Urteil des LG Bonn vom 27.08.2010

LG Bonn (einstellung des verfahrens, verhältnis zu, zpo, beschwerde, aufschiebende wirkung, gkg, antrag, gebühr, härte, einstellung)

Landgericht Bonn, 6 T 8/10
Datum:
27.08.2010
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 8/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 23 K 176/08
Schlagworte:
Zuschlagsbeschwerde, sittenwidirige Härte, Kostenansatz
Normen:
§ 765 a ZPO, § 66 Abs. 4 GKG, Ziff. 2240 KV z. GKG, Ziff. 2241 KV z.
GKG
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Wird vor dem Versteigerungstermin ein Antrag nach § 765a ZPO gestellt
und entscheidet das Amtsgericht hierüber erst in dem
Zuschlagbeschluss, so richtet sich die Gebühr für das
Beschwerdeverfahren nach Ziffer 2240 Kostenverzeichnis zum GKG und
nicht nach Ziffer 2241 Kostenverzeichnis zum GKG, sofern der
Beschwerdeführer mit der Zuschlagsbeschwerde nur sein Begehren
gemäß § 765a ZPO weiterverfolgt.
Tenor:
Auf die Erinnerung der Kostenschuldnerin wird die Kostenrechnung der
Gerichtskasse L vom 09.03.2010 – Kassenzeichen ########## – zu
dem Beschwerdeverfahren 6 T 8/10 Landgericht Bonn aufgehoben,
soweit sie über einen Betrag von 100,00 Euro hinausgeht.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen, soweit die Kammer die
Kostenrechnung, wie aus dem vorstehenden Tenor ersichtlich,
aufgehoben hat.
Gründe:
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I.
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Die Kostenschuldnerin wendet sich gegen eine Kostenrechnung nach Abschluss eines
Beschwerdeverfahrens in einer Zwangsversteigerungssache. Sie war Eigentümerin des
eingangs bezeichneten Grundstücks, dessen Zwangsversteigerung das Amtsgericht C
mit Beschluss vom ##.##.20## auf Antrag einer Gläubigerin anordnete. Das Amtsgericht
setzte den Verkehrswert mit Beschluss vom ##.##.20## auf 338.000,00 Euro fest und
bestimmte mit weiterem Beschluss vom ##.##.20## den Versteigerungstermin auf den
##.##.20##. Mit Schriftsatz vom ##.##.20##, eingegangen am selben Tag, beantragte
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die Kostenschuldnerin, den Versteigerungstermin vom ##.##.20## aufzuheben, weil die
Zwangsversteigerung eine sittenwidrige Härte im Sinne des § 765a ZPO darstellen
würde, was sie umfangreich näher ausführte. Mit Schriftsatz vom ##.##.20## beantragte
sie ergänzend den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 732 Abs. 2 ZPO. Das
Amtsgericht führte den Versteigerungstermin am ##.##.20## gleichwohl durch, erteilte
mit Beschluss vom selben Tag den Zuschlag an den Meistbietenden für ein bares
Meistgebot von 313.000,00 Euro und wies in dem Zuschlagbeschluss zugleich den
Antrag nach § 765a ZPO zurück. Mit Schriftsatz vom ##.##.20## legte die
Kostenschuldnerin gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde ein; zur Begründung
führte sie aus, dass die Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO hätte eingestellt werden
müssen. Diese sofortige Beschwerde wies die Kammer mit dem Beschluss vom
##.##.20## zurück, der die Grundlage für die hier streitgegenständlichen Gerichtskosten
darstellt.
Daraufhin hat die Gerichtskasse der Kostenschuldnerin unter dem 09.03.2010 eine
Kostenrechnung über 2.206,00 Euro erteilt. Dieser Betrag beruht auf einer 1,0 Gebühr
gemäß Ziffer 2241 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz aus einem
Wert von 330.000,00 Euro.
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Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Kostenschuldnerin vom 14.06.2010.
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Mit Beschluss vom 24.06.2010 hat die Kammer die aufschiebende Wirkung der
Erinnerung gegen die Kostenrechnung angeordnet und den Beteiligten Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben. Die Bezirksrevisorin ist der Auffassung, dass die
Kostenrechnung zu Recht auf der Grundlage der Ziffer 2241 berechnet worden sei. Die
Kostenschuldnerin verteidigt ihre Rechtsauffassung und schließt sich der in dem
Beschluss vom 24.06.2010 zum Ausdruck gekommenen Auffassung der Kammer an.
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II.
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Die Erinnerung ist zulässig und in dem tenorierten Umfang begründet. Die
Gerichtskasse hätte nur einen Betrag von 100,00 Euro ansetzen dürfen, da die
Ziffer 2240 in Verbindung mit Vorbemerkung 2.2 des Kostenverzeichnisses zum
Gerichtskostengesetz Anwendung findet. Danach wird für ein Beschwerdeverfahren
nach § 765a ZPO die Gebühr 2240 erhoben; diese beträgt 100,00 Euro, wenn die
Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird.
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Nicht anwendbar war hingegen die Ziffer 2241. Danach fällt eine 1,0 Gebühr an für
Verfahren über nicht besonders aufgeführte Beschwerden in
Zwangsversteigerungssachen, die nicht nach anderen Vorschriften gebührenfrei sind,
soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen worden ist.
