Urteil des LG Bonn vom 08.05.2008

LG Bonn: geschäftsführer, firma, anfechtung, schwestergesellschaft, hinterlegung, zession, rate, sicherheitsleistung, projekt, drohung

Landgericht Bonn, 12 O 196/07
Datum:
08.05.2008
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 196/07
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 117.000,00 € zu zahlen
nebst 8,5 % Zinsen von 59.500,00 € ab dem 26.06.2007, sowie
57.500,00 € ab dem 01.05.2007 und sowie 2.00,00 € für die Zeit vom
01.05. – 10.08.2007.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Die Drittwiderklage wird als unzulässig zurück gewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
5. Das Urteil ist zu Gunsten der Klägerin gegen Sicherheitsleistung, die
durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder
Sparkasse erbracht werden kann, oder Hinterlegung in Höhe von 110 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar; der
Kostenausspruch ist zu Gunsten der Drittwiderbeklagten gegen
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Klägerin und die Beklagte streiten darüber, ob der Klägerin als Factoringbank aus
abgetretenem Recht der Drittwiderbeklagten sowie aus einer zwischen der Klägerin und
der Beklagten abgeschlossenen Ratenzahlungsvereinbarung die von Klägerseite
begehrte Zahlung zu steht, während sich der Streit zwischen der Beklagten und der
Drittwiderbeklagten auf Interna zwischen diesen beiden bezieht.
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Die Drittwiderbeklagte H (im Folgenden H ) und eine Schwestergesellschaft der
Beklagten namens Firma J + J GmbH & Co. Verlags und Lizenz KG, vertreten durch den
Geschäftsführer der Beklagten, schlossen mit einem auf den 14.12.2006 datierten
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Vertrag eine Vereinbarung wie aus Blatt 50 – 56 d. A. ersichtlich. An die Stelle der
Vertragspartnerin der H trat im folgenden unstreitig die Beklagte. Der Vertrag betrifft die
Einführung einer sogenannten J Card als multifunktionale Verbraucherkarte mit
Mehrwertfunktion, wobei die Beklagte (zuvor deren Schwestergesellschaft) als Investor
auftrat, während von H zahlreiche Leistungen zu erbringen waren wobei nach der
Anlage 2 zum Vertrag, die ebenfalls von Herrn L unterzeichnet worden ist, "... bereits
Vorleistungen durch H zu diesem Projekt erbracht worden sind, die in Zahlen schlecht
darzustellen sind ...".
Mit einem auf den 22.01.2007 datierten "Factoring Vertrag" zwischen der Klägerin und H
wird der vorgenannte Vertrag erfasst, wobei es in dem von Beklagtenseite selbst
vorgelegten Factoring Vertrag unter anderem heißt:
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"... der Kunde (H) darf nur solche Rechnungen einreichen, bei denen die
Gegenleistung in vollem Unfang mängelfrei erbracht ist ..."
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 72 ff. verwiesen.
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Die Klägerin stützt ihre Forderung gegenüber der Beklagten auf zwei Rechnungen, die
mit 30.01.2007 bzw. 27.03.2007 datiert sind (Blatt 9 bzw. 10 d. A.) und jeweils über
brutto 59.500,00 € lauten, wobei es im Rechnungstext schlicht heißt "Abrechnung
aktueller Leistungsstand gemäß Leistungsverzeichnis". Unter den jeweiligen
Rechnungen hat die Beklagte unstreitig durch ihren Geschäftsführer folgenden Satz
unterschrieben:
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"Wir bestätigen den Leistungsstand und die Richtigkeit dieser Rechnung".
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Nachdem die Beklagte an die Klägerin als Factoringbank keine Zahlung erbracht hatte,
sondern statt dessen mit einem auf den 9./10. Mai 2007 datierten Vertrag zwischen H ,
der Beklagten und deren Schwestergesellschaft unterschriftlich bestätigt hat
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"...L & G GmbH nicht in der Lage ..., ihre vertraglichen Pflichten in Bezug auf das
gemeinsame Projekt J Card zu erfüllen ..."
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- auf den weiteren Inhalt dieser Vereinbarung wird Bezug genommen (Blatt 155 – 159 d.
