Urteil des LG Bonn vom 06.11.2009

LG Bonn (abschiebung, antrag, bundesstaat, beschwerde, haft, distrikt, rechtsmittel, wohnort, botschaft, anhörung)

Landgericht Bonn, 4 T 454/09
Datum:
06.11.2009
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
4. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 T 454/09
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe
für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe:
1
I.
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Der Betroffene wurde am ##.##.20## bei einer Kontrolle des Hauptzollamts C in T
arbeitend in einer Pizzeria angetroffen. Die daraufhin erfolgten Ermittlungen ergaben,
dass er von der Zentralen Rückführungsstelle O, Außenstelle D, zur Festnahme
ausgeschrieben ist.
3
Er war bereits am 23.04.2007 ohne gültigen Nationalpass und unter Umgehung der
Einreise- und Visumsbestimmungen in das Bundesgebiet eingereist. Der nach der
Einreise gestellte Asylantrag wurde am 06.1.2007 abgelehnt; die Abschiebeandrohung
ist seit dem 21.11.2007 vollziehbar. Statt auszureisen, tauchte der Betroffene im
Bundesgebiet unter. Seit dem 13.05.2008 war sein Aufenthaltsort unbekannt.
4
Am 23.09.2009 (Bl. 1f d.A.) stellte der weiter Beteiligte zu 2 den Antrag, den Betroffenen
für die Dauer von 3 Monaten in Abschiebehaft (Sicherungshaft) zu nehmen. Nur so
könne verhindert werden, dass der ausreisepflichtige Betroffene – wie schon in der
Vergangenheit geschehen – erneut untertauche.
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Nach Angaben der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) in E, die die Abschiebung
durchführe, sei damit zu rechnen, dass ein Passersatzpapier (PEP) in dem genannten
Zeitraum beschafft werden könne.
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Bei seiner richterlichen Anhörung am 23.09.2009 (Bl. 3 d.A.) machte der Betroffene
keinerlei Angaben.
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Das Amtsgericht hat mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss Abschiebehaft bis zum
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22.12.2009 angeordnet (Bl. 4f d.A.).
Hiergegen wehrt sich der Betroffene mit seiner durch den weiter Beteiligten zu 1 für ihn
eingelegten sofortigen Beschwerde, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen
wird (Bl. 12 d.A.). Das Rechtsmittel wurde mit Schriftsatz vom 23.10.2009 (Bl. 17ff d.A.)
begründet. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des
weiter Beteiligten zu 1 gestellt.
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Der Betroffene stellt das Bestehen eines Haftgrundes nicht in Abrede. Sein
Beschwerdevorbringen konzentriert sich allein auf das Argument, die angeordnete Haft
sei unverhältnismäßig. Die Anordnung der Haft habe wegen § 62 Abs. 2 S. 4
Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht erfolgen dürfen, weil feststehe, dass aus Gründen,
die er nicht zu vertreten habe, die Abschiebung nicht binnen der nächsten drei Monate
durchgeführt werden könne. Hierzu beruft er sich auf mehrere Entscheidungen
verschiedener Gerichte (Anlagen A1 – A5, Bl. 26 ff d.A.).
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Der weiter Beteiligte zu 2 hat zu dem Rechtsmittel Stellung genommen. Er hat u.a. die
Stellungnahme der ZAB E vom 13.10.2009 (Bl. 74 d.A.) vorgelegt, die dem weiter
Beteiligten zu 1 zugeleitet wurde. Danach ergibt sich aus der bundesweiten
Fallsammlung von PEP- Ausstellungen durch das Jische Generalkonsulat bzw. die
Botschaft, dass im laufenden Jahr bereits in mehreren Fällen auch ohne ID-Nachweise
Passersatzpapiere ausgestellt wurden. Die ZAB wies im selben Schreiben allerdings
darauf hin, dass der Betroffene bislang zutreffende Angaben in seinem PEP-Antrag
nicht gemacht habe. Als seinen Jischen Wohnort habe er das Dorf K in der
gleichnamigen Gemeinde im Distrikt K/Bundesstaat H angegeben. Es gebe indes
keinen Distrikt K, vielmehr einen solchen namens L, allerdings nicht in dem Bundesstaat
H (korrekt wäre allerdings wohl:
I),
Betroffenen nicht widersprochen worden.
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Unter dem 02.11.2009 teilte der weiter Beteiligte zu 2 mit, die ZAB E habe bereits einen
Vorführtermin für den Betroffenen in der 46. Kalenderwoche, mithin in der kommenden
Woche, benannt bekommen. Das Ergebnis bleibe abzuwarten.
12
II.
13
Die gem. § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig,
insbesondere fristgerecht eingelegt.
