Urteil des LG Bonn vom 21.03.2007

LG Bonn: werbung, fax, geschäftsführer, verbandsklage, arbeitskraft, akte, abmahnung, dienstleistung, papier, empfang

Landgericht Bonn, 6 T 63/07
Datum:
21.03.2007
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 63/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Euskirchen, 17 C 831/06
Schlagworte:
Faxwerbung, unerwünscht, Unterlassung, Streitwert
Normen:
ZPO § 3
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Zum Streitwert des Unterlassungsbegehrens bezüglich unerwünschter
Telefax-Werbung.
Zulassung der weiteren Beschwerde insbesondere wegen der Frage, ob
bei der Streitwertbemessung nur die Umstände des konkreten
Einzelfalles zu berücksichtigen, oder ob auch generalpräventive
Überlegungen dabei anzustellen sind.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin
vom 08.02.2007 gegen den Streitwertbeschluss des Amtsgerichts
Euskirchen vom 02.02.2007 in der Fassung des Beschlusses vom
27.02.2007, durch den das Amtsgericht der Beschwerde teilweise
abgeholfen hat, wird der Streitwert des Verfahrens erster Instanz in
Abänderung der amtsgerichtlichen Wertfestsetzung auf 2.000,00 €
festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren hat die Antragstellerin gegen die
Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung der Kontaktaufnahme per Telefax im
geschäftlichen Verkehr und zur Förderung des Absatzes der von der Antragsgegnerin
vertriebenen Dienstleistungen geltend gemacht. Auslöser war die einmalige Zusendung
eines einseitigen Telefaxes, mit dem der Antragstellerin angeboten wurde, für sie eine
Dienstleistung zu erbringen, wobei einer der Geschäftsführer unmittelbar angeschrieben
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war. Auf eine Abmahnung hatte die Antragsgegnerin nicht reagiert.
In der Antragsschrift hat die Antragstellerin einen vorläufigen Streitwert von 7.500,00 €
angegeben und sich dazu auf Rechtsprechung berufen, wonach bei Klagen auf
Unterlassung unerwünschter Fax-Werbung Gegenstandswerte zwischen 5.000,00 und
10.000,00 € angenommen werden sollen. Aufgrund ihrer Präsenz in der Öffentlichkeit
(durch Internet etc.) müsse sie täglich mehrfach zu entlohnende Arbeitskraft der
Mitarbeiter in die Sortierung von erwünschten und unerwünschten Werbenachrichten
investieren.
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Das zunächst angerufene Landgericht Bonn hat angekündigt, den Streitwert auf
2.000,00 € festsetzen zu wollen, woraufhin auf Antrag der Antragstellerin ohne
Wertfestsetzung Verweisung an das Amtsgericht Euskirchen erfolgt ist.
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Das Amtsgericht hat nach Abschluss des Verfahrens mit dem angefochtenen Beschluss
den Streitwert auf 511,29 € festgesetzt.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der der Verfahrensbevollmächtigte der
Antragstellerin die Festsetzung des Streitwerts auf 4.500,00 € erstrebt.
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Die Antragstellerin sei durch die Zusendung eines unerwünschten Werbefaxes spürbar
in ihrem Geschäftsbetrieb behindert. Sie müsse täglich Werbefaxe von der täglich
mehrfach eintreffenden Geschäftspost trennen. Dem Eingang eines Werbetelefaxes
werde bei der Antragstellerin grundsätzlich mehr Bedeutung beigemessen als einem
einfachen Brief, da die Antragstellerin im Geschäftsverkehr das Telefaxgerät
grundsätzlich für eilbedürftige Geschäftspost verwende. Der Verbrauch von
Arbeitsressourcen –abgesehen von verbrauchtem Toner, Verschleiß und Blockierung
des Faxgerätes- erfolge jedoch nicht nur im Aussortieren der Post. Vielmehr sei der
hierfür zuständige Geschäftsführer C der Antragstellerin beim Eingang eines solchen
Telefaxes auch damit beschäftigt, eine Akte anzulegen, schriftlich einen Rechtsanwalt
mit seiner Vertretung zu beauftragen und die Korrespondenz mit diesem während der
Durchsetzung der Rechte bis notfalls in das gerichtliche Verfahren zu begleiten. Dazu
zähle auch der Zeitaufwand für die mündliche Verhandlung. Dieser Zeitaufwand belaufe
sich auch in diesem Fall auf mehrere Stunden, in denen der Mitarbeiter der
Antragstellerin effektiv für einen Umsatz im mehrfach vierstelligen Bereich gesorgt
haben könnte.
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Mit Beschluss vom 27.02.2007 hat das Amtsgericht der Beschwerde teilweise
abgeholfen und den Streitwert auf 1.022,58 € festgesetzt. Es hat dabei angeknüpft an
eine Entscheidung des OLG Celle vom 11.12.2001, das in Bezug auf E-Mail-Werbung
einen Streitwert von 2.000,00 DM angenommen hatte.
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Die Kammer hat mit Hinweisverfügung vom 05.03.2007 ihre Absicht mitgeteilt, in
Anlehnung an die Entscheidung des KG -Beschluss v. 12.09.2006 –9 U 167/06- den
Streitwert auf 2.000,00 € festzusetzen.
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Dem ist der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit Hinweis auf einen
Beschluss des OLG Koblenz vom 29.09.2006 –14 W 590/06- entgegengetreten, in dem
eine Streitwertfestsetzung von 10.000,00 € (421 KB große E-Mail) gebilligt worden ist.
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II.
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Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet.
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Abzustellen ist auf das Unterlassungsinteresse des konkreten Verfügungsantragstellers
gegen den konkreten Verfügungsantragsgegner, das nach § 3 ZPO zu bewerten ist.
