Urteil des LG Bonn vom 15.03.2017

LG Bonn (verhältnis zu, höhe, krankengeld, betrag, krankenkasse, pauschale, rechnung, ersparnis, verhältnis, verpflegung)

Landgericht Bonn, 4 O 131/75
Datum:
23.03.1976
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
4. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 131/75
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen, soweit ihr nicht bereits durch das
Teilanerkenntnisurteil vom 21.November 1975 entsprochen worden ist
bzw. die Parteien den Rechtsstreit - wegen eines Betrages von 1.728, 95
DM - übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.-- DM
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Klägerin nimmt den Beklagten als Haftpflichtversicherer des Herrn Q in Anspruch,
der am 3.3.1973 einen Verkehrsunfall verschuldete, bei dem das Mitglied der Klägerin
Herr S erhebliche Verletzungen erlitt. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der
Beklagte 60 % des Schadens zu decken hat. Sie streiten um die Höhe des
Schadensersatzes, der der Klägerin wegen Aufwendungen für
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1) Krankengeld;
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2) Krankenhauskosten;
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3) ambulante Pflegekosten; zusteht.
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1 .) Krankengeld
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Die Klägerin hat an Herrn S für die Zeit vom 14.4.1973 bis 30.8.1974 = 504 Tage
insgesamt 17.841,60 DM Krankengeld gezahlt (in der Zeit vom Unfalltag, 3.3. 1973 bis
13.4.1973 erhielt Herr S seinen Lohn von seinem Arbeitgeber fortgezahlt).
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Unter Bezugnahme auf eine von ihr eingeholte Arbeitgeberbescheinigung vom 3.8.1973
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/ 3.5.1974 (BI. 43,44 d. A.) trägt sie vor, Herr S habe monatlich 1.371,73 DM brutto =
991,31 DM netto verdient, was einem kalendertäglichen Ausfall von 35,40 DM
entspreche. Dem sei der Rentenversicherungsbeitrag von kalendertäglich 8,34 DM
hinzuzurechnen, womit sich ein Tages-Lohnausfall von 43,74 DM ergebe. Der
Verdienstausfallschaden für die Zeit vom 14.4.1973 bis 30.8.1974. belaufe sich
dementsprechend auf 22.044,95 DM (504 x 43,74), der Ersatzanspruch gegen den
Beklagten auf 60 % hiervon = 13.225,98 DM. Dieser Anspruch sei unter
Berücksichtigung des ihr zustehenden Quotenvorrechts in vollem Umfang auf sie als
den Sozialversicherer übergegangen, da ihre Aufwendungen die Höhe der
Ersatzforderung überstiegen. Gezahlt habe der Beklagte auf diese Position aber
lediglich vorprozessual 8.534,23 DM und nach Rechtshängigkeit 1.728,95 DM - insoweit
haben die Parteien den Rechtsstreit inzwischen in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Demgegenüber trägt der Beklagte gestützt auf eine von ihm eingeholte
Arbeitgeberbescheinigung vom 26.5.1975 (BI. 29 d. A.) vor, das Kassenmitglied S habe
im fraglichen Zeitraum (14.4.1973 - 30.8.1974) einen Nettoverdienstausfall von nur
20.555,29 DM erlitten.
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Den sich daraus ergebenden Ersatzanspruch in Höhe von 12.333,17 DM (60 % von
20.555,29) habe er voll befriedigt. Der Rentenversicherungsbeitrag, dessen Höhe er
bestreite, könne nicht zu Gunsten der Klägerin in Ansatz gebracht werden. Insoweit
könne dem Mitglied der Klägerin nur dann ein Schaden entstanden sein, wenn die
zeitweilige Nicht-Zahlung des Beitrags eine Minderung des künftigen Rentenanspruchs
zur Folge habe, was jedoch nicht dargelegt sei. Zum anderen sei ein etwaiger
Ersatzanspruch bezüglich des Rentenversicherungsbeitrags nicht gemäß § 1542 RVO
auf die Klägerin übergegangen, da diese ihrem Mitglied keine dem
Rentenversicherungsbeitrag kongruente Leistung erbracht habe. Das Krankengeld
diene nur der Deckung des reinen Nettolohnausfalls und stehe in keinem
Zusammenhang mit einem durch zeitweilige Nichtzahlung des Beitrags etwa
erwachsenden Renten-Ausfallschaden.
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2.) Krankenhauskosten
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Die Klägerin hat für ihr Mitglied S anlässlich des genannten Unfalls insgesamt 14.507,--
DM an Krankenhauskosten aufgewendet. Der Beklagte hat hiervon für 137 Tage jeweils
6,-- DM wegen häuslicher Eigenersparnis in Abzug gebracht, den er irrtümlich mit 828,--
DM statt 822,-- DM errechnet hat. Demzufolge beziffert er den diesbezüglichen Schaden
mit 13.679,-- DM (14.507,- 828,--) den Ersatzanspruch mit 60 % hiervon = 8.207, 40 DM.
Diesen Betrag hat der Beklagte an die Klägerin gezahlt (auf Grund eines offenbaren
Versehens geht diese von 8.204,40 DM statt 8.207,40 DM aus).
