Urteil des LG Bonn vom 08.11.2010

LG Bonn (bundesamt für justiz, aufrechnung, natürliche person, daten, gesellschaft, forderung, beschwerde, bundesamt, offenlegungspflicht, einspruch)

Landgericht Bonn, 31 T 1103/09
Datum:
08.11.2010
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
31 T 1103/09
Schlagworte:
Aufrechnung; Ordnungsgeld; Kostenrechnung; Jahresabschluss
Normen:
§ 335 HGB; § 387 BGB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Gegen die festgesetzten Kosten ( Gebühren und Auslagen ) für die
Androhung eines Ordnungsgeldes wegen der Nichteinreichung des
Jahresabschlusses bei dem elektronischen Bundesanzeigers kann nicht
mit einer abgetretenen Forderung einer anderen Gesellschaft aus
Amtspflichtverletzung aufgerechnet werden.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde vom 04.08.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Verwerfung ihres Einspruchs gegen die
Androhung eines Ordnungsgeldes wegen der Nichteinreichung der
Jahresabschlussunterlagen 2007 bei dem Betreiber des elektronischen
Bundesanzeigers.
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Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin die Verhängung eines
Ordnungsgeldes mit Verfügung vom 29.05.2009, zugestellt am 05.06.2009, angedroht
und zugleich Kosten (Gebühren und Auslagen) in Höhe von 53,50 Euro festgesetzt.
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Dagegen hat die Beschwerdeführerin unter dem 08.06.2009 (Eingang) Einspruch
eingelegt.
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Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 23.07.2009
den Einspruch verworfen.
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Gegen die ihr am 25.07.2009 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am
04.08.2009 (Eingang) sofortige Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass sie
bereits am 13.10.2008 eine elektronische Einreichung über die E vorgenommen habe.
Wenn diese Daten aufgrund eines nicht mehr aufklärbaren technischen Fehlers nicht
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bei dem Bundesanzeiger-Verlag eingegangen seien, sei ihr das nicht vorzuwerfen. Sie
habe auch keine Veranlassung gehabt, den Erfolg ihrer Einreichung zu überprüfen.
Ferner rechnet sie mit einem abgetretenen vermeintlichen Anspruch einer Firma X
GmbH & Co. KG aus Amtshaftung auf, nachdem diese mit einer rechtswidrigen
Androhungsverfügung überzogen worden sein soll, obwohl sie über eine natürliche
Person als persönlich haftende Gesellschafterin verfüge, sodass sie nicht
offenlegungspflichtig sei. Durch die Abwehr der Androhungsverfügung seien ihr Kosten
entstanden.
Das Bundesamt für Justiz verteidigt die angefochtene Androhungsverfügung
einschließlich der darin enthaltenen Kostenrechnung.
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II.
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Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 4 HGB statthafte und auch im Übrigen
zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
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Das Bundesamt für Justiz hat den Einspruch zu Recht verworfen, denn die
Beschwerdeführerin hatte bei Erlass der Androhungsverfügung noch keine Einreichung
vorgenommen. Soweit sie geltend macht, dass sie schon am 13.10.2008 die Daten über
die E eingereicht habe, sind diese Daten jedenfalls nicht bei dem Bundesanzeiger-
Verlag eingegangen. Dieser konnte einen Eingang nicht bestätigen. Die
Beschwerdeführerin hat auch nicht den Beweis erbracht, dass die Daten gleichwohl
eingegangen sind. Hierfür ist sie aber materiell beweispflichtig, denn die
Offenlegungspflicht wird nicht schon mit der Absendung, sondern erst mit dem Eingang
der Daten bei dem Bundesanzeiger-Verlag erfüllt. Sie räumt indes selbst ein, dass sie
nicht weiß, an welcher Stelle der Übertragungsfehler eingetreten ist.