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In der Sache ist sie aber ohne Erfolg; der Antrag auf Bewilligung von
Verfahrenskostenhilfe (§ 76 FamFG) war schon aus diesem Grunde zurückzuweisen.
15
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen zu Recht die Abschiebesicherungshaft
angeordnet, wobei sich der Haftgrund aus § 62 Abs. 2 Ziff. 2 und Ziff. 5
Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ergibt. Die Voraussetzungen für eine Abschiebung des
vollziehbar ausreisepflichtigen Betroffenen gem. § 58 AufenthG liegen vor. Er ist
unstreitig nach Abschluss des Asylverfahrens in F untergetaucht.
16
Sein gesamtes Verhalten begründet den Verdacht, er werde sich erneut der
Abschiebung durch Untertauchen entziehen, wenn er auf freien Fuß gesetzt würde, § 62
Abs. 2 Ziff. 5 AufenthG.
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Die Haft erweist sich auch nicht als unzulässig gem. § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG. Denn es
steht derzeit nicht fest, dass aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, die
Abschiebung nicht binnen drei Monaten erfolgen kann. Die von der ZAB gemachten
Angaben sprechen dagegen. Kommende Woche erfolgt die Vorführung bei der Jischen
Botschaft, was darauf schließen lässt, dass der weiter Beteiligte zu 2 bzw. die ZAB E
das Abschiebungsverfahren zügig betreiben. Bei diesem Termin werden sich alle
Fragen, die sich um den Jischen Wohnort des Betroffenen ergeben haben,
möglicherweise lösen, wenn dieser auf entsprechende Fragen zutreffende Angaben
macht, wozu er verpflichtet ist. Jedenfalls ist es richtig, dass der Distrikt L (der wohl
gemeint sein dürfte, wenn in dem Antrag, Bl. 1 d.A. als angeblicher Geburtsort "L"
angegeben ist) im Bundesstaat N liegt, die Angabe "H" ist falsch. Einen solchen
Bundesstaat gibt es in J ohnehin nicht, hingegen gibt es "I" (und nicht "H", wie im
Schreiben der ZAB E vom 13.10.2009, Bl. 74 d.A., zu lesen ist).
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Die von dem weiter Beteiligten ins Feld geführten Entscheidungen stammen nicht aus
jüngster Zeit und sind mithin ohne maßgebliche Aussagekraft; sie sind bereits
Gegenstand in verschiedenen Verfahren (vgl. z.B. OLG M # Wx ##/00, Beschluss vom
08.01.2001) gewesen, an denen ebenfalls der weiter Beteiligte zu 1 beteiligt gewesen
ist und die ihm daher bekannt sein dürften. Als weiteres Verfahren (mit einem anderen
Verfahrensbevollmächtigten), in dem zu den von dem weiter Beteiligten zu 1
eingereichten Entscheidungen Stellung genommen wurde, sei der Beschluss vom
23.11.2001 des 16. Senats des OLG M genannt (## Wx ###/01). Zu der Frage, wann der
Betroffene sich - wie vorliegend - eine Verzögerung bei der Abschiebung zurechnen
lassen muss, hat der 16. Senat des OLG M zudem mit Beschluss vom 03.11.2004 – ##
Wx ###/## – Stellung genommen. Auch die Entscheidung ist dem Beteiligten zu 1 als
damaligen Verfahrensbevollmächtigten bekannt.
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Soweit sich die Beschwerde auf die Entscheidung des Landgerichts G vom ##.##.2001
beruft, kann auch dies hier nicht zu einer abweichenden Entscheidung führen. Die
Situation dort vor acht Jahren besagt nichts über die Abschiebemöglichkeiten nach J
heute. Gleiches gilt für die vorgelegte Entscheidung des KG vom 08.09.2003, in der es
u.a. heißt: "Aus dieser (Auskunft) hat sich ergeben, dass es … in keinem der aus der
Aufstellung ersichtlichen Fälle gelungen ist, innerhalb von sechs Monaten ein
Passersatzpapier zu beschaffen. … Die Feststellung des Landgerichts, dass danach in
G jedenfalls derzeit eine Passbeschaffung … nicht möglich sei, ist deshalb nicht zu
beanstanden". Hieraus ist indes nach Auffassung der Kammer nichts Entscheidendes
für das vorliegende Verfahren herzuleiten.
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Von einer erneuten Anhörung der Betroffenen hat die Kammer ausnahmsweise
abgesehen, da neue entscheidungserhebliche Tatsachen sich im Laufe des
Beschwerdeverfahrens nicht ergeben haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 14,15 FEVG.
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Wert des Beschwerdegegenstandes: 3.000.- €
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