Urteil des LG Bonn vom 10.12.2003

LG Bonn: nato, genfer abkommen, rechtshängigkeit, ermessen, stadt, brücke, gerichtshof für menschenrechte, recht auf leben, europäische union, humanitäre hilfe

Landgericht Bonn, 1 O 361/02
Datum:
10.12.2003
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 361/02
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
1
Die Kläger sind jugoslawische Staatsangehörige.
2
Sie nehmen die beklagte E für die Folgen einer während des Krieges in Jugoslawien
am 30.Mai 1999 durchgeführten NATO-Luftoperation auf die in T gelegene Brücke von
Z1 in Anspruch. Bei der Zerstörung der Brücke kamen zehn Menschen ums Leben, 30
Personen wurden verletzt, wobei 17 Personen schwere Verletzungen erlitten.
3
Die zur heutigen Teilrepublik T gehörende jugoslawische Kleinstadt Z1 hat etwa 4000
Einwohner. Sie liegt etwa 180 km südöstlich von Belgrad und etwa 200 km vom Kosovo
entfernt. Z1 liegt abseits des Eisenbahnnetzes und ist mittels öffentlicher Verkehrsmittel
allein mit dem Bus erreichbar.
4
Die Region um Z1 ist durch Landwirtschaft geprägt; nennenswerte Industrie gibt es
nicht. Der größte Gewerbebetrieb von Z1 ist ein Marktbetrieb, der für die Einwohner in
der umliegenden Region die wichtigste Einkaufsquelle darstellt und auf dem Händler
der Region ihre landwirtschaftlichen Produkte und Gebrauchsgegenstände aller Art zum
Verkauf anbieten.
5
Weder in der Stadt Z1 noch in ihrer unmittelbaren Umgebung befanden und befinden
sich militärische Einrichtungen. Die nächstgelegene Kaserne der jugoslawischen
Armee ist etwa 22 km entfernt. Die Stadt blieb während der gesamten Zeit der
Bürgerkriege in Jugoslawien von Truppenstationierungen, Militärtransporten etc.
verschont. Sie galt unter der jugoslawischen Bevölkerung als vor Kriegshandlungen
sicherer Ort.
6
Die Stadt Z1 wird auf ihrer östlichen Seite durch einen in süd-nördlicher Richtung
fließenden kleinen Fluß, die "Morawa", begrenzt. In West-Ost-Richtung überspannte
den Fluß eine Brücke, die zugleich den einzigen Zugangsweg aus östlicher Richtung
darstellte. Die Brücke hatte eine Spannweite von 180 m; ihre Fahrbahnbreite betrug
4,50 m zuzüglich eines Fußgängerweges von weiteren 1,50 m. Nach den in der
Bundesrepublik Jugoslawien geltenden verkehrsrechtlichen Bestimmungen war die
Brücke allein für den allgemeinen Straßenverkehr freigegeben, d.h. die auf 12 t
begrenzte Tragfähigkeit schloss ihre Nutzung für Schwertransporte u.ä. aus.
7
Im Anschluss an den am 8.10.1998 von den Mitgliedstaaten der NATO gefassten
Beschluss stimmte der Deutsche Bundestag durch Beschluss vom 16.10.1998 dem
Antrag der Bundesregierung vom 12.10.1998 (BT-Drs. 13/11469) "dem Einsatz
bewaffneter Streitkräfte entsprechend dem von der Bundesregierung am 12.Oktober
1998 beschlossenen deutschen Beitrag zu den von der NATO zur Abwendung einer
humanitären Katastrophe im Kosovo-Konflikt geplanten, begrenzten und in Phasen
durchzuführenden Luftoperationen für die von den NATO-Mitgliedstaaten gebildeten
Eingreiftruppe unter der Führung der NATO" zu.
