Urteil des LG Bonn vom 21.06.2004

LG Bonn: rechtsschutzinteresse, befristung, zustellung, erlass, beschränkung, verwahrung, vorverfahren, hauptsache, datum

Landgericht Bonn, 6 T 136/04
Datum:
21.06.2004
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 136/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 3 C 26/04
Schlagworte:
Anlass zur Klageerhebung
Normen:
§ 93 ZPO
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Kein Anlass zur Klageerhebung mit identischem Antrag und identischer
Begründung zu zeitgleich eingereichtem Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
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Mit der Klage hat die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zu verschiedenen
Maßnahmen des Kontaktverbots nach dem Gewaltschutzgesetz begehrt.
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Die Klageschrift datiert vom 15.01.2004, der letzte vorangegangene Vorfall vom
14.01.2004. Klageschrift und Prozesskostenhilfegesuch sind am 16.01.2004 bei dem
Amtsgericht eingegangen. Da ein Gerichtskostenvorschuss nicht gleichzeitig eingezahlt
worden ist, ist zunächst das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren durchgeführt worden.
Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe am 26.02.2004 ist sodann am 03.03.2004 die
Klageschrift nebst Terminsladung zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 16.03.2004 hat
der Beklagte unter der Voraussetzung der zeitlichen Beschränkung der Maßnahmen
Anerkenntnis angekündigt und dieses unter Verwahrung gegen die Kostenlast im ersten
Termin vor dem Amtsgericht am 29.03.2004 erklärt. Nach Ankündigung, dass es sich um
ein sofortiges Anerkenntnis handele und die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu
tragen habe, hat das Amtsgericht sodann Anerkenntnisurteil erlassen und die Kosten
des Rechtsstreits ohne weitere Begründung der Klägerin auferlegt. Die Maßnahmen
wurden bis zum 31.12.2004 befristet.
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Parallel zur Klageschrift, ebenfalls am 16.01.2004 bei dem Amtsgericht eingegangen,
hat die Klägerin ein in Antrag und Begründung gleichlaufendes einstweiliges
Anordnungsverfahren -3 C 19/04 AG Bonn- betrieben. In diesem ist am 19.01.2004
antragsgemäß entschieden worden; auch hier wurden die Maßnahmen bis zum
31.12.2004 befristet. Der Beschluss ist dem hier Beklagten -dort Antragsgegner- am
22.01.2004 zugestellt worden. Irgend welche Verstöße des Beklagten hiergegen sind
nicht vorgetragen.
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Gegen die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils richtet sich die sofortige
Beschwerde, der das Amtsgericht ohne Begründung nicht abgeholfen hat und mit der
die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe durch sein Verhalten noch am
14.01.2004 Veranlassung zur Klage gegeben. Der Umstand, dass ein erfolgreiches
einstweiliges Anordnungsverfahren durchgeführt worden sei, führe nicht dazu, dass ein
ursprünglich zu bejahendes Rechtsschutzinteresse für die Hauptsacheklage entfallen
sei. Es liege in der Natur der Sache, dass ein effektiver Rechtsschutz im
Anordnungsverfahren der Hauptsache nahe komme, beziehungsweise diese
vorwegnehme. Im Übrigen wird auf die Beschwerdebegründung und den Schriftsatz der
Klägerin vom 08.06.2004 ergänzend Bezug genommen.
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II.
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Die an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
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Allerdings trägt die allein aus dem Verhandlungsprotokoll ersichtliche Begründung des
Amtsgerichts die Kostenentscheidung nicht. Das sofortige Anerkenntnis ist nur eine der
beiden Voraussetzungen für die Anwendung des § 93 ZPO.
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Ein sofortiges Anerkenntnis liegt vor, weil der Beklagte den Klageanspruch im ersten
Termin zur mündlichen Verhandlung anerkannt hat. Soweit die Klägerin in diesem
Zusammenhang anführt, der Beklagte habe nicht innerhalb der 2-Wochen-Frist erwidert,
kommt es darauf nicht an. Da ein schriftliches Vorverfahren nicht stattgefunden hat,
braucht das Anerkenntnis erst im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung
abgegeben zu werden; eine frühere Gelegenheit dazu besteht prozessual nicht, wenn
sogleich Termin bestimmt wird.
