Urteil des LG Bonn vom 24.07.2006

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Landgericht Bonn, 1 O 397/05
Datum:
24.07.2006
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 397/05
Normen:
BGB § 839
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Eine Gemeinde ist nicht verpflichtet, bei Neugestaltung einer Straße zu
überprüfen, ob die Außenisolierung der anliegenden Häuser
ausreichend ist und dem Stand der Technik entspricht.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger verlangt von der beklagten Gemeinde als Vorschuss einen Teil der Kosten,
die nach seinem Vortrag erforderlich sind, die straßenseitige Kellerwand seines Hauses
in X gegen eindringende Feuchtigkeit zu sichern.
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Diesem Begehren liegt Folgendes zugrunde:
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Der Kläger ist Eigentümer des Hauses F- Straße, in X. Es handelt sich um ein
Holzfachwerkhaus mit Kellerwänden aus Bruchsteinmauerwerk. Bis 2001 verlief der
Gehweg direkt vor dem Haus und war zur Straße hin durch eine offene Rinne begrenzt,
welche die Niederschläge abführte (vgl. die Fotografie Bl. 28 der Akte im selbständigen
Beweisverfahren 1 OH 15/01). Nach dem Vortrag des Klägers war sein Keller bis dahin
trocken.
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Seit den 90er Jahren unternahm es die Beklagte, den Gehweg zur Straße hin zu
verlegen. Entsprechende Pläne wurden dem Kläger sowie den anliegenden
Eigentümern in einer Versammlung am 08.09.1997 vorgestellt. Bei dieser Versammlung
widersprach der Kläger einer Entwässerung durch den Kiesstreifen, da dadurch Wasser
in den Keller eindringen könne (vgl. Anl. B 2, Bl. 39 GA). Im Jahre 2001 ließ die
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Beklagte u.a. direkt angrenzend an das Haus des Klägers einen ca. 80 cm tiefen Graben
ausheben, um auf der Grabensohle ein Drainagerohr zu verlegen. Der Graben wurde
sodann mit Kies verfüllt. Dieser Graben sollte das Oberflächenwasser aufnehmen und
ableiten. Dieses Wasser dringt jedoch durch die Bruchsteinmauer – die selbst nicht über
eine Feuchtigkeitssperre verfügt – in den Keller des streitgegenständlichen Hauses ein,
und zwar im Wesentlichen unterhalb der Grabensohle (vgl. S. 11 des Gutachtens L im
selbständigen Beweisverfahren).
Der Kläger behauptet,
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aufgrund der Neugestaltung des Gehwegs sei die Entwässerungssituation vor seinem
Haus zu seinem Nachteil verändert worden.
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Die Beklagte habe bei den Anwohnern den Eindruck erweckt, dass durch die Drainage
ausreichend Schutz vorhanden sei und zusätzliche Maßnahmen der Anwohner nicht
erforderlich seien.
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Der Kläger meint, die Beklagte hätte den Graben tiefer ausschachten und das
Drainagerohr entsprechend tiefer legen müssen, um das Eindringen von Nässe in
seinen Keller zu vermeiden. Daher habe die Beklagte Planungsfehler begangen.
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Unabhängig davon hätte sie den Kläger vor Durchführung der Wegebauarbeiten darauf
hinweisen müssen, dass er das Kelleraußenmauerwerk entsprechend den
Erfordernissen der DIN 18195 abdichten müsse. Hätte die Beklagte den Kläger
entsprechend hingewiesen, hätte er das Außenmauerwerk abdichten lassen, was im
Zuge der Bauarbeiten der Beklagten wesentlich kostengünstiger gewesen sei, als eine
jetzt vorzunehmende Abdichtung der Außenwand.
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Der Kläger beziffert die Mehrkosten der Abdichtung wie folgt:
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Kosten, wenn die Abdichtung jetzt durchgeführt würde: 11.579,36 €
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Kosten, wenn die Abdichtung damals durchgeführt worden wäre 5.784,00 €
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Differenz 5.795,36 €.
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Dieser Betrag sowie weitere 500,- € für die Trocknung der Kelleraußenwand sind
Gegenstand der Klage.
