach der insoweit zutreffenden Ansicht der Beklagten kommt es im Rahmen der
Wesentlichkeit einer Immission auch auf die Gebietsart, in welcher sich das Grundstück
befindet, an. Dies führt im vorliegenden Fall jedoch nicht dazu, dass die Kläger hier den
von dem seitens der Beklagten betriebenen Flughafen ausgehenden Fluglärm in
größerem Umfange hätten hinnehmen müssen. Nach den unbestrittenen
90
Feststellungen, welche im Rahmen der Ortstermine getroffen werden konnten, handelt
es sich mittlerweile um ein im reinen Wohngebiet liegendes Grundstück. In diesem
Zusammenhang kann dahin stehen, ob es sich auch bereits Anfang der 60er Jahre, als
das erste Einfamilienhaus von den Klägern erbaut wurde, um ein reines Wohngebiet
handelte. Selbst wenn es sich um ein Gebiet im Außenbereich handelte, ist nicht
ersichtlich und auch seitens der Beklagten nicht substantiiert vorgetragen, dass es sich
zum damaligen Zeitpunkt um ein Gebiet handelte, in dem mit besonderen
Lärmbelastungen zu rechnen war. Zwar kann einem Betroffenen im Außenbereich dem
Gebietscharakter entsprechend im allgemeinen ein höheres Maß an
Verkehrsimmissionen zugemutet werden, als in einem reinen Wohngebiet, jedoch ist
innerhalb des Außenbereichs stets auch nach den jeweils gegebenen tatsächlichen
Verhältnissen, der konkreten "Situation" des Grundstückes zu differenzieren, so dass
auch ein Grundstückseigentümer im Außenbereich grundsätzlich darauf vertrauen darf,
dass dort keine Nutzung entsteht, die mit seiner Wohnnutzung nicht mehr verträglich ist
(vgl. BGH, NJW 1995, 1823 ff., 1993, 1700 ff.). Die Kläger haben insoweit seit Beginn
des Verfahrens vorgetragen, dass es sich um eine Bebauung im ruhigen Außenbereich
gehandelt habe. Dem ist die Beklagte nicht mit substantiiertem Vortrag zu weiteren
Lärmimmissionen außer denen des von ihr betriebenen Flughafens entgegengetreten.
Zwar zählen zu den Vorbelastungen, die hier in Betracht zu ziehen sind, auch die
bisherigen Lärmeinwirkungen des Flughafens selbst, da diese, weil sie seit langen
Jahren tatsächlich bestehen, zu den maßgeblichen Faktoren gehören, durch die die
Situation der Grundstücke geprägt wurde (vgl. BVerwG, NJW 1979, 64, 69) und der
Flughafen auch bereits vor Erwerb der Grundstücke durch die Kläger und Errichtung der
beiden Einfamilienhäuser betrieben wurde. Wie die Ausführungen zu Ziffer II.3., die sich
im wesentlichen auf die seitens des Sachverständigen N ausgewerteten Daten der
Beklagten stützen, gezeigt haben, war das Ausmaß der Beeinträchtigungen im
damaligen Zeitpunkt aber gering und hat erst nach 1977 bis in die 90er Jahre so
zugenommen, dass die Grenze der Zumutbarkeit überschritten wurde.
91
Im übrigen werden der Gebietscharakter und die in diesem vorherrschende
Lärmbelästigung auch nicht wesentlich durch den Autobahnlärm von der in der Nähe
der vormals klägerischen Grundstücke verlaufenden Autobahn geprägt. Hierzu hat
bereits der Sachverständige Dr. L in seinem Gutachten vom 25.03.1996 in einer für das
Gericht nachvollziehbaren Weise ausgeführt, dass diese mit 50 dB(A) tagsüber und 47
dB(A) nachts relativ hohe Vorbelastung des Grundstückes, die maßgeblich wohl durch
den Straßenverkehr, insbesondere den Autobahnlärm geprägt sei, die
Beeinträchtigungswirkung durch den Fluglärm nicht ändere, da es sich insoweit um eine
nahezu kontinuierliche Vorbelastung handele. Die diesbezüglichen Feststellungen des
Sachverständigen sind auf Grund des anlässlich der von der Kammer durchgeführten
Ortstermine gewonnen persönlichen Eindrucks in vollem Umfang bestätigt worden.
Zwar war die Autobahn als Hintergrundgeräusch in diesen Ortsterminen tagsüber
deutlich wahrnehmbar, jedoch wie dies schon im Protokoll des Ortstermins vom
07.06.1999 (Bl.1197ff. d.A.) zutreffend beschrieben ist, in Form eines gleichmäßigen,
sich nicht aufdrängenden und keine Unterhaltung störenden Rauschens. Zur Nachtzeit
traten die Autobahngeräusche deutlich zurück und waren kaum noch wahrnehmbar.