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Demgegenüber macht die Klägerin geltend, ihr gegenüber könne eine häusliche
Eigenersparnis nicht in Abzug gebracht werden, sie könne demnach 60 % von 14.507,--
DM = 8.704,20 DM beanspruchen. Tatsächlich bringe ein Krankenhausaufenthalt
erfahrungsgemäß keine Ersparnis. Zwar entfalle für den Patienten die häusliche
Verpflegung, dies werde aber durch zusätzliche Aufwendungen des Verletzten im
Krankenhaus zumindest aufgewogen. Davon abgesehen könne eine etwaige Ersparnis
wegen Wegfalls der häuslichen Verpflegung während der Dauer der
Krankenhausbehandlung nur dann in Ansatz gebracht werden, wenn - anders als hier -
kein Anspruch auf Ersatz von Verdienstschaden gegen den Schädiger erwachsen sei,
denn diese häusliche Verpflegung werde üblicherweise aus dem Erwerbseinkommen
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bestritten. Da der Sozialversicherer mit der Gewährung der Krankenhauspflege, soweit
sie die Verpflegung betreffe, dem Kassenmitglied gewissermaßen Unterhalt gewähre,
gehe deshalb zu diesem Teil nach dem Grundsatz der kongruenten Deckung der
Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens nach § 1542 RVO auf den Sozialversicherer
über.
Vorsorglich macht die Klägerin insoweit geltend:
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Ihr Mitglied Herr S habe erhebliche Mehraufwendungen gehabt. Mindestens 20 x sei er
von seinen Familienangehörigen, insbesondere seiner Ehefrau besucht worden, wobei
pro Besuch ca. 50.-- DM an Fahrt- und Aufenthaltskosten angefallen seien und die
Besucher Geschenke im Wert von insgesamt rund 200.-- DM mitgebracht hätten. Hierbei
handele es sich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen um
Heilbehandlungskosten im weiteren Sinne; diese seien nach § 1542 RVO
übergangsfähig. Darüber hinaus habe Herr S während der Dauer seiner stationären
Behandlung täglich 5,-- DM für Stärkungsmittel, Obst und Getränke aufgewendet.
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3.) Ambulante Pflegekosten
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Während die Klägerin die Krankenhauskosten nach der Höhe ihrer tatsächlichen
Aufwendungen abrechnet, pauschaliert sie die ambulanten Pflegekosten unter
Bezugnahme auf §§ 1524 Abs. 1 S. 2, 1542 Abs. 2 RVO. Mit dem Beklagten ist sie sich
allerdings darüber einig, dass die Geltendmachung des vollen Pauschsatzes nach den
genannten Bestimmungen außer Verhältnis stünde zu den Kosten, die bei
privatärztlicher Behandlung des Verletzten angefallen wären. Sie legt deshalb ihrer
Schadensberechnung lediglich einen Betrag von 1.960,05 DM als "Teilbetrag der
Pauschale" zugrunde und trägt vor, diese Summe stehe in keinem unangemessenen
Verhältnis zu den Privatarztkosten, die sie unter Zugrundelegung von 215,20 DM für
Medikamente - dieser Betrag ist unstreitig - und des 4-fachen Gebührensatzes der
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) mit 1.291,20 DM beziffert. Demgemäß berechnet die
Klägerin den ihr angeblich zustehenden Ersatzanspruch mit 1.176,03 DM (60 % von
1.960,05). Gezahlt hat der Beklagte auf diese Schadensposition unstreitig 438,-- DM (BI.
77,78 d. A. : 60 % von 730.-- DM).
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Der Beklagte hält die Berechnungsweise der Klägerin für unzulässig und meint, diese
könne deshalb nur nach der Höhe ihrer tatsächlichen, bislang jedoch nicht dargelegten
Aufwendungen abrechnen, nicht aber einen "Teilbetrag einer unzulässigen Pauschale"
oder die fiktiven Privatarztkosten verlangen. Letztere seien im übrigen von der Klägerin
übersetzt angegeben. Unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse könne nur
der 2-fache Satz der GOÄ zugrunde gelegt werden.
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Nach Hinweis durch das Gericht haben sich die Parteien damit einverstanden erklärt,
dass der 3-fache Gebührensatz nach GOÄ zugrunde gelegt wird, falls sonst eine
Beweisaufnahme über die Angemessenheit des Gebührensatzes erforderlich würde.
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Nachdem die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage durch Teil-
Anerkenntnisurteil der Kammer vom 21.11.1975 (BI. 58 d. A.) ihre Erledigung gefunden
hat und die Parteien den Rechtsstreit wegen eines Betrages von 1.728,95 DM in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben, beantragt die Klägerin nunmehr,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.127,58 DM nebst 4 % Zinsen ab
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Rechtshängigkeit (20.6.1975) abzüglich am 23.6.1975 gezahlter 1.728,95 DM zu
zahlen.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Für den Fall, dass trotz seiner oben wiedergegebenen Einwendungen ein Rest-
Anspruch der Klägerin verbleibt, erklärt er vorsorglich die Aufrechnung mit einer ihm
angeblich zustehenden Gegenforderung in Höhe von 1.228,92 DM.
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Hierzu trägt er unwidersprochen vor, die Klägerin habe ihre Aufwendungen für
Krankengeld hinsichtlich des Zeitraums vom 1.3.1974 bis 30.8.1974 nicht nur ihm
gegenüber, sondern auch gegenüber der Landesversicherungsanstalt T geltend
gemacht. Diese habe Ende 1974 / Anfang 1975 2.048,20 DM an die Klägerin gezahlt
und nehme nunmehr ihrerseits bei ihm, dem Beklagten, Regreß. Die Klägerin sei
demzufolge um einen Betrag von 1.228,92 DM = 60 % von 2.048,20 DM ungerechtfertigt
bereichert.
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Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat über die Höhe der vom Beklagten an die Klägerin geleisteten
Zahlungen Beweis erhoben. Es wird hierzu verwiesen auf die amtliche Auskunft des
Postscheckamtes L (BI. 81-85 d. A.).
