Urteil des LG Bonn vom 30.11.2005

LG Bonn: widersprüchliches verhalten, firma, grundstück, genehmigung, vollziehung, anteil, vollstreckbarkeit, missbrauch, kaufvertrag, insolvenz

Landgericht Bonn, 1 O 324/05
Datum:
30.11.2005
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 324/05
Schlagworte:
Insolvenzanfechtung, Fristberechnung
Normen:
§§ 129, 131 I Nr. 1, 143 I InsO
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Für die Berechnung der Insolvenzanfechtungsfristen kommt es
jedenfalls dann bereits auf den Eingang des Antrages beim
unzuständigen Insolvenzgericht an, wenn später nach Abgabe durch
das zuständige Insolvenzgericht gerade auf diesen Antrag das
Insolvenzverfahren eröffnet wird.
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41.925,93 €uro nebst Zinsen
daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
11.04.2003 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Firma Gebr. C GmbH in N und begehrt vom Beklagten Rückzahlung eines Betrages,
den dieser aufgrund einer grundpfandrechtlichen Sicherung auf einem Grundstück der
Gemeinschuldnerin erhalten hat, als ein Verkauf des Grundstücks durch die
Gemeinschuldnerin – mit Zustimmung des Klägers – nach Eintritt der Insolvenz
vollzogen worden ist. Mit Schreiben vom 19.09.2002 stellte die B einen Antrag zur
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma Gebr. C GmbH beim
Amtsgericht Aachen, wo der Antrag am 30.09.2002 einging. Das Amtsgericht Aachen
war jedoch örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das zuständige
Amtsgericht Bonn. Dort ging der Antrag der B am 04.02.2003 ein, und mit Beschluss
vom 11.04.2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma eröffnet.
Die Gemeinschuldnerin war Eigentümerin eines Grundstücks T-Weg 6 b in N
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(Grundbuch von N, Bl. 133 lfd. Nr. 11. Am 03.09.2002 bewilligte die Gemeinschuldnerin
die Eintragung einer Buchgrundschuld zu Gunsten des Beklagten in Höhe von 51.130,-
€uro, die am 23.09.2002 eingetragen wurde. Am 05.11.2002 wurde das Grundstück von
der Gemeinschuldn. an die Ehel. G in N verkauft. Bei der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens am 11.04.2002 war der Kaufvertrag noch nicht vollzogen. Der
Kläger wurde – mehrfach, erstmals mit Schreiben des Notars L vom 15.04.2003 –
aufgefordert, sich dazu zu erklären, ob er dem Verkauf zustimme. Am 25.08.2004
genehmigte der Kläger die Vollziehung des Kaufvertrages, der in Ziffer II. auf S. 6 die
Bestimmung enthält, dass zur Ablösung des in Abt. III lfd. Nr. 8 eingetragenen
Grundpfandrechts aus dem Verkaufspreis ein Anteil von 41.925,93 €uro an den
Beklagten gezahlt werden solle.
Der Kläger ist der Ansicht, es komme zur Berechnung der Anfechtungsfristen auf den
Eingang des Antrags beim AG Aachen an. Er habe mit der Genehmigung des
Grundstückskaufvertrages nicht konkludent auf sein Anfechtungsrecht bzgl. des
Grundpfandrechts verzichtet.
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Er beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 41.925,93 €uro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.04.2003 zu
zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, es komme zur Berechnung der Anfechtungsfristen auf den Eingang
des Antrags beim zuständigen AG Bonn an. Der Kläger habe mit der Genehmigung des
Grundstückskaufvertrages konkludent auf sein Anfechtungsrecht bzgl. des
Grundpfandrechts verzichtet. Jedenfalls stelle die Ausübung des Anfechtungsrechts ein
widersprüchliches Verhalten dar.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift
vom 31.10.2005 verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
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Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung zur Masse von 41.925,93 €uro aus § 143
Abs. 1 InsO zu. Die Bestellung des Grundpfandrechts für den Beklagten, zu dessen
Ablösung der o. g. Betrag aus dem Verkaufserlös an den Beklagten geflossen ist,
unterliegt der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129, 131 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 InsO. Die
Bestellung stellt eine anfechtbare Rechtshandlungen dar, die dem Beklagen als
Insolvenzgläubiger eine inkongruente Sicherung gewährte, die er so nicht zu
beanspruchen hatte.
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Die streitgegenständlichen Bewilligung des Grundpfandrechts wurde im letzten Monat
vor Stellung des Antrags auf Insolvenzeröffnung vorgenommen. Der Antrag auf
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Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gebr. C GmbH ging am
30.09.2002 beim Amtsgericht Aachen ein, womit inkongruente Handlungen ab dem
30.08.2002 anfechtbar sind. Die Bewilligung wurde am 03.09.2002 vorgenommen.
Dass der Antrag zunächst mit dem Amtsgericht Aachen bei einem unzuständigen
Gericht gestellt wurde, ist bei der Bestimmung der Frist unmaßgeblich. Es ist nicht nötig,
dass der Antrag schon zulässig und begründet ist, wenn er gestellt wird. Es muss
vielmehr als ausreichend erachtet werden, wenn der Antrag an das zuständige Gericht
verwiesen, mithin nicht abgewiesen wird und das Insolvenzverfahren daraufhin eröffnet
wird (Hess / Weis / Wienberg – Weis, § 139 Rn 4; Münchener-Kommentar – Kirchhof, §
131 InsO, Rn 9; Uhlenbruck – Hirte, § 139 InsO, Rn 2). In diesem Fall ist dann der
Eingang beim zunächst angerufenen Gericht ausschlaggebend. Etwas anderes hat nur
dann zu gelten, wenn die Antragsstellung beim sachlich oder örtlich unzuständigen
Gericht in Anbetracht der Vorschrift des § 139 InsO als rechtsmissbräuchlich anzusehen
wäre. Für einen solchen Missbrauch ist nichts vorgetragen.
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Ferner hat der Kläger auch einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5
Prozent über dem jeweiligen Basiszins ab dem 11.04.2003 gegen den Beklagten. Der
Anspruch ergibt sich aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291,
288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Demnach schuldet der gemäß § 143 Abs. 1 InsO zur
Rückgewähr Verpflichtete Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen wegen der Kosten auf § 91 Abs. 1
ZPO und wegen der Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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Streitwert: 41.925,93 €uro
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