8
Mit weiterem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 25.2.1999 stimmte dieser auf
Antrag der Bundesregierung (BT-Drs. 14/397) "(...) dem Einsatz bewaffneter deutscher
Streitkräfte entsprechend dem von der Bundesregierung am 22.Februar 1999
beschlossenen Beitrag zur Militärischen Umsetzung eines Rambouillet-Abkommens für
den Kosovo sowie zu NATO-Operationen im Rahmen der Notfalltruppe (Extraction
Force)" zu.
9
In dem Zeitraum vom 24. März bis zum 10.Juni 1999 wurden unter Beteiligung
deutscher Streitkräfte Luftoperationen in der Bundesrepublik Jugoslawien durchgeführt.
10
Deutsche Flugzeuge waren an der Luftoperation "Allied Force" mit sog. RECCE- und
ECR-Tornados, die der Luftaufklärung und dem Begleitschutz dienten, beteiligt.
11
Am Sonntag, den 30.Mai 1999, war auf der am stadtseitigen Brückenende
weiterführenden Hauptstraße sowie den abzweigenden Nebenstraßen der Stadt Z1 wie
jeden Sonntag zwischen 8.00 und etwa 16.00 Uhr Markt. Dieser hatte an dem sonnigen
Tag insgesamt 355 Marktstände registriert; hinzu kamen weitere Händler ohne Stand.
Da der 30. Mai kirchlicher Feiertag (Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit) war, veranstaltete
die Kirche zudem am Vormittag einen traditionellen Stadtumzug; anschließend fand auf
einem Freigelände nahe der Brücke ein Festmahl statt. Gegen Mittag befanden sich auf
dem Kirchengelände und dem Markt etwa 3000 bis 3500 Menschen.
12
Zu dieser Zeit griffen Kampfflugzeuge der NATO die Stadt Z1 im Tiefflug an. Insgesamt
vier Raketen wurden abgeschossen. Die Kläger sind sämtlich Geschädigte dieses
Angriffs bzw. Rechtsnachfolger der tödlich Verletzten.
13
Bei diesen Kampfflugzeugen handelte es sich nicht um Flugzeuge der Beklagten, wobei
zwischen den Parteien streitig ist, ob deutsche Flugzeuge diesen Einsatz unterstützen.
14
Das von dem sog. Jugoslawien-Tribunal (ICTY) eingesetzte Komitee zur Untersuchung
der NATO-Luftoperationen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien empfahl in seinem
unter dem 8. Juni 2000 erstellten Schlussbericht, mangels Anfangsverdachts für die
Verletzung humanitären Völkerrechts von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
abzusehen.
15
Die westliche Staatengemeinschaft und die Europäische Union gewährten der
Bundesrepublik Jugoslawien in Höhe mehrerer Milliarden Euro Wirtschafts- und
Wiederaufbauhilfe. Im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen stellte die deutsche
Bundesregierung der Bundesrepublik Jugoslawien zudem seit Ende der NATO-
Luftoperationen Wiederaufbauhilfe in Höhe von etwa 200 Millionen Euro zur Verfügung.
Hinzu kommen direkte Finanzhilfen der Bundesregierung in Höhe mehrerer Millionen
Euro für die humanitäre Hilfe und Demokratisierung von T und N. Zusätzliche Gelder
sind von den Bundesländern und privaten Organisationen geflossen.
16
Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte hafte für die Folgen des Angriffs der NATO-
Streitkräfte auf den Ort Z1.
17
Der Angriff sei unter Verletzung des humanitären Völkerrechts sowie der Grundrechte
des Grundgesetzes für die E erfolgt. Die einzelnen Luftoperationen - insbesondere die
sog. Zielplanung und damit auch den Angriff auf Z1 - hätten die Mitgliedstaaten der
NATO gemeinschaftlich und einvernehmlich beschlossen und durchgeführt. Die
Beklagte habe es - ebenso wie die anderen Mitgliedstaaten der NATO - u.a. hinsichtlich
des Angriffs auf die Brücke von Z1 unterlassen, das ihr im NATO-Rat im Hinblick auf die
konkrete Zielauswahl zustehende Vetorecht auszuüben, obwohl sie ausweislich der
Ausführungen des damaligen Verteidigungsministers W in dessen persönlichem
Tagebuch jedenfalls ab Anfang Mai 1999 angesichts zu verzeichnender ziviler Schäden
eine noch sorgfältigere Zielauswahl anstrebte.
