Urteil des LG Bonn vom 13.04.2005

LG Bonn: tarif, vermieter, vollkaskoversicherung, vertragsschluss, kreditierung, stadt, firma, teilkaskoversicherung, mietzins, aufklärungspflicht

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Sachgebiet:
Landgericht Bonn, 5 S 21/05
13.04.2005
Landgericht Bonn
5. Zivilkammer
Urteil
5 S 21/05
Amtsgericht Bonn, 2 C 298/04
Unfallersatztarif und Erstattungsfähigkeit
§ 249 BGB
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bonn
vom 16.12.2004, Az: 2 C 298/04, abgeändert und die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 56 %
und die Beklagte 44 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der
Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger verlangt nach einem Verkehrsunfall, der von der Versicherungsnehmerin der
Beklagten allein verschuldet wurde, Erstattung der Mietwagenkosten nach Unfallersatztarif.
Wegen des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen
Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, dass der Unfallersatztarif
grundsätzlich zum erforderlichen Wiederherstellungsaufwand i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 n.F.
BGB zähle. Der für einen Kostenvergleich heranzuziehende Markt sei derjenige der
Unfallersatzfahrzeuge, denn der Geschädigte habe einen Anspruch auf die besonderen,
mit diesem Tarif verbundenen Regulierungsleistungen, u.a. die Geltendmachung der
Mietkostenforderung durch den Vermieter, einen 24-Stunden-Service, eine
Vollkaskoversicherung und unbegrenzte Kilometerzahl. Ob eine Hinweispflicht des
Vermieters auf günstigere Tarife bestehe, könne dahin stehen, weil der Kläger auch bei
entsprechendem Hinweis den Unfallersatztarif hätte wählen dürfen und gewählt hätte.
Mit der Berufung begehrt die Beklagte die Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils und
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die Abweisung der Klage. Sie ist der Ansicht, dass der Kläger nicht ausreichend dargelegt
habe, inwiefern ein höherer als der Normaltarif aus betriebswirtschaftlicher Sicht des
Vermieters gerechtfertigt sei und warum dem Kläger kein günstigerer Normaltarif
zugänglich gewesen sei. Der Kläger beantragt unter Wiederholung und Ergänzung seines
erstinstanzlichen Vorbringens, die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Erstattung der Mietwagenkosten in der geltend gemachten Höhe, da er nicht dargetan hat,
dass diese erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB waren.
Der Kläger ist allerdings insoweit prozessführungsbefugt, obwohl er seinen
Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte durch Sicherungszession vom 04.03.2004
an den Autovermieter abgetreten hatte. Da in der Abtretungsvereinbarung ausdrücklich
vorgesehen war, dass der Kläger die (gerichtliche) Geltendmachung der
Schadensersatzansprüche übernehmen sollte, liegt eine zulässige gewillkürte
Prozessstandschaft vor (vgl. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, Vor § 50 Rn. 49).
Der Schadensersatzanspruch umfasst jedoch nicht die Mietwagenkosten zum
Unfallersatztarif. Nach Beschädigung eines Kraftfahrzeugs sind Mietwagenkosten
grundsätzlich nur insoweit zu ersetzen, als dies tatsächlich zur Herstellung des Zustands
erforderlich ist, der ohne die Schädigung bestehen würde. Zur Herstellung erforderlich sind
nur die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage
des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (st. Rspr., vgl. BGH NJW
2005, 51; BGH NJW 2005, 135; BGH NJW 1996, 1958). Dabei kann die Erforderlichkeit der
Mietwagenkosten nicht lediglich durch einen Vergleich innerhalb des Marktes der
Unfallersatztarife beurteilt werden. Anknüpfungspunkt ist vielmehr grundsätzlich der sog.
"Normaltarif", also ein Tarif, der für Selbstzahler Anwendung findet und daher unter
marktwirtschaftlichen Bedingungen gebildet wird (vgl. BGH NJW 2005, 135, 137; BGH
NJW 2005, 51, 53). Eine Erhöhung dieses Betrags ist nur gerechtfertigt, soweit sie
unfallbedingt ist, was nur insoweit der Fall sein kann, als die Besonderheiten dieses Tarifs
mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls
mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch
den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.Ä.) einen gegenüber dem ‚Normaltarif‘
höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des
Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen
zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH NJW 2005, 51, 53; BGH
NJW 2005, 135, 137).
Hierzu hat der insoweit darlegungs und beweispflichtige Kläger trotz entsprechenden
Hinweises in der Berufungsverhandlung nicht ausreichend vorgetragen. Er hat lediglich
behauptet, er habe den konkreten Tarif gewählt, weil der Tagespreis eine unbegrenzte
Kilometerleistung sowie die Überführung des Fahrzeugs beinhaltet habe; hieraus geht
jedoch nicht hervor, dass die Inanspruchnahme eines Normaltarifs ohne
Kilometerbegrenzung nicht oder nur mit erheblichem Aufschlag möglich war. Es ist auch
nicht dargetan, dass der Kläger in besonderem Maße gerade darauf angewiesen war, dass
eine hohe Fahrleistung im Preis inbegriffen war. Außerdem erschließt sich nicht, warum der
Kläger in N wohnend ein Ersatzfahrzeug im Westerwald anmietete. Soweit der Kläger
erklärt hat, er habe den Tarif gewählt, weil im Mietzins die Kosten einer
Vollkaskoversicherung enthalten gewesen seien, steht hierzu in Widerspruch, dass
ausweislich der Rechnung der Firma X vom 30.03.2004 (Bl. 6 d.A.) lediglich eine
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Teilkaskoversicherung vereinbart worden ist.