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet. Zwar steht der Klägerin nach Abrechnung des
Krankengeldes, der Krankenhauskosten und der ambulanten Pflegekosten noch ein
Restbetrag von 255,78 DM zu, diese Forderung ist aber durch die seitens des Beklagten
erklärte Aufrechnung mit einem Gegenanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§
812 BGB) in Höhe von 1.228,92 DM erloschen (§§ 387,389 BGB).
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1 .) Krankengeld
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Insoweit hat der Beklagte die Forderung der Klägerin voll ausgeglichen, sogar um
100,74 DM überzahlt. Grundlage des diesbezüglichen Anspruchs ist der
Verdienstausfallschaden, den der Verletzte erlitten hat, denn nur in diesem Umfang
kann nach § 1542 RVO ein Anspruch auf die Klägerin übergegangen sein. Die Höhe
des gezahlten bzw. zu zahlenden Krankengeldes ist nur insoweit von Bedeutung, als
damit der Betrag bestimmt wird, bis zu dem der Anspruch des Verletzten wegen
Verdienstausfalls im Höchstfall auf die Krankenkasse übergegangen sein kann. Bleibt
wie hier der ersatzfähige Verdienstausfallschaden hinter dem gezahlten
Krankengeldbetrag zurück, so ist letzterer irrelevant.
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Der Nettolohn des Verletzten ist nach der vom Beklagten eingeholten
Arbeitgeberbescheinigung vom 26.5.1975 (BI. 29 d. A.) zu berechnen. Der Streit der
Parteien darüber, ob die von der Klägerin eingeholten Arbeitgeberbescheinigungen vom
3.8.1973 bzw. 3.5.1974 (BI. 43, 44 d. A.) maßgebend sind oder die vom Beklagten
eingeholte der Abrechnung zugrunde zu legen ist, ist unverständlich. Die
Bescheinigung vom 26.5.1975 weist nämlich einen höheren Brutto- und Nettolohn aus
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als die vom 3.8.1973 / 3.5.1974, ist also für die Klägerin günstiger. Aus ihr ergibt sich
entsprechend der Berechnung des Beklagten auf Blatt 4 des Schriftsatzes vom
24.7.1975 (BI. 22 d. A.) für die Zeit ab 14.4.1973 (Ende der Lohnfortzahlung) bis Ende
August 1974 (Ende der Krankengeldzahlung) ein Nettoverdienst des Verletzten von
20.555,29 DM. Auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen
vom 3.8.1973 / 3.5.1974 ergibt sich dagegen ein kalendertäglicher Nettolohnausfall von
991,31 DM : 28 (die Bescheinigungen beziehen sich auf den Monat Februar) ::: 35,40
DM. Daraus folgt für den Zeitraum 14.4.1973 - 30.8.1974 = 504 Tage ein Netto-
Verdienstausfall von nur 17.841,60 DM, also exakt der Betrag, den die Klägerin als
Krankengeld an den Verletzten gezahlt hat. Dass die Klägerin letztlich auf einen
höheren Verdienstausfallschaden als der Beklagte kommt, nämlich auf 22.044,96 DM
(504 x 43,74 DM), beruht einzig darauf, dass sie dem kalendertäglichen Netto-
Lohnausfall von - nach ihrer Auffassung - 35,40 DM den Rentenversicherungsbeitrag in
Höhe von angeblich 8,34 DM täglich zuschlägt. Die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieses
Zuschlags ist jedoch keine Frage, die mit der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der einen
oder anderen Arbeitgeberbescheinigung zusammenhängt; es handelt sich um ein reines
Rechtsproblem, das im Folgenden noch zu erörtern sein wird.
Da das Vorbringen des Beklagten, soweit er sich auf die von ihm eingeholte
Arbeitgeberbescheinigung vom 26.5.1975 stützt, der Klägerin mithin günstig ist, kann als
selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass sie dieses ihr günstige Vorbringen
sich zu eigen macht. Der Nettolohnausfall des Verletzten ist dementsprechend für den
fraglichen Zeitraum auf 20.555,29 DM anzusetzen.
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Diesem Betrag kann entgegen der Auffassung der Klägerin der
Rentenversicherungsbeitrag nicht hinzugerechnet werden. Dabei kann dahinstehen, ob
dem Verletzten insoweit ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Auch wenn dies zu
Gunsten der Klägerin unterstellt wird, kann sie nach Ansicht der Kammer diesen Beitrag
nicht in ihre Abrechnung mit dem Beklagten einbeziehen, weil ein etwaiger
diesbezüglicher Ersatzanspruch des Verletzten nicht gemäß § 1542 RVO auf sie
übergegangen sein kann. Es entspricht einhelliger Meinung, dass ein
Forderungsübergang nach § 1542 RVO nur insoweit stattfindet, als der
Sozialversicherungsträger dem Verletzten eine kongruente Leistung erbringt bzw. zu
erbringen hat. An dieser Kongruenz fehlt es im Verhältnis zwischen Krankengeld und
Rentenversicherungsbeitrag. Ersteres ist nach § 182 Abs. 4 RVO begrenzt durch die
Höhe des regelmäßigen Nettoarbeitsentgeltes, zu dem unzweifelhaft der
Rentenversicherungsbeitrag nicht gehört. In dieser Vorschrift kommt hinreichend
deutlich zum Ausdruck, dass das Krankengeld zur Deckung des Bedarfs, der sonst
durch den Nettolohn gedeckt wird, bestimmt ist; seine Zweckbestimmung liegt aber
nicht, auch nicht teilweise, im Ausgleich eines etwaigen Renten-Ausfallschadens, wie er
eventuell durch die zeitweilige Nicht-Zahlung des Rentenversicherungsbeitrags
herbeigeführt werden könnte. Falls insoweit ein Schadensersatzanspruch der Verletzten
gegen den Schädiger entstanden ist, verbleibt er trotz Zahlung von Krankengeld dem
Verletzten und geht nicht gemäß § 1542 RVO auf die Krankenkasse über. Eine andere
Beurteilung entspräche auch nicht der Billigkeit, denn das der Höhe nach durch den
Nettolohn begrenzte Krankengeld ermöglicht dem Verletzten eben nur die Deckung der
Bedürfnisse, die er ansonsten aus dem Nettolohn zu bestreiten pflegt, gibt ihm jedoch
keinen Ausgleich für einen eventuellen Renten - Ausfallschaden. Zudem ist der
Sozialversicherte ohnehin durch das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers
(vgl. BGH in NJW 1969, S. 98 ff.) benachteiligt. Es besteht kein Grund, den
Sozialversicherungsträger zu Lasten des Versicherten noch weitergehend zu
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begünstigen dadurch, dass ein Forderungsübergang nach § 1542 RVO auch insoweit
angenommen wird, als der Versicherungsträger Leistungen mit anderer
Zweckbestimmung, als sie der betreffenden Schadensersatzforderung zugrunde liegt,
erbringt.