18
Zudem habe die Beklagte entsprechend ihrem Begleitschutzauftrag auch den Angriff auf
die Brücke von Z1 am 30.Mai 1999 mit ihren Flugzeugen abgesichert
.
19
Nach Auffassung der Kläger besteht eine gemeinsame deliktische Verantwortlichkeit
aller Mitgliedstaaten der NATO und damit eine Haftung entsprechend den
gesamtschuldnerischen Grundsätzen des deutschen Rechts.
20
Zum Hergang des Angriffs am 30. Mai 1999 behaupten die Kläger, zwischen 13.00 und
13.25 Uhr habe es zwei Angriffswellen gegeben. Durch die erste seien drei Personen
getötet und weitere fünf schwer verletzt worden; diese Personen hätten sich auf bzw. in
unmittelbarer Nähe der Brücke befunden. Nach der ersten Angriffswelle sei unter den
Menschen auf dem Markt- und Kirchengelände Panik ausgebrochen; Gebäude in einem
Umkreis zur Brücke von etwa einem km seien beschädigt bzw. zerstört gewesen. Auch
die Brücke sei bereits durch diesen Angriff völlig zerstört worden; ihre Rest hätten im
Fluß gelegen. Dutzende seien zur Brücke geeilt, um Hilfe zu leisten. Als sie gerade dort
angekommen seien, seien die Flugzeuge zurückgekehrt und hätten weitere zwei
Raketen auf die Brücke abgefeuert. Hierdurch seien weitere sieben der Hilfeleistenden
getötet sowie zwölf Menschen schwer verletzt worden.
21
Der Zeitabstand zwischen den zwei Angriffswellen habe nicht mehr als drei bis sechs
Minuten betragen.
22
Die Kläger zu 2), 3), 6), 7), 8), 9), 12), 13), 15), 17), 18), 19), 22), 23), 25), 26) und 27)
erlitten schwere Verletzungen und begehren die Zahlung eines Schmerzensgeldes
sowie im Wege der Feststellungsklage den Ersatz künftiger Schäden. Wegen der
Einzelheiten ihrer Verletzungen, der verbliebenen Dauerschäden sowie der
gesundheitlichen Prognosen wird auf die Ausführungen in der Klageschrift Bezug
genommen.
23
Die übrigen Kläger machen Schmerzensgeld aus übergegangenem Recht für ihre
Verwandten geltend, die bei dem Einsatz ums Leben gekommen sind.
24
Die Kläger haben zunächst die Zahlung einer "Entschädigung" von jeweils mindestens
200.000 DM eingeklagt, mithin insgesamt einen Betrag von 5.400.000 DM. Ferner hat
die Klägerin zu 1.1, die den Tod ihrer Tochter unmittelbar miterlebt hat, ein
Schmerzensgeld von 20.000 DM, zu zahlen an sie allein, rechtshängig gemacht. Die
Kläger zu 2), 3), 6), 7), 8), 9), 12), 13), 15), 17), 18), 19), 22), 23), 25), 26) und 27) haben
zudem die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und
immaterielle Schäden begehrt.
25
Durch Schriftsatz vom haben die Kläger zu 1) bis 10) sowie 12) bis 27) die Klage
hinsichtlich der begehrten Entschädigungen teilweise zurückgenommen und in der
mündlichen Verhandlung zudem klargestellt, dass sie mit den bezifferten Anträgen die
Zahlung eines Schmerzensgeldes begehren.