A.)- richtete die Klägerin an die Beklagte am 24.07.2007 mit der Überschrift
"Insolvenzantrag/Betrugsanzeige gegen Sie und Ihr Unternehmen ..." ein Schreiben wie
aus Blatt 11 und 12 d. A. ersichtlich, worauf die Beklagte mit der Klägerin unstreitig am
30.07.2007 eine Ratungszahlungsvereinbarung schloss, die die Klägerin mit Schreiben
vom gleichen Tage (Blatt 13/14) der Beklagten bestätigte, ohne dass die Beklagte dem
Inhalt dieser Bestätigung entgegengetreten ist. Im Gegenteil hat die Beklagte unstreitig
die in diesem Schreiben genannte erste Rate von 2.000,00 € gezahlt, nicht dagegen die
weiteren Beträge. Nach Hinweisen der Kammer im ersten Termin vom 28.02.2008 unter
anderem bezüglich dieser Ratenzahlungsvereinbarung hat die Beklagte mit Schreiben
vom 05.03.2008 (Anlage B 20) die Ratungszahlungsvereinbarung wegen (angeblich)
widerrechtlicher Drohung angefochten, was die Klägerin ihrerseits als unberechtigt
zurück weist.
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Der Kern des Streits zwischen den Parteien betrifft die Frage, welchen Kenntnisstand
die Klägerin bei Entgegennahme der fakturierten Rechnungen vom 30.01. bzw.
27.03.2007 hatte und welcher Leistungsstand zwischen H und Beklagte tatsächlich
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gegeben war.
Die Klägerin behauptet, die Firma H habe die ihr obliegenden Leistungen im vollen
Umfang erbracht, insbesondere seien die in den Rechnungen vom 30.01. bzw.
27.03.2007 in Bezug genommenen Leistungen ("aktueller Leistungsstand") gegeben
gewesen. Interna zwischen H und Beklagte – so behauptet die Klägerin – habe die
Klägerin nicht gekannt, das heißt selbst wenn Leistungen der H noch nicht im Umfang
der beiden Rechnungen erbracht worden seien, wie dies die Beklagte behauptet, könne
ihr – so meint die Klägerin – dies jedenfalls nicht entgegen gehalten werden, dies schon
im Hinblick auf die diversen Anerkenntnisse der Beklagten nicht zuletzt in der
Ratenzahlungsvereinbarung vom 30.07.2007, auf welche die Klage ebenso gestützt
werde wie auf deliktsrechtliche Vorschriften des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m . § 263 StGB.
Schon deswegen könne auch von einem Durchgreifen der am 05.03.2008 erklärten
Anfechtung keine Rede sein.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 119.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von
8,5 % p. a. aus 59.500,00 € ab dem 01.05.2007 und aus 59.500,00 € ab dem
26.06.2007 abzüglich am 10.08.2007 gezahlter 2.000,00 € zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte stellt jedwedes Anerkenntnis in Abrede. Nach ihrer Darstellung beziehen
sich die als solche unstreitigen Bestätigungsvermerke auf den Rechnungen vom 30.01.
bzw. 27.03.2007 lediglich auf den Entstehungsgrund von künftigen Forderungen, nicht
aber auf schon erbrachte Leistungen, die schon vom zeitlichen Ablauf nicht erbracht
worden sein konnten, was der Klägerin sehr wohl bekannt gewesen sei, jedenfalls habe
die Klägerin dies ohne weiteres erkennen müssen. Der Geschäftsführer der Beklagten –
so trägt die Beklagte weiter vor – habe sich nur zeitweise einschüchtern lassen, worauf
die Vereinbarung vom 30.07.2007 und die Zahlung von 2.000,00 € zurückzuführen
seien. Die massiven Einschüchterungen würden sich als widerrechtliche Drohungen im
Sinne von § 123 BGB darstellen, weshalb zu recht Anfechtung erklärt worden sei.
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Im Innenverhältnis zur Drittwiderbeklagten (zugleich Streitverkündeten, die beigetreten
ist), nämlich der Firma H sei festzustellen, dass bis zum heutigen Tag die H ihre
Leistungen eben nicht erbracht habe und erst recht ihre Versprechungen nicht
eingehalten habe, die insbesondere dahin gegangen seien, dass die Beklagte keine
Inanspruchnahme durch die Klägerin zu befürchten brauche. Einwendungen aus dem
Grundverhältnis zwischen H und Beklagte könnten sehr wohl nach § 404 vorgehalten
werden, wobei sich die Einwendungen aus §§ 320, 321 BGB ergeben. Zudem sei die
Beklagte zu recht von ihrem Vertrag mit H zurückgetreten.