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Der Beklagte hat auch keine Veranlassung zur Klage gegeben.
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Da die Klage nur als Prozesskostenhilfegesuch anhängig war, hat für dessen weitere
Durchführung mit identischem Antrag spätestens nach Erlass der einstweiligen
Anordnung ein Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr bestanden.
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Soweit die Klägerin meint, die Klage sei unbedingt erhoben worden, hat sie das
jedenfalls nicht in der Klageschrift zum Ausdruck gebracht. Klage und
Prozesskostenhilfegesuch sind in einem Schriftsatz verbunden,
Gerichtskostenvorschuss ist nicht gezahlt worden. Die Klägerin hat auch auf die
Mitteilung, dass die Klageschrift der Gegenseite nur zur Stellungnahme im PKH-
Verfahren zugeleitet worden ist, nicht remonstriert und etwa Gerichtskostenrechnung
verlangt, damit sie unabhängig vom PKH-Verfahren Gerichtskostenvorschuss einzahlen
könne.
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Es kann dahinstehen, ob in Verfahren, in denen das Familiengericht für Maßnahmen
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nach dem Gewaltschutzgesetz zuständig ist, Klage und Antrag auf einstweilige
Anordnung mit identischen Anträgen und Begründungen parallel laufen können.
Für nach der ZPO durchzuführende Verfahren richtet sich der Rechtsschutz des
Eilverfahrens nach §§ 935, 940 ZPO. Wird ein solcher Antrag gestellt, besteht für einen
gleichzeitigen identischen Antrag in einem Hauptsacheverfahren von vornherein kein
Rechtsschutzinteresse. Mit diesem kann nicht mehr erreicht werden, als im
einstweiligen Verfügungsverfahren. Das gilt auch für die Befristung, die ohnehin den
Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz regelmäßig immanent ist, so dass sie auch im
Hauptsacheverfahren grundsätzlich zu erfolgen hat.
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Ohne Schuldnerantrag nach § 926 Abs. 1 ZPO war daher eine Veranlassung zur
Durchführung eines Hauptsacheverfahrens mit identischem Antrag nicht gegeben. Das
entsprechende Prozesskostenhilfegesuch wäre daher mangels
Rechtsschutzbedürfnisses für ein Hauptsacheverfahren zurückzunehmen gewesen,
noch ehe über das Gesuch entschieden war, um die Durchführung des
Hauptsacheverfahrens zu vermeiden. Allenfalls wäre ein Hauptsacheverfahren noch zu
rechtfertigen gewesen, wenn der Beklagte gegen die einstweilige Anordnung nach
deren Zustellung verstoßen und damit deutlich gemacht hätte, dass eine zeitliche
Befristung entweder gar nicht oder doch nur wesentlich weiträumiger in Betracht
gekommen wäre. Danach war die Hauptsacheklage mangels Rechtsschutzinteresses
unzulässig. Ein Anerkenntnisurteil hätte dann nicht ergehen dürfen, weil auch dieses ein
Rechtsschutzinteresse voraussetzt. Ist es aber ergangen -statt Klageabweisung-, kann
auch § 93 ZPO angewendet werden, dessen Voraussetzungen hier beide erfüllt sind.
Davon abgesehen ist aber auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte zur Durchführung
eines Hauptsacheverfahrens trotz schon erlassener einstweiliger Anordnung
Veranlassung gegeben hätte. Derartiges ist im Rechtsstreit auch nicht vorgetragen
worden. Der Umstand, dass es zu beanstandende Vorfälle noch bis zum 14.01.2004
gegeben hat, steht dem nicht entgegen, weil jedenfalls zwischen Zustellung der
einstweiligen Anordnung am 22.01.2004 und der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für
das Hauptsacheverfahren am 26.02.2004 derartige Vorfälle nicht vorgetragen sind.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO
nicht erfüllt sind. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung
der tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles. Die Sache hat weder grundsätzliche
Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung
des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
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