26
Die Kläger zu 1) beantragen nunmehr,
27
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Geldentschädigung,
deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5.000 EUR
nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1
DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
28
Die Klägerin zu 1.1 beantragt (weiterhin) zudem,
29
die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld,
dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 10.225,84
EUR (entsprechen 20.000 DM) nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
30
Die Klägerin zu 2) beantragt nunmehr,
31
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 30.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
32
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
33
entstehen werden.
Die Klägerin zu 3) beantragt nunmehr,
34
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 45.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
35
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
36
Der Kläger zu 4) beantragt nunmehr,
37
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Geldentschädigung,
deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5.000 EUR
nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1
DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
38
Die Klägerinnen zu 5) beantragen nunmehr,
39
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Geldentschädigung,
deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5.000 EUR
nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1
DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
40
Der Kläger zu 6) beantragt nunmehr,
41
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 18.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
42
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
43
Der Kläger zu 7) beantragt nunmehr,
44
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 18.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
45
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
46
Der Kläger zu 8) beantragt nunmehr,
47
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 15.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
48
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
49
Der Kläger zu 9) beantragt nunmehr,
50
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 25.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
51
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
52
Die Klägerinnen zu 10) beantragen nunmehr,
53
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Geldentschädigung,
deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5.000 EUR
nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1
DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
54
Die Klägerin zu 11) beantragt weiterhin,
55
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Geldentschädigung,
deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 102.258,38
EUR (entsprechen 200.000 DM) nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
56
Der Kläger zu 12) beantragt nunmehr,
57
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 60.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
58
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
59
Der Kläger zu 13) beantragt nunmehr,
60
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 30.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
61
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
62
Die Klägerinnen zu 14) beantragen nunmehr,
63
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Geldentschädigung,
deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5.000 EUR
nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1
DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
64
Der Kläger zu 15) beantragt nunmehr,
65
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 20.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
66
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
67
Die Klägerinnen zu 16) beantragen nunmehr,
68
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Geldentschädigung,
deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5.000 EUR
nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1
DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
69
Der Kläger zu 17) beantragt nunmehr,
70
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 22.500 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
71
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
72
Der Kläger zu 18) beantragt nunmehr,
73
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 17.500 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
74
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
75
Der Kläger zu 19) beantragt nunmehr,
76
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 20.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
77
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
78
Die Klägerin zu 20) beantragt nunmehr,
79
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Geldentschädigung,
deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5.000 EUR
nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1
DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
80
Die Klägerinnen zu 21) beantragen nunmehr,
81
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Geldentschädigung,
deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5.000 EUR
nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1
DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
82
Der Kläger zu 22) beantragt nunmehr,
83
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 15.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
84
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
85
Der Kläger zu 23) beantragt nunmehr,
86
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 10.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
87
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
88
Die Klägerin zu 24) beantragt nunmehr,
89
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Geldentschädigung,
deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5.000 EUR
nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1
DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
90
Der Kläger zu 25) beantragt nunmehr,
91
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 10.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
92
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
93
Der Kläger zu 26) beantragt nunmehr,
94
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 12.500 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
95
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
entstehen werden.
96
Die Klägerin zu 27) beantragt nunmehr,
97
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene
Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
wird, aber 10.000 EUR nicht unterschreitet zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
98
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus dem Luftangriff der NATO-
Streitkräfte vom 30.Mai 1999 in der jugoslawischen Stadt Z1 (T) noch
99
entstehen werden.
Die Beklagte beantragt,
100
die Klage abzuweisen.
101
Die Beklagte hebt zunächst erneut hervor, dass der NATO-Einsatz "Allied Force" zur
Abwendung einer drohenden humanitären Katastrophe erfolgt sei.
102
Sie ist der Ansicht, etwaige Ansprüche wegen Verletzung humanitären Völkerrechts
könnten in der gegebenen Konstellation allein von der Bundesrepublik Jugoslawien,
nicht aber von den Klägern als Einzelpersonen geltend gemacht werden.
