Urteil des LG Bonn vom 06.10.2009
LG Bonn (haftung, lasten, grundstück, beschwerde, antrag, gegenleistung, kanal, beitragspflicht, eigenschaft, last)
Landgericht Bonn, 6 T 103/09
Datum:
06.10.2009
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 103/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Waldbröl, 2 K 28/09
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Waldbröl vom 27.03.2009, 002 K 028/09, wird
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
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I.
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Mit Schriftsatz vom ##.##.2009 hat die Gläubigerin beantragt, die Zwangsversteigerung
wegen vollstreckbarer öffentlich-rechtlicher Forderungen (Kanalanschlussbeitrag von
405,69 Euro, Stundungszinsen hierauf von 140,00 Euro, Säumniszuschläge hierauf von
556,00 Euro, Wasseranschlussbeitrag von 432,29 Euro, Stundungszinsen hierauf von
14,00 Euro, Säumniszuschläge hierauf von 88,00 Euro und künftige Säumniszuschläge)
der Rangklasse 3 des § 10 ZVG anzuordnen.
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Das Amtsgericht hat dem Antrag durch den angefochtenen Beschluss vom 27.03.2009
bis auf die Zuordnung der Säumniszuschläge zur Rangklasse 3 stattgegeben; diese hat
es unter teilweiser Zurückweisung des Zwangsversteigerungsantrags der Rangklasse 5
zugeordnet. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Säumniszuschläge
nähmen nicht am Vorrang des Hauptanspruchs teil; sie seien lediglich Druckmittel
eigener Art; insoweit fehle es an einer Bestimmung über die dingliche Haftung des
Grundstücks.
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Gegen diesen, ihr am ##.##.2009 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin am
##.##.2009 sofortige Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, dem Antrag auf
Geltendmachung der Säumniszuschläge aus Rangklasse 3 stattzugeben. Zur
Begründung hat die Gläubigerin ausgeführt, bei den Säumniszuschlägen handele es
sich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch um eine Gegenleistung für
das Hinausschieben der Steuerzahlung sowie um eine Teilabgeltung für
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Verwaltungsaufwendungen infolge nicht fristgerechter Steuerzahlung; in § 10 Abs. 1 Nr.
3 ZVG seien "Zuschläge" ausdrücklich erwähnt; Säumniszuschläge nähmen als
steuerliche Nebenleistung am dinglichen Vorrang des Hauptanspruchs teil.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Entscheidung vom 15.04.2009
unter Vertiefung seiner Rechtsauffassung nicht abgeholfen und hat diese dem
Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
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II.
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Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
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Das Amtsgericht hat den Zwangsversteigerungsantrag wegen der Säumniszuschläge
durch den angefochtenen Beschluss zu Recht teilweise zurückgewiesen und hat die
Säumniszuschläge zu Recht der Rangklasse 5 zugeordnet und nicht der Rangklasse 3.
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Zur Rangklasse 3 nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG gehören die Ansprüche auf Entrichtung
der öffentlichen Lasten des Grundstücks wegen der aus den letzten vier Jahren
rückständigen Beträge; wiederkehrende Leistungen, wie Zinsen und Zuschläge,
genießen dieses Vorrecht nur für die laufenden Beträge und für die Rückstände aus den
letzten drei Jahren. Das ZVG enthält keine Begriffsbestimmung der öffentlichen
Grundstückslast. Nach Art. 1 Nr. 2 des AGZVG-NRW sind öffentlichen Lasten eines
Grundstücks im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG die auf einem nicht privatrechtlichen
Titel beruhenden Abgaben und Leistungen, die auf dem Grundstück nach Gesetz oder
Verfassung haften (gemeine Lasten). Ob eine Abgabenverpflichtung diese Eigenschaft
hat, beurteilt sich nach der gesetzlichen Regelung, auf der die Verpflichtung beruht. Es
muss sich um eine Abgabenverpflichtung handeln, welche auf öffentlichem Recht
beruht, durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistungen zu erfüllen ist und nicht
nur die persönliche Haftung des Schuldners, sondern auch die dingliche Haftung des
Grundstücks voraussetzt. Das für die Abgaben maßgebende öffentliche Bundes- oder
Landesrecht entscheidet mithin darüber, ob die Abgabenverpflichtung zu den
öffentlichen Grundstückslasten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG gehört. Dabei muss
die Verpflichtung in dem Abgabengesetz nicht unbedingt als öffentliche Last bezeichnet
sein; es genügt vielmehr, wenn sich diese Eigenschaft aus der rechtlichen
Ausgestaltung der Zahlungspflicht und aus ihrer Beziehung zum Grundstück ergibt. Im
letzteren Fall muss jedoch aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit aus der
gesetzlichen Regelung eindeutig hervorgehen, dass die Abgabenverpflichtung auf dem
Grundstück lastet und mithin nicht nur eine persönliche Haftung des
Abgabenschuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks besteht.