Ob der Netto-Verdienstentgang und Rentenausfallschaden gleichermaßen unter den
Begriff des "Erwerbsschadens" zu fassen ist, ist nach Auffassung der Kammer für die
Beurteilung des vorliegenden Falls belanglos. Allerdings wird von Wussow die
Auffassung vertreten, die denkbaren Schäden seien in 5 verschiedene
Schadensgruppen einzuteilen, und zwar:
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a) Heilungskosten;
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b) vermehrte Bedürfnisse;
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c) Erwerbsschaden;
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d) Schmerzensgeld;
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e) Sachschaden.
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Die einzelnen Schadensgruppen zerfielen zwar wieder in zahlreiche Einzelpositionen;
es sei aber im Sinne der zu § 1542 RVO entwickelten Kongruenzlehre unzulässig, eine
Aufspaltung der einzelnen Schadensgruppen vorzunehmen, es komme also nicht darauf
an, ob die betreffende einzelne Schadensposition von dem Sozialversicherer
seinerseits dem Versicherten erstattet werde (Unfallhaftpflichtrecht 12.Auflage Rn. 1485,
1486 und in NJW-Schriftenreihe, Ersatzansprüche bei Personenschäden Rn. 224).
Diese generalisierende Betrachtungsweise mag die oft schwierige Frage der Kongruenz
wesentlich vereinfachen, trägt indes der gerade im Interesse des Versicherten und aus
Gründen der Gerechtigkeit gebotenen Einzel-Beurteilung der Zweckbestimmung von
Leistung des Sozialversicherungsträgers einerseits und Schadensersatzanspruch
andererseits nicht genügend Rechnung. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese von
Wussow vertretene Differenzierung bisher in der Rechtsprechung Anklang gefunden
hat. Der Forderungsübergang nach § 1542 RVO bezweckt in erster Linie, eine
ungerechtfertigte Entlastung des Haftpflichtigen und eine doppelte Entschädigung des
Verletzten zu vermeiden (BGHZ Bd. 54 S.
Entschädigung" des Verletzten kann jedoch keine Rede sein, wenn ihm ein etwaiger
Ersatzanspruch wegen eines Renten-Ausfallschadens trotz Bezuges von Krankengeld
verbleibt.
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Da der Rentenversicherungsbeitrag mithin dem Nettolohn-Ausfall von 20.555,29 DM
nicht hinzu zurechnen ist und die Parteien sich über die Quotierung im Verhältnis 60 : 40
einig sind, ergibt sich unter Berücksichtigung des Quotenvorrechts des
Sozialversicherungsträgers ein auf die Klägerin nach § 1542 RVO übergegangener
Anspruch wegen Verdienst-Ausfallschadens von 12.333,17 DM für den hier fraglichen
Zeitraum vom 14. 4.1973 bis Ende August 1974.
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Diese Forderung hat der Beklagte erfüllt. Er hat - außer der unstreitigen Zahlung von
1.728,95 DM, wegen derer die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben - folgende Leistungen an die Klägerin erbracht:
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1.) am 17.5. 1974: 5.637,83 DM;
44
2) am 4.7. 1974: 10.378,13 DM;
45
3.) am 17.7. 1974: 1.591,14 DM;
46
4.) am 15.11.1974: 2.519,58 DM.
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Dies ergibt sich aus den vom Postscheckamt L im Wege der amtlichen Auskunft
vorgelegten Belegen (BI.82- 85 d. A.).
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In Verbindung mit den vom Beklagten eingereichten Abrechnungsunterlagen (BI. 70-78
d. A.) ergeben sich folgende Zahlungen wegen des Krankengeldes:
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1.) Rechnung vom 19.11.1973 (BI.70 d. A.)
50
60 % von 6.244,56 DM = 3.746,74 DM;
51
2.) Rechnung vom 11.2.1974 (BI.71 d. A.)
52
60 % von 2.279,76 DM = 1.367,85 DM;
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3.) Rechnung vom 13.5.1974 (BI.73 d. A.)
54
60 % von 3.617,88 DM = 2.170,73 DM;
55
4.) Rechnung vom 19.6.1974 (BI.76 d. A.)
56
60 % von 2.230,20 DM = 1.338,12 DM;
57
5.) Rechnung vom 30.10.1974 (BI.77 d. A.)
58
60 % von 3.469,20 DM = 2.081,52 DM;
59
6.) unstreitig gezahlte 1.728,95 DM;
60
Summe 12.433,91 DM.