103
Abgesehen davon habe sie auf den Gesamteinsatz und die Zielplanung nur begrenzt
einwirken bzw. diese nur begrenzt kontrollieren können. Entsprechend dem innerhalb
der NATO geltenden Grundsatz des "need to know" hätten die jeweiligen
Mitgliedstaaten - und damit auch sie - nur über die Informationen verfügt, die sie für ihre
eigene Beteiligung an der jeweiligen Operation benötigten. Dementsprechend verfüge
sie bezogen auf den Angriff auf die Stadt Z1 vom 30.5.1999 über keine Detailkenntnisse
und könne den konkret behaupteten Ablauf der Zerstörung der Brücke am 30. Mai 1999
nur mit Nichtwissen bestreiten.
104
Zudem sei ihr die Zerstörung der Brücke von Z1 auch nicht zurechenbar. Deutsche
Flugzeuge seien weder unmittelbar noch mittelbar an der Zerstörung der Brücke von Z1
beteiligt gewesen; insoweit habe es weder Aufklärungs- noch Begleitflüge deutscher
Tornados gegeben
.
im Raum Z1 zum Einsatz gekommen
.
105
Auch Ansprüche der Kläger gestützt auf das deutsche Staatshaftungsrecht bestünden
nicht. Dieses sei bereits nicht anwendbar, da dem Kriegsvölkerrecht Sperrwirkung
zukomme.
106
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
107
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
108
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
109
I.
110
Für die auf ein angeblich pflichtwidriges Verhalten deutscher Amtsträger gestützte Klage
ist die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts
Bonn ergibt sich bereits aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts
Berlin, im übrigen aber auch aus § 18 ZPO.
111
II.
112
Die Klage ist jedoch unbegründet.
113
Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz und
Schmerzensgeld zu.
114
Die geltend gemachten Ansprüche finden weder im Völkerrecht noch im deutschen
Staatshaftungsrecht eine rechtliche Grundlage.
115
Daher bedurfte es zum einen keiner weiteren Aufklärung im Tatsächlichen. Auch konnte
offenbleiben, ob und inwieweit der Vortrag der Kläger die Annahme eines Verstoßes der
Beklagten gegen die Grundsätze des humanitären Völkerrechts bzw. einer eine
Ersatzpflicht auslösende Pflichtverletzung rechtfertigt.
116
1.
117
Ein Schadensersatz- oder Schmerzensgeldanspruch wegen eines völkerrechtlichen
Delikts steht den Klägern gegen die Beklagte nicht zu.
118
Ein solcher ergibt sich weder unmittelbar aus dem Völkerrecht noch in Verbindung mit
Art.25 GG.
119
a)
120
Normen des Völkerrechts, die den Klägern als Individuen für die Folgen des NATO-
Angriffs vom 30.5.1999 einen gegen die Beklagte durchsetzbaren Anspruch auf
Schadensersatz oder Schmerzensgeld einräumen, existieren nicht. Bereits hieran
scheitert die Klage.
121
Die traditionelle Konzeption des Völkerrechts als eines zwischenstaatlichen Rechts
versteht den Einzelnen nicht als Völkerrechtssubjekt, sondern gewährt ihm nur
mittelbaren internationalen Schutz: Bei völkerrechtlichen Delikten durch Handlungen
gegenüber fremden Staatsbürgern steht ein Anspruch nicht dem einzelnen Betroffenen
selbst, sondern nur seinem Heimatstaat zu. Der Staat macht im Wege des
diplomatischen Schutzes sein eigenes Rechts darauf geltend, dass das Völkerrecht in
der Person seines Staatsangehörigen beachtet wird. Das Individuum ist nur über das
"Medium" des Staates im dem Völkerrecht verbunden, ohne selbst dessen Subjekt zu
sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.Mai 1996, Az: 2 BvL 33/93, abgedruckt u.a. in
BVerfGE 94, 315,334 sowie NJW 1996, 2717 f. m.w.N.; Ipsen, Völkerrecht, 4.Auflage, §
7, S.80 f).