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Zu berücksichtigen ist, dass einem Gewerbetreibenden ein unerwünschtes Fax von der
Länge einer Seite zugegangen ist. Mit diesem Fax wurde der Antragstellerin angeboten,
für sie eine bestimmte Dienstleistung zu erbringen. Nicht vorgetragen ist, dass die
Antragstellerin schon zuvor solche Telefaxe von der Antragsgegnerin erhalten habe, so
dass von einem einmaligen Vorgang auszugehen ist. Zu bedenken ist weiter, dass die
Antragsgegnerin auf eine Abmahnung nicht reagiert und die geforderte Verpflichtungs-
und Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat. Dementsprechend waren weitere
gleichartige Verstöße zu besorgen, die die Antragstellerin durch die gerichtliche
Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs abwehren wollte. Zu bewerten ist
dieses konkrete Unterlassungsinteresse für die Zukunft; letztlich geht es darum, welche
konkrete Belästigung das unerwünschte Werbe-Fax für die Antragstellerin bedeutet hat
und welchen Schaden sie von sich abwenden will, der ihr also bei Wiederholungen des
konkreten Verstoßes durch die Antragsgegnerin droht (vgl. OLG Celle –Beschl.v.
11.12.2001 – 13 W 112/01-). Es kann dabei dahinstehen, ob die Antragstellerin einen
ihrer Geschäftsführer wirtschaftlich sinnvoll einsetzt, indem sie ihn bei Eingang eines
solchen Faxes eine Akte anlegen lässt nebst dem weiteren dazu vorgetragenen
Aufwand, anstatt ihn "effektiv für einen Umsatz im mehrfach vierstelligen Bereich"
sorgen zu lassen. Das Fax-Gerät ist durch den Empfang eines Faxes des hier konkreten
Umfangs weniger als 1 Minute belastet, Kosten entstehen für ein Blatt Papier, den für
eine Seite verbrauchten Toner, den geringfügigen Anteil am Verschleiß des Faxgerätes
durch den Ausdruck einer Seite sowie den wirtschaftlich zielgerichteten Einsatz der
Arbeitskraft des hier konkret angeschriebenen Geschäftsführers, der allenfalls 2 Minuten
brauchen kann, um zu erkennen, dass es sich um ein nicht weiter zu beachtendes
unerwünschtes Werbefax handelt, das schlicht entsorgt werden könnte. Selbst wenn
man mit der Antragstellerin davon ausgehen wollte, dass konkret mehrere Stunden
Arbeitszeitaufwand angefallen seien, ist das Unterlassungsinteresse der Antragstellerin
mit 2.000,00 € schon sehr hoch und damit jedenfalls hinreichend bewertet.
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Die Kammer vermag sich der Auffassung des OLG Koblenz in dem von dem
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vorgelegten Beschluss vom 29.09.2006
–14 W 590/06-, wonach es sich bei Spam-Mails um ein Ärgernis handele, dessen
finanziellem Anreiz nur durch eine entsprechende Streitwertfestsetzung begegnet
werden könne, so nicht anzuschließen, zumal es im konkreten Fall um nur eine E-Mail
und nicht um eine in dem Beschluss angesprochene (allgemeine) Flut von E-Mails ging.
Die Streitwertfestsetzung hat weder spezial- noch generalpräventiven Strafcharakter.
Die Kammer folgt hierzu vielmehr der Auffassung des Kammergerichts, wonach der
einzelne Störer nicht streitwertmäßig für die Gesamtwirkung von auch außerhalb von
Wettbewerbsverhältnissen immer weiter um sich greifende Werbung u.a. durch Telefaxe
einzustehen hat; dies kann nicht über die Streitwertfestsetzung sanktioniert werden,
denn diese ist kein Disziplinierungsfaktor im Hinblick auf Nachahmer; maßgeblich ist
allein das Interesse des Gestörten an der Unterlassung der Wiederholung des konkreten
widerrechtlichen Eingriffs (KG, Beschluss vom 12.09.2006 –9 U 167/06-).
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, 68 Abs. 3
GKG).
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Die weitere Beschwerde war gemäß §§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, 68 Abs. 1 Satz 5, 66
Abs. 4 Satz 1 GKG zuzulassen, weil die Frage grundsätzliche Bedeutung hat, ob in
Fällen der hier vorliegenden Art nur die konkreten Umstände des Einzelfalles bei der
Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen, oder ob auch generalpräventive Überlegungen
dabei anzustellen sind. Die obergerichtliche Rechtsprechung hierzu ist, wie aufgezeigt,
uneinheitlich.
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Auch der Höhe nach schwanken die obergerichtlichen Festsetzungen der letzten Jahre
zwischen 2.000,00 € und 15.000,00 € (KG vom 12.09.2006, s.o.: 2.000,00 € bei
Telefonwerbung; OLG Hamm Beschl.v. 11.03.2005 –1 Sbd 13/05-: jedenfalls mehr als
5.000,00 € bei Telefax-Werbung; OLG Düsseldorf –Urteil v. 22.09.2004 – I-15 U 41/04,
15 U 41/04-: 6.000,00 € bei einmaliger E-Mail, die gleichzeitig an eine Vielzahl von
Rechtsanwälten und Steuerberatern versandt worden ist; OLG des Landes Sachsen-
Anhalt, Urteil vom 17.02.2006 –10 U 41/05-: 7.500,00 €: bei Verbandsklage gegen einen
Unternehmer, der geschäftsmäßig Telefax-Werbung für Dritte betreibt; OLG Köln Urteil
vom 05.11.2004 –6 U 88/04-: 15.000,00 € bei Verbandsklage gegen Telefon-Werbung).
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