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Der Kläger hat wegen des Wassereintritts in seinen Keller ein selbständiges
Beweisverfahren vor dieser Kammer durchgeführt, 1 OH 15/01. Der Dipl. Ing. L hat in
diesem Verfahren am 22.03.2004 ein Gutachten erstellt.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.295,36 € nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (=
17.11.2005) zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, der Kläger wie die anderen Anwohner hätten während der
Baumaßnahme Gelegenheit erhalten, die straßenseitige Haus- / Kellerwand
abzudichten.
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Sie meint, es sei Sache des Klägers gewesen, sei Haus gegen die Nässe zu schützen.
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Ergänzend wird wegen des weiteren Parteivorbringens auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Kammer hat die Akte des selbständigen Beweisverfahrens 1 OH 15/01 beigezogen
und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, circa zwei bis drei
Wochen vor der Baumaßnahme habe ihm der Mitarbeiter der Beklagten Herr K
zugesagt, die Firma M werde den Graben 14 Tage offen halten, damit er isolieren
könne. Als dann der Graben ausgegraben worden sei, hätten die Arbeiter der Fa. M vor
Ort erklärt, davon wüssten sie nichts. Sie würden den Graben am nächsten Tag wieder
verfüllen.
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Der von ihm, dem Kläger, zunächst beauftragte Rechtsanwalt I habe ihm erklärt, er habe
die mündliche Zusage der Gemeinde, bei dem Kläger was zu machen. Er, der Kläger,
habe sich sodann entschieden, diese Arbeiten nicht im Herbst, sondern im kommenden
Frühjahr durchführen zu lassen. Als er dann im Frühjahr bei der Beklagten
vorgesprochen habe, habe ihm Herr S (insoweit unstreitig) gesagt: "Bei Ihnen wird
nichts gemacht".
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch aus Amtshaftung
gem. § 839 BGB, Art. 34 GG gegen die Beklagte nicht zu.
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1.) Die Beklagte war nicht verpflichtet, bei der Umgestaltung des Gehwegs nebst
angrenzender Fläche darauf Rücksicht zu nehmen, dass bisher der Gehweg im Bereich
des Hauses des Klägers aus Beton hergestellt war und – zumindest nach dem Vortrag
des Klägers – zusammen mit der an den Gehweg angrenzenden offenen Rinne das
Kellergeschoss vor eindringender Nässe schützte. Vielmehr durfte die Beklagte im
Rahmen ihres Planungsermessens diese Bereiche neu gestalten, solange sie Planung
wie Ausführung als solche fachgerecht durchführen ließ. Planungsfehler hat der Kläger
zwar behauptet, nicht aber substantiiert vorgetragen. Planungs- oder Ausführungsfehler
hat auch der Sachverständige Dipl. Ing. L nicht bestätigt, sondern ausgeführt, das nicht
isolierte Bruchsteinmauerwerk im Kellergeschoss lasse das Oberflächenwasser, das
sich in dem mit Kies gefüllten Graben sammele, hindurch. Der Umstand, dass das
Kellermauerwerk nicht isoliert ist, geht jedoch zu Lasten des Klägers. Die Beklagte
durfte und darf davon ausgehen, dass die an den Gehweg und den mit Kies gefüllten
Graben angrenzenden Bauten ihrerseits nach den Regeln der Kunst und dem Stand der
Technik entsprechend errichtet sind. Die Pflichten der Gemeinde würden überspannt,
müsste diese die Außenisolierung der angrenzenden Häuser im Einzelnen überprüfen
und – so eine hinreichende Isolierung nicht vorhanden ist – ihrerseits auf ihre Kosten für
eine Isolierung sorgen oder auch nur die Eigentümer auf die fehlende Isolierung
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hinweisen.
2.) Das Interesse des Klägers, die ehemals vorhandene Betonabdeckung des alten
Gehwegs zu behalten, ist nicht schutzwürdig. Die Beklagte ist im Interesse einer
naturnäheren Gestaltung der öffentlichen Flächen nicht gehindert – so ihre Arbeiten
ansonsten fachgerecht geplant und ausgeführt werden – versiegelte Flächen zu öffnen
und das Regenwasser versickern zu lassen. Das gilt umso mehr, als die Beklagte für
eine Ableitung des Oberflächenwassers durch einen mit Kies gefüllten Graben (auf
dessen Sohle ein Drainagerohr verläuft) gesorgt hat.