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Es liegt mithin eine Überzahlung in Höhe von 12.433,91 DM - 12.333,17 DM = 100,74
DM vor.
62
2.) Krankenhauskosten
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Insoweit stehen der Klägerin noch 170,40 DM zu. Die durch den Unfall verursachte
stationäre Behandlung des Verletzten hat unstreitig Kosten in Höhe von 14.507,-- DM
verursacht. Von diesem Betrag ist entgegen der Ansicht der Klägerin die Ersparnis
abzuziehen, die der Verletzte dadurch erzielt hat, dass während der Dauer seines
Krankenhausaufenthalts die häusliche Verpflegung entfallen ist. Ob dieser Abzug unter
dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung gerechtfertigt ist (so BGR in NJW 1966 S.
2356) oder ob dem Verletzten insoweit von vornherein kein Schaden entstanden ist (so
Wussow, Unfallhaftpflichtrecht Rn. 1481), ist für die Entscheidung des vorliegenden
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Rechtsstreits belanglos.
Dass die im Krankenhaus üblicherweise anfallenden Mehraufwendungen - z.B. für
Säfte, Stärkungsmittel etc. - die Ersparnis der häuslichen Verpflegung mindestens
ausgleichen, wie die Klägerin unter Berufung auf die Ausführungen von Stamm (VersR
1975 S. 690 ff.) darzulegen versucht, ist nach Auffassung der Kammer unzutreffend.
Richtig ist lediglich, dass erfahrungsgemäß derartige Mehraufwendungen anfallen und
dass deshalb die "häusliche Ersparnis" nicht entsprechend dem vollen Betrag
anzusetzen ist, den der Verletzte zu Hause für seine Verpflegung auszugeben pflegt. Es
kann indes keine Rede davon sein, dass die betreffenden Mehraufwendungen, soweit
sie sich in einem angemessenen und deshalb der Schadensberechnung zugrunde zu
legenden Rahmen bewegen, die häusliche Eigenersparnis vollständig oder nahezu
vollständig aufwiegen. Die Kammer schätzt die Ersparnis unter Berücksichtigung von
Mehraufwendungen der genannten Art in angemessenem Umfang auf täglich 4;-- DM.
Daraus ergibt sich für die Zeit ab Ende der Lohnfortzahlung, 14.4.1973, für die der
Beklagte sich auf häusliche Ersparnis beruft, ein Abzug von 4,-- DM für 136 Tage = 544,-
- DM (die in der diesbezüglichen Rechnung vom 13.5.1974, BI. 73 d. A., enthaltene
Aufstellung ergibt ab 14.4.1973 136 Tage und nicht, wovon der Beklagte ausgeht, 137
Tage). Diesen Abzug muss sich auch die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des
Verletzten entgegenhalten lassen. Grundsätzlich können auf sie nicht mehr Rechte nach
§ 1542 RVO übergehen, als dem Verletzten als ihrem Rechtsvorgänger erwachsen sind.
unerheblich ist, dass ein solcher Abzug nicht in Betracht käme, wenn die Klägerin nach
§ 1542 Abs. 2 in Verbindung mit § 1524 Abs. 1 RVO pauschal abgerechnet hätte. Wählt
der Sozialversicherungsträger wie hier die Abrechnung auf der Grundlage der
tatsächlichen Aufwendungen, so muss diese konkrete Schadensberechnung in allen
Punkten konsequent durchgeführt werden, der Sozialversicherungsträger kann sich also
nicht auf Vorteile berufen, die sich für ihn aus der von ihm gerade nicht gewählten
Pauschalierung ergeben würden (vgl. BGH in NJW 1966 S.2356).
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Irrelevant ist im vorliegenden Fall ferner, dass die Klägerin in Höhe der auf die
Krankenhausverpflegung entfallenden Beträge dem Verletzten gewissermaßen
Unterhalt gewährt, also Kosten bestritten hat, die dieser ansonsten aus seinem Netto-
Einkommen hätte aufbringen müssen. Allerdings leitet die herrschende Meinung hieraus
ab, dass die Aufwendungen der Krankenkasse für die Verpflegung des Verletzten im
Krankenhaus dessen Ersatzanspruch wegen Verdienstausfallschadens kongruent im
Sinne des § 1542 RVO sind, dass also insoweit der Anspruch des Verletzten auf Ersatz
seines Erwerbsschadens auf den Sozialversicherungsträger übergeht (vgl. hierzu BGH
aaO und in NJW 1971 S. 240,24.1; Wussow aaO Rn. 1481). Hier hat der Beklagte aber,
wie sich aus den. zu 1) gemachten Ausführungen ergibt, bereits den dem Verletzten
entstandenen Nettolohn-Ausfallschaden in Höhe der von ihm zu tragenden Quote von
60 % vollständig ersetzt. Schon das von der Klägerin gezahlte Krankengeld übersteigt
den Schadensersatzanspruch wegen Verdienstentgangs, so dass ein weitergehender
Forderungsübergang nach § 1542 RVO wegen des von der Klägerin gewährten
"Naturalunterhalts" in Form der Krankenhauspflege nicht möglich ist. Die
diesbezüglichen Kosten erhöhen den Umfang der Aufwendungen der Klägerin, nicht
den des Ersatzanspruchs wegen Verdienstausfalls. Wie die Rechtslage für die Zeit der
Lohnfortzahlung, also bis einschließlich 13.4.1973, zu; beurteilen wäre (vgl. BGH in
NJW 1971 S. 240, 241; Wussow aaO Rn. 1014 d), kann dahingestellt bleiben, denn wie
sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 28.6.1974 (BI. 74 d. A.) in Verbindung mit
der von der Klägerin unter dem 13.5.1974 erteilten Rechnung (BI. 73 d. A.) ergibt, hat
der Beklagte lediglich für die Zeit ab 14. 4.1973 einen Abzug vorgenommen, im übrigen
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aber die entsprechende Forderung der Klägerin vollständig anerkannt und bezahlt.
