Urteil des LG Bonn vom 13.01.2010

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Landgericht Bonn, 1 O 149/09
Datum:
13.01.2010
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 149/09
Schlagworte:
Verkehrssicherungspflicht, Bäume, Kontrollpflicht, Totholz
Normen:
§ 839 BGB, Art. 34 GG
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Zum Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf von
Bäumen ausgehende Gefahren. hier: Sichtkontrollen in jährlichem
Abstand ausreichend.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der
Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses
Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger ist Eigentümer des Pkw N mit dem amtlichen Kennzeichen $$-&& ###. Am
##.##.2008 parkte er dieses Fahrzeug auf dem öffentlichen Parkplatz F-Platz # in C D,
für den die Beklagte verkehrssicherungspflichtig ist und für dessen Benutzung sie eine
Tagesgebühr von 2,- € erhebt. Der Kläger parkte im südlichen Teil des Parkplatzes,
einem Bereich, in dem zahlreiche ahornblättrige Plantanen stehen. Den gesamten
Baumbestand des Parkplatzes nahm am selben Tag der Zeuge T in Augenschein, der
im Auftrag der Beklagten eine Grunddatenerfassung für die Erstellung des städtischen
Baumkatasters durchführte. Dabei stellte er an wenigen Bäumen Totholz fest, das einige
Tage später entfernt wurde. Zuvor hatten Bedienstete der Beklagten den Baumbestand
letztmalig am ##.##.2008 überprüft; dabei war an acht Bäumen Totholz festgestellt
worden.
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Der Kläger behauptet, als er am frühen Abend des ##.##.2008 zu seinem Fahrzeug
zurückgekehrt sei, habe er festgestellt, dass das Fahrzeug während der Parkzeit durch
herabstürzende Äste beschädigt worden sei. Der Kofferraumdeckel sei rechtsseitig
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deformiert worden und die Seitenwand hinten links sei im oberen Bereich eingedrückt
worden. Diese Beschädigungen seien durch Astbruch von Totholz entstanden; nach
seiner Rückkehr habe er zwei herabgefallene Tot-Äste neben dem Fahrzeug
vorgefunden. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 1.998,68 € netto. Für die
Begutachtung des Fahrzeugs habe er 392,76 € brutto und für die außergerichtliche
Tätigkeit seines (früheren) Prozessbevollmächtigten habe er 272,87 € aufgewandt. Der
Kläger meint, die Beklagte sei zum Ersatz der genannten Schäden verpflichtet, weil sie
die auf dem Parkplatz stehenden Bäume nicht ausreichend kontrolliert habe; erforderlich
sei eine sorgfältige äußere Gesundheits- und Zustandsprüfung, die zweimal im Jahr –
einmal in belaubtem und einmal in unbelaubtem Zustand – durchgeführt werden müsse.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.664,25 € nebst Zinsen in Höhe
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von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
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zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, das am ##.##.2008 festgestellte Totholz sei am ##.##.2008
vollständig entfernt worden. Nach dieser Maßnahme habe es keinerlei Hinweise auf
eine von den Bäumen ausgehende Gefährdung gegeben. In Anbetracht des Alters und
des Allgemeinzustandes der auf dem Parkplatz stehenden Plantanen sei nach der
Richtlinie zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen eine einmal jährlich
durchgeführte Überprüfung der Bäume ausreichend gewesen.
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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H, I, E, U und T sowie
durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen O. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.12.2009
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 839 Abs.
1 Satz 1 BGB i.V.m Art. 34 Satz 1 GG. Denn nach der Beweisaufnahme steht fest, dass
Bedienstete der Beklagten im fraglichen Zeitraum hinsichtlich der Kontrolle des
Baumbestandes auf dem Parkplatz F-Platz # und hinsichtlich der Entfernung dabei
festgestellten Totholzes keine ihnen obliegende Amtspflichten verletzt haben.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erstreckt sich die
Straßenverkehrssicherungspflicht auch auf den Schutz vor Gefahren durch Bäume. Eine
straßenverkehrssicherungspflichtige Gemeinde muss Bäume oder Teile von ihnen
entfernen, die den Verkehr gefährden, insbesondere wenn sie nicht mehr standsicher
sind oder herabzustürzen drohen (Urteil vom 04.03.2004 – III ZR 225/03 – unter Ziffer 2
lit. a der Entscheidungsgründe). Dies setzt voraus, dass die Gemeinde die ihrer
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Verkehrssicherungspflicht unterliegenden Bäume in angemessenen Abständen auf
Krankheitsbefall überwacht. Wie oft und in welcher Intensität solche Baumkontrollen
durchzuführen sind, lässt sich nicht generell beantworten. Ihre Häufigkeit und ihr
Umfang sind von dem Alter und Zustand des Baumes sowie seinem Standort abhängig
(BGH, Urteil vom 02.07.2004 – V ZR 33/04 – Ziffer II.2 lit. a. cc der Entscheidungsgründe
zur privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht gegenüber einem
Grundstücksnachbarn).