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3.a) Die Beklagte war aber auch nicht verpflichtet, den Kläger gesondert darauf
hinzuweisen, dass eine Isolierung der Außenwand seines Hauses ggf. erforderlich war.
Dies im Blick zu behalten, war Sache des Klägers als Eigentümers. Das Eigentum gibt
dem Rechtsträger nicht nur die umfassendste Rechtsbefugnis hinsichtlich einer Sache;
ihr korrespondiert die Pflicht, das Eigentum selbst zu schützen, Störungen aufgrund des
Eigentums oder Verletzungen der Verkehrspflicht zu vermeiden. Dies gilt umso mehr,
als der Kläger bei der Eigentümerversammlung am 08.09.1997 moniert hatte, durch den
Kiesstreifen könne Wasser in den Keller eindringen.
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Die Kammer hat bereits mit Urteil vom 14.08.1996, 1 O 135/96, dazu Stellung
genommen, ob eine Gemeinde verpflichtet ist, von sich aus den anliegenden
Eigentümer auf die Anbringung eines anderen Oberflächenbelags nach Abschluss einer
Kanalbaumaßnahme hinzuweisen bzw. darauf, dass ohne Außenisolierung
Feuchtigkeit eintreten kann. Die Kammer hat das damals verneint; daran hält sie fest.
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b) Die Beklagte hat auch nicht dadurch, dass sie den Graben mit einer Drainage versah,
den Eindruck erweckt, nunmehr dringe keine Nässe in den Keller des Klägers ein. Denn
die Kiespackung innerhalb des Grabens war zwar geeignet, das anfallende Wasser
rasch bis zum Drainagerohr sickern zu lassen, konnte jedoch keinen Schutz zur Seite,
d.h. zur Kellerwand hin bieten. Sonstige Tatsachen, warum der Kläger einen
entsprechenden Eindruck gewonnen hat, sind nicht vorgetragen.
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c) Noch weniger musste die Beklagte den Kläger darauf hinweisen, dass
möglicherweise notwendige Isolierungsarbeiten während der Bauphase preisgünstiger
durchzuführen waren als nach Abschluss derselben. Denn dies lag auf der Hand.
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d) Soweit der Kläger erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen hat,
die Beklagte habe ihm zugesagt, den Graben für circa 14 Tage offen zu halten, damit er
selbst isolieren könne, das hätten die Arbeiter der Fa. M jedoch abgelehnt, vermag auch
das dem Kläger nicht zu helfen. Denn der Kläger hätte der Beklagten mitteilen können,
dass die Fa. M den Graben vorzeitig verfüllen wollte. Dann hätte die Beklagte die Fa. M
entsprechend anweisen und die nunmehr resultierenden Mehrkosten des Klägers
vermeiden können. Damit aber geht es zu Lasten des Klägers, dass er sich nicht
nochmals an die Beklagte gewandt hat, § 839 Abs. III BGB bzw. § 254 BGB.
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4.) Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte, weil diese ihre Zusage,
"bei dem Kläger was zu machen", verletzt hätte. Denn diese Zusage ist schon nach
ihrem Inhalt (was genau sollte wann gemacht werden?) nicht bestimmt genug, zumal
nicht dargetan ist, dass der Kläger (oder der ihn vertretende Rechtsanwalt) diese
Zusage angenommen hat.
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5.) Ein Anspruch aus öffentlich–rechtlicher Aufopferung (vgl. Palandt – Bassenge, BGB,
63. Aufl., vor § 903, Rz. 50, BGHZ 122, S. 363), etwa deswegen, weil das Eigentum des
Klägers als Folge der öffentlich–rechtlichen Neugestaltung der Straße durch das
Oberflächenwasser in Mitleidenschaft gezogen worden ist, scheidet aus. Die öffentlich–
rechtliche Aufopferung bildet eine Anspruchsgrundlage nur für hoheitliche Eingriffe in
immaterielle Rechtsgüter (vgl. Palandt – Bassenge, aaO.). Geltend gemacht wird indes
eine Verletzung des Eigentums.
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6.) Die Kostenentscheidung entspricht § 91 Abs. I ZPO, der Ausspruch hinsichtlich der
vorläufigen Vollstreckbarkeit § 709 ZPO.
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