Urteil des LG Bonn vom 29.09.2004
LG Bonn: nebenleistung, gefahr, gläubigerverzug, grundstück, miteigentumsanteil, zwangsvollstreckung, urkunde, transparenzgebot, teilleistung, unterliegen
Landgericht Bonn, 2 O 117/04
Datum:
29.09.2004
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 117/04
Schlagworte:
Wirksamkeit der Vereinbarung von 15 % Grundschuldzinsen
Normen:
§§ 305 c) Abs. 1, 307 BGB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund des Urteils jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin ist Eigentümerin des im Grundbuch von J, Blatt 0619 in der lfd. Nr. 1
eingetragenen Grundstückes Gemarkung J, Flur 2, Flurstück 418, Gebäude- und
Freifläche, Wohnen, 488 m² groß sowie zu 1/102 Miteigentumsanteil an dem
Grundstück Gemarkung J, Flur 2, Flurstück 333, Weg, 195 m² groß sowie 1/51
Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung J, Flur 2, Flurstück 338, Bauplatz,
286 m² groß.
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Der Sohn der Klägerin schloss am 05.05.1998 und am 15.06.1998 mit der Beklagten
insgesamt vier Darlehensverträge in einer Gesamthöhe von 390.000,00 DM (=
199.403,83 EUR). Wegen der Einzelheiten der Verträge, insbesondere der effektiven
Zinssätze, die nicht höher als 7,75 % p.a. lagen, wird auf die Anlagen B 4-7 Bezug
genommen, Bl. 54-71 d.A.
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Zur Sicherung der Darlehensverpflichtungen des Sohnes der Klägerin übernahm diese
zu Gunsten der Beklagten eine Grundschuld an den vorbezeichneten Grundstücken in
Höhe von 100.000,00 DM (= 51.129,19 EUR) nebst Zinsen in Höhe von 15 % p. a. und
eine einmalige Nebenleistung in Höhe von 5 % des Grundschuldbetrages. Eine von der
Klägerin unterzeichnete Sicherungszweckerklärung vom 13.07.1998 enthielt unter der
Überschrift "1. Sicherungszweck" folgenden Passus:
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"Die oben bezeichnete Grundschuld nebst Zinsen und Nebenleistungen sowie die
Verpflichtungen des Kreditnehmers aus der persönlichen Haftungsübernahme
dienen zur Sicherung der Ansprüche der Bank gegen den Kreditnehmer aus dem
nachstehend bezeichneten Kreditvertrag, und zwar auch dann, wenn die
vereinbarte Kreditlaufzeit verlängert wird..."
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Es folgte die Aufzählung der vier Darlehensvertäge des Sohnes der Klägerin bei der
Beklagten. Unter Ziffer 4 "Verrechnung von Zahlungen und Anrechnung der Erlöse"
heißt es:
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"Alle Zahlungen werden auf die durch die Grundschuld gesicherten Ansprüche
verrechnet."
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Im März 2003 kündigte die Beklagte die Geschäftsverbindung zum Sohn der Klägerin
und stellte die Darlehen sofort fällig. Es ergab sich ein Gesamtbetrag in Höhe von
133.536,10 EUR.
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Mit Schreiben vom 10.06.2003 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin die
Grundschuld. Sie erklärte sich im folgenden bereit, gegen Zahlung in Höhe von
84.473,16 EUR Löschungsbewilligung hinsichtlich der Grundschuld zu erteilen. Der
vorgenannte Betrag setzt sich zusammen aus dem Grundschuldbetrag von 51.129,19
EUR, 15 % Zinsen hieraus begrenzt auf vier Jahre in Höhe von 30.677,51 EUR sowie
der 5 %igen einmaligen Nebenleistung von 2.556,46 EUR sowie den Kosten für die
Löschungsbewilligung von 110,00 EUR. Die Klägerin war zu einer Zahlung in dieser
Höhe nicht bereit. Sie forderte die Löschung der Grundschuld gegen Zahlung des
Grundschuldbetrages in Höhe von 51.129,19 EUR. Ob sie der Beklagten die Zahlung
dieses Betrages anbot, ist streitig.
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Auf Antrag der Beklagten ordnete das Amtsgericht Siegburg - 42 K 16/04 - am
05.02.2004 die Zwangsvollstreckung in die Grundstücke der Klägerin an.
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Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte befinde sich im Gläubigerverzug, da sie den
ihr angebotenen Betrag von 51.129,19 EUR nicht angenommen habe. Sie schulde
weder die Zahlung von Zinsen noch der einmaligen Nebenleistung. Der Zinssatz von 15
% führe zu einer Übersicherung, die Vereinbarung verstoße gegen das
Transparenzgebot und sei überraschend. Gleiches gelte für die Nebenforderung. Die
Klägerin meint, die Beklagte müsse sich zur Befriedigung ihrer Forderung an ihren Sohn
halten. Die Klägerin erhebt darüber hinaus die Einrede der Verjährung hinsichtlich der
Zinsforderung.
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Die Klägerin beantragt,
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die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen
Urkunde des Notars N vom 08.06.1998 - UR-Nr. 2..... - für unzulässig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
15
Die Beklagte behauptet, der Sohn der Klägerin sei insolvent.