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Mit Schriftsatz vom 21.02.2008 hat die Beklagte gegenüber der H Drittwiderklage
erhoben mit folgenden Anträgen:
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1. die Drittwiderbeklagte zu verurteilen, an die Drittwiderklägerin
a. 1.500,00 € sowie
b. weitere 17.285,35 € jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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festzustellen, dass der Drittwiderbeklagten infolge des wirksamen Rücktritts der
Drittwiderklägerin keine Ansprüche aus dem zwischen ihr und der Drittwiderklägerin
bestehenden Vertrag vom 14.12.2006 / 23.01.2007 über die Platzierung einer
Mehrwertkarte " J CARD" mehr zustehen.
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Diese Anträge beziehen sich angeblich auf von der Beklagten an H erbrachte
Leistungen und auf die zwischen H und Beklagte eingetretene Vertragsstörung, die – so
trägt die Beklagte vor – allein der H anzulasten sei.
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Die Drittwiderbeklagte vertritt im Anschluss an Hinweise der Kammer im ersten Termin
vom 28.02.2008 die Auffassung, die Drittwiderklage sei unzulässig. Sie tritt der
Drittwiderklage auch Inhaltlich entgegen und beantragt,
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die Drittwiderklage als unzulässig zurückzuweisen.
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Zur Drittwiderklage hat die Klägerin keinen Sachantrag gestellt.
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Im übrigen wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze
nebst Anlage Bezug genommen einschließlich der Schriftsätze vom 24.04. +
25.04.2008.
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Die Kammer hat im ersten Termin vom 28.02.2008 umfangreiche Hinweise erteilt und im
Haupttermin vom 17.04.2008 eine Beweiserhebung beschlossen, die sogleich
ausgeführt wurde durch Vernehmung der Zeugen W (Geschäftsführer der
Drittwiderbeklagten), Dr. K (Justitiar der Klägerin) und S (Projektleiter der H) sowie
durch Vernehmung des Geschäftsführers T der Klägerin auf Antrag der Beklagten.
Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.04.2008
verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Wesentlichen begründet, die
Teilabweisung beruht lediglich darauf, das sich die Klägerin trotz mehrfacher Hinweise
der Kammer nicht in der Lage sah, die vorprozessual unstreitig gezahlten 2.000,00 €
sachgerecht in ihren Klageantrag einzuordnen. Dem gegenüber war die Drittwiderklage
als unzulässig abzuweisen. Im einzelnen gilt folgendes:
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Die Klage, die auch nach Darstellung der Beklagten keinen Zulässigkeitsbedenken
begegnet, ist sowohl auf Grund abgetretenen Rechts der Firma H unter Präklusion
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etwaiger der Beklagten zustehenden Einwendungen begründet wie auch auf Grund der
zwischen der Klägerin und der Beklagten selbstständig am 30.07.2007 getroffenen
Ratenzahlungsvereinbarung, die entgegen der Annahme der Beklagten nicht durch die
erklärte Anfechtung gegenstandslos geworden ist.
Kern der Überprüfungen im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagte war die Frage,
ob die Klägerin – unterstellt, dass die Rechnungen vom 30.01. bzw. 27.03.2007 den
aktuellen Leistungsstand nicht zutreffend wiedergeben – Kenntnis von dem unterstellten
Defizit des Leistungsstandes hatte. Wäre dies der Fall gewesen, wäre die Klägerin
durch die Beklagte insbesondere mit den als solchen unstreitigen
Bestätigungsvermerken Blatt 9 bzw. 10 d. A. nicht getäuscht worden – wer Kenntnis hat,
bei dem wird kein Irrtum erregt -, die als solche unstreitige Ankündigung einer
"Betrugsanzeige" im Schreiben vom 24.07.2007 (Blatt 11 d. A.) wäre mithin
widerrechtlich i. S. v. § 123 Abs. 1, 2. Alternative BGB gewesen, weshalb die während
des Prozesses mit Schreiben vom 05.03.2008 erklärte Anfechtung der
Willenserklärungen der Beklagte vom 30.07.2007 eingegriffen hätten mit der weiteren
Folge, dass eine Ratenzahlungsvereinbarung zwischen Klägerin und der Beklagten
keine Grundlage für das Zahlungsbegehren der Klägerin mehr abgeben könnte und der
weiteren Folge, dass eine Einwendungspräklusion zu lasten der Beklagten zu
verneinen gewesen wäre, das heißt die Beklagte wäre nach § 404 BGB nicht gehindert
gewesen, gegenüber der klägerischen Forderung die Einwendungen vorzutragen, die