Zweifel in dieser Hinsicht schließen eine Berücksichtigung der Zahlungspflicht als
öffentliche Last aus (vgl. BGH, NJW 1989, 107; BGH, NJW 1981, 2127; BGH, WM 1971,
194; OLG Zweibrücken, WM 2008, 179).
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Nach diesen Grundsätzen sind die von der Gläubigerin geltend gemachten
Säumniszuschläge auf Kanal- und Wasseranschlussbeiträge nicht als öffentliche
Grundstückslast einzuordnen. Sie beruhen auf § 240 AO in Verbindung mit § 12 Abs. 1
Nr. 5 b, Abs. 3 KAG NRW. Diese Vorschriften setzen die dingliche Haftung des
Grundstücks für die Säumniszuschläge nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit voraus.
Säumniszuschläge werden darin weder ausdrücklich als öffentliche Grundstückslast
bezeichnet noch ergibt sich diese Einordnung eindeutig aus dem Sinnzusammenhang.
Vielmehr räumt die Gläubigerin selbst ein, dass Säumniszuschläge nicht ausschließlich
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eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Abgabenleistung bilden. Die Erhebung
von Säumniszuschlägen soll jedenfalls auch Druck auf den Abgabepflichtigen ausüben,
damit dieser seiner Abgabenpflicht rechtzeitig nachkommt. Dieser Zweck knüpft an die
persönliche Abgabenschuld an, nicht an die dingliche Haftung des Grundstücks. Hinzu
kommt für die den Säumniszuschlägen hier zugrunde liegenden Kanal- und
Wasseranschlussgebühren, dass diese nicht in jedem Fall auf dem Grundstück selbst
lasten. Nach § 6 Nr. 1 der maßgeblichen Entwässerungsbeitragssatzung der
Gläubigerin und § 5 Nr. 1 der maßgeblichen Wasserversorgungsbeitragssatzung der
Gläubigerin ist beitragspflichtig, wer zum Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht
Eigentümer oder Erbbauberechtigter des Grundstücks ist; damit fällt die dingliche
Haftung des Grundstücks für die Beitragspflicht im Falle einer Veräußerung weg. Wenn
aber schon die Kommunalbeiträge zwar regelmäßig, aber nicht stets auf dem
Grundstück lasten, spricht dies dagegen, dass Säumniszuschläge auf diese
Kommunalbeiträge eindeutig auf dem Grundstück lasten. Soweit in § 10 Abs. 1 Nr. 3
ZVG von "Zuschlägen" die Rede ist, bedeutet das nicht, dass Säumniszuschläge stets
der Rangklasse 3 zuzuordnen sind. Vielmehr ist die Frage der dinglichen Haftung für
Säumniszuschläge unabhängig von der Einordnung der zugrunde liegenden
Hauptforderung zu prüfen (vgl. Sievers, RPflG 2006, 522; a.A. Stöber, ZVG, 19. Aufl., §
10, Anm. 6.16).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 ZPO zuzulassen, weil die Frage des
dinglichen Vorrangs von Säumniszuschlägen auf Kommunalabgaben höchstrichterlich
nicht geklärt ist.
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Wert des Beschwerdegegenstandes: bis 900,00 Euro.
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