Urteil des LG Bonn vom 15.07.1997

LG Bonn (akkreditierung, werbung, behauptung, norm, zertifizierung, 1995, stelle, industrie, irreführung, unterlassung)

Landgericht Bonn, 11 0 184/96
Datum:
15.07.1997
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 0 184/96
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von
2.900,00 DM, die auch durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer
deutschen Bank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden
kann.
Tatbestand:
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten Unterlassung bestimmter Werbeaussagen und
Werbemaßnahmen.
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Die Beklagte ist eine Zertifizierungsstelle für Kraftfahrzeug-Sachverständige. Sie wirbt
mit dem Hinweis, von der F, einer Gesellschaft französischen Rechts, akkreditiert
worden zu sein und von dieser überprüft zu werden und händigt den von ihr überprüften
Kraftfahrzeug-Sachverständigen eine Zertifizierungsurkunde unter Hinweis auf die F
aus.
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Die Klägerin hält diese Werbung für wettbewerbswidrig, da sie irreführend sei.
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Insoweit ist folgendes unstreitig:
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Im Rahmen der Schaffung eines einheitlichen europäischen Marktes verliert eine
nationale Qualifizierung von freien Berufen an Bedeutung. EG-Kommission und Rat
haben den Mitgliedstaaten empfohlen zentrale nationale Akkreditierungssysteme zu
schaffen und die Akkreditierung aufgrund der europäischen Normen durchzuführen.
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Man unterscheidet Akkreditierung im rechtlich geregelten und im rechtlich nicht
geregelten Bereich. Zum geregelten Bereich gehört u. a. der Bereich der
Gerätesicherheit. Für den ungeregelten oder auch freiwilligen Bereich - hierunter fallen
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die Sachverständigendienstleistungen - sind keine gesetzlichen Anforderungen
festgeschrieben, d. h. die Gründung von Akkreditierungsstellen ist frei.
Zur Akkreditierung der Beklagten als Zertifizierungsstelle für Kraftfahrzeug-
Sachverständige ist folgendes unstreitig:
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Die Beklagte hatte bei der U - V GmbH die Akkreditierung beantragt, die ihr am 22.
September 1995 auf der Grundlage der europäischen DIN EN 54013, befristet bis zum
22. März 1996, erteilt worden ist. Über den Grund der Befristung streiten die Parteien.
Der Akkreditierung war eine Begutachtung der Beklagten vorausgegangen. Die
Gutachter waren zu dem Ergebnis gekommen:
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"Die Personal-Zertifizierungsstelle für Kfz Sachverständige entspricht den
Anforderungen der DIN EN 45013, dem U -Regelwerk und den zur Zeit gültigen
Kriterien der SK-Kfz.
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Die festgestellten Abweichungen wurden vollständig durch die Zertifizierungsstelle
A fristgemäß abgearbeitet und sind durch das Begutachterteam positiv geprüft
worden.
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Das Begutachterteam empfiehlt dem B die Akkreditierung der Personal-
Zertifizierungsstelle A in vollem Umfang. "
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Am 26. Oktober 1995 hat die Beklagte auf die Akkreditierung der U verzichtet und am
01. März .1996 eine Akkreditierung gemäß EN 45013 von der F erhalten.
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Der F war u. a. das Qualitätssicherungshandbuch der Beklagten vorgelegt worden. Eine
erneute Überprüfung der Beklagten durch die F erfolgte nicht, vielmehr hat diese die
Akkreditierung der U für eine Umschreibung in eine
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Akkreditierung durch F anerkannt.
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Die F ist von zwei französischen und einem belgischen Berufsverband für Kraftfahrzeug-
Sachverständige sowie von dem U -Verein, dem Alleingesellschafter der Beklagten,
gegründet worden. Letzterer hält 1/3 des Gesellschaftskapitals der F . Gegenstand der F
ist u. a. die Akkreditierung von Zertifizierungsstellen für Sachverständige für
Kraftfahrzeuge und andere Maschinen. Der Geschäftsführer der Beklagten ist zugleich
Mitgeschäftsführer der F .
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Die Klägerin hat ihre Meinung, die Werbung der Beklagten sei wettbewerbswidrig, da
irreführend, zunächst damit begründet, die F existiere nicht. Diese Behauptung hat sie
nach Vorlage einer Veröffentlichung über die Eintragung der F in das Handelsregister
von Straßburg fallengelassen.