sich (angeblich) gegenüber H zu Gunsten der Beklagten ergeben. Dies hätte die weitere
Folge gehabt, dass die während des Prozesses erhobene isolierte Drittwiderklage als
zulässig zu erachten wäre und die Kammer gehalten gewesen wäre, den aus
zahlreichen Detailstreitigkeiten bestehenden Prozessstoff zwischen H und Beklagte im
Einzelnen zu überprüfen.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vom 17.04.2008 kann indes keine Rede
davon sein, dass die Beklagte den zweifelsohne ihr obliegenden Nachweis zum
angeblichen Kenntnisstand der Klägerin geführt hat. Freilich ist auch das Gegenteil
nicht festzustellen. Alle 5 Herren, die im Haupttermin zu Wort gekommen sind, nämlich
die Zeugen W, Dr. K und S wie auch der Geschäftsführer der Klägerin T und der
Geschäftsführer der Beklagten L haben auf die Kammer alles andere als einen
überzeugenden Eindruck gemacht. Bei allen 5 Herren stellt sich durchaus die
Seriösitätsfrage, das heißt die Kammer hat trotz mehrstündiger Beweisaufnahme nicht
zu eruieren vermocht, wer hier mit wem wen zu übervorteilen versucht. Dabei hat die
Kammer den Geschäftsführer der Drittwiderbeklagten unter Zurückstellung von
Bedenken als Zeugen vernommen, obwohl er als Geschäftsführer der
Drittwiderbeklagten jedenfalls bei einer zulässigen Drittwiderklage nicht Zeuge hätte
sein können, doch hing die Zulässigkeit der Drittwiderklage gerade von dem Ergebnis
der Beweisaufnahme ab, während die Zeugenstellung des Herrn W allein durch die
Streitverkündung und den Beitritt nicht tangiert war. Die Beklagte ist jedenfalls nicht
dadurch belastet, dass die Kammer Herrn W als Zeugen vernommen hat; im Gegenteil
war die Beklagte ja auf dessen Zeugenaussage "gespannt".
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Nach der Darstellung der Herren W, Dr. K, S und T hat die Klägerin keinerlei Kenntnis
von dem (unterstellten!) Defizit eines Leistungsstandes zwischen H und Beklagten
gehabt, beide Rechnungen vom 30.01. wie vom 27.03.2007 sollen sich vielmehr nur auf
schon erbrachte Leistungen bezogen haben, die jedenfalls mit einem Zahlungsziel von
jeweils 90 Tagen auch fällig waren. Dies hat der Geschäftsführer der Beklagten
seinerzeit nach seinen unstreitigen Bestätigungsvermerken Blatt 9 und 10 d. A. jeweils
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ausdrücklich als richtig dargestellt, wobei unmissverständlich jeweils von einem
"aktuellen Leistungsstand" die Rede, das heißt der Geschäftsführer der Beklagten sollte
nicht verwundert darüber sein, dass er schlicht an das festgehalten wird, was er am
30.01. bzw. 27.03.2007 selbst erklärt hat. Aus dem objektiven Text geht nicht einmal
ansatzweise hervor, das sich die Bestätigungsvermerke des Herrn L nur auf den
Entstehungsgrund etwaiger potenzieller Forderungen beziehen sollen, zumal die
Beklagte selbst den Factoringvertrag vorgelegt hat, wonach – wie bei Factoring eben
üblich – nur Rechnungen zum Factoring angenommen werden, die mängelfrei erbrachte
Leistungen betreffen. Die Beklagte sollte auch deswegen über einen Erfolg der Klägerin
nicht verwundert sein, weil sie noch Monate später mit der Klägerin unstreitig eine
Ratenzahlungsvereinbarung getroffen hat und die erste Rate von 2.000,00 € auch
bezahlt hat. Daß die Beklagte "massiv" eingeschüchtert worden sein will, dafür ist die
Beklagte zumindest den Nachweis schuldig geblieben: Die Klägerin hat allerdings am
24.07. mit einer Betrugsanzeige gedroht, doch lässt sich die Widerrechtlichkeit dieser
Drohung nicht feststellen, da dies voraussetzen würde, dass die Klägerin die Interna
zwischen H und Beklagte kannte und insbesondere das (unterstellte) Leistungsdefizit
bei Entgegennahme der beiden Rechnungen ebenso kannte. Eben das hat die Beklagte
nicht nachzuweisen vermocht, wobei von der Darstellung der Herren W, Dr. K, S und T ,
die jedenfalls nicht im Lager der Beklagten stehen, nicht zu erwarten war, das sie die
Darstellung der Beklagten bestätigen würden. Dies ist naturgemäß auch nicht
geschehen, wobei alle 4 keineswegs den Eindruck zu vermitteln vermochten, dass die
Beklagte nicht das Opfer eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen der Klägerin
und der H ist. Die Kammer sieht sich indes nicht in der Lage, ihre Urteilsbildung auf
mehr oder weniger diffuse Vermutungen zu stützen, da dies mit § 286 ZPO unvereinbar
wäre. Von einem Nachweis der Kenntnis der Klägerin von einem (unterstellt) defizitären
Leistungsstand H/Beklagte ist jedenfalls das Beweisergebnis vom 17.04.2008 weit
entfernt.