Im Streitfall hat die Beklagte ihren danach bestehenden Kontrollpflichten durch die am
##.##.2008 durchgeführte Kontrolle genügt. Eine weitere Kontrolle war im Zeitraum bis
zu dem behaupteten Schadensereignis vom ##.##.2008 nicht erforderlich. Die Kammer
folgt insoweit der baumfachlichen Einschätzung des Sachverständigen O in seinem
überzeugend erstatteten mündlichen Gutachten. Der Sachverständige sieht hinsichtlich
derjenigen Bäume, die den behaupteten Schaden am Fahrzeug des Klägers verursacht
haben können und die er bei einem Ortstermin in Augenschein genommen hat,
Kontrollen in jährlichem Abstand als jedenfalls ausreichend an.
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Er stützt sich insoweit auf die Richtlinie zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von
Bäumen (von der Beklagten vorgelegt als Anlage B 5), die nach seiner Einschätzung
die Regeln der Technik auf dem aktuellen Stand wiedergeben. Danach sind selbst bei
stärker geschädigten Bäume in der Alterungsphase und bei höheren berechtigten
Sicherheitserwartungen des Verkehrs jährliche Regelkontrollen ausreichend (Seite 22).
Dies erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil sich nach den weiteren Bekundungen
des Sachverständigen eine "normale" Totholzbildung, die vor allem auf Schattendruck
oder Vergreisung zurückzuführen sein kann, im Allgemeinen über einen längeren
Zeitraum von mindestens einer Vegetationsperiode hinzieht. Lediglich bei einem
Massaria-Befall kann es innerhalb eines Zeitraums von zwei bis drei Monaten nach
Beginn der Erkrankung zu einem abrupten Abbruch von Ästen kommen. Auch wenn ein
solcher Massaria-Befall nach den Ausführungen des Sachverständigen bei Plantanen
des fraglichen Alters seit dem Jahr 2003 gehäuft auftritt, hält er es nicht für erforderlich
die Kontrollen auch ohne konkrete Anzeichen für eine Erkrankung zu intensivieren.
Auch dies überzeugt, zumal Kontrollen in einem Abstand von zwei bis drei Monaten mit
einem erheblichen zusätzlichen Aufwand verbunden wären, der ohne konkrete
Anhaltspunkte für eine Erkrankung nicht erforderlich erscheint.
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Kürzere Kontrollintervalle sind auch nicht deshalb angezeigt, weil die
Verkehrssicherungspflicht für einen gebührenpflichtigen Parkplatz in Rede steht. Der
Argumentation des Klägers, hinsichtlich eines solchen Parkplatzes bestünden höhere
Sicherheitserwartungen des Verkehrs als hinsichtlich einer Straße, kann die Kammer
nicht folgen. Denn bei einer Straße ergeben sich anders als bei einem Parkplatz
besondere Gefahren daraus, dass herabfallende Äste unmittelbar oder mittelbar auf den
fließenden Verkehr einwirken können.