Soweit die Klägerin sich hilfsweise auf Mehraufwendungen beruft, die durch Besuche
des Verletzten seitens seiner Angehörigen angefallen sein sollen (Seite 5 des
Schriftsatzes vom 12.9.1975, BI. 40 d. A.), fehlt es an einer gleichartigen Leistung der
Klägerin gegenüber dem Verletzten, so dass ein etwaiger Ersatzanspruch wegen dieser
Kosten schon mangels Kongruenz nicht gemäß § 1542 RVO auf die Klägerin
übergegangen sein kann. Die erforderlichen Mehraufwendungen für Stärkungsmittel pp.
sind bereits im Rahmen der Schätzung der häuslichen Ersparnis auf 4,-- DM pro Tag
berücksichtigt worden.
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Der dem Verletzten entstandene Schaden ist mithin auf 14.507,-- DM - 544,-- DM =
13.963,-- DM anzusetzen.
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Der auf die Klägerin nach § 1542 RVO übergegangene Schadensersatzanspruch
beläuft sich auf 60 % hiervon = 8.377,80 DM. Gezahlt hat der Beklagte, wie sich aus der
Rechnung vom 13.5.1974 (Bl.73 d. A.), seinem Schreiben vom 28.6.1974 (Bl.74 d. A.)
und dem Post-Überweisungsbeleg vom 4.7.1974 (Bl.83 d. A.) ergibt, 60 % von 13.679,--
DM = 8.207,40 DM. Es verbleibt damit eine Differenz von 170,40 DM zu Gunsten der
Klägerin.
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3.) Ambulante Pflegekosten
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Der Klägerin steht für ambulante Pflege-(Arzt- und Arznei-)kosten noch ein Restbetrag
von 186,12 DM zu. Grundlage der Abrechnung sind die fiktiven Privatarztkosten, d.h.
diejenigen Kosten, die angefallen wären, wenn der Verletzte sich privatärztlich hätte
behandeln lassen.
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Zu Unrecht legt die Klägerin der Abrechnung 1.960,05 DM als Teilbetrag der sich aus §
1542 Abs. 2 in Verbindung mit § 1524 Abs. 1 Satz 2 RVO ergebenden
Schadenspauschale zugrunde. Allerdings steht der Pauschalierung der ambulanten
Pflegekosten nicht entgegen, dass die Klägerin die Krankenhauskosten (oben zu 2)
konkret abgerechnet hat. Nach völlig herrschender Meinung kann die Krankenkasse das
ihr nach § 1542 Abs.2 RVO zustehende Wahlrecht nämlich getrennt nach den
verschiedenen Schadensarten ausüben, die Wahl der konkreten Abrechnung für die
Krankenhauskosten bindet also nicht bezüglich der ambulanten Pflegekosten (vgl. BGH
in NJW 1965 S.2013; Wussow aaO Rn.1475 und in NJW-Schriftenreihe,
Ersatzansprüche bei Personenschäden Rn.220; Geigel, Haftpflichtprozeß 15.Aufl.
30.Kapitel Rn.115 Seite 1112).
72
Andererseits kann der Gesamtbetrag der sich aus §§ 1542 Abs. 2, 1524 Abs. 1 S. 2
RVO ergebenden Pauschale nicht gefordert werden, weil dieser in einem
unangemessenen Verhältnis stände zu den Kosten, die angefallen wären, wenn der
verletzte Sozialversicherte sich als Privatpatient hätte behandeln lassen; die Forderung
der gesamten Pauschalsumme wäre deshalb rechtsmißbräuchlich (vgl. hierzu BGHZ
Bd. 12 s. 154 ff; BGH in VersR1956 S.178,179; BGH in NJW'1965 S.2013; Wussow,
Unfallhaftfpflichtrecht Rn.1475; Geigel aaO Rn.113 Seite 1111). Hierin stimmen beide
Parteien überein.
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Der sich daraus ergebenden Konsequenz, dass eine Pauschalierung entsprechend den
genannten Vorschriften unzulässig ist, kann die Klägerin nicht dadurch ausweichen,
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dass sie statt der vollen Pauschale nur einen Teilbetrag verlangt, der sich nach ihrer
Auffassung noch in einem angemessenen Verhältnis zu den fiktiven Privatarztkosten
bewegt, weil er diese um lediglich ca. 50 % übersteigt. Dies läuft auf eine der RVO
fremde und deshalb unzulässige Pauschalierung hinaus (anderer Meinung offenbar
Wussow aaO Rn.1478). Die Krankenkasse hat nach § 1542 Abs. 2 RVO die Wahl
zwischen der Pauschalierung gemäß der genannten Bestimmung in Verbindung mit §
1524 Abs. 1 RVO und der Schadensabrechnung auf der Grundlage ihrer tatsächlichen
höheren Aufwendungen. Steht die Pauschale auf Grund der Umstände des Einzelfalls
in einem unangemessenen Verhältnis zu den fiktiven Privatarztkosten und ist die
Geltendmachung der Pauschalsumme deshalb rechtsmißbräuchlich, so ist die
Krankenkasse zwar nicht gezwungen, die eventuell hinter den fiktiven Privatarztkosten
zurückbleibenden tatsächlichen Aufwendungen in Ansatz zu bringen, vielmehr stehen
ihr - an Stelle der unzulässigen Pauschale - die fiktiven Privatarztkosten zu.