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Sie hat ferner vorgetragen, in Deutschland gebe es nur eine offizielle
Akkreditierungsstelle, die von staatlicher Stelle eingesetzt, staatlich zugelassen oder
staatlich anerkannt sei. Das sei die U – V GmbH. Diese sei von dem E , dem G
Akkreditierungsrat eingesetzt worden, der wiederum aufgrund einer Entscheidung der
deutschen Bundesregierung, der Länderministerien und der deutschen Industrie
gegründet worden sei.
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Die U sei für das nationale Akkreditierungssystem im gesetzlich nicht geregelten
Bereich die alleinige und damit verantwortliche Stelle für die Akkreditierung von
Zertifizierungsstellen für Personal.
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Eine der U entsprechende Institution sei in Frankreich die D .
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Das Recht der freien Gründung von Akkreditierungsstellen rechtfertige nicht die
Werbung der Beklagten. Diese müsse zumindest deutlich machen, daß Akkreditierung
und Zertifizierung nach einer außerhalb des anerkannten Systems liegenden Norm
erfolge. Die Akkreditierung der Beklagten entspreche nicht den Vorgaben der U .
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Die F entspreche nicht dem europäischen Normensystem. Sie sei zudem nicht
unabhängig, da sie personell, finanziell und organisatorisch mit der Beklagten
verbunden sei.
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Die Akkreditierung durch die F ohne eigene Überprüfung, der Beklagten sei nicht
ordnungsgemäß.
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Auch eine Überwachung der Beklagten durch die F finde nicht statt, da diese kein
Personal habe.
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Die Klägerin hat die Beklagte am 10. Mai 1996 vergeblich abgemahnt. Hierdurch seien
ihr pauschale Personal- und Sachkosten von 294,25 DM brutto entstanden.
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Die Klägerin beantragt,
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Der Beklagten wird es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
fälligen höchstmöglichen Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, untersagt, im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs oder sonst werblich mit
folgenden Aussagen wörtlich oder sinngemäß zu werben:
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a)
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Als Zertifizierungsstelle akkreditiert ist die U - Zert. von der F W ,
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b)
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es erfolge die Überwachung der Qualitätssicherung der U -Zert. durch die
europäische Akkreditierungsgesellschaft für Kraftfahrzeug-Sachverständige,
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33
c)
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die Überprüfung von U -Zert. erfolgt durch die Prüfer
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der F .
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2.
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Der Beklagten wird es weiter unter Androhung eines höchstzulässigen
Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, untersagt, Dritten, insbesondere
Kraftfahrzeugsachverständigen, eine "Zertifizierungsurkunde" unter Hinweis auf F ; W
auszuhändigen und/oder Entwürfe von Werbeanzeigen mit dem Hinweis " F " zur
Verfügung zu stellen oder darauf hinzuweisen, daß der Einsatz als Werbemittel
erfolgen könne.
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3 .
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 294,25 DM nebst 4 % Zinsen seit
Klagezustellung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die von der Klägerin beanstandeten Werbeaussagen und Maßnahmen seien nicht
irreführend. Da es sich unbestritten um den gesetzlich nicht geregelten Bereich handele,
könne jeder eine Akkreditierungsstelle gründen und Zertifizierungsstellen akkreditieren
und sei hierbei auch nicht an die Regeln und Vorgaben des E und der U gebunden.
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Die Entscheidung über die Akkreditierung der Beklagten sei ordnungsgemäß ohne
Beteiligung des U -Vereins erfolgt.
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Im übrigen erfülle sie, die Beklagte, die Voraussetzungen der DIN EN 45013, wie bereits
die U festgestellt habe. Daß sie sich bei Zertifizierung von Sachverständigen nicht an
die einschlägigen EN-Normen halte, habe die Klägerin noch nicht einmal vorgetragen.
Für eine Irreführung des Verkehrs sei unter diesen Umständen kein Raum.
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Ergänzend wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien und die zur
Akte gereichten Urkunden Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet.
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Die Klägerin kann von der Beklagten keine Unterlassung der beanstandeten
Werbeaussagen sowie der Aushändigung von Zertifizierungsurkunden unter Hinweis
auf die F verlangen. Die angesprochenen Verkehrskreise werden durch das Verhalten
der Beklagten nicht irregeführt.
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Daß die F als Gesellschaft französischen Rechts mit dem Unternehmensgegenstand
"Akkreditierung von Zertifizierungsstellen für Sachverständige für Kraftfahrzeuge gemäß
den europäischen Normen EN 45012/013" existiert, wird nicht mehr bestritten.
