Urteil des LG Bonn vom 10.07.2002

LG Bonn: wahrung der frist, unterbringung, verfügung, bewährung, strafvollstreckung, untersuchungshaft, zustellung, rechtskraft, rechtsmittelbelehrung, fristende

Landgericht Bonn, 54 StVK 44/02
Datum:
10.07.2002
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
Strafvollstreckungskammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
54 StVK 44/02
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die von der Staatsanwaltschaft C mit Schreiben vom 03.04.2002
bestätigte Vollstreckungsreihenfolge in den hier zugrunde liegenden
Vollstreckungsverfahren wird dahingehend abgeändert, dass die von
dem Verurteilten in der Zeit vom 03.01.2002 bis zum 05.03.2002 erlittene
Freiheitsentziehung in dem Verfahren Staatsanwaltschaft C Az. 70 Js ...
auf die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts A vom
13.12.1995 (Az.: 22 B ... LG A = 70 Js ... StA C) anzurechnen ist.
Gründe:
1
1.
I.
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Mit Urteil des Landgerichts A vom 13.12.1995 (22 B ... LG A = KLs 70 Js ... StA C) wurde
der Betroffene wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren verurteilt. Nach teilweiser Vollstreckung wurde mit Beschluss des
Landgerichts A vom 30.10.2000 (52 StVK ...) die Restfreiheitsstrafe aus dem
vorgenannten Urteil des Landgerichts A ab Rechtskraft des Beschlusses zur Bewährung
ausgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war noch eine Restfreiheitsstrafe von 175 Tagen offen.
Mit Beschluss des Landgerichts A vom 08.10.2001 (52 StVK ...) wurde die
Strafaussetzung widerrufen, weil der Betroffene sich zwischenzeitlich in dem Verfahren
StA C 70 Js... (hier: 54 StVK ...) in der JVA S in Untersuchungshaft befand. Der
Widerrufsbeschluss ist seit dem 03.11.2002 rechtskräftig.
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In dem Verfahren StA C 70 Js ... wurde der Betroffene mit Urteil des Amtsgerichts T vom
03.01.2002 (Az.: 26 Ls ...), rechtskräftig seit dem Tag der Urteilsverkündung, wegen
schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten
verurteilt. Daneben wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung befand sich der Betroffene noch in
Untersuchungshaft.
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Aus dem Vollstreckungsblatt der Justizvollzugsanstalt S vom 06.03.2002 geht hervor,
dass ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts T vom 03.01.2002
sich der Betroffene, da ein Unterbringungsplatz in einer Entziehungsanstalt noch nicht
zur Verfügung stand, in Organisationshaft befand. Mit Aufnahmeersuchen vom
05.03.2002 ersuchte die Staatsanwaltschaft C die Justizvollzugsanstalt S, die
Restfreiheitsstrafe von 175 Tagen aus dem Urteil des Landgerichts A vom 13.12.1995
(Az.: 22 B ... - 70 Js ...) in Verbindung mit dem Widerrufsbeschluss des LG A vom
08.10.2001 zu vollstrecken. Aus dem Vollstreckungsblatt der Justizvollzugsanstalt S
vom 06.03.2002 geht hervor, dass die Organisationshaft, in der sich der Betroffene seit
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dem 03.01.2002 wegen des noch nicht zur Verfügung stehenden Unter-
bringungsplatzes in einer Entziehungsanstalt befand, mit Ablauf des 05.03.2002
unterbrochen wurde, um die Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts A vom
13.12.1995 zu vollstrecken. Das Strafende ist hier auf den 27.08.2002 notiert.
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Mit Schreiben vom 18.03.2002 hat der Verteidiger des Betroffenen gegenüber der
Staatsanwaltschaft die Fehlerhaftigkeit des Vollstreckungsblattes der JVA S vom
06.03.2002 moniert, wonach sich der Betroffene vom 03.01.2002 bis zum 05.03.2002
wegen der durch Urteil des Amtsgerichts T vom 03.01.2002 angeordneten
Unterbringung in Organisationshaft befunden haben soll. Der Verteidiger führte zur
Begründung aus, dass ab dem 03.01.2002 die Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des
Landgerichts A vom 13.12.1995 zu vollstrecken gewesen wäre. In dieser Zeit der
Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe von 175 Tagen sei eine Organisation der
Unterbringung möglich, ohne dass es der Anordnung von Organisationshaft bedürfen
würde. Mit Schreiben vom 03.04.2002 hat daraufhin die Staatsanwaltschaft C mitgeteilt,
dass die Vollstreckungsübersicht der JVA S vom 06.03.2002 zutreffend sei.
