Urteil des LG Bonn vom 30.06.2005

LG Bonn: unfall, kollision, entkräftung, totalschaden, fahrzeug, form, datum, betriebsgefahr

Landgericht Bonn, 6 S 3/05
Datum:
30.06.2005
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 S 3/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 15 C 498/04
Schlagworte:
Anscheinsbeweis, Auffahren, Haftungsquote
Normen:
§§ 18 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Steht beim Zusammenstoß zweier PKW`s nicht fest, ob der Hintermann
auf den stehenden Vordermann aufgefahren, oder der Vordermann
rückwärts fahrend gegen den stehenden Hintermann gefahren ist, oder
ob beide Fahrzeuge -der Vordermann rückwärts, der Hintermann
vorwärts fahrend- beim Zusammenstoß in Bewegung waren, gilt eine
Haftungsquote von 50:50.
Ein Anscheinsbeweis zu lasten des Hintermanns greift in dieser
Konstellation nicht ein, wäre aber jedenfalls entkräftet.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 02.Dezember 2004
verkündete Urteil des Amtsgerichts Bonn - 15 C 498/04 - abgeändert und
wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger €
1.909,-nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 05.02.2004 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 50%
und die Beklagten als Gesamtschuldner zu weiteren 50 %.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Beklagten als
Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
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I.
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Wegen der maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz
Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug
genommen.
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Die Kammer hat den Sachverständigen K gemäß Beweisbeschluss vom 31.03.2005
ergänzend zu dem Hergang des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls vom
16.12.2003 angehört.
4
II.
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Die zulässige - insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete ( §§ 517,
519f ZPO) - Berufung des Klägers ist begründet. Dem Kläger steht aufgrund des
Verkehrsunfalls vom 16.12.2003 gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein
Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 1.909,-- € gemäß §§ 18 Abs. 1,17 StVG, 3 Nr.
1 PflVG zu.
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Da der konkrete Verlauf des Verkehrsunfalles nicht aufklärbar ist, insbesondere nicht zu
klären ist, welcher der Unfallbeteiligten sich verkehrswidrig verhalten hat, bleibt auch
zweifelhaft, ob der Unfall für einen von ihnen "unabwendbar" im Sinne des § 17 Abs. 3
StVG war. Beide Parteien müssen sich daher die vom jeweiligen Fahrzeug
ausgehende, beim Unfall konkretisierte Betriebsgefahr zurechnen lassen und haften der
Gegenseite hälftig auf Schadensersatz.
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Im Einzelnen:
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Nach den Ausführungen des Sachverständigen K, insbesondere im Termin zur
mündlichen Verhandlung vom 09.06.2005, ist der Hergang des Verkehrsunfalls nicht
aufklärbar. So ist es nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen
möglich, dass beide Fahrzeuge im Kollisionsmoment in Bewegung waren, d. h. der von
der Beklagten zu 1) geführte PKW im Moment der Kollision eine Rückwärtsbewegung
inne gehabt haben kann. Möglich ist auch, dass der Kläger auf den im Moment der
Kollision stehenden Pkw der Beklagten zu 1) aufgefahren ist. Ferner ist gemäß den
Angaben des Sachverständigen aus technischer Sicht denkbar, dass die Beklagte zu 1)
mit dem von ihr geführten PKW rückwärts fahrend gegen den stehenden PKW des
Klägers gefahren ist. Die vorgenannten Möglichkeiten des Unfallhergangs stehen nach
den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen gleichwertig nebeneinander;
Anhaltspunkte, welche die Annahme rechtfertigen könnten, die Möglichkeit eines
denkbaren Unfallverlaufes sei wahrscheinlicher als eine andere, lagen dem
Sachverständigen nicht vor und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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Steht nach dem Vorgenannten damit nicht fest, dass der Kläger mit seinem Pkw auf den
von der Beklagten zu 1) geführten Pkw aufgefahren ist, kommt auch die Annahme eines
Anscheinsbeweises zu seinen Lasten nicht in Betracht. Denn die Annahme eines
Anscheinsbeweises zu Lasten des Klägers würde voraussetzen, dass es sich
erwiesenermaßen um einen Auffahrunfall handele.
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Unbeschadet dessen wäre ein Anscheinsbeweis zu Lasten des Klägers, unterstellt er
wäre anwendbar, entkräftet. Für eine derartige Entkräftung des Anscheinsbeweises ist
erforderlich, dass der in Anspruch Genommene einen Geschehensablauf dartut, nach
welchem ein Schaden die (typische) Folge einer anderen Ursache sein kann (vgl. BGH,
Urteil vom 17.01.1995, X ZR 82/03). Da nach den Ausführungen des Sachverständigen
die (technisch) gleichwertige Möglichkeit besteht, dass die Beklagte zu 1) mit ihrem
PKW rückwärts fahrend gegen den stehenden PKW des Klägers gefahren ist, ist eine
derartige ernsthafte Möglichkeit eines anderweitigen Geschehensablauf dargetan bzw.
nachgewiesen.
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Nach alledem sind die Beklagten verpflichtet, dem Kläger als Gesamtschuldner 50 %
des ihm durch den Unfall entstandenen Schadens zu ersetzen. Dies bezieht sich
zunächst auf den Fahrzeugschaden selbst in Höhe von netto 3.370,93 € sowie die
Kostenpauschale in Höhe von 25,56 €. Darüber hinaus stellen auch die geltend
gemachten Kosten für den vorgerichtlichen Sachverständigen in Höhe von € 421,51
einen ersatzfähigen Schaden dar, nachdem die Einschaltung eines - vorgerichtlichen -
Sachverständigen nach dem Vortrag des Klägers erforderlich war, um zu klären, ob ein
wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt; die Beklagten sind dem diesbezüglichen Vortrag
des Klägers jedenfalls nicht (mehr) entgegen getreten.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 543
Abs. 2 Satz 1, 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO; von Anordnungen nach § 711 Satz 1 ZPO
wird gemäß § 713 ZPO abgesehen.
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Streitwert: I. Instanz: 3.818,--€
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II. Instanz: 1.909,-- €
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