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Sie ist auch nicht etwa deswegen von den Kosten (Gebühren und Auslagen), die mit der
Androhungsverfügung festgesetzt worden sind, befreit, weil sie den Übertragungsfehler
nicht zu vertreten hätte bzw. nicht hätte nachprüfen müssen, ob die Einreichung
erfolgreich gewesen war (wenn unterstellt wird, dass ihr Vortrag zu der Absendung am
13.10.2008 überhaupt zutrifft). Es kann dahinstehen, ob der Erlass einer
kostenpflichtigen Androhungsverfügung Verschulden auf Seiten der betroffenen
Gesellschaft voraussetzt. Selbst wenn der Einspruch gegen die Androhungsverfügung
aber grundsätzlich zur Folge haben kann, dass eine unverschuldete Nichteinreichung
die Aufhebung der Kostenrechnung rechtfertigt, liegt ein solcher Fall hier jedenfalls nicht
vor. Es handelt sich bei der Offenlegungspflicht um eine wesentliche handelsrechtliche
Pflicht, wie sich schon an der Mindesthöhe des Ordnungsgeldes von 2.500,00 Euro
sowie an dem Umstand zeigt, dass der Gesetzgeber seit dem 01.01.2007 eine
flächendeckende Überprüfung und Ahndung unterbliebener Offenlegungen von Amts
wegen vorgeschrieben hat. Darüber hinaus ist die Einreichung mittels E mit Risiken
behaftet, da die Daten nicht unmittelbar bei dem Bundesanzeiger-Verlag eingegeben,
sondern zunächst an eine dritte Stelle (E) übermittelt werden, die - wenn auch im
Rahmen eines Massengeschäfts - als Gehilfin in der Sphäre der Gesellschaft tätig wird.
Die Gesellschaft muss daher grundsätzlich überprüfen, ob die Einreichung auf diesem
Wege erfolgreich gewesen ist. Zumindest ein einfacher Kontrollabruf der Daten im
elektronischen Bundesanzeiger (www.ebundesanzeiger.de) kann verlangt werden. Ihr
muss bei pflichtgemäßer Handhabung auch auffallen, dass sie über längere Zeit keine
Auftragsbestätigung und keine Rechnung des Bundesanzeiger-Verlags erhält. Wenn
daher über Monate keine Veröffentlichung festgestellt werden kann und dies der
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Gesellschaft gleichwohl nicht auffällt, erscheint es nicht rechtswidrig, wenn das
Bundesamt die Nachholung der Offenlegungspflicht mittels kostenpflichtiger
Androhungsverfügung anmahnt.
Der angefochtene Bescheid ist auch nicht dadurch rechtswidrig geworden, dass die
Beschwerdeführerin die Aufrechnung mit einem abgetretenen vermeintlichen Anspruch
aus Amtshaftung erklärt hat. Zunächst ist festzuhalten, dass die Androhungsverfügung,
soweit sie die Vornahme einer Handlung (Offenlegung) aufgibt und für den Fall des
Unterlassens ein Ordnungsgeld androht, nicht durch Aufrechnung gleichsam erloschen
sein kann. Insoweit fehlt es an der Gleichartigkeit der Verpflichtungen. Gegen eine
Handlungspflicht kann nicht mit einer Geldforderung aufgerechnet werden.
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Aber auch die Kostenrechnung, die Bestandteil der Androhungsverfügung ist, ist nicht
rechtswidrig geworden, denn die Gebühren- und Auslagenforderung des Bundesamtes
ist nicht durch Aufrechnung erloschen.
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Allerdings dürfte die Auffassung des Bundesamtes nicht zutreffen, dass gegen die
Kostenrechnung generell nicht aufgerechnet werden könne, weil das vorliegende
Verfahren lediglich dazu diene, die Rechtmäßigkeit des Bescheids zu überprüfen. Es ist
anerkannt, dass auch im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen einen Bescheid, der
eine Zahlungspflicht des Adressaten festsetzt, unter bestimmten Voraussetzungen
aufgerechnet werden kann, namentlich dann, wenn sich der Bescheid nicht nur auf die
Festsetzung beschränkt, sondern auch schon eine Zahlungsaufforderung enthält
(BVerwG NVwZ 1984, 168). Davon dürfte vorliegend auszugehen sein.