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Mit Schreiben vom 15.05.2002 beantragt nunmehr der Verteidiger, nachträglich die
Vollstreckungsreihenfolge insoweit zu ändern, dass sich der Betroffene seit dem
03.01.2002 wegen der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts A vom
13.12.1995 in Strafhaft befindet.
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Die Staatsanwaltschaft C hat die Sache dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
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1.
II.
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 458 Abs. 1 Abs. 2 StPO zulässig.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts A ist nach den §§ 458, 462, 462 a
StPO zuständig.
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Die vom 03.01.2002 bis zum 05.03.2002 erfolgte Organisationshaft wegen der mit Urteil
des AG T vom 3.1.2002 angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist auf
die Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts A vom 13.12.1995 anzurechnen
mit der Folge, dass die Vollverbüßung im entsprechenden Zeitraum vor dem als
Vollverbüßungstermin notierten 27.08.2002 eintritt. Eine andere Anrechnung würde
unter Umständen dazu führen, dass es bei dem Betroffenen zu einer Verlängerung des
effektiven Freiheitsentzuges kommen könnte, was nach der Entscheidung des
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Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1997 (BVerfG NStZ 1998, S. 77) unter
Umständen unzulässig sein kann.
Dass ein Verurteilter, für den nicht sofort ein Unterbringungsplatz im Maßregelvollzug
zur Verfügung steht, die Zwischenzeit in sogenannter Organisationshaft verbringt, ist
gesetzlich nicht vorgesehen, wird jedoch aus praktischen Bedürfnissen auch von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen des Zumutbaren gebilligt. Kann die
Organisationshaft jedoch dazu führen, dass es zu einer Verlängerung des effektiven
Freiheitsentzuges kommt, gebieten es Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG von
Verfassungs wegen, den Folgen dieser Regelwidrigkeit im Rahmen der
Strafzeitberechnung in geeigneter Weise entgegenzuwirken (vgl. BVerfG NStZ 1998, S.
77).
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Wird die Maßregel der Unterbringung wie vorliegend ganz oder teilweise vor der Strafe
vollzogen, so ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die unter Umständen
erlittene Organisationshaft auf die Reststrafe anzurechnen, die nach Anrechnung des
Maßregelvollzuges noch verbleibt (vgl. BVerfG NStZ 1998, S. 77). Diese Anrechnung
der Organisationshaft wirkt sich unter Umständen dann jedoch nicht mehr Strafhaft
verkürzend aus, wenn nach Vollzug der Maßregel die Restfreiheitsstrafe unter den
Voraussetzungen des § 67 Abs. 5 StGB zur Bewährung ausgesetzt wird und es ist nicht
zu einem Widerruf dieser Strafaussetzung kommt. In diesen Fällen kommt es in
Anlehnung an die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts . (aaO) zu einer
Verlängerung des effektiven Freiheitsentzugs um die Dauer der Organisationshaft, die,
wenn vermeidbar, nicht hinzunehmen ist.
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Dieser möglichen Verlängerung des effektiven Freiheitsentzugs kann jedoch .
vorliegend in geeigneter Weise dadurch entgegengewirkt werden, dass die Dauer der
Organisationshaft vom 03.01.2002 bis zum 05.03.2002 auf die ab dem 06.03.2002 sich
in der Strafvollstreckung befindliche Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts
A vom 13.12.1995 angerechnet wird. Dieses gebietet sich auch daraus, weil der
Widerrufsbeschluss des Landgerichts A bereits seit dem 03.11.2001 rechtskräftig war
und der späte Beginn der formellen Strafvollstreckung erst mit Aufnahmeersuchen vom
05.03.2002 auf Interna der Staatsanwaltschaft und des Gerichts beruhte, was dem
Betroffenen nicht zum Nachteil gereichen darf.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen diesen Beschluss kann sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist zur
Wahrung der Frist binnen einer Woche schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle
bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts einzulegen, und zwar so
rechtzeitig, dass sie innerhalb der Frist bei Gericht eingegangen ist. Die Einlegung der
sofortigen Beschwerde kann auch innerhalb der genannten Frist zu Protokoll der
Geschäftsstelle des Amtsgerichts erfolgen, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, in der der
Verurteilte einsitzt. Die Wochenfrist beginnt mit dem Tag, der auf die Zustellung dieses
Beschlusses folgt (Beispiel: Zustellung Mittwoch; Fristende Mittwoch der folgenden
Woche).
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Die schriftliche Rechtsmitteleinlegung muss in deutscher Sprache erfolgen.
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