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Vorliegend hat die Kammer in dem zugrunde liegenden Verfahren zwar nicht isoliert
über einen Antrag nach § 765a ZPO entschieden, sondern – der äußeren Form nach –
über eine Zuschlagbeschwerde. In der Sache ging es der Kostenschuldnerin jedoch
ausschließlich um den Gesichtspunkt des § 765a ZPO. Sie hat auch nicht etwa erst
nach dem Versteigerungstermin einen Antrag nach § 765a ZPO gestellt, sondern bereits
vor dem Termin. Sie hatte daher keinen Einfluss darauf, ob das Amtsgericht zunächst
isoliert über ihren Antrag entscheiden würde – etwa auch erst nach dem Termin, wenn
es einen separaten Verkündungstermin bestimmen würde –, oder ob es – was für sich
genommen zulässig war – den Antrag gemäß § 765a ZPO erst im Rahmen der
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Zuschlagentscheidung bescheiden würde. Nachdem das Amtsgericht den letzteren
Weg gewählt hatte, blieb der Kostenschuldnerin nichts anderes übrig, als gegen den
Zuschlagbeschluss sofortige Beschwerde einzulegen, da es keine andere Möglichkeit
für sie gab, die angestrebte Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Das änderte aber
nichts an ihrem Rechtsschutzziel, nämlich die einstweilige Einstellung des Verfahrens
wegen einer sittenwidrigen Härte. Sonstige Gründe, die sich gegen den Zuschlag als
solchen richten, machte die Kostenschuldnerin mit ihrem Rechtsmittel nicht geltend. Sie
hatte es lediglich nicht in der Hand, die Vorgehensweise des Amtsgerichts zu
beeinflussen. Nachdem der Zuschlagbeschluss einmal in der Welt war, musste sie
zwangsläufig gegen ihn vorgehen, obwohl sie an sich schon von vornherein eine
Einstellung des Verfahrens hatte erreichen wollen, was den Erlass des
Zuschlagbeschlusses – vorübergehend – gerade vermieden hätte. Sie konnte nunmehr
auch nicht gleichsam isoliert den Aspekt des § 765a ZPO geltend machen, denn dies
wäre sinnlos gewesen, wenn der Zuschlagbeschluss rechtskräftig geworden wäre.
Hinzu kommt, dass die Vorgehensweise der Gerichtskasse das Kostenrisiko der
Schuldnerin in einer Weise erhöht, die außer Verhältnis zu ihrem Begehren steht. Der
Gesetzgeber hat gerade vorgesehen, dass die Geltendmachung von Einwendungen
gemäß § 765a ZPO lediglich ein Kostenrisiko von pauschal 100,00 Euro nach sich
zieht. Diese Wertung des Gesetzgebers, die gerade auf eine Erleichterung des Zugangs
zu gerichtlichem Rechtsschutz in Fällen einer sittenwidrigen Härte zielt, würde außer
Acht gelassen, wenn ein Schuldner mit der Möglichkeit rechnen müsste, dass ihm je
nach der Verfahrensweise des Gerichts Kosten in Höhe eines Vielfachen (hier: 2.206,00
Euro) aufgebürdet werden können, ohne dass er dies von außen beeinflussen kann. Es
ist daher jedenfalls geboten, den Anwendungsbereich der Ziffer 2241 insoweit im
Verhältnis zu Ziffer 2240 einschränkend auszulegen.
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Die Argumente der Bezirksrevisorin überzeugen demgegenüber nicht. Dass es kein
gesondertes Rechtsmittelverfahren nach § 765a ZPO gibt, nachdem der Zuschlag
einmal erteilt ist, trifft zwar zu, spricht aber aus den vorgenannten Gründen gerade für
die Auffassung der Kammer. Auch der Gesichtspunkt, dass Kostenrecht grundsätzlich
Folgerecht ist, greift nicht durch. Die Argumentation der Bezirksrevisorin erschöpft sich
darin, diesen Grundsatz zu postulieren, woraus dann folge, dass vorliegend die
Ziffer 2241 Anwendung finde. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass auch im
Kostenrecht die Wertungen des Gesetzgebers bei der Abgrenzung der einzelnen Ziffern
zueinander berücksichtigt werden müssen, insbesondere auch mit Blick auf den
verfassungsrechtlich geprägten Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz.
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Die weitere Beschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage
zuzulassen, welche Gebührenziffer auf den vorliegenden Fall Anwendung findet. § 66
Abs. 4 GKG ist insoweit einschlägig, d.h. es handelt sich bei dem etwaigen Rechtsmittel
gegen diesen Beschluss um eine weitere Beschwerde und nicht etwa um eine (Erst-)
Beschwerde, denn das Landgericht hat "als Beschwerdegericht" entschieden, auch
wenn sich die Erinnerung gegen Kosten richtet, die erst auf der Ebene der
Beschwerdeinstanz angefallen sind (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.07.2008 – 8
W 259/08 – sowie allgemein § 567 Abs. 1 ZPO). Allerdings war die weitere Beschwerde
nur zuzulassen, soweit die Kostenrechnung aufgehoben worden ist. Dass die
Kostenschuldnerin (zumindest) 100,00 Euro zahlen muss, weil ihr Rechtsmittel
jedenfalls die Gebühr zu Ziffer 2240 ausgelöst hat, steht außer Frage.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Verfahren gebührenfrei ist und
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außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden (§ 66 Abs. 8 GKG).