Daraus folgt, dass die Ratenzahlungsvereinbarung vom 30.07.2007 zwischen der
Klägerin und der Beklagten taugliche Grundlage für das Klagebegehren ist und die
Klage rechtfertigt, wobei die fehlende Fähigkeit, die vorprozessuale Zahlung von
2.000,00 € ordnungsgemäß in den Klageantrag einzuordnen, zwar formal eine teilweise
Klageabweisung zur Folge hat, die aber über einen Formulierungsvorgang letztlich nicht
hinausgeht, insbesondere eine Quotenbildung bei der Kostentragung nicht rechtfertigt,
da unstreitig letztlich nur ein restlicher Hauptsachebetrag von 117.000,00 € geltend
gemacht wird und sich die Verzinsung aus dem als solchen unstreitigen Zeitablauf
ergibt.
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Aus dem vorstehenden folgt des weiteren, dass die mit den beiden
Bestätigungsvermerken vom 30.01. bzw. 27.03.2007 sowie dem Ratenzahlungsvertrag
vom 30.07.2007 zweifelsohne einhergehenden Anerkenntnistatbeständen entgegen der
Annahme der Beklagten Einwendungpräklusion eingetreten ist, das heißt die Beklagte
ist gegenüber der Klägerin gehindert, nach § 404 BGB Einwendungen geltend zu
machen, die ihr möglicherweise gegenüber H zustehen.
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Ob die Klage darüber hinaus auch deliktsrechtlich begründet ist, kann dahin stehen.
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Aus dem Vorstehenden folgt des weiteren, das die Drittwiderklage entgegen der
Annahme der Beklagten unzulässig ist. Auch nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes, auf die sich die Beklagte meint berufen zu können, ist eine wie
hier isolierte Drittwiderklage regelmäßig unzulässig und nur ausnahmsweise zulässig
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(vgl. nur BGH Z 147, 221, 222; BGH Z 131, 76 ff.) wenn lediglich eine schlichte Zession
vorliegt, vielleicht sogar, um der Zedentin prozessuale Vorteile wie Zeugenstellung zu
verschaffen. Hier liegt sehr viel mehr als eine schlichte Zession der Forderung vor, die
Gegenstand des Factoringvertrages zwischen der Beklagten und H war. Die Beklagte
hat selbst eigenständige Rechtswirkungen gegenüber der Klägerin geschaffen, zum
einen mit den Bestätigungsvermerken vom 30.01. und 27.03.2007 und vor allem mit der
Ratenzahlungsvereinbarung zwischen ihr und der Klägerin vom 30.07.2007, das heißt
der Streitstoff ist – abgesehen von der Personalbeziehung – keineswegs identisch. Von
einer "einheitlichen Behandlung und einer Verhinderung von Zersplitterung" hätte erst
dann die Rede sein können, wenn es der Beklagten gelungen wäre, die zwischen ihr
und der Klägerin von der Beklagten selbst geschaffenen Bewertungsmerkmale zu
beseitigen, was eben im Haupttermin vom 17.04.2008 nicht gelungen ist. Da sich die
Drittwiderbeklagte auf die Drittwiderklage gerade nicht eingelassen hat und sie zu Recht
örtliche Unzuständigkeit rügt – ihre weitere Rüge der sachlichen Unzuständigkeit ist
nicht nachvollziehbar – ,war die Drittwiderklage als unzulässig zurückzuweisen.
Der Kostenausspruch beruht auf §§ 91, 101 ZPO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich jeweils aus § 709, wobei
auch der Kostenausspruch zu Gunsten der Drittwiderbeklagten sich nach § 709 ZPO
richtet, da die Grenze des § 708 Ziffer 11 ZPO überschritten ist.
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Der Gegenstandswert wird im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten auf
117.000,00 € festgesetzt, während er im Verhältnis der Beklagten zur
Drittwiderbeklagten 190.785,35 € beträgt.
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