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Jedoch kommt eine Aufrechnung mit einem Anspruch aus Amtshaftung in dem
vorliegenden Verfahren nicht in Betracht. Denn zur Entscheidung über den Bestand der
bestrittenen Gegenforderung ist ausschließlich die Zivilkammer des Landgerichts
berufen, die allein gemäß Art. 34 GG, § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG über
Amtshaftungsansprüche entscheiden kann. Insoweit liegt unbeschadet des Umstands,
dass die für Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB zuständige Kammer für
Handelssachen ebenfalls bei dem Landgericht angesiedelt ist, eine Rechtswegspaltung
vor. Allenfalls könnte erwogen werden, das Verfahren bis zu der rechtskräftigen
Entscheidung der Staatshaftungskammer auszusetzen, sofern dort schon ein
Klageverfahren anhängig ist (was hier nicht bekannt ist); falls noch kein Klageverfahren
anhängig ist, könnte erwogen werden, eine Vorbehaltsentscheidung zu treffen, d.h. die
sofortige Beschwerde gegen die Kostenrechnung unter dem Vorbehalt der
rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung zurückzuweisen (BVerwG NJW
1999, 160). Auch das kommt jedoch hier nicht in Betracht. Die Kammer ist der
Auffassung, dass eine Aufrechnung in dem vorliegenden Zusammenhang nicht zulässig
ist, wenn die Beschwerdeführerin aus abgetretenem Recht einer anderen Gesellschaft
vorgeht. Hinsichtlich der Festsetzung eines Ordnungsgeldes dürfte das Vorliegen eines
Aufrechnungsverbots in einer solchen Konstellation nahe liegen, denn das
Ordnungsgeld hat auch Sanktionsfunktion, ahndet also eine schuldhafte
Pflichtverletzung. Diesem gesetzlichen Zweck würde es entgegenstehen, wenn sich die
betroffene Gesellschaft ihrer Zahlungspflicht durch Aufrechnung mit einer zu diesem
Zweck abgetretenen Forderung eines Dritten entziehen könnte (für ein generelles
Aufrechnungsverbot bei Geldstrafen auch Häger, in: Leipziger Kommentar, 12. Auflage
2006, Vor §§ 40 - 43 StGB Rn. 24). Aber auch schon im Hinblick auf die Gebühren- und
Auslagenforderung des Bundesamtes, um die es hier ausschließlich geht, besteht ein
Aufrechnungsverbot. Diese Forderung hat zwar keinen Sanktionszweck, sondern dient
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lediglich der pauschalierten Deckung der Verwaltungskosten. Dies kann jedoch nicht
losgelöst von dem Zusammenhang gesehen werden, in dem die Forderung entstanden
ist. Zwar besteht bei einer Aufrechnung regelmäßig kein Konnexitätserfordernis, es
muss also grundsätzlich kein innerer Zusammenhang zwischen den Forderungen
bestehen. Gleichwohl ist es anerkannt, dass die Aufrechnung mit einer Gegenforderung
aus einem völlig anderen Sachverhalt im Einzelfall dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen
kann und damit unzulässig ist. So liegt es auch hier. Die Kostenforderung des
Bundesamtes beruht auf einem pflichtwidrigen Unterlassen der Beschwerdeführerin, die
durch ihr Verhalten erst das Handeln der Behörde veranlasst und dadurch Kosten
ausgelöst hat. Dem kann sie sich nicht dadurch entziehen, dass sie sich die Forderung
eines Dritten abtreten lässt, der mit ihrer Offenlegungspflicht und dem sie betreffenden
Ordnungsgeldverfahren nichts zu tun hat, und mit dieser Forderung aufrechnet. Vielmehr
hat die Beschwerdeführerin durch ihr Unterlassen die Kosten verursacht und muss
diese auch begleichen. Die Kostenrechnung ist daher nicht infolge der Aufrechnung
rechtswidrig geworden, auch ist das Verfahren nicht auszusetzen oder die Entscheidung
unter Vorbehalt zu stellen. Die Aufrechnungserklärung war vielmehr wirkungslos,
sodass sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig erweist.
Nach allem konnte das Rechtsmittel keinen Erfolg haben.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 335 Abs. 5 S. 7 HGB).
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Eine weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss ist nicht zulässig
(§ 335 Abs. 5 S. 6 HGB).
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Wert des Beschwerdegegenstandes: 53,50 EUR.
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