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Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass ihr die Klägerin die Zahlung des
Grundschuldbetrages (ohne Zinsen und Nebenleistung) gegen Erteilung der
Löschungsbewilligung angeboten habe. Dieses Angebot wäre nach Auffassung der
Beklagten aber auch unzureichend.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die nach § 767 ZPO statthafte Vollstreckungsgegenklage ist unbegründet.
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Die Beklagte ist berechtigt, aus der zu ihren Gunsten erteilten Grundschuld in Höhe von
51.129,19 EUR nebst einmaliger Nebenleistung von 5 % und Grundschuldzinsen von
15 % für vier Jahre zu vollstrecken.
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Es kann offen bleiben, ob die Klägerin der Beklagten tatsächlich die Zahlung von
51.129,19 EUR Zug um Zug gegen Erteilung einer Löschungsbewilligung angeboten
hat, denn die Zahlung eines derartigen Betrages hätte eine Teilleistung dargestellt, zu
der die Klägerin nicht berechtigt war und die Beklagte nicht in Gläubigerverzug setzten
konnte. Insofern kann auch dahin stehen, wie ein Gläubigerverzug im Rahmen einer
Vollstreckungsgegenklage zu würdigen ist.
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Die Klägerin schuldet die Zahlung einer Nebenleistung in Höhe von 5 % des
Grundschuldbetrages. Die Parteien habe dies bei der Grundschuldbestellung wirksam
vereinbart. Die von der Klägerin hiergegen vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht.
Das Gesetz sieht in § 1191 Abs. 2 BGB die Vereinbarung einer Nebenleistung
ausdrücklich vor. Die Gefahr einer Übersicherung der Gläubiger besteht nicht, solange
die Nebenleistung wie hier unverzinslich, einmalig und in ihrem Bestand abhängig von
der Nennsumme ist (vgl. OLG Stuttgart, WM 1968, 1168 f.).
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Die Parteien haben auch wirksam Grundschuldzinsen in Höhe von 15 % vereinbart. Die
Vereinbarung von 15 % dinglichen Grundschuldzinsen, die über den Darlehenszinsen
liegen, führt zwar im Laufe der Zeit zu einer beachtlichen Erhöhung des
Sicherheitenvolumens bestehend aus Grundschuldkapital und Zinsen. Denn die
Grundschuldzinsen sichern nicht nur die Darlehenszinsen, sondern auch die
Hauptforderung, vgl. BGHZ 142, 332 ff., auch zu der Gegenposition). Es kann hierdurch
zu einer Übersicherung des Gläubigers kommen, eine Gefahr, die vorliegend aber nicht
besteht, weil die gesicherten Forderungen mit 133.536,10 EUR die Grundschuld
zuzüglich Zinsen und Nebenleistung übersteigen. Zudem wird der Gefahr der
Übersicherung dadurch begegnet, dass die Grundschuldzinsen der Verjährung
unterliegen, vgl. BGHZ a.a.O.).
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Die Vereinbarung der Parteien hält auch der Inhaltskontrolle des § 307 BGB stand. Eine
unangemessene Benachteiligung der Klägerin ist nicht ersichtlich. Anders als zum
Beispiel bei einer Bürgschaft gibt es bei der Sicherungszweckabrede zur Grundschuld
kein gesetzliches Leitbild. Die Parteien sind insoweit frei, Vereinbarungen zu treffen.
Eine Grenze wäre nur dann erreicht, wenn die Klausel in den allgemeinen
Geschäftsbedingungen so ungewöhnlich wäre, dass ein Vertragspartner nicht mir ihr zu
rechnen brauchte. Dies ist hier nicht der Fall. Der Klägerin, die bereits zuvor
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Grundschulden an ihrem Grundbesitz bestellt hatte, war die übliche Praxis der Banken
bekannt, einen über den Darlehensverträgen liegenden Zinssatz zu vereinbaren, um
Zinsschwankungen aufzufangen.
Es liegt auch kein Verstoß gegen § 305 c Abs. 1 BGB vor. Die Vereinbarungen der
Parteien waren weder überraschend noch mehrdeutig. Sämtliche gesicherte
Forderungen waren aufgeführt. Aus Ziffer 1 der Sicherungszweckerklärung ergibt sich
auch eindeutig, dass die Grundschuldzinsen und die Nebenleistung (auch) zur
Sicherung aller Ansprüche der Beklagten aus den Darlehensverträgen dienten.
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Die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung greift nicht. Die Beklagte hat
Zinsen angemeldet für vier Jahre (für 2000-2003). Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB ist
auf Dauerschuldverhältnisse, die vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform geschlossen
wurden, das bis zum 31.12.2001 geltende Recht anwendbar. Hiernach gilt die nach dem
alten Verjährungsrecht geltende vierjährige Verjährungsfrist.
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Ob über das Vermögen des Sohnes der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet ist,
bedarf nicht der Klärung. Insofern ist nur entscheidend, ob der Sicherungsfall wie hier
eingetreten ist. Die Darlehensverträge sind gekündigt, die Forderungen der Beklagten
nicht befriedigt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
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Streitwert:
bloße Nebenforderungen außer Betracht, vgl. Zöller/Herget, 24. Aufl. § 3 ZPO Rdnr. 16,
"Vollstreckungsabwehrklage".
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