Sie kann aber nicht dadurch zu einem für sie günstigeren Ergebnis gelangen, dass sie
anders als in §§ 1524 Abs. 1, 1542 Abs. 2 RVO vorgesehen pauschaliert, etwa indem
sie auf die fiktiven Privatarztkosten einen Zuschlag erhebt (vgl. BGR in VersR 1956
S.178,179). Letztlich nichts anderes ist es, wenn die Krankenkasse wie hier die Klägerin
statt eines solchen Zuschlags einen Teilbetrag der - unzulässigen, weil
rechtsmißbräuchlichen - Pauschale geltend macht. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen
Grundlage. Es kann auch nicht ernsthaft von einem Teilbetrag im eigentlichen Sinne die
Rede sein, denn dies würde voraussetzen, dass an sich auch der Gesamtbetrag, hier
also die sich aus §§ 1524 Abs. 1, 1542 Abs. 2 RVO ergebende Pauschale geltend
gemacht werden könnte, was jedoch gerade nicht der Fall ist. Schließlich wäre es nach
Ansicht der Kammer auch ein wenig sachgerechtes Ergebnis, wenn die Krankenkasse
durch das Verlangen eines solchen vermeintlichen: "Teilbetrages" immer die Summe
vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer erlangen könnte, die sich soeben
unter der Grenze des Rechtsmißbräuchlichen hält.
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I
76
Statt der Pauschale aus §§ 1524 Abs. 1, 1542 Abs. 2 RVO stehen der Klägerin die
fiktiven Privatarztkosten zu. :Der hiergegen vom Beklagten erhobene Einwand, diese
Kosten könnten nur dann verlangt werden, wenn die Klägerin zunächst eine
Pauschalierung entsprechend den genannten Bestimmungen vorgenommen habe, was
hier nicht geschehen sei, ist unzutreffend. Stellt sich die Geltendmachung des
pauschalierten Betrages als rechtsmißbräuchlich heraus, so kann die Krankenkasse
stattdessen die Kosten einer privaten Behandlung ersetzt verlangen (BGR in VersR
1956 8.178,179). Letzteres hängt nicht davon ab, dass die Krankenkasse zunächst die
unzulässige Pauschale fordert, andernfalls käme man zu dem abseitigen Ergebnis, dass
die Geltendmachung eines übersetzten Betrages, also die Forderung einer dem
Gläubiger nicht zustehenden Summe Voraussetzung dafür wäre, um ihm die fiktiven
Privatarztkosten statt der möglicherweise niedrigeren tatsächlichen Aufwendungen
zusprechen zu können. Ein solch geradezu absurdes Ergebnis kann der Gesetzgeber
nicht gewollt haben, insbesondere kann es nicht aus dem Wahlrecht des § 1542 Abs. 2
RVO hergeleitet werden, denn dieses bezieht sich auf die Pauschale einerseits, die
tatsächlichen höheren Aufwendungen andererseits. Es besteht schließlich kein
sachlicher Grund, den Sozialversicherungsträger auf seine gegenüber den fiktiven
Privatarztkosten meist niedrigeren tatsächlichen Aufwendungen zu verweisen, denn es
ist nicht das Verdienst des Schädigers bzw. dessen Haftpflichtversicherers, dass es den
Sozialversicherungsträgern gelungen ist, durch Vereinbarungen mit ärztlichen
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Standesorganisationen etc. die tatsächlichen Kosten niedrig zu halten; es entspricht der
Billigkeit, diesen Vorteil den Sozialversicherungsträgern zugute kommen zu lassen und
nicht dem Schädiger.
Bei der Berechnung der fiktiven Privatarztkosten ist vom 3-fachen Satz der
Gebührenordnung für Ärzte auszugehen, womit sich die Parteien auf Vorschlag der
Kammer zwecks Vermeidung einer ansonsten notwendigen Beweisaufnahme
einverstanden erklärt haben. Die einzelnen ärztlichen Leistungen ergeben sich aus der
vom Beklagten nicht angegriffenen Aufstellung der Klägerin auf Seite 6 des
Schriftsatzes vom 12.9.1975 (Bl.41 d. A.).
825,--DM. Dem sind die Kosten für Medikamente in Höhe von unstreitig 215,20 DM
hinzuzurechnen, woraus sich ein Ersatzanspruch von 624,12 DM ergibt (60 % von
1.040,20 DM). Gezahlt hat der Beklagte gemäß seinem Schreiben vom 12.11.1974
(Bl.78 d. A.) in Verbindung mit dem Post - Überweisungsbeleg vom 15.11.1974 (Bl.85 d.
A.) 60 % von" 730.-- DM = 438,-- DM. Es verbleibt mithin eine Differenz von 186,12 DM
zu Gunsten der Klägerin.
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Die Restforderung der Klägerin errechnet sich also wie! folgt:
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a) Krankenhauskosten 170,40 DM
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b) Ambulante Pflegekosten 186,12 DM
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Summe 356,52 DN
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Abzüglich zu viel gezahlt für Krankengeld 100,74 DM
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255,78 DM.
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Der zu viel gezahlte Betrag von 100,74 DM (oben zu 1) ist vom Rest-Anspruch der
Klägerin in Abzug zu bringen, auch wenn der Beklagte insoweit nicht die Aufrechnung
erklärt hat. Es ist davon auszugehen, dass bei der sich aus verschiedenen Positionen
zusammensetzenden Schadensberechnung der auf die eine Position - Krankengeld -
gezahlte Betrag, soweit er versehentlich über die nach der eigenen Darstellung des
Beklagten geschuldete Summe hinausgeht, mit der Maßgabe geleistet ist, dass der
Überschuss zur Deckung anderer, noch offenstehender Positionen bestimmt ist.
