Urteil des LG Bonn vom 18.07.2006
LG Bonn: vergütung, berechnungsgrundlage, verwaltung, verwalter, verwertung, gegenleistung, käufer, bestandteil, ausstattung, verkehrswert
Landgericht Bonn, 6 T 341/05
Datum:
18.07.2006
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 341/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 95 IN 98/03
Schlagworte:
Kauf, Verkauf, Erlös, Mehrwertsteuer, Berechnungsgrundlage,
Vergütung, vorläufiger Insolvenzverwalter
Normen:
§§ 1, 2, 10, 11 InsVV
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Zur Frage, ob bei einem Verkauf von Gegenständen der
Betriebsausstattung durch den (endgültigen) Insolvenzverwalter die
dabei anfallende, vom Insolvenzverwalter eingezogene Mehrwertsteuer,
bei der Bemessung des Wertes der Betriebsausstattung im Rahmen der
Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen
Insolvenzverwalters zu berücksichtigen ist.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde wird der Nichtabhilfebeschluss des
Amtsgerichts vom 16.11.2005 aufgehoben und in teilweiser Abänderung
des angefochtenen Beschlusses das Entgelt des vorläufigen
Insolvenzverwalters auf 10.011,57 € (Vergütung: 8.130,66 €, Auslagen:
500,- € und 16 % Umsatzsteuer: 1.380,91 €) festgesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin.
G r ü n d e:
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I.
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Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Vergütung des vorläufigen
Insolvenzverwalters lediglich mit der Abweichung festgesetzt, dass es bei der
Veräußerung der Betriebs- und Geschäftsausstattung durch den (endgültigen) Verwalter
angefallene Umsatzsteuer (2.349,91 €) bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für
die Vergütung unberücksichtigt gelassen hat. Das führte zu einer Festsetzung der
Vergütung auf 7.851,49 € (netto) statt 8.130,66 € (netto), die damit unter
Berücksichtigung anteiliger Umsatzsteuer um insgesamt 323,84 € unter dem Antrag
liegt.
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Das Amtsgericht ist der Auffassung, die bei der Veräußerung angefallene
Mehrwertsteuer gehöre, weil erst nach Eröffnung angefallen, nicht zur vom vorläufigen
Insolvenzverwalter verwalteten Masse. Zwar sei bei fortgeschrittener Verwertung nicht
mehr von einem Schätzwert, sondern vom tatsächlichen Veräußerungserlös
auszugehen, die dabei angefallene Mehrwertsteuer sei aber nur in die
Verwaltungstätigkeit des endgültigen Verwalters gefallen. Die Umsatzsteuer könne
auch nicht unter dem Gesichtspunkt Berücksichtigung finden, dass sie unselbständiger
Bestandteil des bürgerlich-rechtlichen Entgeltes sei. Sie sei zwar Bestandteil des
Verkaufs, nicht aber des Verkehrswertes oder Einzelveräußerungswertes eines
Massegegenstandes. Dementsprechend sei sie in der Schlussrechnung des Verwalters
neben den Einnahmen aus Verwertung (Veräußerungserlös) auch gesondert als
Einnahmeposition auszuweisen. Beim Verkauf ins nicht europäische Ausland falle die
Umsatzsteuer gar nicht an.
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Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer sein
Begehren weiterverfolgt, dass die Umsatzsteuer bei der Berechnungsgrundlage zu
berücksichtigen sei.
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Die Schuldnerin tritt der sofortigen Beschwerde entgegen und beantragt deren
Zurückweisung. Sie meint, es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Bei der Ermittlung
der Berechnungsgrundlage sei vom Nettowert auszugehen. Die Umsatzsteuer sei nicht
disponibel, vielmehr fristgerecht anzumelden und gegebenenfalls abzuführen, allenfalls
eine Verrechnung mit anderweitigen Vorsteuerbeträgen möglich.
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II.
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Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 4, 64 Abs. 3 InsO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an sich
statthaft und auch sonst zulässig.
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Der Beschwerdeführer hat ein Rechtsschutzinteresse schon deshalb, weil er eine
höhere Vergütung anstrebt.
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Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
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Die bei der Veräußerung der Betriebsausstattung durch den endgültigen Verwalter
angefallene Umsatzsteuer ist im vorliegenden Fall bei der Ermittlung der
Berechnungsrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters zu berücksichtigen.
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Die veräußerten Gegenstände unterlagen schon der Verwaltung des vorläufigen
Insolvenzverwalters. Sie sind daher der Berechnungsgrundlage mit ihrem Wert
zuzurechnen, wobei angesichts des Verkaufs durch den endgültigen Verwalter von dem
tatsächlichen Verkaufserlös auszugehen ist, da der Vergütungsantrag erst in diesem
fortgeschrittenen Stadium der Verwertung gestellt worden ist. Die bei der Veräußerung
anfallende Mehrwertsteuer ist jedenfalls dann, wenn der Veräußerer die Mehrwertsteuer
einzieht und seinerseits anzumelden, abzuführen und/oder beim Vorsteuerabzug zu
berücksichtigen hat, Teil des privatrechtlichen Entgeltes, des Kaufpreises und damit der
Leistung, die der Käufer an den Verkäufer als Gegenleistung für die Übereignung des
Kaufgegenstandes zu erbringen hat. Damit ist sie aber auch Teil des Verkehrswertes
der Ausstattung; Verkehrswert ist dabei dasjenige, was am Markt als Gegenleistung zu
erzielen/aufzuwenden ist.
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Ob dies auch dann gilt, wenn der Veräußerer zur Mehrwertsteuer optiert, dieser die
Mehrwertsteuer aber nicht einzieht, sondern sie vom Käufer, der insoweit selbst
Steuerschuldner ist, unmittelbar als eigene Steuerschuld an das Finanzamt abzuführen
ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, wird aber in Kürze in anderer Sache durch
die Kammer zu entscheiden sein.
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Es kommt in diesem Zusammenhang jedenfalls für Fälle der vorliegenden Konstellation
nicht darauf an, ob die tatsächlich vereinnahmte Mehrwertsteuer der Verwaltung nur des
endgültigen Verwalters unterliegt, oder ob sie in dessen Schlussrechnung neben dem
(Netto-)Verkaufserlös als gesonderter Einnahmeposten aufzuführen ist. Maßgeblich ist
insoweit lediglich, dass sie betragsmäßig Teil des Wertes der Ausstattungsgegenstände
schon zur Zeit deren Verwaltung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter war. Auf den
–hier theoretischen, tatsächlich nämlich nicht gegebenen- Ausnahmefall einer
Veräußerung ins nicht europäische Ausland kommt es im vorliegenden Fall gleichfalls
nicht an, weil der Fall so nicht liegt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Schuldnerin ist Beschwerdegegnerin,
weil sie der sofortigen Beschwerde mit dem Antrag auf deren Zurückweisung
ausdrücklich entgegengetreten ist.
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Beschwerdewert: 323,84 €.
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