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Desgleichen räumt die Klägerin ein, daß im ungeregelten Bereich jeder das Recht hat,
eine Akkreditierungsstelle zu gründen und Zertifizierungsstellen zu akkreditieren. Damit
hat sie zugleich Abstand genommen von der Behauptung, die von dem E eingesetzte U
sei in diesem Bereich die alleinige verantwortliche Stelle für die Akkreditierung von
Zertifizierungsstellen für Personal. Dabei kann unterstellt werden, daß es eine
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Entscheidung der deutschen Bundesregierung, der Länderministerien und der
deutschen Industrie gegeben hat, einen " G Akkreditierungsrat" zu bilden. Eine
Monopolstellung für den Rat und die von ihm eingesetzte Trägergemeinschaft läßt sich
damit nicht begründen. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, daß ein derartiges
Monopol ohne gesetzlich Grundlage in die Grundrechte der Beklagten aus Art. 12 Abs. 1
GG (Schutz der Berufsfreiheit) und Art. 14 Abs. 1 GG (Schutz des eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetriebs) eingreifen und damit rechtswidrig wäre.
Hat die U aber kein Monopol bei der Akkreditierung von Zertifizierungsstellen, können
auch nicht ihre Regeln und Vorgaben für andere Akkreditierungsstellen maßgebend
sein. Es gibt kein festgeschriebenes System der Akkreditierung und Zertifizierung, an
das sich jeder zu halten hätte.
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Das bedeutet, daß die Werbung der Beklagten auch keinen Hinweis darauf enthalten
muß, daß sie nach einer "außerhalb des anerkannten Systems" liegenden Norm
akkreditiert sei und zertifiziere.
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Maßgebend in diesem Zusammenhang ist nur die europäische Norm DIN EN 45013.
Die Voraussetzung dieser Norm erfüllt die Beklagte, wie bereits die U mit Bescheid vom
22. September 1995 aufgrund einer Begutachtung der Beklagten und ihres
Zertifizierungssystems festgestellt hat.
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Daß die F diese Bewertung in ihrer Akkreditierungsentscheidung übernommen hat,
ohne die Beklagte erneut zu prüfen, macht ihre Akkreditierung nicht minderwertig. Die
Entscheidung der U lag lediglich einige Monate zurück. Anhaltspunkte dafür, daß die
Beklagte die damals festgestellten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, sind weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich. Unter diesen Umständen lag es nahe, die
Akkreditierung lediglich "fortzuschreiben".
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Die Kammer hält es auch nicht für erforderlich, in diesem Verfahren den Einwendungen
der Klägerin gegen das von der Beklagten behauptete Verfahren der Akkreditierung
durch die F nachzugehen, ebensowenig dem Hinweis insbesondere auf eine personelle
Verflechtung der Beklagten mit der F und hieraus befürchteter fehlender Unabhängigkeit
der F .
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Zu entscheiden ist die Frage, ob die Werbung der Beklagten wettbewerbswidrig ist, da
sie die angesprochenen Verkehrskreise irreführt. Der Hinweis auf eine Akkreditierung
durch die F kann nur dann irreführend sein, wenn damit eine nicht vorhandene Qualität
als Zertifizierungsstelle suggeriert wird, wie die Klägerin auch mit ihrem zunächst
gebrachten Vortrag - keine Existenz der F , alleinige Akkreditierungszuständigkeit der U
- zum Ausdruck bringen
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wollte.
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Da die Beklagte jedoch, überprüft von der U , die Voraussetzungen der EN 45013 erfüllt,
ist kein Grund für eine Irreführung des Verkehrs gegeben.
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Soweit die Klägerin bestreitet, daß die Beklagte von der F ordnungsgemäß überwacht
werde, ist ihr Vortrag, wie die Beklagte zu Recht gerügt hat, unsubstantiiert. Ein bloßes
Bestreiten mit dem Hinweis darauf, die F habe kein Personal, genügt nicht. Nach
Vortrag der Beklagten hat die F hierfür Fachgutachter beauftragt.
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Daß die F dem europäischen Normensystem nicht entspreche, ist derart allgemein
vorgetragen, daß die Behauptung nicht überprüft werden kann. Zudem ist nicht
ersichtlich, daß die Beklagte mit einer entsprechenden Behauptung geworben hat.
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Ist somit davon auszugehen, daß die beanstandeten Aussagen der Beklagten -
Akkreditierung und Überwachung durch die F - zutreffend und nicht irreführend sind, ist
die Beklagte auch berechtigt, den von ihr geprüften Sachverständigen unter Hinweis auf
die F eine Zertifizierungsurkunde auszuhändigen und Werbemittel zur Verfügung zu
stellen.
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Da die Abmahnung der Klägerin unbegründet war, kann sie von der Beklagten auch
keinen Aufwendungsersatz erstattet verlangen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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Streitwert: 50.000,00 DM.
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