Ob etwa die im Rahmen des Unfallersatzgeschäfts regelmäßig erfolgende Kreditierung des
Mietzinses oder die Möglichkeit der Anmietung eines Fahrzeugs außerhalb der üblichen
Geschäftszeiten aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Erhöhung des Mietzinses
gegenüber dem Normaltarif rechtfertigen, kann im Streitfall dahin stehen. Der Kläger hat
dies weder ausdrücklich behauptet noch dargetan, dass diese Umstände für den
Vertragsschluss eine Rolle spielten. Soweit das Amtsgericht seiner Entscheidung die
Erwägung zugrunde gelegt hat, die im Rahmen des Unfallersatzgeschäfts von dem
Vermieter erbrachten besonderen Leistungen erforderten einen höheren Arbeitsaufwand
gegenüber dem Normaltarif und verursachten damit zwangsläufig höhere Kosten, ist nicht
ersichtlich, dass es über die ausreichende betriebswirtschaftliche Sachkunde verfügt, um
diese Feststellung zu treffen.
Ist danach die objektive Erforderlichkeit des Unfallersatztarifs mangels hinreichenden
Sachvortrags zu verneinen, so kann zwar der Unfallersatztarif gleichwohl erstattungsfähig
sein, wenn dem Geschädigten im konkreten Fall ein günstigerer Normaltarif nicht
zugänglich war. Auch dies hat der darlegungs und beweispflichtige Kläger jedoch nicht
substantiiert dargetan. Er hat lediglich behauptet, es habe für ihn keine Möglichkeit
gegeben, einen günstigeren Pauschaltarif zu wählen. Diese pauschale Behauptung erfüllt
die Anforderungen an einen substantiierten Vortrag indes nicht. Sowohl von N als auch von
L aus hätte die Möglichkeit bestanden, Angebote aus der nächstgrößeren Stadt,
insbesondere aus dem Bonner Raum einzuholen, zumal der Unfall sich in Bonn ereignet
hatte. Es ist vom Kläger auch weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass er auf eine
Anmietung des Fahrzeugs außerhalb der üblichen Geschäftszeiten angewiesen war.
Hiergegen spricht insbesondere, dass zwischen dem Unfalltag und dem Tag der
Anmietung des Fahrzeugs zwei Werktage lagen. Insofern kann sich der Kläger nicht auf
eine besondere Dringlichkeit oder die Wochenendsituation berufen. Schließlich hat der
Kläger auch nicht vorgetragen, dass ihm eine Vorfinanzierung des Mietzinses nicht möglich
gewesen wäre.
Hat der Kläger nach alledem nicht ausreichend dargelegt, dass ihm lediglich der
Unfallersatztarif zugänglich war, so sind nur die objektiv erforderlichen Kosten ersatzfähig,
deren Höhe nach § 287 ZPO zu schätzen ist. In diesem Rahmen ist eine Orientierung am
durchschnittlichen Normaltarif nach der zum Anmietungszeitpunkt gültigen Schwacke-Liste
"Automietpreisspiegel" zulässig (vgl. BGH NJW 2005, 277 zur Schätzung des merkantilen
Minderwerts; OLG Celle NJW-RR 1998, 704). Den sich danach ergebenden Betrag von
944,00 € netto hat die Beklagte bereits gezahlt, so dass ein darüber hinausgehender
Schadensersatzanspruch des Klägers nicht besteht.
Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen kommt es auf die von der Bekalgten
aufgeworfene Frage, ob die Fa. X eine ihr gegenüber dem Kläger obliegende
Aufklärungspflicht verletzt hat, weil sie es unterlassen habe, diesen auf die mögliche
Inanspruchnahme eines günstigeren Normaltarifs hinzuweisen, nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a, 97 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der Kosten des
Rechtsstreits erster Instanz war zu berücksichtigen, dass die Beklagte den begründeten
Teil der Klageforderung erst nach Klageerhebung gezahlt hat, so dass insoweit
Teilerledigung in erster Instanz eingetreten ist. Die Beklagte ist daher anteilig zur
Kostentragung in erster Instanz verpflichtet. Die Quotelung ist entsprechend dem
ursprünglichen Streitwert vorzunehmen. Dieser ist für die Gebühren maßgeblich, da die
Teilerledigungserklärung nicht die Voraussetzungen des KV 1211 Nr. 4 erfüllt und somit
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nicht gebührenbegünstigt ist (vgl. Greger in: Zöller, a.a.O., § 269 Rn. 24).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 708 Nr. 10 ZPO in
entsprechender Anwendung, §§ 711, 713 ZPO.
Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen, da die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern,
§ 543 Abs. 2 ZPO.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 1.184,09 € (vgl. BGH NJW-RR 1991, 509;
Herget in: Zöller, § 3 Rn. 16 "Erledigung der Hauptsache")