122
Diese Mediatisierung des Individuums durch den Staat besteht grundsätzlich fort. Der
Einzelne kann damit grundsätzlich weder die Feststellung eines Unrechts noch einen
Unrechtsausgleich verlangen.
123
Allerdings hat die Mediatisierung des Menschen durch den Staat durch die
Kodifizierung des internationalen Menschenrechtsschutzes Veränderungen erfahren:
Soweit Staaten entsprechende völkerrechtliche Normen schaffen, können sie durch
diese dem Einzelnen bestimmte Rechte oder Pflichten zusprechen bzw. zuordnen und
ihm hierdurch eine partielle - bezogen auf den jeweiligen Regelungsgehalt sowie die im
Einzelfall beteiligten Staaten - Völkerrechtssubjektivität einräumen. Stellen die Staaten
dem Einzelnen in den von ihnen geschaffenen vertraglichen Schutzsystemen des
weiteren ein völkerrechtliches Verfahren bereit, in dem er die ihm zugeordneten Rechte
unmittelbar gegenüber einem Staat durchsetzen kann, so ist eine echte völkerrechtliche
124
Berechtigung des Einzelnen gegeben (vgl. BVerfG, aaO). Andernfalls erschöpft sich die
vertragliche Regelung in einer bloßen Begünstigung des Individuums, die als Reflex
aus Rechten und Pflichten des Staates entstehen kann und dem Einzelnen keine gegen
einen anderen Staat durchsetzbaren Rechte gewährt (vgl. z.B. Ipsen, aaO).
Eine bedeutsame Durchbrechung der Mediatisierung stellt die Konvention zum Schutze
der Menschenrechte und Grundfreiheiten dar. Diese räumt dem Einzelnen ausdrücklich
verschiedene Rechte ein, insbesondere das Recht auf Leben (Art.2 EMRK), sieht für
bestimmte Verletzungen einen einklagbaren Anspruch des Einzelnen auf
Schadensersatz vor (Art.5 Abs.5 EMRK) und eröffnet daneben durch Art.34 EMRK dem
Einzelnen die Möglichkeit, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
anzurufen. Vorliegend können sich die Kläger gegenüber der Beklagten indes auf diese
Konvention nicht berufen, da sie nicht der Hoheitsgewalt der Beklagten im Sinne des
Art.1 EMRK (s. hierzu auch Entscheidung des EGMR vom 12.12.2001, EuGRZ 2002,
133) unterstanden. Dies sehen die Kläger auch so.
125
Eine den Menschenrechtskonventionen vergleichbare völkerrechtliche Regelung, die
dem Einzelnen einen gegen einen anderen Staat durchsetzbaren Anspruch auf
Schadensersatz oder Schmerzensgeld für die Folgen eines bewaffneten Konfliktes wie
dem vorliegenden einräumt, ist nicht gegeben. Es fehlt an einem vertraglichen
Schutzsystem, das den Klägern entsprechende individuelle Rechte einräumt und ihnen
ein Verfahren zu deren Durchsetzung zur Verfügung stellt.
126
Die Bestimmungen des Abkommens betreffend die Gesetze und Gebräuche des
Landkriegs vom 18.Oktober 1907 (Haager Landkriegsordnung - HLKO) finden "nur
zwischen den Vertragsmächten Anwendung" (Art.2 HLKO). Art.3 HLKO sieht allein eine
Verpflichtung der "Kriegspartei" (gegenüber der anderen Kriegspartei) zum
Schadensersatz vor (vgl. auch BGH, Urteil vom 26.6.2003, AZ: III ZR 245/98, "Distomo").
127
In dem seitens der Kläger angeführten Genfer Abkommen vom 12.August 1949 über den
Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten (IV.Genfer Abkommen) verpflichten sich in
Art.1 gleichfalls allein die "Vertragsparteien" zu dessen Einhaltung und Durchsetzung.