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Besondere Umstände, die im Streitfall abweichend von einem jährlichen Regel-
Kontrollintervall zusätzliche Kontrollen erfordert hätten, hat der Kläger nicht konkret
behauptet; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Nach den glaubhaften Bekundungen
des Zeugen I als dem für den fraglichen Bezirk zuständigen Baumkontrolleur der
Beklagten hat es in der Zeit nach der von dem Zeugen am ##.##.2008 durchgeführten
Kontrolle hinsichtlich der fraglichen Bäume keine besonderen Hinweise auf Gefahren
gegeben. Nach den ebenfalls glaubhaften Bekundungen des Zeugen E als dem für
Baumkontrollen allgemein verantwortlichen Bediensteten der Beklagten sind auf dem
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Parkplatz F-Platz # bis zum Ende des fraglichen Zeitraums auch keine Anzeichen für
einen Massaria-Befall festgestellt worden. Zwar hat der Sachverständige auf den ihm
vorgelegten Fotos der neben dem Fahrzeug des Klägers aufgefundenen Äste
Anzeichen für einen möglichen Massaria-Befall gefunden. Auch wenn eine solche
Erkrankung deshalb als nahe liegende Schadensursache in Betracht kommt, so ist
gleichwohl unter Berücksichtigung des vom Sachverständigen allgemein geschilderten
Verlaufs der Krankheit nichts dafür ersichtlich, dass die von ihm festgestellten
Anzeichen schon bei der Kontrolle am ##.##.2008 hätten festgestellt werden können.
Nur in diesem Fall wäre die Beklagte aber nach den vorstehenden Ausführungen
verpflichtet gewesen, die Kontrollen zu intensivieren. Schließlich erforderte auch das
Ausmaß des bei der Kontrolle am ##.##.2008 festgestellten Totholzes keine
zusätzlichen Kontrollen. Diese Einschätzung hat der Sachverständige nachvollziehbar
damit begründet, dass am ##.##.2008 nur vereinzelt Totholz festgestellt wurde. Von den
über 70 auf dem Parkplatz stehenden Bäumen (Anlage B 1) ist unstreitig nur an acht
Bäumen Totholz festgestellt worden.
Nach den weiteren Bekundungen des Zeugen I hat dieser die Bäume am ##.##.2008 in
unbelaubtem Zustand einer Sichtkontrolle vom Boden aus unterzogen. Dies war nach
den Ausführungen des Sachverständigen ausreichend.
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Die Beklagte hat ihr obliegende Amtspflichten auch nicht dadurch verletzt, dass sie an
den fraglichen Bäumen festgestelltes Totholz nicht beseitigt hätte. Die Kammer geht
vielmehr davon aus, dass das am ##.##.2008 festgestellte Totholz tatsächlich
vollständig beseitigt worden ist. Zwar konnte der Zeuge I insoweit nur allgemeine
Angaben machen, denenzufolge von ihm festgestelltes Totholz an die Baumkolonne
gemeldet werde, die dann das Totholz entferne. Es bestehen jedoch keinerlei
Anhaltspunkte dafür, dass dieser Übung im konkreten Fall nicht entsprochen wurde.
Dies folgt auch aus dem von der Beklagten als Anlage B 4 vorgelegten Tagesbericht. Im
Übrigen ist es auf Grund der Lage der Bäume, an denen am ##.##.2008 Totholz
festgestellt wurde (Anlage B 2), sehr unwahrscheinlich, dass einer dieser Bäume
schadensursächlich geworden ist; denn nach dem unwidersprochen gebliebenen
Vortrag der Beklagten hat der Kläger sein Fahrzeug neben dem Baum Nr. 35 abgestellt
(Anlage B 1). Das am ##.##.2008 festgestellte Totholz musste jedenfalls nicht noch am
selben Tag beseitigt werden. Zwar hat der Zeuge T nach seinen Bekundungen an
diesem Tag auch einen über der Straße hängenden Ast festgestellt, dessen Entfernung
er als besonders eilbedürftig angesehen hat. Auch dieser Baum kann jedoch auf Grund
seiner Lage nicht schadensursächlich geworden sein.
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Da die Beklagte nach alledem ihren Verkehrssicherungspflichten nachweislich genügt
hat, stehen dem Kläger auch keine Ansprüche aus einer öffentlich-rechtlichen oder
privatrechtlichen Sonderverbindung betreffend die Nutzung des gebührenpflichtigen
Parkplatzes zu, hinsichtlich derer von § 839 BGB abweichende Beweislastregeln gelten
könnten. Aus einer solchen Sonderverbindung würden sich inhaltlich keine
Nebenpflichten ergeben, deren Anforderungen über diejenigen der allgemeinen
Verkehrssicherungspflicht hinausgingen. Denn auch bei der Konkretisierung der
Verkehrssicherungspflicht sind – wie dargelegt – die konkreten Sicherheitserwartungen
des Verkehrs zu berücksichtigen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
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Streitwert: 1.998,68 € (ohne Berücksichtigung der Nebenforderungen gemäß § 43 Abs.
1 GKG)
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