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4.) Die seitens des Beklagten erklärte Aufrechnung mit einer Gegenforderung von
1.228,92 DM.
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Die vorgenannte Restforderung der Klägerin von 255,78 DM ist gemäß §§ 387, 389
BGB durch die seitens des Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem ihm zustehenden
Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) in Höhe von 1.228,92 DM
erloschen.
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Wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen und durch Vorlage des Schreibens der
Landesversicherungsanstalt T vom 22.1.1976 (BI. 92 d. A.), der dieser gegenüber
erteilten Abrechnung der Klägerin vom 23.12.1974 (BI.93 d. A.) und des
Rentenbescheides an den Verletzten vom 13.1.1975 (BI.94 d. A.) belegt hat, hat die
Klägerin das für die Zeit vom 1.3.1974 bis 30.8.1974 gezahlte Krankengeld nicht nur
gegenüber dem Beklagten, sondern auch gegenüber der Landesversicherungsanstalt T
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in Ansatz gebracht hat; von dieser hat sie für den genannten Zeitraum gemäß § 183
Abs. 3 RVO Ende 1974 oder Anfang 1975 2.048,20 DM erhalten. In Höhe dieses
Betrages war die Klägerin demnach befriedigt und ist sie durch die Entgegennahme der
späteren Zahlung von 1.728,95 DM seitens des Beklagten rechtsgrundlos bereichert in
Höhe des auf die Haftungsquote des Beklagten entfallenden Anteils von 1.228,92 DM
(60 % von 2.048,20 DM).
Dem steht nicht entgegen, dass der Betrag von 2.048,20 DM, den die Klägerin gemäß §
183 Abs. 3 RVO von der Landesversicherungsanstalt T erhalten hat, insgesamt weniger
als 4.0 % des für den Zeitraum 1.3.1974 - 30.8.1974 gezahlten Krankengeldes
ausmacht, die Klägerin also nicht etwa mehr als 100 % des von ihr verauslagten
Krankengeldes erstattet erhalten hat. Der Betrag von 2.048,20 DM ist nämlich nicht
primär auf den ungedeckten Anteil von 40 %, sondern gleichermaßen auf den durch den
Haftpflichtversicherer gedeckten und den ungedeckten Teil anzurechnen. Eine andere
Beurteilung würde zu einer durch nichts gerechtfertigten Benachteiligung des
Rentenversicherungsträgers gegenüber der Krankenkasse führen; denn da der
Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nicht über die auf ihn entfallende Quote
hinaus zum Ersatz herangezogen werden kann, verbliebe für den
Rentenversicherungsträger kein nach § 1542 RVO übergangsfähiger Anspruch, wenn
die Krankenkasse neben dem auf sie nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO übergegangenen
Rentenanspruch des Verletzten den gesamten der Quote des Schädigers
entsprechenden und an sie von dessen Haftpflichtversicherer gezahlten Betrag behalten
könnte. Eine solche Bevorzugung der Krankenkasse ist der das Verhältnis von Rente
und Krankengeld regelnden Bestimmung des § 183 Abs. 3 RVO nicht zu entnehmen.
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5.) Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit
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Soweit die Klage abgewiesen ist, beruht die Kostenentscheidung auf § 91 ZPO.
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Auch im übrigen - bezüglich des vom Beklagten anerkannten Feststellungsantrags und
des übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten Teils des
Zahlungsantrags (1.728,95 DM) - sind der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits
aufzuerlegen. Hinsichtlich des Anerkenntnisses folgt dies aus § 93 ZPO, denn der
Beklagte hatte seine Haftung zu 60 % nie in Abrede gestellt und die Klägerin behauptet
selbst nicht, der Beklagte habe sich auf entsprechende Aufforderung geweigert, seine
Ersatzpflicht in dem bezeichneten Umfang auch für Zukunftsschäden anzuerkennen.
Die Ausführungen der Klägerin über die Möglichkeit von Zukunftsschäden sind lediglich
für die Frage des Feststellungsinteresses im Sinne des § 256 ZPO relevant, berühren
aber nicht die für § 93 ZPO entscheidende Frage, ob der Beklagte den Anspruch sofort
anerkannt und keine Veranlassung zur Klage gegeben hat.
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In Bezug auf den erledigten Teil sind die Kosten gemäß § 91 a ZPO von der Klägerin zu
tragen. Dies entspricht der Billigkeit, denn der Beklagte hatte zunächst exakt den Betrag
an die Klägerin gezahlt, der auf der Grundlage des von der Klägerin errechneten
Nettolohns (17.841,60 DM) bei zutreffender rechtlicher Beurteilung - ohne
Berücksichtigung des oben zu 1) erörterten Rentenversicherungsbeitrags - als
Verdienstausfallschaden zu ersetzen war (10.704.,96 DM = 60 % von 17.841,60 DM).
Als sich durch die von ihm selbst eingeholte Arbeitgeberbescheinigung ergab, dass der
Nettolohn - Ausfall in Wahrheit höher war, hat er die Differenz unverzüglich nachgezahlt.
Da die Berechnung des Nettolohns Sache der Klägerin als Gläubigerin war, entspricht
es der Billigkeit, sie mit den Kosten gemäß § 91 a ZPO zu belasten, denn es kann
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keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass der Beklagte bei zutreffender
Berechnung des Nettolohns durch die Klägerin schon vorprozessual den sich daraus
ergebenden Schadensbetrag vollständig gezahlt hätte.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 710 ZPO.
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