Gleiches ergibt sich für das Zusatzprotokoll I zu den Genfer Abkommen vom 12.August
1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte, das die Genfer
Abkommen zum Schutz der Kriegsopfer ergänzt, Art.1 Abs.3: Auch durch dieses
verpflichten sich allein die Vertragsparteien, Art.1 Abs.1; einzelne Zivilpersonen
"genießen Schutz" (Art.51), erhalten hingegen keine eigenen Rechte zugesprochen.
Auch die in Art.91 normierte Haftungsregelung greift nicht zugunsten des Einzelnen. Im
übrigen stellen weder die Genfer Konvention noch deren Zusatzprotokolle ein Verfahren
zur Verfügung, das dem Einzelnen die Durchsetzung etwaiger individueller Ansprüche
ermöglichen würde.
128
Auch aus den Bestimmungen des Abkommens zwischen den Parteien des
Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut)
können die Kläger nichts für sich herleiten. Wenn auch dieses Abkommen in Art. 8
Abs.3 lit. e iii eine besondere Zurechnungsnorm für die Fälle enthält, in denen ein
bestimmter Verursacher nicht zu ermitteln ist (s. hierzu z.B. die Entscheidungen des
BGH, Urteil vom 27.Mai 1993, Az: III ZR 59/92, abgedruckt u.a. in BGHZ 122, 363 f.
sowie Urteil vom 1.12.1981, Az: VI ZR 111/80, abgedruckt u.a. in VersR 1982, 243 f),
scheitert seine Anwendbarkeit vorliegend bereits daran, dass das Abkommen nur
zwischen Vertragsparteien Anwendung findet (Art.1 Abs.2 Art.XX).
129
b) Eine eigene völkerrechtliche Anspruchsposition steht den Klägern auch nicht in
Verbindung mit Art.25 GG zu.
130
Zwar sind nach dieser Bestimmung des Verfassungsrechts die allgemeinen Regeln des
Völkerrechts "Bestandteil des Bundesrechts" und "erzeugen Rechte und Pflichten
unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes". Indes räumt das hier maßgebliche
Völkerrecht - wie zuvor unter a) im einzelnen ausgeführt - dem einzelnen Individuum
keine Ansprüche ein und bietet damit keine Grundlage für Ansprüche des Einzelnen.
131
2.
132
Den Klägern stehen gegen die Beklagte auch keine Ansprüche gestützt auf das
deutsche Staatshaftungsrecht zu.
133
Zwar schließt das völkerrechtliche Grundprinzip des diplomatischen Schutzes nicht aus,
dass das nationale Recht eines Staates dem Verletzten einen Anspruch außerhalb
völkerrechtlicher Verpflichtungen gewährt, der neben die völkerrechtlichen Ansprüche
des Heimatstaates tritt (BVerfG aaO; BGH Urteil vom 26.Juni 2003 aaO).
134
Indes gewährt das deutsche Recht auch nach derzeitiger Rechtslage keinen solchen
Anspruch. Es fehlt vorliegend auch insoweit bereits an einer Anspruchsgrundlage.