92
5. Auch dem Einwand der Beklagten, die von ihr im Rahmen des sogenannten
Schallschutzprogrammes angebotenen Schallmaßnahmen seien ausreichend
gewesen, die betroffenen Grundstücke vor dem auf sie einwirkenden Fluglärm zu
schützen, kann nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt wurde, ist bei der
93
Beurteilung der Wesentlichkeit von Lärmbelästigungen maßgeblich auch auf Natur und
Zweckbestimmung des von der Beeinträchtigung betroffenen Grundstücks in seiner
konkreten Beschaffenheit abzustellen. Weiter hat der Bundesgerichtshof, wie ebenfalls
bereits dargelegt, in zutreffender Weise entschieden, dass ein Wohnen mit ständig
geschlossenen Fenstern und Türen nicht zumutbar sei und auch die angemessene
Mitbenutzung der Außenwohnanlagen zum Wohnen dazugehöre. Im vorliegenden Fall
handelt es sich, wovon die Kammer sich im Rahmen der verschiedenen Ortstermine
überzeugen konnte, ausweislich der Protokolle
mit einer entsprechenden ebenfalls großzügigen Außenanlage. Insbesondere vor dem
Hintergrund dieser örtlichen Gegebenheiten wäre es den Klägern bzw. ihren
Rechtsnachfolgern nicht zumutbar, ihren Aufenthalt im Außenbereich zu beschränken
und sich auch im Innenbereich nur noch bei geschlossenen Fenstern aufzuhalten.
Gerade bei der räumlichen Lage der klägerischen Grundstücke in grundsätzlich ruhiger
Umgebung mit einer ansprechenden und großen Außenanlage gehört zum Wohnwert
auch die Nutzung dieser Außenanlage und der Aufenthalt im Außenbereich sowie die
Möglichkeit, sich im Inneren bei geöffneten Fenstern und Türen aufhalten zu können.
6. Der seitens der Kläger geltend gemachte Anspruch ist auch nicht verjährt. Es gelten
die Verjährungsfristen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in seiner bis zum 01.01.2002
geltenden Fassung. Gemäß Artikel 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB gilt für am 01.01.2002
bestehende und noch nicht verjährte Ansprüche zwar grundsätzlich das neue
Verjährungsrecht gemäß der §§ 194 ff. BGB in seiner ab dem 01.01.2002 geltenden
Fassung. Dies gilt jedoch nicht für Ansprüche, die zu diesem Zeitpunkt bereits
gerichtlich geltend gemacht waren und bezüglich derer bereits die Unterbrechung der
Verjährung gemäß § 209 BGB a.F. eingetreten war. Für solche Ansprüche gilt bis zum
Zeitpunkt der Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung der Lauf der
Verjährungsfristen nach altem Recht.
94
Die Kläger haben in dem vorliegenden Rechtsstreit ihre Klage bereits im Dezember
1993 erhoben. Für die von ihnen geltend gemachten Ausgleichsansprüche nach § 906
Abs. 2 S. 2 BGB gilt daher gemäß § 195 BGB a.F. die 30-jährige Verjährungsfrist.
95
Eine Verjährung der geltend gemachten Ansprüche im Zeitpunkt der Klageerhebung
kann nicht festgestellt werden. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte
hat weder konkret und substantiiert vorgetragen noch ist anderweitig ersichtlich, dass
die hier geltend gemachten Ansprüche bereits im Dezember 1963 entstanden sind, d.h.
zum damaligen Zeitpunkt Flugverkehr bereits in einem unzumutbaren Ausmaß
herrschte. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen N ist vielmehr davon
auszugehen, wie bereits unter Ziffer II.3. dargelegt, dass jedenfalls in den Jahren
1963/64 die von dem seitens der Beklagten betriebenen Flughafens ausgehenden
Lärmbeeinträchtigungen die Zumutbarkeitsschwelle des § 906 BGB noch nicht
überschritten haben.
96
7. Das Vorbringen der Parteien in den nach der mündlichen Verhandlung eingereichten
Schriftsätzen erfordert keine erneute Anhörung des Sachverständigen oder die
Einholung eines Obergutachtens noch rechtfertigt es aus anderen Gründen eine
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Der Sachverständige hat zu allen
Einwendungen umfassend und - wie oben ausgeführt nachvollziehbar - in und vor der
mündlichen Verhandlung Stellung genommen.
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8. Nach den obigen Ausführungen steht damit fest, dass die Kläger wegen der auf ihre
98
vormaligen Grundstücke einwirkenden unzumutbaren Fluglärmbeeinträchtigungen
gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld haben.
Ihr hierauf gestützter Anspruch auf Zahlung sowohl einer Wertminderung bezogen auf
die beiden Grundstücke bei deren Verkauf als auch auf Erstattung der Kosten für die
bereits durchgeführten Schallschutzmaßnahmen ist damit dem Grunde nach
gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass
der Anspruchsberechtigte im Rahmen des Ausgleichsanspruch nach § 906 BGB die
Differenz zwischen dem Verkehrswert seines Grundstückes infolge der unzumutbaren
Beeinträchtigung und dem fiktiven Verkehrswert bei einer noch zumutbaren
Beeinträchtigung sowie die Erstattung der notwendigen Kosten für eine angemessene
Schallisolierung verlangen kann, wenn diese alleine nicht zu einer hinreichenden
Beseitigung der unzumutbaren Beeinträchtigung führt (vgl. Palandt/Bassenge, § 906
Rdnr. 3 m.w.N.). Auch wenn die Höhe des klägerseits geltend gemachten Anspruches
im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist und einer näheren Aufklärung bedarf,
steht jedenfalls zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte einen noch näher
zu bestimmenden Ausgleichsbetrag an die Kläger auf die geltend gemachten
Ansprüche zu zahlen hat. Vor diesem Hintergrund konnte über den Anspruch der Kläger
vorab dem Grunde nach durch Grundurteil entschieden werden.