135
Allein auf die Grundrechte können die Kläger Schadensersatzansprüche u.a. deshalb
nicht stützen, weil diese Garantien keinen Schadensersatzanspruch als Rechtsfolge
vorsehen. Zwar handelt es sich bei dem insbesondere von den Klägern angeführten §
823 BGB wie auch bei den denkbaren Anspruchsgrundlagen des deutschen
Staatshaftungsrechts um anspruchsbegründende Regelungen. Indes ist § 823 BGB -
wenn wie vorliegend allein ein bestimmtes Verhalten eines Amtsträgers als
Anknüpfungspunkt einer Haftung in Betracht kommt - bereits nicht einschlägig (vgl. zur
Abgrenzung z.B. BGH-Urteil vom 13.6.1996, Az: III ZR 40/95, abgedruckt u.a. in NJW
1996, 3208 f). Das deutsche Staatshaftungsrecht kommt in Fällen bewaffneter Konflikte
nicht zur Anwendung. Es wird durch die Regelungen des internationalen Kriegsrechts
überlagert. Bewaffnete Auseinandersetzungen sind nach wie vor (s. zur Beurteilung der
Rechtslage für das Jahr 1944: Urteil des BGH vom 26.6.2003, aaO, unter IV 2 bb) als
völkerrechtlicher Ausnahmezustand anzusehen, der die im Frieden geltende
Rechtsordnung weitgehend suspendiert. Die Verantwortlichkeit für den Beginn der
Auseinandersetzung und die Folgen der Gewaltanwendung sind grundsätzlich auf der
Ebene des Völkerrechts zu regeln. Die nach Völkerrecht gegebenenfalls bestehende
Haftung eines Staates für die entstandenen Schäden umfaßt auch die Haftung für die
Handlungen aller zu diesem Staat gehörenden Personen.
136
Auf nationaler Ebene bedürfte es - wie auch im Völkerrecht - für die Regulierung der
Folgen bewaffneter Konflikte vielmehr der Kodifizierung besonderer Ausgleichsnormen
(vgl. für den Aufopferungsanspruch Ossenbühl Staatshaftungsrecht, 5.Auflage S.127).
137
Hierfür spricht auch die von dem Gesetzgeber für die verschiedenen Rechtsgebiete in
Art.74 Abs.1 GG vorgenommene sachliche Differenzierung. So ist das "bürgerliche
Recht" in Art.74 Abs.1 Nr.1 GG aufgeführt, die "Versorgung der Kriegsbeschädigten und
Kriegshinterbliebenen" hingegen - neben weiteren Bereichen - in Art.74 Abs.1 Nr.10
GG. Mithin geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass die Folgen bewaffneter Konflikte
138
nicht auf der Grundlage des deutschen bürgerlichen Rechts zu beurteilen sind, sondern
es hierfür gesonderter spezieller Gesetze bedarf. Die Kompetenznorm des Art.74 Abs.1
Nr.10 GG erfaßt auch nicht nur die Opfer der vergangenen Kriege, sondern erstreckt sich
auch auf die Personenschäden künftiger kriegerischer Handlungen einschließlich der
der Friedenserhaltung dienenden (Stettner in GG-Kommentar, Hrsg. von Dreier, Art,74
Rz.49; v.Mangoldt/Klein/Pestalozza, Das Bonner Grundgesetz, 3.Auflage, Bd.8, Art.74
Rz.438).
Mithin ergeben sich weder aus dem deutschen Amtshaftungsrecht (§ 839 BGB i.V.m.
Art.34 GG) noch aus dem Rechtsinstitut des allgemeinen Aufopferungsanspruchs
individuelle Ansprüche einzelner im Ausland im Zuge bewaffneter
Auseinandersetzungen verletzter Personen gegen die E.
139
Ob das seitens der Kläger der Beklagten im Zusammenhang mit dem NATO-Angriff vom
30.Mai 1999 vorgeworfene Handeln bzw. Unterlassen die nach deutschem Recht
bestehenden Voraussetzungen eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsanspruchs
erfüllt, ist nicht entscheidungserheblich und bedurfte vor diesem Hintergrund keiner
Entscheidung.
140
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 269 Abs.3 ZPO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
141
Streitwerte:
142
bis zum 9.10.2003: 5.760.000 DM
143
(27 x 200.000 DM, 1 x 20.000 DM, 17 x 20.000 DM
144
danach: 1.388.294 DM
145
(insgesamt bezifferte Entschädigungsansprüche von 423.500 EUR = 828.294 DM zzgl.
200.000 DM zzgl. 20.000 DM; weitere 17 x 20.000 DM)
146